FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Kynzvart [Königswart]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Grundlage der Familienbibliothek des rheinischen Adelsgeschlechts Metternich-Winneburg ent- stand zur Zeit des Trierer Kurfürsten und Erzbischofs Lothar Metternich (1551-1623), der den Ruhm der Familie begründete. Später wurde seine Sammlung in Koblenz untergebracht und vermehrt. Nachdem sie 1794 aus Sicherheitsgründen in die Festung Ehrenbreitstein überführt worden war, wurde die Bibliothek dort 1799 bei der französischen Eroberung der Festung teilweise zerstört und zerstreut. Die dadurch entstandenen Verluste ersetzte der österreichische Kanzler Fürst Clemens Wenzel Lothar Metternich (1773-1859), das damals bedeutendste Mitglied der Familie. Er erwarb dazu 1803 das säkularisierte Kloster Ochsenhausen und baute Königswart um.

1.2 Heute bildet die Ochsenhausener Bibliothek den wertvollsten Teil der Metternichschen Sammlung. Seit der Gründung im Jahr 1093 wurde im Kloster eine Bibliothek aufgebaut, vor allem waren die Äbte Hieronymus Lindau (1767-1819) und Romuald Weltin (1767-1803) daran beteiligt. Die Ochsenhausener Bibliothek hat die Metternichsche insbesondere durch eine wertvolle Sammlung mittelalterlicher Handschriften und Inkunabeln bereichert. Reste weiterer bedeutender deutscher Bibliotheken in dem Bestand stammen zum Beispiel aus den Sammlungen von Zacharias Konrad von Uffenbach (1683-1734) und Moritz Karl Christian Woog (†1760). Als dritte Anschaffungsquelle der Königswarter Bibliothek sind die eigenen Akquisitionen des Kanzlers in den Bereichen zeitgenössische Politik, Chemie und Medizin zu nennen. Eine bedeutende Ergänzung war die Büchersammlung des letzten Egerer Henkers Karl Huss (1761-1838), eines Sammlers von Egeriana. Richard Metternich (1829-1895), der Sohn des Kanzlers Metternich, sammelte eine gesonderte Privatbibliothek. Die sogenannte neueste Bibliothek ist die Sammlung von Paul Alfons (1917-1992) und seiner Gemahlin Tatjana Fürstin Vasilcik (1915), der letzten Generation Metternich.

1.3 Die Bibliothek des Kanzlers beinhaltet zudem Fragmente verschiedener zerstreuter oder vermißter europäischer Büchersammlungen. Zu den interessanten Provenienzen zählen beispielsweise die Bibliotheken der Grafen von Sinzendorf oder der polnischen Grafen von Rzewusky sowie der Fürsten von Lubomirsky. Ferner sind Teile der Sammlungen der Grafen von Hardenberg, von Abensperg-Traun, von Selb, Wolkenstein von Trostburg, von Bünau oder der Bibliothek des Freiherrn Joachim Entzmüller von und zu Windhag (†1675) vorhanden. Neben Teilen aus Bibliotheken höherer geistlicher Würdenträger, etwa des Salzburger Erzbischofs Maximilian Gandolph von Küenburg (1622-1687), findet sich eine Reihe von Werken aus dem Besitz von Wissenschaftlern wie Josef Max von Liechtenstern (1765-1828), aus der Sammlung des Philologen Jeremias Jacob Oberlin (1735-1806) sowie des Verlegers und Historikers Johann Gottlieb Breitkopf (1719-1794).

1.4 Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag. 1994 ging sie in den Besitz des Denkmalamtes für Westböhmen [Památkový ústav Západních Cech] in Plzen [Pilsen] über, und die gesamten Bestände wurden von Prag nach Königswart überführt, wo sie für Benutzer heute zugänglich sind.

Kanzlerbibliothek

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der historische Bestand vor 1800 umfaßt 10.838 Bde bei einem Gesamtbestand von 21.387 Bdn. Er setzt sich zusammen aus 148 Hss., 145 Inkunabeln, 561 Drucke des 16. Jhs, ca. 3500 Bde des 17. Jhs, ca. 6500 Bde des 18. Jhs und ca. 10.000 Bde des 19. Jhs.

2.2 Der größte Teil der 148 Hss. wurde aus dem Kloster Ochsenhausen übernommen und verteilt sich auf die Bereiche Theologie (einschließlich Bibelausgaben) und Philosophie. Die Mehrheit der Handschriften stammt aus dem 12. Jh, die älteste aus der zweiten Hälfte des 9. Jhs. In der Inkunabelsammlung überwiegen theologische und philosophische Werke neben Werken antiker Autoren und juristischen Schriften. Die Mehrzahl der Inkunabeln ist in lateinischer Sprache, nur zwei sind deutschsprachig. Gedruckt sind sie vorwiegend in Deutschland, hauptsächlich in Ulm bei Johann Zainer oder in Köln bei Heinrich Quentell und Ulrich Zell.

2.3 Die Werke des 16. Jhs betreffen vor allem die Bereiche der europäischen Geschichte und der Heraldik. Theologische Literatur und Werke antiker Autoren sind ebenfalls vertreten. Hinzu kommen naturwissenschaftliche Werke, besonders im Bereich der Medizin, einem Interessengebiet des Kanzlers. Der Bestand enthält außerdem wertvolle Drucke, etwa einen Sammelband Nürnberger Dürer-Drucke aus den Jahren 1525-1528.

2.4 Der Bestand des 17. und 18. Jhs verteilt sich auf verschiedene Disziplinen, unter denen die Geschichte europäischer und außereuropäischer Länder sowie Biographie, Heraldik und Numismatik überwiegen. Bemerkenswert ist die Sammlung zu Buchgeschichte, Buchdruck, Bibliographie und Literaturgeschichte. Weniger vertreten sind theologische und philosophische Werke; einige Bände befassen sich mit Magie und Okkultismus. Einen umfangreichen Bestand bilden Reisebeschreibungen zu exotischen Ländern. Politische und ökonomische Werke sind stärker vertreten als Militaria. Aus der umfangreichen naturwissenschaftlichen Sammlung, die im 18. Jh zunehmend vergrößert wurde, ist besonders auf Werke zu Medizin, Chemie, Mathematik, Elektrizität und zum Magnetismus hinzuweisen.

2.5 Bei den Werken des 19. Jhs treten wieder die Bereiche Geschichte und geschichtliche Hilfswissenschaften hervor, insbesondere Numismatik. Den Schwerpunkt bildet die Außenpolitik als Metternichs vorrangiges Interessengebiet. Kleine Drucke und Broschüren zur zeitgenössischen europäischen Politik stellen eine besondere Sammlung dar. Reisebeschreibungen sowie Werke zur Medizin und Chemie sind weiterhin vertreten.

Richardsche Bibliothek

2.6 Der historische Buchbestand bis 1800 umfaßt 310 Bde bei einem Gesamtbestand von 6198 Bdn. Davon sind 21 Bde Hss., 6 Bde stammen aus dem 17. und 283 Bde aus dem 18. Jh. Französischsprachige Werke sind knapp in der Mehrzahl, deutschsprachige Werke finden sich im 18. wie auch im 19. Jh vorwiegend in den Bereichen Geschichte und Genealogie. Eine besondere Gruppe bildet die Kirchengeschichte. Eine zweite Gruppe der Militaria gliedert sich in Werke zur militärischen Taktik, Beschreibungen einzelner europäischer Truppenteile und Armeen sowie eine Reihe von Militärvorschriften und Zeitschriften. Einen Sammelschwerpunkt setzte Fürst Richard Metternich, der wie sein Vater als österreichischer Gesandter in Paris tätig war, bei politikwissenschaftlichen Werken, Literatur zum Finanzwesen, zu zeitgenössischen Fragen der europäischen Politik sowie zu Entstehung, Verlauf und Folgen verschiedener europäischer Revolutionen. Die Bibliothek enthält viele Metternichiana, Reisebücher und wiederum medizinische Literatur. Im Bereich der Belletristik sind zahlreiche Werke von Alexandre Dumas hervorzuheben. Der Bestand wird durch eine kleine Sammlung von Hispanica ergänzt, die Isabella de Silva y Carvajal de Santa Cruz (1880-1980) angelegt hat. Sie war die Cousine des spanischen Königs Alfons XIII. und mit dem Neffen von Richard Metternich, Clemens Wenzel (1896-1930), verheiratet.

Neueste Bibliothek

2.7 Der historische Bestand umfaßt bei einem Gesamtbestand von ca. 6000 Bdn 29 Hss. und 31 Bde aus der Zeit vor 1800. Bei den Drucken bis 1800 überwiegen Werke zur Genealogie und Theologie sowie antike Autoren. Der Bestand des 19. Jhs verteilt sich auf deutsche und französische Titel. Den Schwerpunkt bilden politische und historische Fachpublikationen, Numismatik und Metternichiana. Zahlreich sind auch deutsche Bohemica, besonders zur regionalen Problematik von Nordwestböhmen. Im Bereich der Bildenden Kunst stellen Kataloge von Kunstsammlungen einen weiteren Schwerpunkt dar. Wie in den übrigen Königswarter Sammlungen finden sich Werke zur Medizin, insbesondere zur Balneologie. Den Bestand ergänzt eine kleinere Gruppe russischer Literatur, ein Sammelgebiet von Tatjana Vasilcik.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Standortkatalog [erstellt 1965 bis 1967]

3.2 Historischer Katalog

Catalogus bibliothecae Metternichianae. Digessit Henricus Schiel. Königswart 1845

Geisenhof, Georg: Kurze Geschichte des vormaligen Reichsstifts Ochsenhausen in Schwaben. Ottobeuren 1829 (repr. Biberach 1978)

Balbi, Adrien: Essai statistique sur les Bibliothèques de Vienne précédé de la statistique de la Bibliothèque Impériale. Wien 1835

Schum, Wilhelm: Mittheilungen über die Fürstlich Metternich'sche Bibliothek auf Schloss Königswart in Böhmen. In: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere Geschichtskunde 5 (1879) S. 457-465, 651

Bohatta, Johann; Holzmann, Michael: Adressbuch der Bibliotheken der Oesterreich-ungarischen Monarchie. Wien 1900, S. 94-95

Lifka, Bohumír: Zámecké a palácové knihovny v Cechách. Prehled historicko-topografický [Schloß- und Palaisbibliotheken in Böhmen. Eine historisch-topographische Übersicht]. In: Ceský bibliofil [Der tschechische Bibliophile] 6 (1934) S. 50

Lifka, Bohumír: Zámecká knihovna v Kynzvarte [Die Schloßbibliothek in Königswart]. In: Kynzvart. Praha 1954, S. 15-19

Fuks, Ladislav: Zámek Kynzvart. Historie a prítomnost [Schloß Königswart. Geschichte und Gegenwart]. Karlovy Vary 1958

Görmer, J.: Rodinny archiv metternišský ve Státním ústredním archivu v Praze [Metternichs Familienarchiv im Staatlichen Zentralarchiv in Prag]. In: Archívní casopis [Archivzeitschrift] 9 (1959) Nr. 3, S. 144-150

Kneidl, Pravoslav: Zámecké knihovny [Die Schloßbibliothek ==== en]. In: Knihovna Národního musea v Praze [Die Bibliothek des Nationalmuseums in Prag]. Praha 1959, S. 136-138

John, J. J.: Miscellanea Ochsenhusana. Scire litteras. Forschungen zum mittelalterlichen Geistesleben. In: Bayerische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse, Abhandlungen. N. F., Heft 99. München 1988, S. 227-239

Mašek, Petr: Knizní sbirky na zámku Kynzvart [Die Büchersammlungen im Schloß Königswart]. In: Sborník Západoceského muzea v Plzni [Sammelband des Westböhmischen Museums in Pilsen]. Plzen 1994, S. 79-82 (Historie, 12)

Cáda, František: Rukopisy státního zámku v Kynzvarte [Die Handschriften des Staatsschlosses in Königswart]. Praha 1965

Hoffmannová, Jaroslava: Nove zjištené prvotisky ve fondu Rodinný archiv Metternich [Neu entdeckte Inkunabeln im Bestand des Familienarchivs von Metternich]. In: Archivní casopis [Archivzeitschrift] 37 (1987) Heft 2, S. 74-79

Libri sapientiae, libri vitae. Von nützlichen und erbaulichen Schriften. Schätze der ehemaligen Bibliothek der Benediktiner-Reichsabtei Ochsenhausen. Ochsenhausen 1993 [Ausstellungskatalog]. Darin: Kurt Diemer: Zur Geschichte von Reichsabtei und Stadt Ochsenhausen, S. 26-33; Birgit Dietrich: Von der Macht des Wissens: Benediktiner-Mönche als Büchersammler, S. 12-25; Konstantin Maier: Barocke Klosterkultur in Ochsenhausen: Bildung und Wissenschaft, S. 34-47; Petr Mašek: Die benediktinische Klosterbibliothek Ochsenhausen, S. 48-57; Hans-Dieter Mück: Kloster- und Bibliotheks-Visitationen des Bibliothekssaals auf antique Arth, S. 76-81; Hans-Dieter Mück, Petr Mašek, Adelheid Westhoff: Beschreibungen der ausgestellten Bücher, S. 82-220

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Mašek, Petr: Kynzvart. In: Günter Scholz (Hrsg.): Libri castellani. Europäische Bücherschätze aus Adelsbibliotheken in Böhmen. Böblingen 1992, S. 26-27, 45-46 [Ausstellungskatalog]

Šimáková, Jitka: Prvotisky zámecké knihovny v Kynzvarte [Die Inkunabeln der Schloßbibliothek in Königswart]. In: Sborník Národního muzea v Praze, rada C [Sammelband des Nationalmuseums, Reihe C] 20/21 (1986) Nr. 3-4, S. 171-182

Stand: Dezember 1994

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.