FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
Home
HomeRegionen:Stadtregister:Abkürzungen
Volltextsuche:

trunkiert

BenutzerprofilLogin
Impressum
 Home > Europa > Tschechische Republik > Prag Praha

Knihovna konventu rádukrizovník s cervenou hvezdou

Bibliothek des Konvents des Kreuzherrenordens mit dem Roten Stern


Adresse. Platnérská 4/191, 110 00 Praha 1 - Staré Mesto
Telefon. (02) 21 10 81 11 (Zentrale)

Unterhaltsträger. Rytírský rád krizovník s cervenou hvezdou [Ritterlicher Kreuzherrenorden mit dem Roten Stern]
Funktion. Ordensbibliothek.
Sammelgebiete. Katholische Theologie und angrenzende Gebiete.

Benutzungsmöglichkeiten. Bibliothek für Ordensmitglieder; für wissenschaftliche Forscher in Ausnahmefällen Präsenzbenutzung möglich (z. Z. über die Nationalbibliothek der Tschechischen Republik, s. Eintrag dort). - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche Anmeldung erforderlich. - U-Bahnverbindung (Metrolinie A) oder Straßenbahnverbindung (Linien 17, 18) bis Haltestelle Staromestská. - Parkmöglichkeiten in der Tiefgarage am Platz Námestí Jana Palacha (Fußwegnähe ca. 3 Minuten).

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Der Ritterorden der Kreuzherren mit dem Roten Stern ist der einzige kirchliche Orden tschechischen Ursprungs. Er entstand aus einer Spitalbruderschaft, die im Jahre 1233 von der Hl. Agnes von Böhmen, Tochter des tschechischen Königs Otakar I. Premysl, gegründet wurde. Der erste Sitz des Ordens war das Agneskloster im Stadtviertel Na Františku in der Prager Altstadt. Von dort zog der Orden bald nach seiner Approbation durch Papst Gregor IX. im Jahre 1237 zur Kirche des Hl. Peter in Prag-Porící um. Seit 1252 ist der Hauptsitz des Ordens der Konvent bei der St. Franziskuskirche in der Altstadt. Die Hauptaufgabe des Ordens war - wie auch bei anderen ritterlichen Orden - die Armen-, Kranken- und Pilgerpflege. Weiterhin war er um die Seelsorge in den ihm anvertrauten Pfarreien bemüht, vor allem in der Umgebung von Prag, in Westböhmen und Südmähren. Obgleich der Orden in Böhmen gegründet wurde, war seine Tätigkeit nicht auf das Königreich Böhmen beschränkt. Die Ordensmitglieder stammten aus den böhmischen Ländern, den deutschsprachigen Nachbarländern und aus Polen. So entstanden durch die Tätigkeit der Kreuzherren auch kulturelle und religiöse Verbindungen zwischen den tschechischen, den deutschen und den polnischen Regionen. Dies spiegelte sich in den Ordensbibliotheken wider, von denen die bedeutendste die im Hauptsitz des Ordens in Prag ist. Weitere Bibliotheken bestehen in Znojmo-Hradište [Pöltenberg bei Znaim] (s. Eintrag dort) und bestanden bis 1950 in Chlum sv. Márí [Mariakulm] und Dobrichovice [Dobrichowitz].

1.2 Zur Gründung der Bibliothek liegen keine Quellen vor. Ein gemeinsames Büchereigentum wird aber schon in den ältesten Statuten des Ordens aus dem Jahre 1292 erwähnt. Wahrscheinlich existierten bereits damals eine Bibliothek und ein Skriptorium. Die wertvollste erhaltene mittelalterliche Handschrift ist das sogenannte Breviarium des Großmeisters Leo aus dem Jahre 1356, das italienische und französische Einflüsse in der tschechischen Buchmalerei zeigt.

1.3 Einen großen Einschnitt in die Geschichte des Ordens und der Bibliothek bedeuteten die Hussitenkriege. Bücherkäufe konnten erst wieder in den sechziger Jahren des 15. Jhs unter dem Großmeister Nikolaus Puchner (1460-1490) stattfinden. Eine Blütezeit erlebte die Bibliothek in der zweiten Hälfte des 16. Jhs, als die Ordensgroßmeister zugleich auch Erzbischöfe von Prag waren (1552-1694). Sie waren sehr an der Erweiterung der Buchbestände interessiert, vermachten jedoch in der Regel ihre Privatbibliotheken nicht dem Orden. In der zweiten Hälfte des 17. Jhs begann man mit der Reorganisation der Bibliothek, als ihre Verwaltung unter der Leitung des Priors und späteren Großmeisters Georg Ignaz Pospíchal (1634-1699) stand, der zumeist als Begründer der heutigen Kreuzherrenbibliothek angesehen wird. In der nachfolgenden Zeit kam es häufiger zu Vermächtnissen der Ordensmitglieder an den Orden und seine Bibliothek. Eine besondere Bereicherung war der Buchnachlaß des Schriftstellers, Historikers und Bibliothekars Jan František Beckovský (1658-1725). Um das Jahr 1780 besaß die Bibliothek ca. 10.000 Bde. Nach den Josephinischen Reformen lag der Schwerpunkt der Ordenstätigkeit in der Seelsorge. Über die Geschichte der Bibliothek im 19. Jh ist nichts näheres bekannt, außer daß seit Anfang des 19. Jhs eigene Exlibris für die Kreuzherrenbibliothek benutzt wurden.

1.4 Zwischen 1909 und 1912 wurde das alte Konventgebäude abgerissen und durch den bis heute bestehenden Bau ersetzt. Für die Bibliothek wurde der zweigeschossige Nordflügel eingerichtet. Durch Inkorporation von Büchern aus den Ordenspfarreien kam es damals zur umfangreichen Vermehrung der Bestände auf mehr als 40.000 Bde, überdies weitere 188 Handschriften und 341 Inkunabeln. Um die Ordnung dieser Bestände machte sich in den Jahren 1925 bis 1933 der Bibliothekar P. Václav Belohlávek O. Cr. verdient (s. u. 2.2). Er legte den Grundstock zu den Verzeichnissen der Handschriften, Inkunabeln, Bohemica und Kreuzherrenschriften an und erarbeitete auch den Standortkatalog der alten Bibliothek (s. u. 3.3). Im Laufe seiner Tätigkeit entstand eine kleine Handbibliothek. Belohláveks Arbeit in der Bibliotheksleitung setzte P. František Verner bis 1950 fort. Während des Zweiten Weltkrieges war der Konvent Sitz der deutschen Geheimpolizei, die Ordensmitglieder waren in dieser Zeit in anderen Gebäuden und Klöstern untergebracht. Die Bibliothek verblieb am Ort, war jedoch unzugänglich und wurde nicht ergänzt.

1.5 Der Orden mußte seine Tätigkeit 1950 einstellen. Die Kreuzherrenbibliothek wurde konfisziert und gemeinsam mit anderen Prager Ordensbibliotheken in die Verwaltung der damaligen National- und Universitätsbibliothek übergeben. Die Buchbestände mußten aus dem Ordensgebäude entfernt und provisorisch durch die Nationalbibliothek untergebracht werden, die um eine sorgfältige Verwaltung und Bewahrung der Bestände bemüht war. So wurden beispielsweise die Inkunabeln von Dr. Dalibor Balcar neu katalogisiert (s. u. 3.1). Nach dem politischen Umbruch von 1989 konnte der Orden 1990 seine Tätigkeit offiziell wieder aufnehmen. Mit der Wiederherstellung der Bibliothek im restituierten Ordensgebäude wurde bald begonnen. P. František Verner übernahm erneut ihre Leitung.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt heute mehr als 60.000 Bde Monographien und Periodika. Davon sind 174 Bde Handschriften, 196 Inkunabeln (in 160 Bdn) und ca. 15.000 Alte Drucke. Aufgrund der Umlagerungen der Bestände zwischen 1952 und 1992 war eine ausführliche Analyse der Bestände bislang nicht möglich, besonders nicht für die jüngeren historischen Bestände des 19. Jhs. Der Wiederaufbau der Bibliothek ist derzeit in Arbeit. Unter sprachlichen Gesichtspunkten dominiert Literatur in lateinischer Sprache, gefolgt von tschechischer und deutscher.

2.2 Die Bibliothek ist nach einem 1930 von P. Václav Belohlávek ausgearbeiteten System gegliedert, das folgende Gruppen aufweist: (I) Kirchengeschichte, Kirchenväter, Kirchenrecht; (II-VI) Bibelwissenschaft; (VII-X) Dogmatik; (XI-XIII) Ethik und Moral; (XIV-XVIII) Pastoraltheologie; (XIX) Verschiedene theologische Literatur; (XX) Philosophie; (XXI-XXVIII) Weltgeschichte; (XXIX) Naturwissenschaft, Mathematik, Astronomie; (XXX) Medizin; (XXXI) unbelegt; (XXXII) Sprachforschung; (XXXIII-XXXV) Bürgerrecht; (XXXVI-XL) Belletristik; (XLI-LII) Verschiedene Schriften, darunter (XLVII-XLVIII) Atlanten, (LIII-LXXIII) Bohemica und moderne Literatur. Die Signaturen LIII D-LXXXVIII D kennzeichnen die Bestände der Ausstellungsvitrinen der älteren Handbibliothek sowie die neu errichtete Handbibliothek theologischer und anderer katholischer Literatur seit 1989.

2.3 Die Handschriftensammlung (174 Bde) enthält eine Reihe seltener Bohemica, darunter Werke, Traktate und Predigten des Reformators Jan Hus, ferner die Chronik Staré letopisy ceské [Alte Chroniken von Böhmen] für die Jahre 1378 bis 1527, sowie eine Reihe anderer böhmischer Chroniken. Zu den Zimelien gehören auch illuminierte Handschriften, zwei lateinische aus dem 14. und zwei tschechische aus dem 16. Jh. Das Brevarium des Großmeisters Leo aus dem Jahre 1356 beinhaltet ein illuminiertes Kalendarium mit Medaillons kleiner weltlicher Szenen zu den betreffenden Jahreszeiten.

Inkunabeln

2.4 Die Inkunabelsammlung (196 Titel in 160 Bdn) enthält bis auf zwei Ausnahmen ausschließlich Werke in lateinischer Sprache. Bei den Ausnahmen handelt es sich um 2 Exemplare der deutschsprachigen Ausgabe von Hartmann Schedels Buch der Chroniken (Nürnberg: Anton Koberger 1493). Der älteste Druck ist Joannes de Turrecrematas, Expositio super toto Psalterio (Mainz: Peter Schöffer 1474). Es ist der einzige Druck dieses Schülers von Johannes Gutenberg, der in der Bibliothek erhalten geblieben ist. Aus den siebziger Jahren des 15. Jhs stammen weitere 8 Inkunabeln, darunter der Schwabenspiegel (Augsburg: Günther Zainer 1475-1476). Aus den achtziger Jahren stammen 63 Bde und der Rest aus den neunziger Jahren. Neben zahlreichen deutschen Druckereien sind auch Offizinen in Frankreich, Italien und der Schweiz vertreten. Die meisten Drucke stammen aus Basel (30), Straßburg und Nürnberg (je 29) sowie Leipzig (25). Weitere vertretene Druckorte sind Mainz, Augsburg, Speyer, Köln, Bamberg, Reutlingen, Tübingen, Hagenau, Mailand, Verona und Mantua.

2.5 Von den Straßburger Inkunabeldruckern sind vertreten Martin Flach mit 11 Drucken, Johannes Grüninger mit 10, Georg Husner und Johannes Prüß mit jeweils 4 Drucken; von den Nürnberger Druckern Anton Koberger mit 17 Drucken, Konrad Zeninger mit 5 und Georg Stuchs mit 7, darunter auch das Rituale Pragense (1496) und das Missale Pragense (1498, 2 Exemplare). Aus Basel liegen vor 13 Drucke von Nicolaus Kessler, 9 von Michael Wenssler und 8 von Johannes Amerbach; aus Leipzig 11 Drucke von Konrad Kachelofen, 9 von Melchior Lotter und 5 von Martin Landsberg. Bamberg ist mit einem Druck von Johann Sensenschmidt vertreten, dem Missale Olomucense (1488), und mit 2 Drucken von Johannes Pfeyl. Kölner Drucker sind durch Heinrich Quentell (8 Drucke) und Ulrich Zell (einer) vertreten. Im Bestand befinden sich 3 Drucke der venezianischen Drucker Johannes und Gregorius de Gregoriis, 4 des Hagenauer Druckers Heinrich Gran, 4 stammen von Peter Drach aus Speyer und 8 von Konrad Fyner aus Esslingen. Die Sammlung umfaßt 11 lateinische Exemplare der Bibel, vorwiegend aus deutschen Druckereien; die älteste ist die Koberger-Ausgabe aus Nürnberg von 1475. Neben Hartmann Schedel sind bei den Autoren Johann Chrysostomus (12 Bde), Petrus de Plaude (7), Johannes Gerson (7), Thomas von Aquin (6) und Paulus Niavus (4) mit ihren Werken vertreten.

2.6 Inhaltlich überwiegt die Theologie mit Werken zum Kirchenrecht und Werken der Kirchenväter. Weiterhin sind Philosophie, Geschichte, Naturwissenschaften sowie griechische und lateinische Klassiker vertreten, darunter Plato, Ovid, Vergil und Seneca. Hervorzuheben ist das Breviarum Cisterciense von Giorgio Arrivabene (Venedig 1500), der im GW nur mit einem Exemplar in der Königlichen Bibliothek in Brüssel nachgewiesen ist. Das Prager Exemplar enthält die Folia 2-56 (Signatur A-Q) des zweiten Teils (Psalterium Proprium de Tempore), die der GW nicht verzeichnet.

Alte Drucke

2.7 Die Bibliothek besitzt etwa 15.000 Alte Drucke, unter ihnen einige wertvolle Ausgaben tschechischer Werke des 16. Jhs. Weitere Angaben zu diesen Beständen sind z. Z. nicht möglich (s. o. 2.1 ).

Drucke des 19. und 20. Jhs

2.8 Etwa 25.000 Bde stammen aus dem 19. und 20. Jh. Inhaltlich verteilen sich die Bestände zu etwa gleichen Anteilen auf die Fächer Theologie, Philosophie, Geschichte, Kirchengeschichte, Ökonomie, Naturwissenschaften und Medizin. Die Bibliothek besitzt einen umfangreichen Bestand an Handbüchern, Wörterbüchern, Enzyklopädien sowie Belletristik in Originalsprachen und Übersetzungen. Der Anteil deutschsprachiger Titel wird auf etwa ein Viertel geschätzt. Weitere Angaben zu diesen Beständen sind z. Z. nicht möglich (s. o. 2.1).

3. KATALOGE

3.1 Moderne allgemeine Kataloge

Alphabetischer Katalog

[in Zettelform; geführt seit 1890]

Alphabetischer Katalog der Literatur ab 1989

[in Zettelform]

Standortkatalog der Literatur ab 1989

[in Bandform]

Sachkatalog

[wird z. Z. angelegt]

Die Bestände sind in der Bibliographie der gedruckten fremdsprachigen Bohemica aus den Jahren 1501-1800, die als Datenbank in der Hauptbibliothek der Akademie der Wissenschaften in Prag ausgearbeitet wird, verzeichnet.

3.2 Moderne Sonderkataloge

Balcar, Dalibor: Katalog inkunabulí knihovny krizovník s cervenou hvezdou v Praze [Inkunabelkatalog der Bibliothek des Kreuzherrenordens mit dem Roten Stern in Prag]. Praha 1963 [mschr.]

Prazák, Jirí: Katalog rukopis krizovnické knihovny [Handschriftenkatalog der Kreuzherrenbibliothek]. Praha 1980

3.3 Historischer Katalog

Standortkatalog der alten Bibliothek

[17 Bde; geführt ca. 1910-1940; 1994 aufgefunden]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Belohlávek, Václav; Hradec, Josef: Dejiny ceských krizovník s cervenou hvezdou [Geschichte der tschechischen Kreuzherren mit dem Roten Stern]. Praha 1930

Kniha památní na sedmisetleté zalození ceských krizovník s cervenou hvezdou [Gedenkbuch zum 700-jährigen Jubiläum der Stiftung der tschechischen Kreuzherren mit dem Roten Stern]. Praha 1933

Balcar, Dalibor: Vznik, vývoj a moznosti soucasného vyuzití fond klášterních knihoven spravovaných Státní knihovnou CSSR v Praze. (Se zvláštním zretelem k prvotiskm) [Entstehung, Entwicklung und Möglichkeiten der gegenwärtigen Erschließung der Bestände der Klosterbibliotheken unter der Verwaltung der Staatsbibliothek der CSSR in Prag. (Unter besonderer Berücksichtigung der Inkunabeln). Praha 1962 [mschr.; Diplomarbeit am Institut für Volksbildung und Journalistik der Karls-Universität in Prag, Lehrstuhl für Bibliothekswesen]

Hündl, Karel: Dejiny knihovny rádu krizovník s cervenou hvezdou v Praze [Die Geschichte der Bibliothek des Kreuzherrenordens mit dem Roten Stern]. [hschr.; um 1980; Kopie vorhanden, Original in der Strahover Bibliothek]

Stand: Januar 1995

Jan Nepomuk Jirište O. Cr.

Ergänzt: Februar 1999

Jaroslav Vrchotka


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.