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Jesuitenbibliothek im Stadtpfarramt St. Martin

Adresse. Pfarrgasse 18, 87600 Kaufbeuren [Karte]
Telefon. (08341) 4533
Telefax. (08341) 7 35 74

Unterhaltsträger. Stadtpfarramt St. Martin Kaufbeuren
Funktion. Ordensbibliothek; für wissenschaftliche Zwecke nach Genegung auch Außenstehenden zugänglich.
Sammelgebiete. 1. Allgemeine Sammelgebiete: Theologie, Philosophie, Geschichte. 2. Besondere Sammelgebiete: Religionspädagogik, Katechetik.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nur nach persönlicher Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung und vorherige Genegung erforderlich. Fußwegnähe vom Bahnhof (ca. 15 Minuten).

A 7, Ausfahrt Leubas. Parkmöglichkeiten am Haus.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Im Zuge der Gegenreformation war im Herbst 1627 die kleine Füssener Jesuitenresidenz in die Freie Reichsstadt Kaufbeuren verlegt worden, um die katholische Gemeinde nach Jahren der Streitigkeiten mit den Anhängern der reformierten Lehre innerlich zu erneuern und dem Seelsorgermangel in der Stadt abzuhelfen. Eine Delegation Kaiser Ferdinand II. führte damals mit rücksichtsloser Härte die Restitution des katholischen Bekenntnisses durch. Den drei Jesuitenpatres waren zahlreiche Aufgaben zugedacht, insbesondere die Übernahme des Predigeramts in St. Martin, aber auch die Erziehung der Jugend. Mit dem Umzug von Füssen wurde auch die dortige Bibliothek nach Kaufbeuren überführt. Zusätzlich schenkte der Augsburger Bischof der Residenz mindestens 150 Bücher. Der anfängliche Bestand von etwa 500 Bdn wurde in den folgenden Jahren in bescheidenem Umfang vermehrt, namentlich durch Predigtbücher. Manches davon, insbesondere Inkunabeln, ist wahrscheinlich bei Plünderungen in den folgenden Kriegsjahren abhanden gekommen.

1.2 Was die Wirren des Dreißigjährigen Krieges nicht bewirken konnten, das erreichten die Beschlüsse des Westfälischen Friedens. Die Jesuiten, denen es in den Kriegsjahren sogar gelungen war, ein Gymnasium einzurichten, mußten 1649 die Stadt verlassen, weil das Jahr 1624 als Normaljahr für den Stand der " Religionssachen" im Friedensschluß festgeschrieben wurde. Nach vielen Rechtsstreitigkeiten bis hin zum Reichstag erreichten es die Jesuiten 1652, wieder in ihre Residenz zurückzukehren. Die Freie Reichsstadt Kaufbeuren war als " urbs mixta" im Rat der Stadt weitgehend von Lutheranern bestimmt, während etwa ein Drittel der ca. 3000 Einwohner katholisch war.

1.3 In der zweiten Hälfte des 17. Jhs lebten die jeweils zwei Jesuitenpatres in großer Armut und mußten ihre Tätigkeit auf die Seelsorge beschränken. Dennoch fanden neben Predigtvorlagen manche Bücher, vor allem zu den kontroversen Religionskonflikten, Eingang in die Bibliothek. Bei den katholischen Bürgern bestand weiterhin der Wunsch nach einem Jesuitengymnasium. Seit 1712 versetzte der Stadtpfarrer Thomas Damian Kuile das Kolleg durch erhebliche Geldstiftungen in die Lage, ein eigenes Gymnasium aufzubauen. Fünf weitere Patres unterrichteten hier. 1725 verließen erstmals Schüler die Schule, deren Größe bis zu 80 Schülern in 6 Klassen anwuchs, eine für das damalige Kaufbeuren erstaunliche Zahl. In den Jahren zwischen 1710 und 1774 war das Jesuitengymnasium die bedeutendste Schule der Stadt.

1.4 Neben zahlreichen Büchern aus Schenkungen oder Nachlässen kam 1734 nach dem Tod des " Fundatoris Gymnasii" dessen Büchersammlung von 834 Titeln an die Bibliothek. Kuiles Stiftungen erlaubten ab 1725 die Anschaffung einer zunehmenden Zahl von Büchern. In diesen Jahren wurde die Bücherei in sieben Regalen oder Schränken aufgestellt und nach den üblichen Sachgebieten gegliedert: Dogmatik, Moraltheologie, Exegese, kirchliche Rechtsfragen, Asketik, Sprachen und Historie. Das Jahr 1774 brachte mit der Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. ein plötzliches Ende.

1.5 Danach führte die ehemalige Jesuitenresidenz und mit ihr die Bibliothek nurmehr ein Schattendasein. Die Jesuitenpatres blieben als Hilfspriester in der ehemaligen Residenz. Die " Kuile'sche Hilfspriesterstiftung" sorgte finanziell für die Ex-Jesuiten und ihre Nachfolger, die das ganze 19. Jh hindurch an einer Lateinschule unterrichteten. Seit 1832 wurden auch evangelische Schüler zugelassen. 1904 wurde diese Schule in ein Staatliches Progymnasium umgewandelt. Im Jahre 1984 zog das Katholische Stadtpfarramt in das ehemalige Jesuitenkolleg. So konnten auch die Buchbestände an ihrem angestammten Platz untergebracht werden.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek besitzt neben 68 Inkunabeln 3040 Titel aus der Zeit vor 1900. Aus dem 16. Jh stammen 582 Titel, aus dem 17. Jh 1295, aus dem 18. Jh 1066 und aus dem 19. Jh 97. Der ursprüngliche Bestand dürfte um etwa 300 bis 500 Titel höher gelegen haben.

2.2 Während alle Inkunabeln außer einer in lateinischer Sprache geschrieben sind, entfallen im 16. Jh auf Latein 457 Titel und auf Deutsch 122. Im 17. Jh sind 905 Titel lateinisch abgefaßt, 364 deutsch, 19 französisch und 7 italienisch; im 18. Jh 653 lateinisch, 369 deutsch, 30 französisch und 13 italienisch; im 19. Jh 16 lateinisch und 79 deutsch. Nur einzelne Bücher sind in englischer, griechischer oder polnischer Sprache.

Systematische Übersicht

2.3 Theologische Literatur macht den Hauptbestand der Bibliothek aus. Bei den Kirchenvätern fallen die Werke von Johannes Chrysostomus (13 Titel) auf. Augustinus ist mit 13 Titeln vertreten, darunter die Opera omnia von 1541. Je 5 Inkunabeln stammen von Augustinus, Gregor dem Großen und Pelbart von Themeswar, 3 von Thomas von Aquin, je eine von Hieronymus und Gratian.

2.4 Neben Ausgaben des Neuen Testamentes ( z. B. der Vulgata) sind zahlreiche exegetische Einzelschriften vorhanden, dazu Bibelkommentare aus dem gesamten Zeitraum (83 Titel), sowohl von katholischen als auch von protestantischen Autoren ( z. B. Luther). Mehrbändige moraltheologische Gesamtdarstellungen wie Bücher zu Einzelfragen waren für die Seelsorgetätigkeit von Bedeutung, doch sind auch scholastische und dogmatische Schriften vertreten (52), darunter 10 Werke von Thomas von Aquin. Asketische Literatur nimmt einen breiten Raum ein, insbesondere Bücher zu Exerzitien, aber auch Meditationen sowie spirituelle Theologie, Stundenbücher und Breviere. Entsprechend dem Predigtauftrag der Jesuiten liegen zahlreiche meist mehrbändige Predigtbücher vor (108), das älteste von 1499. Neben allgemeinen hagiographischen Schriften fallen besonders die über Heilige aus dem Jesuitenorden ins Gewicht.

2.5 Stark vertreten ist gemäß der Zielsetzung der Jesuiten die polemische Literatur gegen Lutheraner, Calvinisten und Zwinglianer. Sowohl Werke der Gegenreformation ( z. B. Eck mit 12 Titeln, Bellarmin mit 10, Cochläus mit 3) als auch Schriften der Reformatoren ( z. B. von Luther und Melanchthon) sind vorhanden, darunter zahlreiche deutsche Schriften zu Einzelereignissen. Daneben finden sich Streitschriften für oder gegen die Jesuiten.

2.6 Juristische Literatur nimmt einen breiten Raum ein, darunter Veröffentlichungen zum Völkerrecht sowie Rechts- und Polizeiverordnungen. Das Kirchenrecht ist mit Kommentaren zum Jus Canonicum (42) und zum Codex Justinianus (12) vertreten. An philosophischem Schrifttum finden sich Handbücher zur Geschichte der Philosophie und allgemeine Abhandlungen zu Einzelfragen sowie Werke zur Metaphysik, Logik und Naturphilosophie.

2.7 Weniger häufig, doch mit den wesentlichen Titeln vorhanden sind Werke zur Kirchengeschichte, besonders zu den Konzilien; auch einzelne Titel zur Missionsgeschichte finden sich. Zahlreich sind historische Werke aus dem 17. Jh: deutsche Schriften über politische Händel zwischen Schweden, Polen, Frankreich und den deutschen Reichsfürsten, außerdem über Begebenheiten in einzelnen Orten. Für die Ortsgeschichte sind die handschriftlichen Aufzeichnungen der Jesuiten bedeutend (Diarien der Residenz Kaufbeuren in 5 Bdn).

2.8 Bei der pädagogischen Literatur fallen zahlreiche Katechismen ins Gewicht, dazu Schriften zu Einzelfragen. Unter den Schulbüchern der Jesuiten sind die Lektüreausgaben gängiger lateinischer Autoren zu nennen. Neben historischen Grammatiken und Wörterbüchern finden sich Veröffentlichungen zu Stilistik und Rhetorik. Schwach vertreten ist die Belletristik. Neben den Jesuitenautoren Jakob Balde, Jakob Bidermann und Friedrich von Spee sind Johann Michael Sailer und, für die französische Literatur, Molière zu nennen. Mathematik und Naturwissenschaften weisen einen nur spärlichen Bestand auf, ebenso Geographie. Von den 12 Jesuitendramen ist eines in Kaufbeuren entstanden (Iter in novum mundum: das ist: Der in Teutschland kein Teutschland findende Tuisco, Kaufbeuren 1727); daneben sind einige Periochen und Schulthesen im Bestand.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Alphabetischer Katalog der Jesuitenbibliothek

[in Zettelform; nach hauseigenen Regeln um 1985 nach Neuordnung der Bücherei angelegt]

Standortkatalog [hschr.; 1898 angelegt]

Die Bestände sind nicht im Bayerischen Zentralkatalog nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Alter Katalog der Jesuitenbibliothek

[um 1800 verloren gegangen]

Standortkatalog [hschr.; 1835 angelegt]

Standortkatalog

[um 1845; Neufassung des vorigen; beide Kataloge erfaßten nur einen Teilbestand]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Schmauch, Hans Peter: Das Jesuitengymnasium in Kaufbeuren. In: 125 Jahre Oberrealschule mit Gymnasium, Festschrift. Kaufbeuren 1959, S. 58-80 [auch in: Kaufbeurer Geschichtsblätter 12 (1991) S. 331-334, 367-374, 414-421]

Scuch, Hans Peter: Die Kaufbeurer Jesuitenbibliothek im Pfarramt St. Martin. In: Kaufbeurer Geschichtsblätter 10 (1985) S. 238-241

Stand: Januar 1993

Hans Peter Schmauch


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.