FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Krivoklát [Pürglitz]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die heutige Pürglitzer Bibliothek wurde 1751 im Prager Fürstenbergischen Palais gegründet. Ihren ursprünglichen Bestand bildete die Sammlung von Joseph Wilhelm Fürstenberg (etwa 200 Bde), die vermutlich aus Regensburg stammte und 1751 nach Prag überführt wurde. Hier wurde ihr ein Teil der Bibliothek angeschlossen, die bei der Heirat von Joseph Ernst Fürstenberg (1699-1762) mit Maria Anna von Waldstein (1709-1756) in die Familie gekommen war. Vor allem ihr Sohn Karl Egon I. (1729-1787) machte sich um die Bibliothek verdient. Er war Politiker, Präsident der Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften und ein bedeutender Sammler von Kunstgegenständen. Als Bibliophiler und Wissenschaftler erweiterte er die Fürstenbergische Bibliothek zur größten Adelsbibliothek in Prag mit ca. 20.000 Bdn. Auch sein Sohn Phillipp Nerius (1755-1790) widmete sich seit seiner Jugend der Sammlertätigkeit. Zum Bestand der Bibliothek trug auch Prinzessin Elisabeth von Thurn und Taxis (1767-1822) bei, die Gemahlin des zweiten Sohnes von Karl Egon I., Karl Joseph Alois (1760-1799). Zu nennen sind ferner ihr Sohn Karl Egon II. (1796-1854) und der Schriftsteller, Bibliothekar und Archivar Karl Egon von Ebert (1801-1882), der die Sammlungen verwaltete. 5

1.2 Im 19. Jh begann der Bucherwerb zu stagnieren, während die Bibliothek von bedeutenden Wissenschaftlern weiterhin genutzt wurde und man Verzeichnisse der wertvollsten Bücher erarbeitete und veröffentlichte (s. u. 3.2). 1881 wurde die Bibliothek aus dem Prager Fürstenbergischen Palais in die Burg Pürglitz überführt, wo man sie im sogenannten Rittersaal aufstellte. Im Jahre 1929 verkaufte das Haus Fürstenberg die Burg Pürglitz einschließlich des Mobiliars an die Tschechoslowakische Republik. Nur einige wenige Bücher wurden in die Stammbibliothek der Familie in Donaueschingen überführt. Seit 1929 wird der Bestand nicht mehr ergänzt.

1.3 In die Bibliothek wurden viele ältere verstreute Sammlungen inkorporiert. Zu den wichtigsten gehören die Bibliotheken von Joachim Hroznata von Guttenstein (<

 †1747), von Franz Euseb
Graf von Pötting, die Bibliothek der Grafen von Martinitz aus Smecno, die Sammlung Karl von Hippmanns aus dem 18. Jh, die Bibliothek des Grafen Karl Benedikt von Lamberg (1675-1721), Überreste vieler Jesuitenbibliotheken aus Böhmen sowie Bruchstücke der Bibliotheken von Franz Gottfried Troilo von Lessotho und von dem Enzyklopädisten und Historiker Christian Gottlieb Jöcher (1694-1758).

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Insgesamt umfaßt die Bibliothek 52.430 Bde, davon 459 Hss., 185 Inkunabeln und 1326 Drucke des 16. Jhs. Die Mehrzahl der Bücher stammt aus dem 17. und 18. Jh (ca. 6000 Bde und ca. 15.500 Bde). Aus dem 19. Jh liegen ca. 7000 Bde vor. Eine besondere Gruppe bildet die Sammlung von Dissertationen, die mehr als 22.000 bibliographische Einheiten umfaßt. Mehr als 60 Prozent der Bücher sind deutschsprachig oder in Deutschland gedruckt.

2.2 Durch die große Zahl inkorporierter Bibliotheken von privaten Sammlern, Institutionen und Orden erklärt sich die Zahl der Bibliographien, Beschreibungen und historischen Darstellungen von Bibliotheken, der Werke zur Literaturgeschichte, zur Geschichte des Buchdrucks, der Buchkunst u. a., ebenso der Bestand an Katalogen von Kunstsammlungen und Publikationen zur Kunstgeschichte. Zahlreich sind auch die Werke von antiken Autoren in Ausgaben des 16. bis 18. Jhs vertreten (Horaz mit 386 Bdn) sowie Werke zur europäischen Altertumskunde. Daneben gibt es einen umfangreichen Bestand an Reisebüchern, Beschreibungen von fremden Ländern, naturkundlichen Werken, Topographien und Atlanten mit Karten der ganzen Welt (insbesondere Amerikas). Historische Topographien konzentrieren sich auf europäische Länder, besonders auf Skandinavien.

2.3 Bemerkenswert ist die Zahl der Judaica und Hebraica. Schriften zur Medizin finden sich vorwiegend in den älteren Teilen des Bestandes, darunter zahlreiche Werke von Paracelsus. Daneben ist auch pharmazeutische Literatur vertreten. Zu Landwirtschaft, Ökonomie, Handel, Finanzen und Industrie liegen einige Titel vorwiegend aus dem 18. Jh vor. Juristische Publikationen und Gesetzbücher betreffen besonders die österreichischen Länder. Einen besonderen Bestand bilden Chroniken und historische Werke über Ungarn, die Türkei und die Tataren. Zur Geschichte zählen außerdem allgemeine Chroniken, Werke zur Geschichte der Städte, Länder und Staaten, der religiösen Orden und insbesondere des Malteserordens, historische Biographien, Werke über das Haus Fürstenberg sowie genealogische, heraldische und numismatische Publikationen. 1.2

2.4 Die religiöse Literatur umfaßt Bibelausgaben, überwiegend katholische theologische Traktate, Werke zur Kirchengeschichte sowie Verzeichnisse verbotener Bücher. Einen Sonderbestand bilden Jesuitica. Einzelne Schriften befassen sich mit Dämonologie und mit der Kabbala. Aus dem 16. Jh liegen Werke humanistischer Autoren vor. Philosophische Werke stammen zumeist aus dem 18. Jh, ebenso die Sammlung von Theaterliteratur. Naturwissenschaftliche Werke über Botanik und Zoologie sind weit weniger zahlreich als die Schriften zu Gartenbau und Parkgestaltung. Daneben sind Bestände zu Physik, Mathematik einschließlich Geometrie, Mechanik, Astronomie, Chemie und Metallurgie zu erwähnen.

2.5 Der Bestand an Bohemica enthält neben Werken in tschechischer Sprache auch deutsche Drucke, die in Böhmen und Mähren erschienen sind (hauptsächlich in Prag, Brünn und Leitomischl), ferner deutsche Kalender, Wörterbücher, Gesetzbücher für Böhmen und Mähren, Publikationen zur böhmischen Geschichte, Artikel der böhmischen und mährischen Landtage des 17. und 18. Jhs, Abschriften und amtliche Drucke der königlichen und kaiserlichen Kanzlei, Werke über Bergbau in Böhmen sowie Ephemera aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

2.6 Einen Sonderbestand bilden Ephemera des 17. und 18. Jhs, politische Streitschriften und Dokumente aus dem Dreißigjährigen Krieg, besonders zu den deutsch-französischen Beziehungen in dieser Zeit, katholische und protestantische Streitschriften, religiöse und politische Polemiken, Literatur zu den Problemen des Habsburgischen Reiches, zum Papsttum, der türkischen Gefahr, zum böhmischen Aufstand und zu den einzelnen Kriegen des Dreißigjährigen Krieges, so zum Böhmisch-Pfälzischen Krieg, Niedersächsisch-Dänischen Krieg, Schwedischen Krieg und Schwedisch-Französischen Krieg. Vom Anfang des 18. Jhs stammen Ephemera über den Spanischen Erbfolgekrieg und weitere europäische Kriege sowie Friedensvereinbarungen aus dieser Zeit.

2.7 Fast alle Dissertationen sind lateinisch. Sie wurden in Deutschland gedruckt und stammen aus dem 17. und 18. Jh. Am häufigsten sind die sächsischen Universitäten vertreten (Jena, Leipzig, Wittenberg), ferner das Gymnasium in Zittau; unter den übrigen sind Rostock, Tübingen, Ulm u. a. Ihr Schwerpunkt liegt bei der Theologie mit Bibelkommentaren und Themen wie der Ketzerproblematik, religiös-ethischen Fragen, Christologie oder Judentum. An zweiter Stelle ist die Philosophie vertreten. Es folgen Jurisprudenz, Philologie (oft hebräische), Geographie und Geschichte (insbesondere antike). Naturwissenschaftliche und medizinische Werke sind nur marginal vertreten, am häufigsten davon die Chemie.

2.8 Publikationen des 19. Jhs betreffen nationale Probleme Böhmens und die europäische Politik um 1900. Ein zweiter Bereich umfaßt die Landwirtschaft und Ökonomie in der zweiten Hälfte des 19. Jhs und Kataloge von Industrieausstellungen. Weiterhin finden sich auch Kataloge von Kunstausstellungen und Kunstsammlungen sowie eine große Menge von kunsthistorischer Literatur, darunter mehrere Zeitschriften. Aufmerksamkeit wurde in dieser Zeit auch dem Gartenbau und der Parkgestaltung gewidmet. Den Rest des Bestandes bilden deutsche Romane.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Gesamtkatalog der Schloßbibliotheken unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag

[erfaßt einen Teil der Alten Drucke]

Standortkatalog - Bestand der Alten Drucke

[3 Bde; erstellt 1959-1961]

Standortkatalog - gedruckte Dissertationen

[5 Bde; erstellt 1964-1967]

Eine Katalogisierung der Bestände mit EDV ist derzeit in Arbeit.

3.2 Historische Kataloge

Katalog der Fürstenbergischen Bibliothek in Prag

[zweite Hälfte des 18. Jhs; alphabetische Ordnung; verzeichnet Hss. und Drucke; Signatur II a 4]

Katalog der Fürstenbergischen Bibliothek in Prag

[5 Bde; zweite Hälfte des 18. Jhs; alphabetische Ordnung; Signatur II a 5]

Katalog der Fürstenbergischen Bibliothek in Prag

[zweite Hälfte des 18. Jhs; alphabetische Ordnung; Signatur II a 6]

Catalogus Bibliothecae Caroli Egonis landgravii in Fürstenberg

[2 Bde; zweite Hälfte des 18. Jhs; Signatur II f 2]

Bohemica in der Pürglitzer Bibliothek

[etwa 1920-1930; Photokopie in der Abteilung der Schloßbibliotheken in der Bibliothek des Nationalmuseums in Prag]

Verzeichnisse der Bücher der Pürglitzer Bibliothek

[erstellt zweite Hälfte des 19. Jhs; Archivbestand des Staatlichen Regionalarchivs in Prag, Zweigstelle Pürglitz; Inv.Nr. 923, Signatur I.53]

Katalog der Fürstenbergischen Bibliothek

[erstellt zweite Hälfte des 19. Jhs; Archivbestand des Staatlichen Regionalarchivs in Prag, Zweigstelle Pürglitz; Inv.Nr. 3889; Signatur 511 U]

Katalog der Handbibliothek von Elisabeth von Fürstenberg

[erstellt Anfang des 19. Jhs; Archivbestand des Staatlichen Regionalarchivs in Prag, Zweigstelle Pürglitz; Inv.Nr. 3890, Signatur 512 U]

Unvollständiger Katalog der Fürstenbergischen Bibliothek

[erstellt 18. bis 19. Jh; Archivbestand des Staatlichen Regionalarchivs in Prag, Zweigstelle Pürglitz; Inv.Nr. 3891, Signatur 513 U]

4. QUELLEN UND DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Quellen zur Geschichte der Bibliothek befinden sich im Staatlichen Regionalarchiv in Prag, Zweigstelle Pürglitz [Státní oblastní archiv v Praze, Pobocka Krivoklát]. Ihr Verzeichnis ist in der unter 4.2 genannten Diplomarbeit von D. Brozková thalten. Beschrieben sind sie zudem im Eintrag Krivoklát [Pürglitz] 2 zu Böhmen.

Fürstenbergische Bibliothek. Beschrieben von R. Glasser und F. Zeller [von 1868, 1885; Archivbestand des Staatlichen Regionalarchivs in Prag, Zweigstelle Pürglitz; Inv. Nr. 4077, Signatur 1507, im Karton 55]

4.2 Darstellungen

Hirsching, Friedrich Karl Gottlob: Versuch einer Beschreibung sehenswürdiger Bibliotheken Teutschlands nach alphabetischer Ordnung der Oerter. Bd 3. Erlangen 1790 [Zugänge und Bestandsvermehrung S. 275-371]

Schottky, Julius Max: Die Fürstlich von Fürstenbergische Bibliothek. In: ders.: Prag, wie es war und wie es ist. Theil II. Prag 1832, S. 423-425

Neumann, Robert: Notiz über eine vom Fürsten Karl Egon von Fürstenberg veranstaltete Ausgabe des Horaz. In: Serapeum 29 (1868) Nr. 8, S. 128

Zíbrt, Cenek: Bibliografie ceské historie [Bibliographie der böhmischen Geschichte]. Bd 1. Praha 1900, S. 193, Nr. 3292, 3437-3443

Bohatta, Johann; Holzmann, Michael: Adressbuch der Bibliotheken der Oesterreich-ungarischen Monarchie. Wien 1900, S. 198, Nr. 599

Cechner, Antonín: Soupis památek historických v království ceském od praveku do pocátk 19. století [Verzeichnis der historischen und künstlerischen Denkmäler im Königreich Böhmen von der Urgeschichte bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts]. Praha 1911, S. 103-115

Johne, Eduard: Gutachten über die Fürstlich Fürstenbergische Bibliothek in Pürglitz [mschr.; datiert 10. November 1925; in der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen]

Lifka, Bohumír: Zámecké a palácové knihovny v Cechách. Prehled historicko-topografický [Schloß- und Palaisbibliotheken in Böhmen. Eine historisch-topographische Übersicht]. In: Ceský bibliofil [Der tschechische Bibliophile] 6 (1934) S. 44, 53

Lifka, Bohumír: Krivoklát. In: Krivoklát, státní hrad a okolí [Pürglitz, Staatsschloß und Umgebung]. Praha 1954, S. 20-21

Kneidl, Pravoslav: Hradní knihovna na Krivokláte [Die Burgbibliothek in Pürglitz]. In: Museum knihy Zdár nad Sázavou [Das Buchmuseum in Saar]. Praha 1958, S. 153

Brozková, Daniela: Krivoklátská knihovna [Die Pürglitzer Bibliothek]. Praha 1985 [Diplomarbeit an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität in Prag, Lehrstuhl für wissenschaftliche Informationen und Bibliothekswesen]

Mašek, Petr: Krivoklátská knihovna rodu Fürstenberg [Die Bibliothek des Geschlechts Fürstenberg]. In: Sborník Národního muzea, rada C [Sammelband des Nationalmuseums, Reihe C] 38 (1993) Nr. 1-2, S. 39-62

ders.: Die Fürstenberg-Bibliothek auf Burg Krivoklát. In: Die Fürstenberger. 800 Jahre Herrschaft und Kultur in Mitteleuropa. Niederösterreichische Landesausstellung Schloß Weitra. Korneuburg 1994, S. 313-322

ders.: Krivoklát. In: Ctenár [Der Leser] 2 (1994) S. 72-73

ders.: Zámecká knihovna Krivoklát [Die Schloßbibliothek ==== Pürglitz]. In: XIX. kongres mezinárodní asociace bibliofil [XIX. Kongreß der Internationalen Assoziation der Bibliophilen]. Praha 1995, S. 25 [tschechischer und deutscher Text]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Prazák, Jirí: Rukopisy krivoklátské knihovny [Handschriften aus der Bibliothek Pürglitz]. Praha 1969

Zeller, Felix: Die Incunabel-Drucke (bis zum Jahre 1500) der Fürstenberg'schen Bibliothek zu Pürglitz. Stuttgart 1885

Zíbrt, Cenek: Staroceský Lucidár. Text rukopisu fürstenberského a prvotisku z roku 1498 [Ein alttschechisches Lucidarium. Text der Fürstenbergischen Handschrift und des Wiegendrucks von 1498]. Praha 1903

Stand: September 1996

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.