FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Klášterec nad Ohrí [Klösterle]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Im Jahre 1655 erwarb Graf Michael Oswald von Thun-Hohenstein (1631-1694) das Schloß Klösterle, das bis 1945 im Besitz seiner Familie blieb. Zum Aufbau der Bibliothek haben entscheidend beigetragen Graf Franz de Paula von Thun (1734-1800) und seine Gemahlin Gräfin Maria Wilhelmine, geb. von Ulfeld (1744-1800). Ein bemerkenswerter Teilbestand geht auf das dänische Geschlecht Ulfeld zurück. Bücher mit entsprechenden Vermerken kamen wahrscheinlich bedingt durch das Aussterben der Linie Ulfeld und die Heirat im Jahre 1761 in die Bibliothek. Der Klösterle-Zweig des Grafengeschlechts Thun erweiterte seinen Namen 1897 nach der Hochzeit von Joseph Oswald von Thun-Hohenstein (1817-1883) mit Johanna Altgräfin von Salm-Reifferscheidt-Hainspach (1827-1892) zu Thun-Hohenstein-Salm-Reifferscheidt. Durch diese Heirat wurde die Bibliothek um ältere Salmer Büchersammlungen aus Schloß Lipová [Hainspach], Schloß Zehušice [Sehuschitz] und Schloß Svetlá [Swetla] bereichert.

1.2 Auf die Salmer Sammlungen geht die Mehrzahl der Drucke des 17. und 18. Jhs zurück. Diese Bücher sind mit dem heraldischen Exlibris der Salms und mit dem Stempel Monsieur de Salm versehen. Zur weiteren Vermehrung der Bestände kam es unter Joseph Oswald Thun-Hohenstein-Salm-Reifferscheidt (1849-1913). Der letzte Eigentümer der Bibliothek aus diesem Geschlecht war Matthias (1914). Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag, in dessen Besitz sie sich heute befindet. Musikalien aus der Schloßbibliothek gingen an das Archiv des Museums der tschechischen Musik [Muzeum Ceské Hudby - archiv] in Prag (s. Eintrag dort). 1993 erlitt die Bibliothek schwere Verluste durch Diebstähle. Es wurden mehrere hundert Bücher entwendet, insbesondere Atlanten, illustrierte Publikationen und Zeitschriften. Aus vielen Zeitschriften der ersten Hälfte des 19. Jhs wurden zudem Farbillustrationen herausgeschnitten. Zurückgekommen ist bisher nur ein kleiner Teil der entwendeten Bücher.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Insgesamt umfaßt der Bestand 30.523 Bde, davon 41 Hss., eine Inkunabel, 10 Bde des 16. Jhs, ca. 200 Bde des 17. Jhs und mehr als 6500 Bde des 18. Jhs. Im Bestand Alter Drucke machen deutschsprachige Werke etwa 50 Prozent aus; unter den Drucken des 19. und beginnenden 20. Jhs etwa 70 bis 75 Prozent.

2.2 Bei der vorhandenen Inkunabel handelt es sich um Rainerius de Pisis, Panthologia, sive Summa universae theologiae (Nürnberg: Anton Koberger 1477). Unter den Alten Drucken des 16. bis 18. Jhs dominieren deutsche Belletristik sowie historische und biographische Literatur zu bedeutenden europäischen Persönlichkeiten. Kleinere Gruppen sind den Freimaurern, Reisebüchern und Reisebeschreibungen zu fremden Ländern, Militaria, Grammatiken, Juridica und Gesetzessammlungen gewidmet. Etwas umfangreicher ist der Bestand ökonomischer und landwirtschaftlicher Literatur. Des weiteren liegen Werke über Architektur - viele von ihnen speziell zur Gartenarchitektur - vor, über Naturwissenschaften allgemein, Physik, Chemie und Zoologie. Vereinzelt finden sich auch Bücher über Magie. Klášterec nad Ohrí [Klösterle] Schloßbibliothek ====

2.3 Ein besonders beeindruckender Bestand sind die Theatralia, vorwiegend Libretti von Komödien und Tragödien. Sie liegen in großen Konvoluten vor, hauptsächlich aus Wiener und sächsischer Provenienz. Zahlreich sind in Österreich herausgegebene Theatralia in italienischer Sprache, zum Teil mit parallelen deutschen Übersetzungen. Zu den Seltenheiten des Bestandes gehört eine umfangreiche Sammlung französischer Werke aus der zweiten Hälfte des 18. und vom Beginn des 19. Jhs, die in Deutschland gedruckt wurden. Unter den Druckorten dominieren Frankfurt a. M. und Köln. Theateralmanache, Zeitschriften und theoretische Literatur über das Theater aus der ersten Hälfte des 19. Jhs ergänzen die Theatralia. Im Bestand finden sich ferner einige deutschsprachige Bohemica und zahlreiche enzyklopädische Publikationen, umfassende Bildpublikationen zur Bildenden Kunst, Landkartensammlungen, Atlanten und zahlreiche Zeitschriften.

2.4 Unter den Drucken des 19. und beginnenden 20. Jhs finden sich Militaria aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs, darunter Beschreibungen von Schlachten, Feldzügen und einzelnen Armeen, eine Reihe militärischer Zeitschriften sowie eine große Anzahl von Lehrbüchern, besonders sprachliche; mathematische und geometrische, land- und forstwirtschaftliche. Politische Werke befassen sich mit Napoleon und seinem Sohn, dem Herzog von Reichstadt, mit Nationalitätenfragen, den Problemen Österreich-Ungarns und seiner Innenpolitik sowie mit historischen und politischen Beschreibungen der deutschen Staaten und Auseinandersetzungen zwischen Preußen und Österreich. Besondere Aufmerksamkeit galt den Tätigkeiten der Deutschen in Böhmen, der regionalen Literatur aus Nordostböhmen, aber auch allgemeiner historischer und topographischer Literatur zu Böhmen. Auch die Politik und die politischen Systeme der angelsächsischen Länder waren von Interesse. Von den anderen historischen Disziplinen ist die Heraldik am häufigsten vertreten.

2.5 In der Bibliothek finden sich viele Publikationen zum Finanzwesen, zur Ökonomie und zum Handel sowie zahlreiche Ausstellungskataloge und Kataloge von Sammlungen der Bildenden Kunst. Die Musikalien sind gesondert aufgestellt (Signaturen 12.715-12.821). Biographische Werke sind den Familienmitgliedern der Grafen Thun-Hohenstein und der Altgrafen Salm-Reifferscheidt gewidmet, aber auch die von den Familienangehörigen verfaßten Werke sind zahlreich vertreten. Der Bestand wird ergänzt durch deutsche und ins Deutsche übersetzte Belletristik des 19. Jhs sowie durch juristische Literatur und Gesetzessammlungen zum Gebiet Österreich-Ungarns. Zusätzlich zu den Monographien liegen umfangreiche Reihenpublikationen aus der ersten Hälfte des 19. Jhs vor, beispielsweise Zeitschriften, Kalender, Almanache sowie die beliebtesten Zeitschriften zu zeitgenössischen Modetrends.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Standortkatalog [erstellt 1959-1960]

3.2 Historische Kataloge

Schloß Swetla

[hschr.; nach Sprachen geordnet; verzeichnet 323 glische Bde, 3046 deutsche Bde, 812 französische Bde]

Schloß Hainsbach [hschr.; verzeichnet 1164 Bde Dichtung, 1290 Bde Geschichte, 1535 französische Bde, 1095 Bde vollständige Bücher]

Schloß Sehuschitz [hschr.; verzeichnet 600 englische Bde, 1126 deutsche Bde, 50 italienische Bde, 1780 französische Bde]

[Die historischen Kataloge befinden sich in der Schloßbibliothek Tachov [Tachau] unter den Signaturen 20782-20795 (s. Eintrag dort). Sie stammen vom Ende des 19. und Beginn des 20. Jhs.]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Mašek, Petr: Zámecká knihovna Klášterec nad Ohrí [Die Schloßbibliothek Klösterle]. In: Ctenár [Der Leser] 46 (1994) Nr. 10, S. 360-361

Mašek, Petr: ... a ber ty s obrázkama [ ...und nimm die Bilder mit]. In: Ctenár [Der Leser] 46 (1994) Nr. 7/8, S. 242-243 [zum Diebstahl 1993]

Stand: November 1996

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.