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Bibliothek der Jesus-Kirche

Adresse. Evangelisch-Lutherisches Pfarramt, Ortsstr. 41, 07919 Kirschkau [Karte]
Telefon. (03663) 40 35 42

Unterhaltsträger. Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Kirschkau
Funktion. Historische Spezialbibliothek.
Sammelgebiete. Theologie und Kirchengeschichte (16. bis 19. Jh).

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche Anmeldung erwünscht. - Busverbindung von Schleiz oder Zeulenroda bis Haltestelle Abzweig Kirschkau, von dort Fußwegnähe (ca. 10 Minuten). A 9 (E 49/51), Ausfahrt Schleiz, B 94 Richtung Zeulenroda. Parkplatz vor dem Gebäude.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das Bauerndorf Kirschkau im ehemaligen Fürstentum Schleiz ist ein kleiner Ort, der im 18. und 19. Jh zwischen zwei- und dreihundert Einwohner zählte. Die Dorfkirche wurde zwischen 1751 und 1753 durch den Schleizer Hofmaler und Baumeister Johann Gottlieb Riedel (1721-1791) erbaut und gilt als " Juwel feinster und reifster Rokokoarchitektur". Bauherr der Kirche war der oberste Schutzherr und Bischof der kleinen Landeskirche, Heinrich XII. Reuß j. L. (1716-1784), der das Fürstentum Reuß-Schleiz seit 1744 regierte. Er veranlaßte den Abriß der über 250 Jahre alten Kirche und legte am 2. April 1751 selbst den Grundstein für den Neubau, der am 29. Juni 1753 eingeweiht wurde. Manuskripte, die Heinrich XII. zwischen 1756 und 1757 sorgfältig in Latein erstellte, darunter ein Gebetbuch, " verbarg" er am 3. Januar 1758 in der Kirche. Sie befinden sich heute im Bibliotheksbestand (Nr. 196-198).

1.2 Die Kirchenbibliothek wurde vermutlich im ausgehenden 16. Jh gegründet. Den ersten Beleg für ihre Existenz stellt eine Erwerbung aus dem Jahre 1704 dar. Der weitere Aufbau der Bibliothek wurde durch Heinrich XII. gefördert. Zur Einweihung der neuen Kirche stifteten Pfarrer und Superintendenten aus Schleiz und Umgebung Bücher. Die ehemals umfangreiche Sammlung an Lutherdrucken (" Originalia Lutheri") geht auf den Geraer Rat Wilhelm Heinrich Stockmann zurück ( s. u. 2.8). Nachfolger Heinrichs XII. wurde sein Sohn Heinrich XLII. Reuß j. L. (1752-1818; reg. seit 1784, seit 1806 Reichsfürst). Ihm verdankt die Bibliothek wertvolle Zugänge, z. B. eine " vollständige Sammlung der Geraischen Brandpredigten nebst andern dahin gehörigen Schriften".

1.3 Im Jahre 1776 entstand der erste Bibliothekskatalog, der verschollen ist. Er bildete die Grundlage für das Verzeichnis von 1821 ( s. u. 3), das heute die einzige Quelle darstellt, mit deren Hilfe man eine annähernd zutreffende Vorstellung von Umfang und Qualität der damaligen Kirchenbibliothek gewinnen kann. Ihr Umfang wurde 1842 in der Kirchen-Galerie ( s. u. 4.2) mit 370 Bdn angegeben. Davon wurden 19 als " interessante Werke" hervorgehoben, die aber bis auf 4 Nummern nicht mehr im Bestand sind.

1.4 Im Jahre 1928 wurde seitens der Kirchgemeinde die Absicht geäußert, durch den Verkauf einiger wertvoller Bücher, die " hier vollkommen zwecklos und unbeachtet lagern", die Restaurierung der Kirche zu finanzieren. Dem 1934 gefaßten Beschluß, die Bibliothek geschlossen zu verkaufen, stimmte der Landeskirchenrat der Thüringer evangelischen Kirche in Eisenach nicht zu. Er empfahl dagegen, Teile der Bibliothek, vor allem die " wertvollen und unersetzlichen Stücke", als Depositum der Eisenacher Bibliothek zu übergeben, einen Teil der Bücher zu verkaufen und eine dritte Gruppe von Büchern in Kirschkau zu belassen.

1.5 Die Kaufliste der Leipziger Universitätsbuchhandlung & Antiquariat Alfred Lorenz vom 25. Juli 1936 verzeichnet ca. 240 Stück " Separatabdrucke der Reformation", 3 arabische Handschriften (Geschenke Heinrichs XII.), eine lateinische Bibelhandschrift, die zweibändige Lufft-Bibel von 1536, die lateinische Koberger-Bibel von 1478, eine " Lutherbibel mit Eintragung" und weitere 36 Titel, die nur in Kurzform angegeben werden. Die Kirchgemeinde erhielt dafür insgesamt 2000 Mark. Am 7. September 1936 wurden die Drucke ins Ausland verkauft.

1.6 Schon kurze Zeit später wurde der Verkauf offensichtlich bereut, denn am 11. April 1941 versicherte Pfarrer Kurt Wiegand in einem Schreiben, daß er alles daran setzen werde, den in der Kirche verbliebenen " kleinen Kunstschatz" zu erhalten. Bis 1989 wurden die Bücher in zwei Schränken hinter dem Altar der Christuskirche aufbewahrt, seit 1991 sind sie im Pfarrhaus untergebracht. Die Aufstellung erfolgte nach einer 1949 vorgenommenen Numerierung ohne systematische Zuordnung.

1.7 Das Pfarrarchiv Kirschkau, das die Bibliothek verwaltet, bewahrt außerdem die Bibliothek des Filial-Kirchdorfes Lössau auf, an dessen Kirchenneubau (1763 eingeweiht) Heinrich XII. ebenfalls beteiligt war. Hinzu kommen die Kirchenbibliotheken der Nachbarorte Göschitz und Rödersdorf. Es handelt sich um kleinere, für die örtliche Kirchengeschichte bedeutungsvolle Büchersammlungen (Bibeln, Agenden, Predigtsammlungen, Erbauungsschriften, Gesangbücher und Katechismen).

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek zählt einschließlich der Deposita etwa 900 Titel, von denen 841 (93,4 Prozent) zum historischen Bestand gehören: 16. Jh 46 (5,5 Prozent), 17. Jh 96 (11,4 Prozent), 18. Jh 476 (56,8 Prozent) und 19. Jh 221 (26,3 Prozent). Hinzu kommen 2 Inkunabeln. 787 Titel (93,6 Prozent) sind deutschsprachig, 53 Titel (6,3 Prozent) lateinisch und einer russisch.

2.2 Bei den Inkunabeln handelt es sich um die Traktate De sanguine Christi und De potentia dei des Papstes Sixtus IV. (Nürnberg: Fridericus Creussner 1473; Hain 14797). Angebunden ist von Albertus Magnus De mysterio missae (Ulm: Johann Zainer 1473; GW 700).

Systematische Übersicht

2.3 Von den Bibeln und Bibelkommentaren (87 Titel; 16. Jh 16, 17. Jh 20, 18. Jh 46, 19. Jh 5) stammen aus dem 16. Jh die Biblia cum glossa Nicolai de Lyra (Basel 1506-1507), eine mit Holzschnitten ausgestattete Biblia (Leiden 1542) in Oktavformat, Johann Dietenbergers Katholische Bibel (Köln 1564) und die Stern-Bibel (Lüneburg 1665) von Lucas Osiander. Außerdem vorhanden sind eine Dilherr-Bibel (Nürnberg 1670), eine Endter-Bibel (Nürnberg 1692) aus Stockmannschem Besitz ( s. o. 1.2) und Theodor Falckeysens (Falkeisen) Biblia (Frankfurt a. M. 1693).

2.4 Im 18. Jh erschienen die Sondershäuser Bibel (1702), die Biblia pentapla (Wandsbeck, Schiffbeck und Gottorf 1710-1712), eine Mystische und Profetische Bibel (Marburg 1712) und die Berleburger Bibel (1726-1739). Die Schleizer Bibel von 1753 wurde auf Befehl Heinrichs XII. 1757 von der Rödersdorfer Kirche erworben. Vorhanden ist ferner die Antideistische Bibel (Erlangen 1766-1778) von Samuel Nelson in der Übersetzung von Georg Wolfgang Panzer.

2.5 Anzuführen sind ferner die Hypomnemata in omnes libros Novi Testamenti (Leipzig 1565) von Victorin Strigel, Der Psalter mit den Summarien Luthers (Leipzig 1570) und eine Anleitung zu gründlicher Verständniß der Heiligen Offenbahrung Jesu Christi (Frankfurt und Leipzig 1696), hrsg. von Johanna Eleonora Petersen, geb. von und zu Merlau (1644-1724). Matthes Birckner, ein " vornehmer Buchführer in Jena", stiftete 1690 der Lössauer Kirche die Erklerung über die Episteln (Magdeburg 1600) von Siegfried Saccius, die Biblia sacra (Frankfurt a. M. 1635) von Lucas Osiander, Augustana fidei confessio (Augsburg 1654), hrsg. von Johann Conrad Goebel, Evangeliographia Emblematica (Leipzig 1670) von Jacob Nicolaus Roeser und Der Exemplarische Joseph (Jena 1677) von Cyriacus Martin.

2.6 Unter den Gesang- und Gebetbüchern (33 Titel; 18. Jh 18, 19. Jh 15) finden sich Ausgaben des Schleizer Gesangbuches, David Gottfried Schöbers Geistlicher Lieder-Segen (Greiz 1749) und Etwas vom Liede Mosis (Kurztitel " Brüdergesang"; London 1753-1754).

2.7 Predigten und Erbauungsschriften zählen 202 Titel (16. Jh 10, 17. Jh 13, 18. Jh 141, 19. Jh 38). Als Autoren sind u. a. Johann Anastasius Freylinghausen, Johann Gottlob Heym und Karl Gerok zu nennen. Aus der Provenienz Heinrichs XII. gelangte Johann Taulers Predigt fast fruchtbar zu eim recht christlichen leben (Basel 1521) in die Bibliothek. Vorhanden sind Pythonissa endora, Das ist: Acht und zwantzig Hexen- und Gespenstpredigten (Frankfurt a. M. 1660) von Bernhardus Waldscdt (i. e. Ferdinand Albrecht I., Herzog zu Braunschweig-Lüneburg-Bevern), Der allezeit fertige Geistliche Redner (Leipzig 1701) von Nicolaus Haas, Des Herrn Grafen von Zinzendorff Inhalt einiger öffentlicher Reden (Leipzig und Altona 1749), Gott im Kriege, oder Predigten zur Kriegszeit gehalten (Naumburg 1763) von Johann Christian Ritter und Die neue Hauspostille (Breklum 1888) von Christian Jensen.

2.8 Unter den Reformationsschriften (45 Titel; 16. Jh einer, 17. Jh 14, 18. Jh 29, 19. Jh einer) ist ein Sammelband mit 12 Drucken bemerkenswert, der u. a. Luthers Psalmenauslegungen, Der CI. Psalm (Wittenberg 1534) und Der Hu[n]dert vnnd Eylfft Psalm (Wittenberg 1530), sowie die Predigt des Arnstädter Superintendenten Friedrich Roth, Der Sechzehende Psalm des Königs und Propheten Davids ([Erfurt] 1540), enthält. Der Band verblieb in Kirschkau, während die übrigen 240 Reformationsdrucke der Sammlung Stockmann veräußert wurden. Erhalten blieben ferner Luthers Schrifften und Wercke (Leipzig: Zedler 1729-1740).

2.9 Die Confessionsschrifft Etlicher Predicanten in den Herrschafften Graitz, Geraw, Schonburg ... ( o. O. 1567) ist auch in den Ausgaben von 1599 (Jena; 3 Exemplare) und von 1699 (Gera: Wolfgang Adrian Werther) vorhanden; ferner Anti-PraeAdamita (Amsterdam 1659) von Paul Felgenhauer, Die neusten Offenbarungen Gottes in Briefen und Erzählungen (Riga 1773) in der Übersetzung von Carl Friedrich Bahrdt und Bernhard Weiß' Lehrbuch der biblischen Theologie des Neuen Testaments (Berlin 1888).

2.10 Mit Geschichte und Kirchengeschichte befassen sich 105 Titel (12,5 Prozent; 16. Jh 17, 17. Jh 42, 18. Jh 30, 19. Jh 16). Die Gruppe enthält auch Kontroversliteratur. Zu nennen sind die Historien Der Heyligen Außerwölten Gottes Zeugen (Straßburg 1556-1557) von Ludovicus Rabus (1524-1592), der HussitenKrieg (Nürnberg 1621) von Zacharias Theobald, dem die Confessio Bohemica (Nürnberg 1621) beigedruckt ist, Die Quint-Essenz Der Ketzermacher (Frankfurt a. M., Berlin und Hamburg 1728) von Christian Schöne, Kurze, zuverläßige Nachricht von der, unter dem Namen der Bösch-Mährischen Brüder bekanten Kirche Unitas Fratrum Herkommen ( o. O. 1757) von David Cranz und Patriotische Briefe zur Vermahnung und zum Troste bey dem jetzigen Kriege (Berlin und Potsdam 1758-1759) von Adolph Dieterich Ortmann.

2.11 Kirchenrecht, Agenden, liturgische Schriften sind mit 71 Titeln im Bestand (8,5 Prozent; 16. Jh einer, 17. Jh 4, 18. Jh 25, 19. Jh 41), darunter ein Speciale missarum secundum chorum Bambergensium (Bamberg 1506) aus der Rödersdorfer Pfarrbibliothek, ein Vollständiges Kirchen-Buch (Leipzig 1743) und eine Agenda (Leipzig 1734).

2.12 Unter den 96 Titeln der Gruppe " Geographie, Naturwissenschaften" (11,4 Prozent; 18. Jh 83, 19. Jh 13) befinden sich zwei Karten-Sammelbände und das von Karl Friedrich Vollrath Hoffmann herausgegebe Werk Europa und seine Bewohner (Stuttgart und Leipzig 1835-1841). Mit Sprache und Literatur befassen sich 17 Titel (16. Jh einer, 17. Jh 2, 18. Jh 9, 19. Jh 5), mit Pädagogik und Katechetik 11 Titel (17. Jh einer, 18. Jh 6, 19. Jh 4). Hinzu kommen 2 Nachschlagewerke.

2.13 Der Zeitschriftenbestand umfaßt 172 Bde (20,5 Prozent; 18. Jh 90, 19. Jh 82). Die periodische Schrift Altes und Neues Aus dem Schatz Theologischer Wissenschafften hervorgebracht (1-2, 1701-1702) wurde von Valentin Ernst Löscher begründet und ist unter wechselndem Titel bis 1761 vorhanden. Die Annales (1-5, 1701/10-1741/50) stammen aus dem Vorbesitz von Johann Jacob E(h)rhard(t) (um 1694-1761), Pfarrer in Dittersdorf und Leutlitz. Vorhanden ist außerdem das Neue Magazin für Prediger (1-10, 1792-1802), fortgesetzt als Magazin für Prediger (1-8, 1803-1816) und Magazin für christliche Prediger (1-5, 1816-1827; 1-21, 1828-1848).

3. KATALOGE

Bestandsverzeichnis der Kirschkauer Bibliothek von 1821 [in Bandform]

Verzeichnis der am 31. Juli 1949 in den Büchereien Kirschkau, Lö und Lössau vorhandenen Bücher [Bestandsliste, mit Ergänzungen]

Bücherbestandsverzeichnis der Pfarramtsbibliothek zu Göschitz. Stand: 8. September 1994 [in Listenform]

Bücherbestandsverzeichnis der Pfarramtsbibliothek Lössau. Stand: 7. November 1994 [in Listenform]

Bücherbestandsverzeichnis des Pfarramtes Rödersdorf. Stand: 7. Dezember 1993 [in Listenform]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Pfarrarchiv Kirschkau: A III 1a: Vermögensbestand und Verhandlungen. Kirchenbüchereiwesen. 1882-1939

Acta der Jesuskirche. 1753-1856 (Bibliotheks-Sign.: 218) Schloß

Burgk, Historisches Archiv: Nachlaß Hänsel [enthält ein undatiertes Verzeichnis der Folio-Bände, Lutherdrucke und Reformationsschriften der Kirschkauer Bibliothek]

4.2 Darstellungen

Walz, Ernst Karl: Kirschkau. In: Kirchen-Galerie der Fürstlich Reußischen Länder. Abt. 2. Die Ephorien Greiz, Schleiz & Lobenstein nebst dem Inspectionsamte Saalburg. Dresden [1843], S. 27-28

Stand: Juli 1997

Felicitas Marwinski


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.