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Knihovna kláštera kapucín

Bibliothek des Kapuzinerklosters


Adresse. Kapucínské námestí 5, 602 00 Brno
Telefon. (05) 42 21 32 32

Unterhaltsträger. Ceskomoravská provincie kapucínského rádu [Böhmisch-mährische Provinz des Kapuzinerordens]
Funktion. Klosterbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wurde zwischen 1950 und 1993 nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Rücksprache mit dem Klostervorstand. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Gedruckte Informationen. Vladislav Dokoupil: Knihovna kláštera kapucínu v Brne. Prvodce pro exkurze [Die Bibliothek des Kapuzinerklosters in Brünn. Führer für Exkursionen]. Brno 1965.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche Anmeldung erforderlich. Fußwegnähe vom Hauptbahnhof. - Keine Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Kapuzinermönche kamen im Jahr 1604 nach Brünn, wo ihnen der damalige Landeshauptmann Ladislav Berka von Dub-Lipa vor dem sogenannten Mönitzer Thore ein Kloster und eine Kirche erbauen ließ, die 1606 geweiht wurden. Die Klosterbibliothek muß bereits früh entstanden sein, da sich in den Büchern Besitzeinträge aus den Jahren 1606, 1609, 1612, 1614 und 1615 befinden. 1618 ist bereits der Vermerk Catalogo inscriptus eingetragen worden, der erwähnte Katalog ist jedoch leider nicht mehr vorhanden. Da die Kapuziner ein Bettelorden waren, erhielten sie die meisten Bücher durch Schenkungen oder aus Nachlässen. Davon zeugen die Besitzeinträge verschiedener Stifter und Vorbesitzer. Darunter sind der Brünner Domherr Vinzenz Vourius, der Stadtpfarrer Michael Schwab (

†1613, etwa 50 Bücher), der Prior der Augustiner J. V. Barnabaeus (Schenkung 1620), ferner Franz Hovorius (1633) und der Stadtpfarrer Johann Paschasius (1641-1643). Eine große Erweiterung des Bestandes ergab sich auch durch die Teilnahme der Kapuziner an der Gegenreformation, als beschlagnahmte nicht-katholische und lutherische Bücher als libri prohibiti in die Abteilung der verbotenen Bücher eingereiht wurden. Kapuzinerkloster

1.2 Wegen der drohenden Belagerung Brünns durch die Schweden im Jahre 1645 wurde das Klostergebäude abgebrochen. Die Ordensbrüder wurden zunächst im alten Rathaus und in einem Haus beim Bischofshof am Krautmarkt untergebracht. 1648 schenkte ihnen Graf Franz von Magnis ein Haus auf dem Kohlmarkt zum Aufbau eines Klosters, das zwischen 1648 und 1651 errichtet wurde. Die Bibliothek entwickelte sich auch hier vor allem durch Schenkungen. Unter den Stiftern waren der Pfarrer in Kunštát [Kunstadt] Bernhard Voscinius (†1667, etwa 50 Bücher), der Brünner Drucker Jakob Maximilian Swoboda († 1736), der von den Kapuzinern specialis benefactor noster genannt wurde, sowie Nikolaus Bellaci († um 1753, über 60 Bücher).

1.3 Als Vermächtnis des bekannten Pandurenobersten Franz Freiherr von der Trenck, der als Staatsgefangener 1749 auf dem Spielberg verstarb und in der Klosterkirche beigesetzt wurde, erhielt das Kloster eine Kapitalstiftung von 4000 Gulden. Diese wurde jedoch vom Fiskus angefochten und erst durch Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1753 genehmigt. Nach der Überlieferung hängt die Vergrößerung des Klosters und die Errichtung des sogenannten Trenckschen Traktes mit dieser Schenkung zusammen. Hier befinden sich auch die Bibliotheksräume, die zwischen 1753 und 1773 entstanden. Der Bibliothekssaal besitzt eine originale Rokoko-Ausstattung, zu der als Curiosum eine verglaste Nische gehört, in der ein Menschenskelett ausgestellt stand. Zu erwähnen ist ferner das Deckenfresko von Josef Stern (1716-1775?). Die Bücherrücken wurden einheitlich mit grauer Ölfarbe angestrichen und mit schwarzen Aufschriften versehen. Diese Buchausstattung ist für die Kapuzinerbibliotheken in Böhmen und Mähren typisch.

1.4 Seit Anfang des 19. Jhs gingen die Bucherwerbung und die Benutzung der Bibliothek immer weiter zurück. Im Jahre 1950 wurde sie, nach der Aufhebung der Klöster durch den Tschechoslowakischen Staat, unter die Verwaltung der Brünner Universitätsbibliothek gegeben. Die Rückgabe an die Kapuziner erfolgte 1993 im Rahmen der Restitutionsmaßnahmen.

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der Gesamtbestand umfaßt mehr als 7000 Bde. Davon entfallen 53 Bde auf das 15. Jh, etwa 540 auf das 16. Jh, 1500 auf das 17. Jh, 4000 auf das 18. Jh und 1000 auf das 19. Jh.

2.2 Bei der sprachlichen Gliederung überwiegen lateinische Titel (ca. 62 Prozent), gefolgt von deutschsprachigen (ca. 32 Prozent). Daneben gibt es nur etwa 210 Titel in tschechischer Sprache (davon 143 Alte Drucke) und ca. 200 Titel Alter Drucke in italienischer (je etwa 3 Prozent). Die für eine mährische Klosterbibliothek vergleichsweise hohe Zahl italienischer Drucke erklärt sich daraus, daß die ersten Mönche aus Italien stammten und eine Reihe von Büchern mitbrachten.

2.3 In der Bibliothek gab es ursprünglich 70 Inkunabeln, die 1945 kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges in das Prager Kapuzinerkloster gebracht worden waren. Nach 1950 gelangten sie in das Prager Museum für böhmische Literatur [Památník národního písemnictví] in Strahov, von wo sie 1955 wieder nach Brünn zurückgegeben wurden. 17 Inkunabeln gingen verloren. Heute umfaßt der Bestand 53 Inkunabeln in 41 Bdn (52 lateinische, eine deutschsprachige). Sie stammen aus Straßburg (9), Basel und Nürnberg (je 7), Venedig (6), Rom (5), Leipzig (4), Köln (3), Augsburg und Hagenau (je 2), Brünn (2 Einblattdrucke), Mailand, Neapel, Pavia, Reutlingen, Speyer und Tübingen (je eine).

2.4 Deutschsprachige Drucke des 16. Jhs stammen aus Augsburg (8), Basel (8), Bautzen, Bern, Coburg, Dillingen (6), Dresden, Eisleben, Erfurt, Frankfurt a. M. (21), Frankfurt/Oder, Graz, Heidelberg, Ingolstadt (12), Jena, Köln (7), Konstanz, Lauingen, Leipzig (9), Lemgo, Magdeburg (7), Mainz, München, Neiße, Neustadt a. d. Hardt, Nürnberg (9), Oberursel, Posen, Prag, Straßburg (12), Tübingen, Wittenberg (9), Zürich, Znojmo-Louka [Bruck a. d. Thaya], und Zwickau (6). 6 Drucke sind ohne Ortsangabe erschienen. Darüber hinaus stammen einige lateinische Drucke aus Amberg, Freiburg i. Br., Hagenau, Hanau, Helmstedt, Hof, Regensburg, Schwäbisch Hall, Tegernsee und Wien.

Systematische Übersicht

2.5 Von den 53 Inkunabeln, die weiterhin in der Brünner Universitätsbibliothek als Deponat aufbewahrt sind, betreffen 31 Titel (59 Prozent) die Theologie, je 4 Philosophie und Medizin, je 3 Naturwissenschaften und Kirchenrecht. Weiter finden sich zwei Einblattkalender und je ein Titel zum Römischen Recht, zur Philologie und zum Hexenwesen (Ulrich Molitor, De lamiis et phytonicis mulieribus dialogus, Leipzig 1495). Die einzige deutschsprachige Inkunabel ist der Almanach auf das Jahr 1494 (Nürnberg: Kaspar Hochfeder o. J., GW 1491), die älteste Inkunabel ist Caecilius Cyprianus, Opera (Venedig: Johann und Wendelin von Speyer 1471, GW 7884).

2.6 Die Drucke des 16. Jhs (540 Titel) umfassen Schriften zu allen Wissensgebieten. Im 16. Jh steigt der Anteil deutschsprachiger Titel aufgrund einer großen Anzahl reformatorischer Schriften auf nahezu 30 Prozent an (160 Titel). Unter den deutschen Drucken überwiegt die Theologie (101 Titel, 63 Prozent), in deren Bereich die 61 nicht-katholischen Titel dominieren. Es sind nicht nur die Schriften von Luther (16 Titel) und Melanchthon vertreten, sondern auch Werke von Johann Aepinus, Jakob Andreä, Georg Fürst zu Anhalt, Theophil Baldanus, David Chytraeus, Johann Friedrich Cölestinus, Joachim Curäus, Michael Eychler, Matthias Flacius, Nikolaus Gallus, Elias Hasenmüller, Kaspar Huberin, Andreas Hyperius, Polykarp Leyser, Johann Mathesius, Johannes Matthäus, Andreas Musculus, Kaspar Olevian, Christoph Pezel, Hieronymus Rauscher, Adam Reissner, Heinrich Salmuth, Erasmus Sarcerius, Abraham Scultetus, Nikolaus Selnecker, Johann von Schwarzenberg, Johannes Stössel, Rudolf Walther und Johann Wieland.

2.7 Katholische Theologie ist im 16. Jh durch polemische und homiletische Literatur vertreten. Der profane deutsche Bestand gliedert sich in Geschichte (15 Titel), Medizin (12 Titel, 5 Werke von Paracelsus), Recht (11), Geographie (6), Übersetzungen der Klassiker (Homer, Plutarch, Suetonius, Xenophon), Anstandsbücher (3) und Wörterbücher (2). Je ein Titel ist der Mathematik, Astronomie und Alchemie zuzuordnen sowie den Bereichen Prophezeiungen, Sprichwörter und Unterhaltung (Johann Pauli, Das Buch Schimpff und Ernst genannt, Augsburg 1542).

2.8 Die fachliche Aufteilung der anderern Alten Drucke (1601 bis 1800) läßt sich anhand der alten Signaturen nachvollziehen. Obwohl die Bücher heute nach Formaten aufgestellt sind, waren sie ursprünglich in 21 Sachgruppen geordnet: Bibelausgaben (A); Exegetische Literatur und Kirchenväter (B); Dogmatische Theologie (C); Scholastik (D); Homiletik (E-F); Aszetische und kontemplative Literatur (G-H); Zivil- und Kirchenrecht (I); Polemische Literatur und gegenreformatorische Schriften (K); Pastoraltheologie (L); Geschichte (M-N); Philosophie (O); Politik, Militärwesen und Lexika (P); Liturgik (Q); Medizin (R); Ordensregeln, Ordenswesen und Liturgik (S); Klassische Literatur, Poetik und Rhetorik (T); Philologie (V); Italienische Bücher (Y). Dem Umfang nach überwiegt die Theologie, insbesondere die homiletische und aszetische Literatur; gut vertreten ist ebenfalls die scholastische Philosophie, da das Kloster ein theologisches Hausstudium anbot.

2.9 Die deutsche Barockliteratur ist vertreten durch Matthias Abele, Metamorphosis telae judiciariae (Nürnberg 1661); 6 Werke von Abraham a Sancta Clara, darunter Auff, auff Ihr Christen (Wien 1684); Jakob Balde, Teutscher Poeten Eyferig: und ...ehren Lied Agathyrs (München 1647); Albert Curtz, Harpffen Davids (Augsburg 1669); Evander, Geheime Nachrichten, des unglücklichen Ritters Floramondi (Frankfurt und Leipzig 1735); das Liederbuch Ehrliche Gemüths-Erqui"ckung (o. O. 1677); Johann Gottfried Gregorii, Der curieuse und gelehrte Historicus (Frankfurt uned Leipzig 1712); Hugo Grotius, übersetzt von Martin Opitz, Von der Warheit der Christlichen Religion (Breslau und Brieg 1631); Antonio de Guevara, Hof-Schul (München 1602); Laurentius von Schnüffis, Mirantisches Flötlein (Konstanz 1682); John Owen, Teutschredender Owenus (Jena 1661); Neu-vermehrtes Hamburgisches Reise- und Hand-Büchlein (Hamburg 1683); François de Rosset, Wunderlich vnd trawrige Geschichten (Ulm 1655); Johann Angelus Silesius, Geistreiche Sinn vnd Schlussreime (Glatz 1675) sowie Germanus Warheit [pseud.], Schola curiositatis (o. O. in den Ausgaben 1690 und 1694).

2.10 Unter den deutschsprachigen Drucken des 18. und 19. Jhs sind vorwiegend homiletische Werke. Aus dem deutschen Sprachgebiet stammen zahlreiche kirchenrechtliche und kirchengeschichtliche Werke in lateinischer Sprache. Beispielsweise ist vorhanden Claude Fleury, Historia ecclesiastica (Augsburg 1758-1779 in 63 Bdn; 2. Aufl. Augsburg 1768-1790 in 76 Bdn).

3. KATALOGE

3.1 Moderne allgemeine Kataloge

Alphabetischer Katalog

[Zettelkatalog; nach PI; begonnen von den Kapuzinern kurz vor 1914 für etwa ein Drittel des Bestandes (Nr. 1-1241), fortgesetzt von der Universitätsbibliothek]

Standortkatalog

[Zettelkatalog; aus Kopien des Alphabetischen Katalogs]

Typographischer Katalog für Bohemica

[nach Städten und Druckern aus der Tschechoslowakei geordnet]

3.2 Moderne Sonderkataloge

Dokoupil, Vladislav: Soupisy prvotisk, spravovaných Universitní knihovnou v Brne. 5. Klášterní knihovna kapucín v Brne [Verzeichnisse der von der Universitätsbibliothek in Brünn verwalteten Inkunabeln. 5.  Klosterbibliothek der Kapuziner in Brünn]. Brno 1956 [vervielfältigt]

Dokoupil, Vladislav: Soupisy tisk 16. století. Klášterní knihovna kapucín v Brne [Verzeichnis der Drucke des 16. Jhs. Klosterbibliothek der Kapuziner in Brünn]. Brno 1955 [vervielfältigt; Alphabetischer Katalog; nach PI; mit vielen Registern; Ergänzungen (14 Titel) in Bdn 9 und 10 der Reihe]

Die Inkunabeln, Postinkunabeln 1501-1520 (36), Alten Drucke aus der Slowakei (56), Brünner Drucke, Alten Musikdrucke und Comeniana (ein Titel) sind in den entsprechenden Gesamtkatalogen der Mährischen Landesbibliothek verzeichnet (s. Eintrag dort, 3.2).

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Elvert, Christian d': Die Bibliotheken der Kapuciner in Brünn, Fulnek, Olmütz, Trebitsch und Znaim. In: Schriften der historisch-statistischen Sektion der k.u.k. mähr. schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Heft 3. Brünn 1852, S. 95

Volný, Rehor: Das Kloster und die Kirche der PP. Kapuziner. In: ders.:

 Kirchliche Topographie von Mähren. 2. Abt. Brünner
Diöcese. Bd 1. Brünn 1856, S. 60-61

Rabas, Vavrinec: Rád kapucínský a jeho psobení v Cechách v 17. století [Der Kapuzinerorden und seine Wirkung in Böhmen im 17. Jh]. Praha 1938, S. 49-50

Horák, František: Klášterní knihovny v ceských zemích [Die Klosterbibliotheken in den böhmischen Ländern]. In: Knihovna. Vedecko-teoretický sborník [Die Bibliothek. Wissenschaftlich-theoretischer Sammelband] 6 (1966) S. 219-268 [zur Brünner Kapuzinerbibliothek S. 243 und Abb. 12]

Dokoupil, Vladislav: Knihovna kláštera kapucín v Brne [Die Bibliothek des Kapuzinerklosters in Brünn]. In: ders.: Dejiny moravských klášterních knihoven ve správe Universitní knihovny v Brne [Die Geschichte der mährischen Klosterbibliotheken unter der Verwaltung der Universitätsbibliothek in Brünn]. Brno 1972, S. 193-212

Masson, André: Le décor des bibliothèques du Moyen Age à la Révolution. Genève 1972, S. 176 und Fig. 99

[S. a. die Vorworte zu den Sonderkatalogen in 3.2]

Stand: Juni 1992

Jaroslav Vobr

Ergänzt: April 1998


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.