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Bibliothek des Kapuzinerklosters

Adresse. Hauptplatz 39, 8430 Leibnitz [Karte]
Telefon. (03452) 829 79

Unterhaltsträger. Kapuzinerprovinz Wien
Funktion. Historische Klosterbibliothek.
Sammelgebiete. Theologie, besonders Predigt- und Aszeseliteratur.
Benutzungsmöglichkeiten. Für die Öffentlichkeit nur nach telefonischer Rücksprache. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für Benützer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benützer. Voranmeldung erforderlich. - Südbahnlinie via Graz, Fußwegnähe (ca. 10 Minuten) vom Bahnhof. - A 2 bis Graz, E 57 (A 9) bis Leibnitz.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Initiativen zur Gründung der Klosterbibliothek sind wohl um die Mitte des 17. Jhs anzusetzen. Die ersten Kapuziner kamen 1637 auf Wunsch des Magistrats nach Leibnitz (Lipnica). 1643 konnten Kirchen- und Klosterbau mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung durch Otto Gottfried Graf Kollonitsch, Geheimrat unter Ferdinand III. aus reichem steirischen Geschlecht und Erbe der Herrschaft Gleisdorf, beendet und eingeweiht werden. Das neue Kloster in Leibnitz lag in der geographischen Mitte zwischen Graz und Marburg, es war Stützpunkt der steirischen Kapuzinerprovinz (der erste Obere kam aus Graz), wurde bei der seelsorgerischen Betreuung der zahlreichen Landpfarren, Herrschaften, Märkte und Dörfer aber immer auch durch das Kloster Marburg unterstützt.

1.2 Wie Titel und Provenienzvermerke der ältesten Bücher dokumentieren, war auch die Bibliothek von der Ausrichtung auf die Seelsorge und den Kontakten zu Graz und Marburg geprägt. Über ihr Schicksal vor dem 19. Jh ist heute nichts mehr bekannt. Wir wissen, daß ab 1722 im Kloster mehrmals die Tagungen des Provinzkapitels stattfanden, daß Leibnitz von den josephinischen Klosterreformen verschont blieb und auch die Gefahr der Auflösung aus Personalmangel um 1820 überstand. Der Buchbestand dürfte währenddessen von äußeren Eingriffen unbeeinträchtigt gewachsen sein. Exlibris-Hinweise des 18. Jhs nennen die Erzbischöfe von Seckau, Pfarrer der Umgebung und neben Graz auch die Klöster Mureck und Pettau als Quellen einiger Bücherspenden.

1.3 Das erste direkte Zeugnis gibt die 1854 begonnene und in den nächsten Jahren erneuerte Bestandsbeschreibung von Kloster und Kirche, die die Bibliothek am Ende des Traktes im gegen den Markt zuliegenden Eckzimmer anführt. Wegen Platzmangels richtete man dann beim Umbau 1858 den heutigen Raum oberhalb der Sakristeitrakte, mit weißen und schwarzen Steinplatten gepflastert ein. Im nächsten Jahr verfertigte Frater Stephan Lacheiner mit drei Tischlern neben Altären und Kanzel für die Kirche die neuen, noch heute benützten Bücherschränke.

1.4 Von 1874 bis 1878 und 1885 bis 1940 wurden in Leibnitz Novizen der steirischen Provinz ausgebildet, was sich im zahlreich vorhandenen (aszetischen und theologischen) Schrifttum aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs und ersten Hälfte des 20. Jhs spiegelt. 1940 fanden Klosterleben und Bibliothek jedoch ein jähes Ende: am 29. April wurde das Kapuzinerkloster von den Nationalsozialisten aufgehoben und grundbücherlich in Gaueigentum umgewandelt. Die Patres mußten das Kloster verlassen, Kunst- und Kulturgüter wurden in Treuhandverwaltung übernommen. Den Zustand der Bibliothek nach Kriegsende beschreibt die Klosterchronik: im Sommer 1945 stand die gesamte, einstmals reichhaltige Klosterbibliothek leer. Kapuzinerkloster

1.5 Die Gestapo hatte die Bücher nach Graz gebracht und der Landesbibliothek am Joanneum einverleibt, von wo sie im Februar 1946 auf Lastwägen wieder zurückgeführt wurden. Die rücksichtslos auf die Titelblätter der ältesten Bücher gesetzten grünen NS-Stempel und daneben der Eintrag Zurückgegeben 1946 kennzeichnen heute diesen ausgelagerten Bestand. Aus der Stadtbücherei kamen Teile der Drittordensliteratur wieder zurück. Viele Werke, die von den Hausoberen in den letzten Jahren vor Hitlers Machtergreifung angeschafft worden waren, blieben jedoch verschwunden (Klosterchronik, 13. Februar 1946).

1.6 Im Herbst 1947 schloß Bibliothekar P. Altmann Fuchs die Neuordnung der Bestände ab und stellte anhand des Schlagwortkataloges 6007 Bücher und 663 Kleinschriften vom alten Bestand, 255 Bücher und Broschüren an Neueinstellungen und rund 600 fehlende Signaturen fest. In den siebziger Jahren kam die von den Patres seit 1957 im Pfortenzimmer des Klosters als Leihbibliothek geführte Volksbücherei in zwei Kästen dazu. Zwischen 1980 und 1985 leitete Provinzbibliothekar P. Heinrich Zlabinger grundlegende Restaurierungs- und Neuordnungsarbeiten, der Bestand blieb jedoch unverändert.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Den folgenden Zahlen liegt die Auszählung des einzigen Kataloges zugrunde, der den Bestand im Bibliotheksraum und die unter der Opuscula-Signatur zusammengefaßten Kleinschriften in der Kommode des Sakristeiabstellraumes über alphabetisch geordnete Schlagwörter erschließt. Die darin nicht erfaßten Bestände der Volksbücherei und andere Neuerwerbungen, die im Kasten unter 1985 vorgeordnet stehen, wurden durch Zählen am Regal ergänzt. Bücher ohne Erscheinungsjahr blieben unberücksichtigt.

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Von 6500 Titeln des Gesamtbestandes sind 3314 im 20. Jh oder ohne Jahresangabe erschienen. Die 3186 historischen Titel umfassen 2 Inkunabeln (Nikolaus de Lyra, Antoninus von Florenz), 139 Titel des 16. Jhs, 615 des 17. Jhs, 805 des 18. Jhs. Das 19. Jh ist mit 1625 Titeln, 483 aus der ersten und 1142 aus der zweiten Jahrhunderthälfte, vertreten.

2.3 62 Prozent des historischen Bestandes sind in deutscher Sprache gedruckt. Bei den 1226 fremdsprachigen Titeln handelt es sich fast ausschließlich (1111 Werke) um lateinische Literatur. 91 Werke liegen in italienischer Sprache vor, die restlichen 24 sind vor allem mehrsprachige Wörterbücher (8 französische, 6 lateinisch-griechische, 6 slowenische Titel).

Systematische Übersicht

2.4 Die Bücher sind noch nach den theologischen Hauptgruppen der alten Kapuzinerbibliotheken aufgestellt, im ausgezählten Katalog jedoch in der feingliedrigeren Ordnung nach 64 Schlagwörtern erschlossen. Die folgende Übersicht faßt mehrere der verwandten Kleingruppen zur übersichtlicheren inhaltlichen Gliederung zusammen.

2.5 Die umfangreichste Bestandsgruppe bildet mit 661 Titeln die Predigtliteratur. Sie enthält 21 Titel des 16. Jhs und 126 Titel des 17. Jhs, vorwiegend in lateinischer Sprache, die 221 Werke des 18. Jhs und 283 Titel des 19. Jhs sind mehrheitlich deutsch. 98 Titel ordnet der Katalog den allgemeinen Predigten zu, darunter auch Philipp Picinellis mit Kupfertafeln illustrierter Mundus symbolicus (Köln 1684), 109 Titel den Fastenpredigten, darunter frühe italienischsprachige des 16. und 17. Jhs, 88 den Gelegenheitspredigten, u. a. einige in Graz gedruckte, regionalgeschichtlich interessante Werke, wie Roman Zängerles vier Predigten zur Cholera-Gefahr (1831). Unter den 69 Festtagspredigten sind Johannes Taulers Sermones de tempore (1552) und die Seelen-Wayde der christlichen Schäfflen des Grazer P. Amandus (1696). Herz-Jesu- und Marien-Predigten zählen 60 Titel (darunter die Autoren Petrus Canisius, Florentius Schilling), Patroziniumspredigten 41, Sakramentspredigten 18 und Sonntagspredigten 178 Titel (Johannes Hofmeister, Thomas Stapleton).

2.6 617 Werke sind aszetischen und mystischen Inhalts. Unter den 336 unter Aszese eingeordneten Titeln befinden sich 11 aus dem 16. Jh und 114 aus dem 17. Jh, darunter frühe Beispiele volkssprachlicher (deutscher und italienischer) Frömmigkeitsliteratur. Alphons von Liguori ist mit 11 Titeln vertreten, Franz von Sales mit 6, Thomas a Kempis mit 16 (hauptsächlich De imitatione Christi in lateinischen, deutschen und italienischen Ausgaben seit 1570). Vom Jesuitenautor Jeremias Drexel liegen 21 Titel des 17. Jhs vor. Hinzu kommen 9 Exempelbücher und 65 Titel Betrachtungen, Anleitungen und, ausgehend von Augustinus' Meditationes, Beispiele der christlichen Meditation, ergänzt durch 38 Titel von Vinzenz Bruno bis Anton Günther, die unter Mystik aufscheinen. 52 Titel vertreten die Exerzitienbewegung, 117 Titel sind Heiligenviten und mariologische Werke.

2.7 Auf das Ordensleben im allgemeinen entfallen 65 Titel (23 davon zur Ordensgeschichte, 20 des 17. Jhs zum Ordensrecht), mit der Regel des Hl. Franziskus befassen sich 15, mit dem Leben des Franziskus 8, mit franziskanischer Aszese 11 Werke.

2.8 43 Titel zur Apologetik sind mit 41 weiteren Werken der Kontroverstheologie zu ergänzen, die irrtümlich unter die geographische Literatur eingeordnet wurden, darunter 7 Titel des 16. Jhs, z. B. Johann Eck, Opera contra Ludderum (Augsburg 1536). Weiters sind hier 75 Werke zur Polemik zu nennen.

2.9 Bibeln, Literatur zur biblischen Geschichte und Bibelkonkordanzen liegen in 240 Exemplaren vor. 22 Bibeln stammen aus dem 16. Jh (eine der deutschen Übersetzungen von Johann Dietenberger zieren zahlreiche Holzschnitte, im Bestand des 17. Jhs sind 6 deutsche Ausgaben von Kaspar Ulenberg). Die Exlibrisvermerke weisen die Erzbischöfe von Seckau und vor allem die Kapuzinerklöster in Pettau und Mureck als Donatoren dieser Bücher aus.

2.10 Der Bestand zur Liturgie (115 Titel) setzt sich aus 8 Kirchenliederbüchern, 13 Brevieren und Missalen, 27 Gebetbüchern, 38 Titeln über Ritualien und 29 allgemeineren liturgischen Werken zusammen. 121 Titel sind Katechismen und Bücher für den Religionsunterricht, 106 Werke behandeln die verschiedenen Gebiete der Pastoraltheologie einschließlich der Pastoralmedizin.

2.11 Bei den 173 Titeln zur Dogmatik und 125 Werken der Moraltheologie handelt es sich vorwiegend um lateinische Literatur aus dem 17. und 18. Jh. Der restliche theologische Bestand besteht aus 102 Titeln Kirchenväterliteratur (viele der venezianischen Ausgaben des 16. Jhs in besonders reich geprägten Ledereinbänden aus dem Kapuzinerkloster Graz), 101 Titeln zum Kirchenrecht (Rosellas Summa casuum juris canonici, Paris 1515, weist als letzte Seite ein beidseitig beschriebenes Pergamentblatt auf) und 52 Titeln zur Kirchengeschichte.

2.12 Bei den nicht-theologischen Sachgruppen ist zunächst die Geschichte mit 138 Titeln zu nennen, darunter aus dem 16. Jh die vielbändige Straßburger Ausgabe der Werke des Flavius Josephus und die deutsche Übersetzung seiner Historien von 1569 in geprägten Lederbänden. Unter 43 geographischen Titeln und Reisebüchern ist J. L. Gottfrieds Neuwe Archontologia cosmica (1638), illustriert von Matthäus Merian. Im Bereich Sprache und Literatur liegen 104 deutsche literarische Titel und 26 Ausgaben lateinischer Klassiker vor - hier ist der undatierte Bestand mit rund 300 weiteren Titeln, zumeist aus der aufgelassenen Volksbücherei, besonders groß -, ferner 19 Grammatiken, 25 Wörterbücher und 15 Konversationslexika. Weitere 50 Titel entfallen auf Philosophie.

2.13 Bei den 22 Werken über Kunst und Kirchengesang ist Athanasius Kirchers Musurgia universalis (Rom 1650), mit vielen Holzschnitten und 23 ganzseitigen Kupferstichen, eingeordnet. Das Buch gelangte durch Adam Sattler aus Stainz, Kommissar des Florentiner Bischofs, in die Leibnitzer Klosterbibliothek. Die restlichen 35 Titel verteilen sich auf Astronomie (9, mit Athanasius Kirchers Ars magna lucis et umbrae, Rom 1646), Medizin (20), Naturgeschichte und Physik (je 3) und praktische Hausbücher (6). Bei den 62 Zeitschriftentiteln handelt es sich vorwiegend um theologisch-aszetische Periodika des 19. Jhs.

3. KATALOGE

Schlagwortkatalog

[mschr., in Zettelform, ordnet die Bücher nach 64 alphabetisch gereihten Stichwörtern, erfaßt nicht die Volksbücherei und den unter 1985 aufgestellten Bestand, 580 Zettel am Ende als Fehlbestand deklariert]

Beschreibung und Inventarium der Kirche und des Klosters der Kapuziner zu Leibnitz. 1854 ff.

[S. 182 zur Verlegung der Bibliothek 1858]

Klosterchronik. 1922 ff.

[zur Übernahme des Klosters und der Bibliothek in der NS-Zeit, Wiederaufbau nach 1945, mit gelegentlichen statistischen Nachrichten zum Buchbestand von Bibliothekar P. Altmann]

Stand: August 1991

Konstanze Mittendorfer


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.