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Bibliothek des Kapuzinerklosters

Adresse. Bahngasse 23, 2700 Wiener Neustadt [Karte]
Telefon. (02622) 23 203

Unterhaltsträger. Wiener Kapuzinerprovinz
Funktion. Ordensbibliothek.
Sammelgebiete. Theologie, insbesondere Predigtliteratur und Aszetik.

Benutzungsmöglichkeiten. Nach Voranmeldung und Rücksprache mit dem Kapuzinerprovinzialat Wien und dem Provinzbibliothekar. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schnellbahn- und Zugverbindung ab Wien-Südbahnhof; Fußwegnähe (5 Minuten) vom Bahnhof. - A 2, Abfahrt Wiener Neustadt.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das heutige Kapuzinerkloster wurde um 1240 (erste verläßliche urkundliche Erwähnung 1267) als Minoritenkloster gegründet. Im Zuge der Reformation kam es zur Abwanderung zahlreicher Minoritenmönche aus dem Kloster, das Ferdinand I. daraufhin als Bürgerspital adaptieren ließ. Die ersten Kapuziner siedelten sich um 1623 in Wiener Neustadt an. Bereits ab 1642 diente das ehemalige Minoritenkloster als Noviziatskloster der Kapuziner, 1647 wurde es Studienkloster. Das Wiener Neustädter Kloster gehört der Wiener Kapuzinerprovinz an, wird jedoch seit 1982 von Patres der Provinz Krakau (Polen) betreut.

1.2 Die auch als Bibliotheca pauperum bezeichnete Altbibliothek ist im gotischen Überbau des Presbyteriums und des Klosterchors untergebracht. Der Bibliotheksraum galt 1757 als fertiggestellt. Laut Klosterchronik soll die Büchersammlung zum damaligen Zeitpunkt ca. 12.000 Bde umfaßt haben, diese Zahl dürfte jedoch auf einer Überschätzung beruhen. Die ursprüngliche Zusammensetzung des Bibliotheksbestandes läßt sich nicht mehr erschließen. Zuwächse erfuhr die Büchersammlung hauptsächlich durch Schenkungen. Nachweisbar ist ein Legat Johann Georg Huebers, der 1759 14 Bücher an die Wiener Neustädter Patres übergab, wofür diese jährlich eine Messe lesen sollten. Zur Bestandsvermehrung trug in der Folge neben Neuanschaffungen vor allem die Inkorporierung von Ordensbibliotheken einiger in josephinischer Zeit aufgehobener Klöster - u. a. Waidhofen/Thaya und Hollabrunn - bei. Dem Hauptbetätigungsfeld der Kapuziner entsprechend, liegt der Schwerpunkt der Büchersammlung im Bereich Concionatores. Kapuzinerkloster

1.3 Die Bibliothek wurde im Zweiten Weltkrieg nicht verlagert und dennoch von den Kriegswirren kaum in Mitleidenschaft gezogen, obwohl das Klostergebäude 1945 durch Bombardierung schwere Schäden erlitt. In den Jahren 1976 bis 1979 erfolgten eine gründliche Renovierung der Räumlichkeiten und eine Neuaufstellung der Bücher. Getrennt von der Hauptbibliothek ist im sogenannten Votivgang eine Bibliothek des 19. Jahrhunderts mit Beständen des Erscheinungszeitraums 1781 bis 1900 untergebracht. Darüber hinaus ist auch eine Handbibliothek des 20. Jhs vorhanden.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliotheca pauperum umfaßt 2070 vor 1781 erschienene Titel in ca. 3000 Bdn. Es sind 3 Inkunabeln vorhanden, einige weitere Titel sind möglicherweise ebenfalls dem Inkunabelbestand zuzuzählen, es fehlen jedoch Erscheinungsort und/oder Erscheinungsjahr. Aus dem 16. Jh stammen 100 Titel (darunter 12 Frühdrucke bis 1510), aus dem 17. Jh 832 und aus dem 18. Jh 1135. Die Bibliothek des 19. Jahrhunderts setzt sich aus weiteren 1150 Titeln - 138 aus dem 18. Jh, 495 aus der ersten, 517 aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs - zusammen (s. u. 2.10-2.11). Die Zahlen wurden für die Altbibliothek durch Zählung am Regal, für die Bibliothek des 19. Jahrhunderts durch Titelzählung anhand der Kataloghefte ermittelt. Mehrfachexemplare wurden nicht erfaßt.

2.2 Mit 1418 Titeln ist der überwiegende Teil der Literatur (69 Prozent) in lateinischer Sprache verfaßt. 551 Titel (27 Prozent) sind deutschsprachig, 61 italienisch, 31 französisch, 5 griechisch, 2 ungarisch, einer ist spanisch. Die Bibliothek des 19. Jahrhunderts ist zu 90 Prozent deutschsprachig (952 Titel), 100 Titel liegen in lateinischer, 2 in ungarischer Sprache vor, einer ist italienisch.

Systematische Übersicht

2.3 Die Aufstellung der Bibliothek folgt der mit den Buchstaben des Alphabets signierten Materieneinteilung des Kataloges von 1761. Innerhalb der einzelnen Fachgruppen wurden die Bücher im Jahr 1979 alphabetisch nach Autoren geordnet. Im Nebenraum zur Bibliothek sind die Dubletten, eine Sammlung von Predigtliteratur aus josephinischer Zeit sowie kleine Sondersammlungen untergebracht (s. u. 2.9 und 2.12). Die Bibliotheca pauperum besteht überwiegend aus theologischer Literatur. Unter Einschluß der Philosophie sind 16 von insgesamt 23 Abteilungen der Theologie zuzuordnen, die 1778 Titel und damit 86 Prozent des Bestandes umfassen.

2.4 Am umfangreichsten ist mit 355 Titeln der Bereich Concionatores. Eine Sondergruppe bilden die Werke italienischer Prediger (Venetianer) in 46 Bdn, die durch Pergamenteinbände aus Handschriftenfragmenten auffallen. 6 dieser Titel stammen von Paolo Aresi. Eine weitere Unterabteilung stellen die Titel der Kapuziner-Barockprediger dar (Georg von Düsseldorf, Donatus von Passau, Procopius von Templin u. a.). Besonders gut vertreten sind außerdem die Jesuitenautoren (Balthasar Knellinger, Tobias Lohner, Georg Scherer, Petrus Skarga). Die Mehrzahl der Predigtwerke wurde in Köln gedruckt (47), gefolgt von Augsburg (44), Wien (28) und Venedig (18). Darüber hinaus liegen Situationspredigten des 17. bis 19. Jhs, in Heften gesammelt, vor.

2.5 293 Titel betreffen die Aszese bzw. gehören zur Gattung der libri infirmorum. 8 Titel stammen aus dem 16. Jh, 130 aus dem 17. Jh. De imitatione Christi des Thomas von Kempen ist in 5 Ausgaben des 17. und in 6 weiteren des 18. Jhs zu finden. Die Abteilung enthält ferner 45 Bde der Sammlung Sodalitatis Xenia, darunter 29 Wiener Drucke. Ca. 50 Bde sind Ars moriendi-Literatur, die ältesten Werke reichen in die Jahre 1586 bzw. 1639 zurück. Von jenen Büchern, die zur Grundausrüstung der Patres gehörten, sind oftmals Mehrfachexemplare bzw. verschiedene Auflagen eines Titels vorhanden, so z. B. von Matthias Kaisers Katholischem Krankenbuch, das in 6 verschiedenen Ausgaben zur Verfügung steht. Vom Kapuzinerpater Martin von Cochem liegen 6 Titel vor, von seiner Fürbereitung zu einem seligen Ende gibt es 10 Exemplare. Der Bereich Historia Spiritualis ist mit 155 Werken (8 aus dem 16. Jh, 49 aus dem 17. Jh, die restlichen aus dem 18. Jh) vertreten. Neben allgemeinen Darstellungen zur Kirchengeschichte sind 35 Heiligenviten zu erwähnen.

2.6 Der Moraltheologie gehören 133 Titel an, dem Bereich Polemik 123 Titel, darunter Werke des berühmten Kontroversisten Martin Becanus. An kontemplativer Literatur und an Libri exercitiorum finden sich 113 Titel, 39 davon stammen aus dem 17. Jh. Unter den 106 Werken zur Philosophie dominieren die Schriften von Jesuitenautoren, z. B. von Andreas Semery, Johann Senftleben und Berthold Hauser. Der Bereich Expositores (Kommentare) umfaßt 77 Titel (35 aus dem 17. Jh), darunter Werke von Nikolaus von Lyra, Joannis de Pina, Aloysius Novarini und Franciscus de Mendoca. 71 Gottesdienst-Rubriken sind unter Rubricistae eingereiht.

2.7 Die Dogmatik ist mit 68 Titeln, davon 22 aus dem 17. Jh, vertreten, das Ius Canonicum mit 61. Neben den Acta et canones des Jesuiten Alphonsus de Pisa (Dillingen 1572) liegen hierzu weitere 16 Titel aus dem 17. Jh vor, 44 sind aus dem 18. Jh. Die Gruppe Biblia enthält 65 Titel, u. a. ca. 30 Bibelausgaben, von denen die älteste aus dem 16. Jh stammt, weiters Konkordanzen und Bibelkommentare. 49 Titel gehören zum Bereich Regula, der größtenteils Drucke des 17. Jhs (34) aufweist. 46 Titel sind Libri Precatorii. Als frühes Beispiel dazu sei Georg Bartholdus' Hymni in laudem (Prag 1590) erwähnt. 41 Titel wurden unter Miscellanea zusammengefaßt, 22 Titel entfallen auf die Kirchenväterliteratur.

2.8 Die nicht-theologische Literatur macht 14 Prozent des historischen Bestandes aus. 90 Titel sind der Rhetorik und Poetik gewidmet (u. a. De arte rhetorica des Jesuiten Cyprian Soarez in einer Ausgabe von 1589 und weiteren Ausgaben des 18. Jhs). 75 Titel behandeln die Historia Profana, 31 davon stammen aus dem 17. Jh. Bei den 57 Drucken zur Linguistik finden sich neben deutschen Grammatiken und sprachwissenschaftlichen Werken in geringerem Ausmaß auch ungarische, spanische und italienische Sprachlehren sowie Sebastian Münsters hebräische Grammatik (Basel 1524). Ferner gibt es einen größeren Bestand an Französischlehrbüchern aus dem 18. Jh. 42 Titel entfallen auf Ius Civile (7 aus dem 16. Jh, 19 aus dem 17. Jh), 19 Drucke stehen in der Abteilung Politici, 8 sind mathematische Werke. Den Bereichen Physik und Medizin sind lediglich einige wenige Titel zugeordnet.

Sondersammlungen

2.9 Im Nebenraum zur Bibliothek befinden sich eine Dublettensammlung sowie eine Sammlung von Predigtliteratur aus dem Zeitraum 1760 bis 1780 mit etwa 220 ausschließlich deutschsprachigen Bänden. Weiters sind hier ca. 40 Bde lateinische Lehrbücher aus vor- und josephinischer Zeit zu den Bereichen Moraltheologie, Pastoraltheologie und Dogmatik untergebracht. Gesondert verwahrt wird auch eine kleine Sammlung von 25 Wiener Neustädter Drucken (21 aus dem 17. Jh, 4 aus dem 18. Jh) sowie ein Konvolut von Neostadensia-Broschüren, welches vorwiegend Gelegenheitsliteratur, z. B. Lob- und Trauerreden, aus dem 18. und 19. Jh enthält.

Bibliothek des 19. Jahrhunderts

2.10 Als Fortsetzung der Altbibliothek gibt es im Kapuzinerkloster eine Bibliothek des 19. Jahrhunderts mit zwischen 1781 und 1900 erschienenen Werken, die als Teil einer geplanten Provinzbibliothek des 19. Jahrhunderts im Kapuzinerkloster Gmunden konzipiert ist. Die ca. 1150 Titel (1977 Bde) umfassende Büchersammlung wurde erstmals im Jahr 1977 vom Provinzbibliothekar der Wiener Kapuzinerprovinz, P. Heinrich Zlabi

2.11 Der Buchbestand ist in 47 Fachgebiete unterteilt und innerhalb größerer Gruppen alphabetisch nach Autoren aufgestellt. Der theologische Fachbereich umschließt 40 Abteilungen. Am umfangreichsten ist der Bestand zur Aszese (84 Titel), gefolgt von den Abteilungen Vielthematik/zusammengebundene Schriften (82), Ordensautoren/Franciscania (60), Austriaca (58), Katechetik (51), Biographie und Heiligenlegenden (50), Apologetik (45), Kirchengeschichte (41), Pastoraltheologie (41), Philosophie (36), Bibel (34), Dogma (30), Liturgie (29), Ius (25), Mathematik/Naturwissenschaften/Medizin (25), Geschichte (22), Geographie (19). Die nicht in den Katalogheften verzeichnete Titelgruppe Prediger besteht aus weiteren ca. 280 Bdn. Sie stellt die chronologische Fortsetzung der im Nebenraum zur Barockbibliothek untergebrachten josephinischen Predigerbibliothek (Literatur des Zeitraums 1760 bis 1780) dar.

2.12 Weiters gehören 4 Schachteln mit Kleinschriften zum Bestand dieser Bibliothek, enthaltend Diversa, Kapuzinerpredigten der Wiener und Wiener Neustädter Mitbrüder aus dem Zeitraum 1760 bis 1899 sowie Austriaca.

3. KATALOGE

Catalogus librorum Bibliothecae P. P. Capucinorum Neostadii conscriptus anno 1761

[Bandkatalog für die Hauptbibliothek; stimmt mit dem tatsächlichen Bestand nicht mehr überein]

Kataloghefte zur Bibliothek des 19. Jahrhunderts

[hschr; verzeichnen in 2 Heften Bestände des Erscheinungszeitraums 1781 bis 1900; systematische Untergliederung mit Hinweisen auf den Standort; Hefte werden vom Provinzbibliothekar verwahrt]

4. QUELLEN UND DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Klosterchronik

[Provinzarchiv der Kapuziner Wien - Innere Stadt]

4.2 Darstellungen

Cassian von Oberleutasch (OFMCap): Die Kapuziner in Österreich. Zum 350jährigen Bestand der Wiener Kapuzinerprovinz. Rom 1950, S. 120 (Sonderabdruck aus: Collectanea Franciscana 1950, Heft 3-4)

Sträußl, Pirmin: 350 Jahre Kapuziner-Kirche. In: Wiener Provinzbote 31 (1974) S. 28 ff.

Stand: Februar 1991

Wilma Buchinger


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.