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Országos Rabbiképzo Intézet Könyvtára

Bibliothek der Landesrabbinerschule


Adresse. József körút 27, H-1085 Budapest
Telefon. (01) 1342-121, 3247-200
Telefax. (01) 114-2659

Unterhaltsträger. Magyarországi Zsidó Hitközségek Szövetsége [Bund der Jüdischen Gemeinden Ungarns]
Funktion. Öffentliche wissenschaftliche Bibliothek.
Sammelgebiete. Jüdische Theologie, Hebraica-Judaica, Geschichte des Judentums, Antisemitismus.

Benutzungsmöglichkeiten. Ausleihbibliothek mit Präsenzbestand (Rara und Wörterbücher, Zeitschriften). - Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 9-13.30 Uhr, Mittwoch im Schuljahr 9-16.30 Uhr. - Leihverkehr: nationaler und internat. Leihverkehr.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergeräte.
Gedruckte Informationen. Évkönyv [Jahrbuch] 1985-1991. Hrsg. von der Landesrabbinerschule. Budapest 1991, S. 389-401.
Hinweise für anreisende Benutzer. Auf telefonische oder schriftliche Anmeldung werden Referenzfragen beantwortet. - Ab Deli páljaudvar [Südbahnhof] Metroverbindung (Linie 2) bis Haltestelle Blaha Lujza tér, ab Njugati páljaudvar [Westbahnhof] Straßenbahnverbindung (Linie 4 oder 6) bis Haltestelle Rákóczi tér. - Parkmöglichkeiten am Gutenberg tér [Gutenberg Platz], von dort Fußwegnähe (ca. 2 Minuten).

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Der Pester Arzt David Friesenhauser (1750-1828), zugleich Mathematiker und Hebraist, entwickelte 1806 als erster unter dem Einfluß der Aufklärung die Idee, eine moderne Rabbinerschule mit angeschlossener Bibliothek zu gründen, an der auch Gesellschaftswissenschaften gelehrt würden. In der Sitzung der Ständetafel vom 27. September 1844 wurde die Einrichtung einer solchen Institution ohne Widerspruch beschlossen. Die Verwirklichung verzögerte sich jedoch wegen Geldmangels. Eine Finanzierungsmöglichkeit ergab sich schließlich als Folge der politischen Ereignisse der vierziger Jahre. Nach dem Scheitern der Ungarischen Revolution und des Freiheitskampfes von 1848/49 hatte das österreichische Oberkommando den jüdischen Gemeinden in Ungarn eine Ausgleichszahlung von 2.300.000 Gulden wegen ihrer Teilnahme an den Kämpfen auferlegt. Diese Strafkontribution wurde in den folgenden Jahrzehnten zu einem Israelitischen Schul- und Unterrichtsfonds umgestaltet, der letztlich die Errichtung der Landesrabbinerschule ermöglichte. Das Gebäude, in dem sich die Budapester Rabbinerschule noch heute befindet, ein zweistöckiges Haus in maurischem Stil, wurde am 4. Oktober 1877 eröffnet. Eine Marmortafel in der Aula erinnert an den Besuch Franz Josefs I. im Jahre 1877. Die Schule trug den Namen des Kaisers und Königs von Ungarn von 1916 bis 1944: Ferenc József Országos Rabbiképzo Intézet [Franz-Josef-Landesrabbinerschule].

1.2 Der wertvollste Grundbestand der Bibliothek wurde kurz vor der Eröffnung der Schule im Juli 1877 in Padua durch den damals noch jungen Professor des Instituts und später international anerkannten Orientalisten, Dávid Kaufmann (1852-1899), auf Kosten der Gemeinde erworben. Es handelte sich um den Nachlaß des berühmten Professors des Collegio Rabbinico di Padova, Lelio della Torre (1805-1871). Der Katalog der Privatsammlung des Professors wurde 1872 veröffentlicht. In seinem Nachlaß befanden sich 300 Hss. aus dem 15. bis 19. Jh, 11 teils lateinische, teils hebräische Inkunabeln sowie mehrere hundert Drucke aus dem 16. bis 18. Jh in hebräischer, lateinischer, deutscher, italienischer und spanischer Sprache. Weitere bedeutende Privatsammlungen gingen als Vermächtnisse ungarischer Rabbiner und Wissenschaftler ein, darunter die Nachlässe des ersten Rektors des Instituts, Moses Bloch (1815-1909), des Budapester Rabbiners Samuel Löw Brill (1814-1897) und des Veszprémer Rabbiners Abraham Hochmut (1816-1897). Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die Bibliothek von der jüdischen Gemeinde und von der Regierung großzügig dotiert, und sie entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Forschungszentren Europas auf dem Gebiet der Hebraistik-Judaistik. Während des Ersten Weltkrieges, später in der Weltwirtschaftskrise (1929-1933) und in der Zeit der ungarischen Rassengesetze (1938-1944) hat die Regierung ihre Unterstützung stufenweise abgebaut und schließlich völlig tzogen, so daß die Entwicklung der Bibliothek sich zunächst verlangsamte und dann stagnierte.

1.3 Nach der Besetzung Ungarns durch die Deutsche Armee (19. März 1944), wurde das Gebäude des Rabbinerseminars beschlagnahmt und als provisorisches Gefängnis benutzt. Auf Anweisung von Adolf Eichmann wurden mehrere tausend Dokumente ins Ausland verschleppt. Nach dem Krieg wurde dieser Bestand in einem Kellermagazin des Staatlichen Jüdischen Museums in Prag entdeckt; die 3000 Bde konnten aber erst im Dezember 1991 nach Budapest zurückgebracht werden. Mehr als ein Drittel des aus Prag zurückgekehrten Bestandes trägt die Signatur Hi, d. h. daß es sich um Literatur zur Geschichte des Judentums handelt. Während der Kämpfe um Budapest im Winter 1944/45 wurde das Seminargebäude belagert und so stark beschädigt, daß das Dach und das zweite Stockwerk, in dem sich die Bibliothek befand, einstürzten. Tausende von Dokumenten wurden durch Einschüsse zerstört. Die wertvollsten Bestände, Handschriften und Inkunabeln, waren vor der Besetzung wegen der Gefahr von Luftangriffen in einem Felsenkeller sicher gelagert worden, wo sie unversehrt erhalten blieben.

1.4 Die gröbsten Kriegsschäden am Gebäude waren bis Ende der vierziger Jahre ausgebessert, der erhaltene Rest des Bestandes neu geordnet. Doch noch zu Anfang der neunziger Jahre warteten hunderte von schwer beschädigten Dokumenten auf ihre Restaurierung. Trotz mehrerer kostspieliger Versuche konnten die durch Schutt verschmutzten Stoffeinbände nicht vollkommen gesäubert werden. Infolge der Vernichtung von zwei Dritteln der 750.000 ungarischen Juden im Jahre 1944 - überwiegend durch Massenmord in Konzentrationslagern - war die jüdische Gemeinde Budapests verarmt. Dies betraf auch die Bibliothek, deren Notlage durch Spenden nur gemildert werden konnte.

1.5 Nach 1945 wurden der Bibliothek 24 bedeutende Privatsammlungen übergeben, größtenteils Nachlässe von Wissenschaftlern, z. B. des ehemaligen Rektors des Instituts, Ludwig (Lajos) Blau (1861-1936), des Historikers Philipp Grünwald (1887-1964), des Volkskundlers und Orientalisten Bernhard Heller (1871-1943; 1500 Bde, speziell zur jüdischen und arabischen Folklore), des Turkologen Ignaz Kunos (1860-1945), des Philosophen Samu Szemere (1881-1978), des Rabbiners Leo Singer (1877-1944), der im 18. und 19. Jh in Ungarn erschienene jüdische Literatur sammelte (ca. 2000 Bde), und anderer teils deportierter Personen. Diese Sammlungen sind noch nicht vollständig bearbeitet; besonders die Nachlässe von Heller und Singer beinhalten wahrscheinlich noch zahlreiche wertvolle Werke.

1.6 Der nächste größere Zuwachs resultierte aus der partiellen Verstaatlichung der religiösen Institutionen um 1950. So erhielt die Rabbinerschule die 1920 gegründete Bibliothek der Pester Israelitischen Gemeinde (mehr als 16.000 Bde), die von ca. 1920 bis 1944 parallel zur Bibliothek der Rabbinerschule für das nicht-wissenschaftliche Publikum aufgebaut worden war. Dieser Bestand wurde inzwischen in seiner urspünglichen Aufstellung wieder zugänglich gemacht. Der ebenfalls übernommene Buchbestand des Pester Jüdischen Gymnasiums (ca. 6000 Bde) setzt sich aus einer fast vollständigen Sammlung der ungarischen Literatur, aus Weltliteratur (darunter viele deutsche Ausgaben) und Werken der Humanwissenschaften zusammen. Hinzu kamen mehrere tausend Bücher aus anderen Sammlungen und Schulen. Auch diese Sammlungen sind noch nicht bearbeitet. Nach dem Jahrbuch des Instituts verfügte die Bibliothek 1943 über 41.000 Einheiten, nach dem Krieg waren es ca. 20.000 bis 25.000 Bde, heute beläuft sich ihre Zahl auf über 100.000.

1.7 Durch die unerwartete Bestandsvermehrung konnten verlorengegangene Rara teilweise ersetzt werden. Gleichzeitig bewirkte sie aber auch einen Platz- und Personalmangel, der die Situation der Bibliothek schwierig machte. Mitte der achtziger Jahre wurde die Betreuung der Sammlung einem einzigen Mitarbeiter ohne bibliothekarische Ausbildung überlassen. Eine nur vorübergehende Besserung der Lage bewirkten die 1988 bis 1991 für die Rekonstruktion gedachten Spenden, die die Erweiterung der Magazine und des Personalbestandes ermöglichten und eine bescheidene Verbesserung der durchweg veralteten Einrichtung zuließen. Die kontinuierliche Restauration der beschädigten Dokumente wurde in die Wege geleitet, ebenso der Ankauf ungarischer Neuerscheinungen, der jahrzehntelang nicht möglich gewesen war. Bei der Erwerbung moderner ausländischer Fachliteratur ist die Bibliothek seit Jahrzehnten auf Spenden angewiesen. Sie erhält auf diese Weise u. a. 34 Fachblätter unentgeltlich, neuerdings auch im Tausch gegen Dubletten.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Mit einem Gesamtbestand von ca. 100.000 Bdn gehört die Budapester Sammlung neben der Pariser Bibliothèque d'Alliance Israélite Universelle und der Bibliotheca Rosenthaliana in Amsterdam zu den drei ältesten und größten im vergangenen Jahrhundert gegründeten und auch heute noch bestehenden, auf Hebraica-Judaica spezialisierten Forschungsinstitutionen in Europa. Außer den Handschriften und Inkunabeln sind die ältesten Bestände noch nicht eingehend bearbeitet. Annähernd 20.000 Dokumente sind völlig profilfremd und warten auf ihre Aussonderung. Der zwischen 1877 und 1944 erworbene historische Bestand (ca. 25.000 Bde) ist reich an Drucken des 16., 17. und 18. Jhs. Diese sind ebenso katalogisiert wie die seit 1945 erworbenen 35.000 Bde, deren überwiegender Teil (ca. 25.000) zwischen 1946 und 1995 in die Bibliothek kam. Weitere ca. 25.000 Bde, darunter tausende von Dubletten, warten noch auf ihre Bearbeitung oder Eingliederung.

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Die folgenden Angaben beruhen auf der Teilauszählung des Katalogs der Neuerwerbungen (4000 Titel) und hinsichtlich des Magazinbestandes auf Erhebungen am Regal (2000 Titel). Da noch ein großer unbearbeiteter Bestand vorhanden ist, können die Zahlen nur annähernde Hinweise geben. Neben 16 Inkunabeln wurden 339 Titel aus dem 16. Jh ermittelt, 951 aus dem 17. Jh, 1320 aus dem 18. Jh und ca. 22.000 bis 25.000 aus dem 19. Jh.

2.3 Der Anteil der ungarischen Werke beträgt ca. 35 Prozent, der hebräischen und jiddischen 30 Prozent, der deutschen 20, der französischen und englischen zusammen 10 Prozent. Sonstige Sprachen

 - Griechisch, Latein, Arabisch, Spanisch und Ladino (i. e. die
jüdisch-spanische Mundart), Holländisch, Dänisch, Tschechisch, Bulgarisch u. a. - sind mit insgesamt 5 Prozent vertreten.

Systematische Übersicht

2.4 Der zwischen 1877 und 1944 erworbene Bestand ist im Magazin in Fachgruppen aufgestellt. Die Systematik mit 22 Fachgruppen stammt aus den Gründungsjahren der Bibliothek. Etwa ein Viertel der Fachgruppen enthält hebräisches Schrifttum. Die wichtigsten Fachgruppen sind: (B) Bibel; (Bi) Bibliographien; (Ch) Christologie mit katholischen und protestantischen Werken ab dem 16. Jh; (Di) Diaria mit Zeitschriften und Jahrbüchern, die überwiegend im 19. Jh in Ungarn, Österreich, Deutschland und anderwärts in deutscher Sprache veröffentlicht wurden; (G) Grammatiken; (Hi) Historia mit Werken zur Geschichte des Judentums; (Le) Lexikalia mit Lexika, Wörterbüchern und Konkordanzen; (P) oder (Ph) jüdische Philosophie und (T) Talmud.

2.5 Unter den 16 Inkunabeln ist, wahrscheinlich als Unikat, Sifras Kommentar zum dritten Buch Moses, das in Hebräisch vor 1500 in Konstantinopel gedruckt wurde. 14 weitere Inkunabeln stammen aus Italien (Venedig, Mantua, Brescia, Neapel) und überwiegend aus der Werkstatt der Familie Soncino; ein Druck stammt aus Spanien (Maimonides' Misne Tora, 1480). 15 Titel sind hebräisch, einer lateinisch (Biblia, Venedig: Johann Herbart 1484).

2.6 Von insgesamt 1100 Bibeln (B) stammen 700 aus dem 16. bis 19. Jh, darunter deutsche Übersetzungen in großer Zahl. Unter der Signatur F (Moderne Bibelausgaben) sind weitere 400 Bibeln des 19. und 20. Jhs separat aufgestellt. Vereinzelt finden sich Bibeln auch in anderen Gruppen. In der Regel handelt es sich um Ausgaben des Alten Testaments. Nur die unter Christologie eingeordneten Bibeln enthalten auch das Neue Testament. Unter den Inkunabeln sind 4 Bibeln, eine lateinische (Venedig 1484) und 3 hebräische aus der Druckerei des Josef ben Askenazi in Neapel, die jeweils einige Bücher des Alten Testaments umfassen. Eine dieser Ausgaben enthält die Kommentare zum Pentateuch, Peruš hat-Tora (Neapel: Soncino 1490) von Ranban (1194-1270), die andere die Proverbia Salomonis (Neapel 1487) von Immanuel ben Salomon (Manoello Giudeo; 1261-nach 1328), die dritte die Erklärungen der Verfasser zu den Büchern der Hagiographia.

2.7 Aus dem 16. Jh stammen 10 Bibeldrucke, aus dem 17. Jh 240. Die Biblia Sacra wurde 1551 in der venezianischen Justinianus-Druckerei hergestellt, eine andere Ausgabe ebenfalls in Venedig bei Daniele Bomberg 1568, eine weitere in Antwerpen bei Plantin 1570. 2 Bibeln wurden von Lucensis Pagnini gedruckt, die eine 1600 in Basel, die andere 1619 in Rovière. Eine Amsterdamer Bibelausgabe von 1667 wurde von Johann Leuschen bearbeitet; eine Leipziger Ausgabe von 1686 enthält die Kommentare zum Pentateuch von Isaak ben Jehuda Abravanel, eine Neuauflage (Wilhelmsdorf 1713) derselben Ausgabe ist ebenfalls vorhanden. In der Bearbeitung von Johannes Maius liegen die Frankfurter Ausgabe von 1716 und die Berliner Ausgabe von 1775 des Buches Kohelelet vor. Ferner gehören zu diesem Bestand mehrere Exemplare der Lutherschen Bibelübersetzung, z. B. die Baseler Ausgabe von 1779 und die als 84. Ausgabe bezeichnete Hallenser Ausgabe von 1781.

2.8 Die Sammlung von Bibliographien (Bi) umfaßt 500 Titel und ist sehr wertvoll. Der älteste Titel ist Konrad Gesners Bibliotheca instituta et collecta (Zürich 1574), die neben den christlichen und weltlichen Werken auch bibliographische Angaben zur jüdischen Literatur enthält und somit als Quellenwerk zur Bestimmung des Profils der Bibliothek dienen kann. Die erste monumentale Bibliographie der jüdischen Literatur, die Bibliotheca magna Rabbinica des Zisterzienserabtes Julius Bartoloccius, erschien in Rom von 1675 bis 1699. Weitere Beispiele sind die Bibliotheca Sacra von Jacques Le Long (Leipzig 1709) und die Bibliotheca Hebraea von Christoph Wolf (Hamburg und Leipzig 1715). In diese Gruppe eingeordnet wurden auch Giovanni Bernardo de Rossis Werke De Typographia Hebraeo-Ferrariensi

 commentarius historicus (Parma 1780), Annales
(Parma 1790) und Dizionario storico degli autori Arabi (Parma 1807). Die beiden umfassendsten Bibliographien der hebräischen Drucke kamen schon zur Zeit der Bibliotheksgründung in die Sammlung: Moritz Steinschneiders Catalogus librorum Hebraeorum (Berlin 1852-1860), der auch die in der Oxforder Bibliotheca Bodleiana vorhandenen Hebraica verzeichnet und als Quellenwerk unentbehrlich geworden ist, sowie Julius Fürsts Bibliotheca Judaica (Leipzig 1843-1851).

2.9 Die Gruppe Christologie (Ch) umfaßt 600 Titel katholischer und protestantischer theologischer Werke sowie Ausgaben des Neuen Testaments in Latein, Hebräisch, Französisch, Deutsch und anderen Sprachen. Zahlreiche Drucke stammen aus deutschen Werkstätten. Ein Sammelband aus dem 16. Jh enthält die beiden von der Gesellschaft Jesu herausgegebenen Titel Quaestio theologica de Scriptura Sacra und Assertiones (Wien 1561). Hervorzuheben sind ferner Lucas Osianders Enchiridion (Wittenberg 1614), Johann Dölings Resignatio oraculorum vaticinio ...tam Veteris quam Novi Testamenti ... (Rostock 1638), die seltene Ausgabe der Dreyzehn Bücher der Bekandtnüssen des Augustinus (Köln 1673), Robert Boltons Göttlicher Wandel in der gottlosen Welt (Frankfurt 1676), Tobias Wagners Feyertägliche Evangelien (Frankfurt 1677), Salomon Deylings Observationum sacrarum pars prima - (secunda, tertia) (Leipzig 1720-1726) und Hugo Grotius' De veritate religionis christianae (Jena 1726). Als Beispiel für die Leben-Jesu-Literatur seien David Friedrich Strauss' Streitschriften zur Vertheidigung meiner Schrift über das Leben Jesu (Tübingen 1841) erwähnt.

2.10 Die einst umfangreiche Sammlung von Grammatiken (G; jetzt ca. 300 Titel) erlitt im Winter 1944/45 (s. o. 1.3) große Verluste. Wertvolle Titel wurden teils beschädigt, teils vernichtet. Mit den notwendigen Restaurierungsarbeiten wurde in den achtziger Jahren begonnen, doch befinden sich Bücher in der Sammlung, deren Restaurierung von den Fachkräften bisher nicht gewagt wurde. Interessante und bereits wieder restaurierte Titel sind z. B. Elia Levitas Grammatica (Basel 1537), David Kimchis Széfer mkulol ...sehibér (Venedig 1545), Johannes Buxdorfs Széfer szofé börira (Fürth 1590) und seine Grammaticae Chaldeicae et Syriacae libri III (Basel 1615).

2.11 Die bedeutende Sammlung zur Geschichte des Judentums und zur jüdischen Literatur (Hi; ca. 2000 historische Titel) wurde zum großen Teil 1944 nach Prag verschleppt, da sie für Adolf Eichmann offensichtlich von besonderem Interesse war (s. o. 1.3). Einen hervorragenden Platz unter den Autoren der Gruppe nimmt Flavius Josephus ein, dessen historische Darstellungen des römischen Zeitalters in zahlreichen Drucken des 16. bis 20. Jhs gesammelt wurden. Vorhanden ist u. a. seine in Spanisch verfaßte Schrift De las antiquitates Judaicas (Anvers 1554), ferner die Titel De bello Judaico libri VII und Contra Apionem libri in jeweils mehreren Ausgaben, darunter auch Übersetzungen ins Deutsche, Ungarische und in andere Sprachen. Ein wichtiger Bestandteil dieser Fachgruppe sind Darstellungen der Geschichte jüdischer Gemeinden in deutschen Ländern (u. a. in Preußen und Bayern) sowie in deutschen Städten (Bamberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Magdeburg, Nürnberg usw.). Hinzu kommen Werke über die Juden anderer europäischer Länder, z. B. Böhmen, Polen, Spanien und Portugal. Auch die antisemitistischen Schriften wurden hier eingereiht, so die Publikationen über den 1882 in Ungarn gegen Juden unter der Anklage wegen Ritualmordes geführten

 Prozeß, der wegen erpreßter
Augenzeugenberichte internationales Aufsehen erregte. Auch deutsche Drucke erschienen in diesem Zusammenhang: Blutbeschuldigung gegen die Juden (Berlin 1882), Christliche Zeugnisse gegen die Blutbeschuldigung (Berlin 1882), Die Blutlüge (Berlin 1883) u. a. Die erste umfassende Darstellungen der Geschichte des Judentums durch Isaak Marcus Jost, Geschichte der Israeliten seit der Zeit der Maccabäer (9 Bde, Berlin 1820-1828), wurde in mehreren Ausgaben vom Ende des 19. Jhs erworben.

2.12 Die Signaturen Lg und M kennzeichnen gemischte Fachgruppen mit 4000 Bdn. Sie beinhalten einerseits Werke von Klassikern der Literatur, wie Shakespeare, Goethe, Schiller, Klopstock, Heine, Thomas Mann und Heinrich Mann, die jeweils in mehreren Ausgaben vorhanden sind. Allerdings haben sich hier in den vergangenen Jahrzehnten einige Bestandslücken ergeben. Auch die Werke der Philosophie, angefangen mit Aristoteles bis zur modernen Philosophie des 20. Jhs, wurden hier eingeordnet. Ferner enthält dieser Mischbestand Literatur zur allgemeinen Geschichte und zur Geschichte einzelner Nationen sowie Werke zu Soziologie und Politik.

2.13 Die Gruppe Orientalistik (O; 600 Titel) umfaßt altertumskundliche Literatur zu Ägypten, Griechenland und zum Nahen Osten sowie Beschreibungen der dort lebenden Völker. Hervorzuheben sind Johann Selden, De diis Syriis (Leiden 1629), Johann Heinrich Hottinger, Historia orientalis (Zürich 1651) und Jacobus Perizonius, Aegyptiarum originum et temporum ...investigatio (Trier 1736). Auch orientalistische Zeitschriften wurden gesammelt, z. B. das Journal Asiatique (Paris 1822-1864).

2.14 Unter der Signatur P sind ca. 2000 philosophische Werke aufgestellt, hauptsächlich von jüdischen Verfassern. Der Bestand ist fast zur Hälfte hebräisch. Philo von Alexandrien, der zur Zeit Jesu lebte, ist einer der frühesten Autoren. Die Werke von Moses Maimonides (1135-1204) liegen in zahlreichen Ausgaben des 16. bis 20. Jhs vor, insbesondere die ursprünglich in Arabisch verfaßte Schrift La guida degli smarriti, die in viele Sprachen übersetzt wurde. Die deutsche Ausgabe Zurechtfärtigung der Verirrten (Leipzig 1831) ist eine direkte Übersetzung aus dem Arabischen. Im arabischen Kalifat auf der iberischen Halbinsel lebte auch Juda Halévi (1085-1141), der erste Klassiker der neueren hebräischen Dichtkunst. Sein religionsphilosophisches Werk Kusari ist in mehreren Ausgaben vorhanden, ebenso wie die Werke von Spinoza und Moses Mendelssohn (1729-1786). Mendelssohns Sämtliche Werke, die nach seinem Tod herausgegeben wurden, liegen in mehreren Ausgaben vor, ferner Erstausgaben von Einzeltiteln. Einen interessanten Teilbestand bilden seine in Buda [Ofen] in Deutsch herausgegebenen Gesammelten Werke (1819-1825). Neben den Textausgaben wurden auch Darstellungen des Lebens und Wirkens der jüdischen Philosophen gesammelt, besonders Zeitschriftenartikel und Sonderdrucke. Darunter finden sich zahlreiche Schriften über das Leben der Oberhäupter der jüdischen Gelehrtenschule in Babylonien, die sogenannten Gaonim, und über ihre Theorien. Einen weiteren Bestandsschwerpunkt bildet die umfangreiche Sammlung kabbalistischer Literatur, besonders des 18. Jhs, darunter auch zahlreiche Ausgaben des angeblich im 13. Jh von Moses ben Sem-Tov de Leon verfaßten, tatsächlich aber in seinen Ursprüngen auf Simeon ben Jochai (2. Jh) zurückgehenden Sohar mit den dazu gehörenden Kommentaren (Fürth 1691; Amsterdam 1740; Mantua 1771; Frankfurt/O. 1778; Livorno 1780, 1789, 1790, 1791; Dierenfeld 1786; Königsberg 1840; Görz 1852; Lemberg 1873; Odessa 1875; u. a.)

2.15 Mehr als die Hälfte der 22 Fachgruppen des historischen Bestandes entfällt auf theologische Literatur in hebräischer Sprache. Die einzelnen Gruppen umfassen zwischen 500 und 1500 Titel. Die unter der Signatur A (Aggada) eingeordneten Werke betreffen die Haggada, d. h. die Darstellung des alttestamentarischen Stoffes nach sittlichen, erbaulichen oder geschichtlichen Gesichtspunkten. Die Gruppe Codifizierte religiöse Gesetze (C) beinhaltet die allgemein anerkannten religiösen Gesetzessammlungen. Moses Maimonides' Hauptwerk Misné Tóra liegt dreifach als Inkunabel vor: eine Ausgabe von 1480 stammt aus einer unbekannten spanischen Druckerei, die anderen beiden wurden in Neapel bei Soncino 1490 und 1492 gedruckt. Jacob ben Aschers (1280-1340) Arba turim erschien 1490 bei Soncino in Mailand. Als Quellenwerk anzusehen ist das als Fortführung der Arbeiten von Maimonides und Jacob ben Ascher tstandene Sulchan Aruch von Joseph ben Ephraim Karo (Amsterdam 1594 und spätere Ausgaben). Die Gesetzessammlungen dieser drei Verfasser sind von den ersten Ausgaben (Mitte des 16. Jhs) an in mehr als hundert Exemplaren vorhanden.

2.16 Reich an Alten Drucken ist die Gruppe Decisores (D, Entscheidungen in religiösen Fragen). Von Interesse ist auch die Gruppe Responsa (R), die die Antworten der angesehenen Rabbiner zu Fragen der Familie, der Arbeit und des Glaubensbekenntnisses enthält. Die Zusammensetzung der Talmudsammlung (T) läßt darauf schließen, daß die Betreuer der Bibliothek in der Gründungszeit in diesem Bereich Vollständigkeit anstrebten, was mit den damals noch zur Verfügung stehenden Mitteln teilweise erreicht werden konnte. Die von Soncino 1492 in Neapel gedruckte Talmud-Ausgabe, Mischna, seu judaicarum traditionum corpus, gehört zu diesem bemerkenswerten Bestand. Aus der venezianischen Werkstatt des Daniele Bomberg stammt die erste vollständige Talmud-Serie (1520). Von dem 1912 in München in zwei Folianten veröffentlichten Faksimile der aus dem Jahre 1343 stammenden Handschriften des Talmuds wurden zwei Exemplare angekauft (der Fundort des Manuskripts war die Königliche Hof- und Staatsbibliothek München; Codex Monacensis 95). Die Weiterentwicklung der erwähnten hebräischen Fachgruppen wurde wahrscheinlich in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts abgebrochen, als man mit dem Aufbau der heute 4000 Bde umfassenden hebräischen Büchersammlung und der parallel dazu geführten Sammlung von Drucken in gotischen und lateinischen Lettern (heute 14.000 Bde) begann.

2.17 Die jüdischen Dokumente unter einhundert Seiten (Kleindrucke) bilden eine selbständige Sammlung (Signaturen Ab und R), die rund 4000 Titel beinhaltet, darunter deutschsprachige Flugschriften, Aufsätze, kurze Beschreibungen einzelner jüdischer Gemeinden, Sonderdrucke u. a. Die ältesten stammen aus der ersten Hälfte des 19. Jhs und sind in ihrer Mehrheit ungarisch und deutsch verfaßt. Dieser Bestand ist von ganz besonderem Interesse, da hier sonst meist nur mühsam auffindbare Sonderdrucke aus alten, seltenen Zeitschriften und Sammelbänden (teils mit der Widmung des Autors), ferner kürzere Lebensbeschreibungen berühmter Wissenschaftler sowie in geringer Zahl veröffentlichte Berichte auch kleinerer Jüdischer Gemeinden und Vereine gesammelt sind. Erwähnenswerte Titel sind die Autobiographie von Samuel Davide Luzzatto (Padua 1882), Louis Levins Rabbi Simon ben Jochai (Frankfurt a. M. 1853) und Martin Littmanns Dissertation an der Universität Leipzig, Josef ben Simeon Kara als Schrifterklärer (Leipzig und Breslau 1887).

2.18 Unter der Signatur Z wurden die früher über den ganzen Bestand zerstreuten Musikalien (300 Einheiten) zusammengefaßt. Es handelt sich hauptsächlich um jüdische Notendrucke. Zu den hier verzeichneten Titeln gehören u. a. das Allgemeine israelitische Gesangsbuch (Hamburg 1845), Benedikt Singers und Moriz Grünwalds Beiträge zur Geschichte der jüdischen Musik (Prag 1887) sowie die grundlegenden Werke Abraham Idelsohns.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Katalog des historischen Bestandes

[verzeichnet den von 1877 bis 1944 erworbenen Bestand systematisch, in 22 Fachgruppen]

Katalog der Neuerwerbungen seit 1945

[verzeichnet ca. 20.000 Titel; der Katalog der Broschürensammlung und der Katalog der ehemaligen Bibliothek der Pester Israelitischen Gemeinde sind eingearbeitet]

Dezimalkatalog der Erwerbungen seit 1987

Dezimalkatalog der Referenzbibliothek

[im Lesesaal, verzeichnet 2000 Bde]

Katalog der Zeitschriften und Jahrbücher

[der Katalog der hebräischen Zeitschriften wurde eingearbeitet; Ordnung nach dem hebräischen Alphabet]

Alphabetischer Katalog der Hebraica

[nach Autoren und Sachtiteln geordnet]

Topographischer Katalog

[Ordnung nach ungarischen Ortsnamen]

[alle Kataloge in Zettelform]

Katalog der Inkunabeln und der außerhalb des historischen Ungarn im 16. Jh gedruckten Bücher

[mschr., in Bandform]

Katalog der Handschriften

[mschr., in Bandform]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Inventare der Büchererwerbungen 1877-1917 [4 Bde]

4.2 Darstellungen

Az Országos Rabbiképzo Intézet Évkönyve 1877-1948 [Jahrbücher der Landesrabbinerschule 1877-1948]. [enthalten regelmäßig Berichte über die Bibliothek]

Bánóczi, József: Az Országos Rabbiképzo Intézet elso évtizede [Das erste Jahrzehnt der Landesrabbinerschule]. Budapest 1887 [zur Bibliothek S. 94-97]

Schill, Salomon: A budapesti Országos Rabbiképzo Intézet [Die Budapester Landesrabbinerschule]. Budapest 1897 [zur Bibliothek S. 35]

Klein, Miksa: A Ferenc József Országos Rabbiképzo Intézet könyvtára [Die Bibliothek der Franz-Josef- Landesrabbinerschule]. In: Magyar Zsidó Szemle [Ungarische Jüdische Rundschau] 31 (1917) S. 186-195

Löwinger, Sámuel: Az Országos Zsidó Központi Könyvtár [Die jüdische Zentralbibliothek]. In: Új Élet [Neues Leben] 6 (1948) Heft 32, S. 14

Scheiber, Sándor: Zsidó könyvtárak sorsa a német megszállás alatt [Das Schicksal der jüdischen Bibliotheken während der deutschen Besatzung]. In: Magyar Könyvszemle [Ungarische Bücherschau] 86 (1970) S. 233-235

Bauer, Frigyes: Koncentrációs táborok a Rabbiképzo épületében [Konzentrationslager im Gebäude der Landesrabbinerschule]. In: Magyar Izraeliták Országos Képviselete Évkönyve [Jahrbuch der Landesvertretung der Ungarischen Israeliten] 2 (1971) S. 219-228

Scheiber, Sándor: A Magyar Izraelita Országos Könyvtár [Die ungarische israelitische Landesbibliothek]. In: Könyvtári Figyelo [Bulletin der Bibliotheken] 16 (1973) S. 170-171

Remete, László: Az Országos Rabbiképzo Intézet könyvtárának rekonstrukciójáról [Über die Rekonstruktion der Bibliothek der Landesrabbinerschule]. In: Évkönyv 1985-1991 [Jahrbuch 1985-1991]. Budapest 1992, S. 389-401

Remete, László: Egy visszahozott hadizsákmány [Eine zurückgeschaffte Kriegsbeute]. In: Magyar Könyvszemle [Ungarische Bücherschau] 109 (1993) S. 419-429

Stand: September 1995

László Remete


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.