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Adresse. Schulstr. 12, 06628 Bad Kösen-Schulpforte
[Karte]
Telefon. (034463) 350
Telefax. (034463) 2 68 39
Bibliothekssigel. <Pf 1>
Unterhaltsträger. Land Sachsen-Anhalt
Funktion. Forschungsbibliothek; eingeschränkt öffentlich zugänglich.
Sammelgebiete. Schulprogramme deutschsprachiger Gymnasien und Realschulen (1820 bis 1930); Literatur zu Schulpforte (einschließlich Handschriften); Werke ehemaliger Pforte-Schüler sowie deren Dissertationen und Valediktionen; Klopstock-Sammlung (Werke von und über Klopstock einschließlich Vertonungen). Mit Ausnahme der Portensia wird der Bestand nicht vermehrt.
Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek.
Benutzung nur nach Vereinbarung. Leihverkehr: DLV.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät, Fotolabor.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erforderlich. Eingeschränkter Busverkehr ab Naumburg oder Bad Kösen (Entfernung jeweils 4 km) A 9 (E 49/E 51), Ausfahrt Weißenfels, B 87; Ausfahrt Naumburg, B 180, B87. Parkplatz vorhanden.
1.1 Sachsen konnte sich im 16. Jh rühmen, mit der Gründung von drei protestantischen staatlichen Lehranstalten das notwendige Bindeglied zwischen den städtischen Lateinschulen und den Universitäten geschaffen und damit eine Vorreiterrolle in den deutschen Ländern übernommen zu haben. Auf Anregung des Theologen und Humanisten Johannes Rivius (1500-1553) schuf Herzog Moritz von Sachsen (reg. ab 1541, Kurfürst 1547-1553) durch eine Landesordnung vom 21. Mai 1543 die drei Landesschulen " Landesschule zu der Pforten" (Schulpforte) bei Naumburg (Saale), St. Afra in Meißen und St. Augustin in Grimma. Diese in aufgehobenen Klöstern eingerichteten Internatsschulen entwickelten sich zu herausragenden Bildungsstätten für die Jugend aller Stände und Schichten. Materiell abgesichert und unter dem Schutz der Landesherren konnte hier eine geistige Elite heranwachsen, die vor allem das Lernen lernte.
1.2 Erst 1570, fast 30 Jahre nach der Schulgründung, erging eine landesherrliche Anordnung zur Bibliotheksgründung. Vermutlich wurden aber auch in den ersten drei Jahrzehnten Lehrmaterialien für die 150 Schüler zum Studium der alten Sprachen gesammelt. Aus dem Vorbesitz des ehemaligen Zisterzienserklosters sind lediglich Kopialbücher sowie eine Gründungsgeschichte erhalten. In der Folgezeit entstand in Pforte eine an den Ansprüchen von Renaissance-Schulen orientierte Büchersammlung, deren Bestand trotz häufiger Gefährdungen durch Kriege, Plünderungen und wechselnde Ideologien und Staatsformen über die Jahrhunderte erhalten und erweitert werden konnte und der besonders im 19. Jh ein Niveau erreichte, das weit über den Rahmen einer Gymnasialbibliothek hinausging. Die Schulbehörde gestattete schon relativ früh die befristete Ausleihe auch an Schüler. Die für einzelne Werke verbliebene Kettensicherung wurde jedoch erst später endgültig aufgehoben.
1.3 Im Jahre 1573 erhielt Schulpforte auf obrigkeitliche Anordnung einen beachtlichen Inkunabelbestand sowie Handschriften aus dem 12. bis 15. Jh von der aufgehobenen Benediktiner-Abtei Bosau (Posa) nahe Zeitz. Einige Kirchenväter-Ausgaben ausgenommen, gewann dieses kulturelle Erbe erst in späterer Zeit Bedeutung als Gegenstand der Forschung. Auch Lehrer von Schulpforte waren im 19. Jh an der wissenschaftlichen Auswertung beteiligt, z. B. die der Miniaturen aus dem " Codex Augustinus" (12. Jh).
1.4 Schulpforte war reich dotiert. Kurfürst August (1526-1585; reg. ab 1553) hatte bestimmt, daß jährlich 50 Gulden zur Anschaffung von Büchern vornehmlich griechischer und römischer Autoren aus den Einkünften der Lehranstalt bereitzustellen waren. 1602 reduzierte sein Nachfolger Christian II. (1583; reg. 1601-1611) den Betrag auf 15 Gulden. Von vermögenden Eltern wurde nun bei der Einschulung oder beim Abgang der Söhne eine Spende zum Ankauf von Literatur erwartet. Später gaben Schüler, die dazu in der Lage waren, jährlich einen Obolus für die Sammlung. In den ersten Jahrzehnten wurden hauptsächlich Bücher für den Lehrbetrieb angekauft, deren Aktualität sich schrittweise verringerte. Nach Prüfung ihrer Brauchbarkeit wurden diese 1797 zum großen Teil aussortiert und versteigert. Handschriften, Inkunabeln, Kartenwerke und die zu diesem Zeitpunkt bereits als wertvoll eingestuften Schriften blieben erhalten.
1.5 Im Jahre 1870 wurde die Privatbibliothek von August Koberstein (1797-1870) aus seinem Nachlaß angekauft. Sie enthielt eine beachtliche Sammlung von Werken des 16. und 17. Jhs und stellte für die Schulbibliothek einen bedeutenden Zuwachs dar. August Koberstein, der von 1820 bis 1870 in Schulpforte als Lehrer tätig war, galt vor allem als Literarhistoriker. Er hatte in Berlin u. a. als Schüler Hegels, Friedrich August Wolfs (1759-1824), Philipp August Boeckhs (1785-1867) und Karl Wilhelm Ferdinand Solgers (1780-1819) Philologie, Mathematik, Philosophie, Archäologie und Geschichte studiert. Er unterrichtete zunächst Mathematik und Geschichte, später Französisch und Deutsch. Auf dem Gebiet der Germanistik entfaltete er eine rege Forschungstätigkeit und publizierte ab 1827 das in Leipzig erschienene Lehrbuch Grundriß der Geschichte der deutschen Nationalliteratur.
1.6 Eine dritte wichtige Quelle der Bestandsvermehrung bildeten die Geschenke ehemaliger Schüler. Darunter befinden sich zahlreiche Unikate, deren Herkunft heute nicht mehr festzustellen ist.
1.7 Nach der Annexion der Lehranstalt durch den Preußischen Staat im Jahre 1815 hatte die regere wissenschaftliche Tätigkeit der Lehrer im Rahmen ihrer Fortbildung sowie privater Studien einen raschen Zuwachs des Buchbestandes zur Folge, der zugleich das Niveau einer wissenschaftlichen Bibliothek erreichte.
1.8 Der nationalsozialistische Staat wandelte die traditionsreiche Schule 1935 in eine " Nationalpolitische Erziehungsanstalt" um. Die Bibliothek wurde weiterhin betreut, jedoch nur geringfügig vermehrt und zumeist nur für den altsprachlichen Unterricht genutzt. Plünderungen, Diebstähle, aber auch Beschädigungen von Büchern infolge ihrer Auslagerung in feuchte Kellerräume gegen Ende des Zweiten Weltkrieges hatten eine Reihe von Verlusten zur Folge. Bei der Neuorganisation der Verwaltung Pfortes nach 1945 wurden die verbliebenen Teile der Rektoratsbibliothek, die Sammlungen der Bauabteilung sowie der Prokuratorabteilung, die juristische Literatur für Verwaltungszwecke enthielt, in die Gymnasialbibliothek eingegliedert.
1.9 Erst 1953 begannen Arbeiten zur zahlenmäßigen Erfassung des verbliebenen Bestandes, zur Aufnahme kleinerer Schriften sowie notwendige Umgruppierungen. Das seinerzeit relativ geringe Interesse von Schulleitung und Schulbehörden an dem wertvollen Bibliothekserbe ließ anstelle einer gründlichen Bestandsneuerschließung nur die Schaffung eines überschaubaren und den schnellen Zugriff erlaubenden Katalog-Provisoriums zu. Wiederholte Vorhaben, Teile des Bestandes zu verkaufen oder an Institute der Martin-Luther-Universität in Halle oder an die Pädagogische Zentralbibliothek Berlin zu übergeben, konnten abgewendet werden.
1.10 Die Bibliothek wurde seit ihrer Gründung und bis gegen Ende des 18. Jhs von den Rektoren der Schule geleitet und betreut. Sie systematisierten, inventarisierten und katalogisierten, wobei ihnen Famuli zur Hand gingen. Die ersten Inventarisierungen erfolgten 1580. Der 1606 verstorbene Rektor Jakob Lindner (im Amt 1580 bis 1601, mit Unterbrechungen) legte 1600 ein Inventarverzeichnis mit Zusätzen über Neuerwerbungen an. Unter der Leitung von Daniel Müller (im Amt 1690 bis 1705) wurde der erste Katalog erstellt. 1712 erfolgte unter dem Rektorat Gottlob Hartmanns (1658-1716; im Amt ab 1705) eine Neuordnung nach moderneren Prinzipien, die 1735 durch Rektor Friedrich Gotthilf Freytag (1687-1761; im Amt ab 1732) noch verbessert wurde. 1803 schuf der Philologe Karl David Ilgen (1763-1834; im Amt 1802 bis 1831) ein neues Katalogsystem. Danach übernahmen Lehrer die Betreuung der Bibliothek und legten um die Mitte des 19. Jhs einen Real- und Nominalkatalog an. Das Bildungsniveau der Portenser Lehrer erlaubte es, auf einen Bibliothekar zu verzichten. Diese Regelung blieb bis zur hauptamtlichen fachbibliothekarischen Besetzung im Jahre 1992 bestehen.
1.11 Wiederholte bauliche Veränderungen in Schulpforte hatten für die Bibliothek einige Ortswechsel zur Folge. Seit 1883 bis heute befindet sie sich in geeigneten Räumen des damals neuerbauten Westflügels der Schule. Obwohl seit den dreißiger Jahren des 20. Jhs kein regelmäßiger Etat für die Bibliothek vorhanden war, konnten durch unterschiedliche Zuweisungen die ärgsten Schäden und Mängel im Buchbestand behoben werden. Dies gilt vor allem seit 1990.
1.12 In den Jahren 1879/80 erstellte Prof. Paul Boehme, Lehrer in Pforte von 1869 bis 1903, einen Katalog der Inkunabeln, der den heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht mehr genügt. In den sechziger Jahren des 20. Jhs begann Prof. Dr. Gottfried Langer (1896-1979) mit der wissenschaftlichen Erschließung der Inkunabelsammlung (306 Titel, davon 300 in Latein und 6 in Frühneuhochdeutsch). Die Staatsbibliothek zu Berlin setzte seine Arbeit 1993/94 mit der Anfertigung eines Gesamtkataloges fort. Er ist noch nicht abgeschlossen.
1.13 Eine herausragende Bedeutung kommt der Klopstock-Sammlung zu. Sie wurde Anfang des 19. Jhs begründet, als die Lektüre Klopstockscher Werke im Unterricht erlaubt wurde. Die seit den dreißiger Jahren und auch nach 1945 nicht weiter vervollständigte Sammlung hat ihren kultur- und literarhistorischen Wert dennoch nicht eingebüßt ( s. u. 2.24, Sondersammlungen).
2.1 Der Bibliotheks- und der Archivbestand sind nicht prinzipiell getrennt aufgestellt. Dies führte beispielsweise in der sogenannten Portensia-Sammlung ( s. u. 2.23, Sondersammlungen) zum Nebeneinander von echten Archivalien und Büchern mit Darstellungen zur Kloster- und Schulgeschichte sowie Werken von berühmten Schülern. Die Bestandsbeschreibung enthält diese " Pseudoarchivalien", sofern sie zum Buchbestand zählen. Die Portensia-Sammlung ist gesondert im Gesamtkatalog ausgewiesen. Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen
2.2 Bei einem Gesamtbestand von 80.000 Bdn umfaßt der als Historische Bibliothek bezeichnete Teilbestand ca. 37.000 Titel und ca. 35.000 Schulprogramme. 12.848 Titel, Schulprogramme ausgenommen, erschienen seit Beginn des Buchdrucks bis 1899. Die 306 Inkunabeln einschließlich der angebundenen Titel wurden sämtlich nach 1466 gedruckt. Davon sind 6 Titel in Frühneuhochdeutsch und 300 in lateinischer Sprache verfaßt. 500 Titel erschienen im 16. Jh, davon 284 in Latein, 125 in Griechisch und je einer in Sorbisch, Polnisch und Latein. Das 17. Jh ist mit 990 Titeln vertreten, davon 612 in Latein, 39 in Griechisch, 28 in Französisch, 5 in Englisch, 7 in Italienisch, 11 in Hebräisch und einer in Mittelhochdeutsch. Aus dem 18. Jh stammen 2225 Titel, davon 939 in Latein, 112 in Griechisch, 116 in Französisch, 24 in Italienisch, 10 in Englisch und 4 in Hebräisch.
2.3 Der mit 8820 Titeln größte Teil des historischen Bestandes erschien im 19. Jh. Davon liegen 1934 Titel in Latein vor, 368 in Griechisch, 201 in Französisch, 76 in Englisch, 46 in Hebräisch, 36 in Italienisch, 6 in Spanisch, 5 in Niederländisch, 4 in Norwegisch und Dänisch, 3 in Serbisch, je einer in Äthiopisch und in Irisch sowie 11 Titel in sonstigen Sprachen. Der deutschsprachige Bestand enthält 31 Titel in Althochdeutsch, 155 in Mittelhochdeutsch und 30 in deutscher Mundart. Der Anteil neuhochdeutscher Titel am Gesamtbestand beträgt 7307, davon 88 aus dem 16. Jh, 287 aus dem 17. Jh, 1020 aus dem 18. Jh und 5912 aus dem 19. Jh. Die Anzahl der deutschen Titel in der Systematischen Übersicht ergibt sich aus der Differenz von Gesamtsumme der Titel in den einzelnen Fachgebieten und der Zahl der fremdsprachigen Titel. Systematische Übersicht
2.4 Abgesehen von wenigen Änderungen, die nach 1945 vorgenommen wurden, gliedert sich der Bestand nach einer an den praktischen Bedürfnissen einer Lehrer- und Schülerbibliothek ausgerichteten Systematik aus der Mitte des 19. Jhs.
2.5 Obwohl das Fach Deutsch erst nach 1800 in den Lehrplan aufgenommen wurde, hat die germanistische Abteilung den umfangreichsten Bestand (3279 Titel; 16. Jh 26, 17. Jh 124, 18. Jh 711, 19. Jh 2412), der wohl zu einem großen Teil aus dem Nachlaß von August Koberstein ( s. o. 1.5) stammt. Schwerpunkte unter den 17 Sachgebieten bilden die Barockliteratur, die Klopstock-Sammlung ( s. u. 2.24) und die Werke Goethes. Genannt seien auch die Jesuitendramen, die deutschen Volksbücher und die Gedichte des Hans Sachs (Nürnberg 1558-1578).
2.6 Die Kenntnis der protestantischen Theologie war Voraussetzung für das Lehramt in Schulpforte. Entsprechend liegt eine beachtliche Sammlung theologischer Drucke vor (1079 Titel; 15. Jh 209, 16. Jh 121, 17. Jh 122, 18. Jh 210, 19. Jh 417). Bis zum 17. Jh überwiegt Latein, später Deutsch; ferner sind einzelne Titel in anderen europäischen Sprachen sowie in Hebräisch und Sorbisch vorhanden. Bei den Inkunabeln handelt es sich um Patristik, Dekretalen, Episteln und Heiligenvitae. Hinzu kommen zwei deutsche Bibeldrucke des 15. Jhs. Erwähnenswert sind eine Bibelausgabe in slovenischer Sprache, Biblia Slavonica (Wittenberg 1584), und die vermutlich im dritten Viertel des 16. Jhs von Jan de Heins in Antwerpen gedruckte kolorierte Biblia memorativa (Bilderbibel) aus frühneuhochdeutscher Nachschrift. Zu den Theologica gehören ferner Ausgaben der Schriften von Albertus Magnus, Johannes Gerson (eigentlich Jean Charlier, 1363-1429), Laurentius Valla (eigentlich Lorenzo della Valle, 1406 oder 1407-1457) und Johann Tauler (1300-1361; Sermon ...
Johannis Thauleri, Leipzig 1498). Von dem 1627 durch die Gegenreformation hingerichteten Johannes Bissendorf ist die Schrift Nodi Gordii Resolutio (Hildesheim 1622, wahrscheinlich ein Unikat) erhalten, von Johann Faber der Anti-Luther (Leipzig 1523).
2.7 Auch die Geschichte, bis ins 19. Jh mehr oder weniger eine Hilfswissenschaft der Altphilologie, wurde erst spät ein ordentliches Lehrfach an der Landesschule. Der Bestand bis 1900 umfaßt 1768 Titel (16. Jh 66, 17. Jh 124, 18. Jh 291, 19. Jh 1287) und gliedert sich in 23 Abteilungen mit sehr unterschiedlichem Umfang. Er enthält sowohl Literatur zur Geschichte der europäischen Länder, Staaten, Völker und Kulturen als auch der neuen Welt, Asiens, Afrikas, des Alten Orients und der Welt der Antike. Hervorzuheben sind auch Chroniken, die z. T. Stätten des griechisch-römischen Kulturkreises betreffen, z. T. die Residenzen berühmter Familien, zumeist aus dem thüringisch-sächsischen Raum. Zu den seltenen Werken zählt das illustrierte deutsche Turnierbuch, Anfang, Vrsprung und Herkommen des Thurniers in Teutscher Nation (Siemern 1530) von Georg Rüxner.
2.8 Zum kunstgeschichtlichen Bestand (214 Titel; 16. Jh einer, 17. Jh 5, 18. Jh 27, 19. Jh 181) in fünf kleinen Abteilungen gehören auch Musikalien und Werke zur Tanzkunst. Wegen der im 18. und 19. Jh obligatorischen Tanzausbildung an der Schule wurde choreographische Fachliteratur angeschafft. Außerdem wurden von den Lehrern in Pforte entsprechende Werke selbst verfaßt und publiziert, u. a. von Franz Roller (Tanzpädagoge und Lehrer in Pforte 1805-1844) das Systematische Lehrbuch der bildenden Tanzkunst (Weimar 1843). Die Sammlung hat bei Choreographen und Tanzpädagogen einen hohen Stellenwert; Reprintausgaben mancher Titel aus Schulpforte sind besonders gefragt. Häufig genutzt werden ferner historische Werke zur Baukunst. Der Bestand liegt z. T. in Foliobänden und Kunstmappen vor.
2.9 Unter Archäologie wurden im Jahre 1851 237 Titel (16. Jh 4, 17. Jh 29, 18. Jh 85, 19. Jh 119) zusammengefaßt, die sich auf die Unterabteilungen Kunstmythologie, Numismatik, Epigraphik, Paläographik, Sphragistik und Heraldik verteilen. Zum Bestand gehören großformatige Mappen mit der Darstellung antiker Kunst sowie Folianten mit Abbildungen italienischer Kunstwerke, u. a. Le Pitture antiche d'Ercolaneo e contorni incise con qualche spiegazione (Neapel 1757-1792).
2.10 Der Bestand zur Altertumswissenschaft gliedert sich in zwei Gruppen. Auf die griechisch-römische Altertumskunde und Mythologie entfallen 315 Titel (16. Jh 14, 17. Jh 47, 18. Jh 63, 19. Jh 192). Die zweite Gruppe enthält vor allem sprachwissenschaftliche Werke (511 Titel; 16. Jh 31, 18. Jh 66, 19. Jh 414). Neben dem griechisch-lateinischen Sprachbereich sind andere indoeuropäische Sprachen z. B. Sanskrit, Persisch und Gotisch (7 Titel in Originalsprache) sowie orientalische Sprachen berücksichtigt. Ferner liegen Lexika, philologische Miszellen und Festschriften vor.
2.11 Die Gruppe " Literatur anderer Völker" umfaßt fremdsprachige Werke und entsprechende deutsche Übersetzungen, ferner Sprachlehren und Wörterbücher (543 Titel; 17. Jh 28, 18. Jh 75, 19. Jh 440). Vorhanden sind z. B. Ausgaben der Werke von Machiavelli (Den Haag 1726) und von Charles de Montesquieu mit dem Hauptwerk De l'esprit des lois (Genf 1749).
2.12 Die für Gymnasialbibliotheken relativ seltenen " Juristica" sind bereits im Katalog aus der ersten Hälfte des 18. Jhs verzeichnet. Die autarke Schule mit ihrem großen Grundbesitz benötigte Kenntnisse über die Rechtsprechung ihrer Zeit. Die Prokuratorbibliothek ( s. o. 1.8) diente bis 1945 als Handbibliothek für Verwaltungszwecke, danach verlor sie ihre praktische Bedeutung und wurde in die " Große Bibliothek" integriert. Der historische Bestand umfaßt 193 Titel (16. Jh 9, 17. Jh 8, 18. Jh 31, 19. Jh 145). Der Schwerpunkt des Bestandes liegt bei Gesetzessammlungen und Kommentaren. Aus dem älteren Besitz seien genannt der Codex Augusteus (Leipzig 1724-1805), der Codex iuris Alemannici feudalis (Schwabenspiegel; Straßburg 1695 und 1697) des Johann Schilter, der Thesaurus iuris Romani (Utrecht 1741-1744) und der Thesaurus novus iuris civilis et canonici (Den Haag 1751-1753). Auch die Werke des niederländischen Juristen Hugo Grotius liegen vor, u. a. Le droit de la Guerre, et de la Paix (Amsterdam 1724).
2.13 Über die Geschichte der Philosophie, zu Systematik und über Teilwissenschaften liegen insgesamt 147 Titel vor (16. Jh 2, 17. Jh 4, 18. Jh 37, 19. Jh 104). Aus dem 17. Jh finden sich Ausgaben der Werke des Konfuzius (551-479 v. Chr.), Confucius Sinarum Philosophus sive Scientia Sinensis. Latina exposita (Paris 1687), und von Francis Bacon, darunter Opera Omnia (Leipzig 1694) und De dignitate et augmentis scientiarum (Nürnberg 1829). Die Titel aus dem 18. und 19. Jh stammen zumeist von heute weniger bekannten Philosophen und ehemaligen Pforte-Schülern. Neben Johann Gottlieb Fichte (Schüler 1774-1780) und Friedrich Nietzsche (Schüler 1858-1864) seien genannt Gottlob Ernst Schulze (1761-1833; Schüler 1774-1780), Wilhelm Traugott Krug (1770-1842; Schüler 1782-1788) und Otto Liebmann (1840-1912; Schüler 1856-1857).
2.14 Zur Pädagogik liegen 208 Titel vor (16. Jh einer, 17. Jh 2, 18. Jh 19, 19. Jh 186). Der Bestand gliedert sich in die Gruppen Allgemeine Pädagogik, Turnen und Jugendpflege, Sammelwerke einschließlich Lexika. Trotz der konservativen Einstellung Schulpfortes zu Reformen im Schulsystem weist die Sammlung die Werke der großen Pädagogen auf, z. B. von Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827), Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811), Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759-1839), Johann Friedrich Herbart (1776-1841) und Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (1790-1855).
2.15 Die Abteilung " Orientalia" (85 Titel; 17. Jh 6, 18. Jh 2, 19. Jh 77) gliedert sich in die Gruppen Orientalische Sprachen und Kulturen; Ägyptische, nubische, äthiopische Sprachdenkmäler und Orientalische Schriftwerke. Die kleine Sammlung geht vermutlich zurück auf den Orientalisten Karl David Ilgen ( s. o. 1.10, zunächst Professor in Jena, dann Rektor in Schulpforte) und den Ägyptologen Karl Richard Lepsius (1810-1884; Schüler in Pforte 1823-1829). Lepsius schenkte der Bibliothek seine Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien (12 Bde, Berlin 1849-1860) und das Königsbuch der alten Ägypter (Berlin 1842). Ebenfalls als Geschenke gingen Dokumentationen englischer und französischer archäologischer Untersuchungen und Ausgrabungen des 19. Jhs in Syrien und dem Irak in die Orientalia-Sammlung ein. Aus dem 15. Jh (1459) besitzt die Bibliothek die Abschrift des Kommentars " Sadr al séri'a" in arabischer Sprache zum Gesetzeswerk " al Vikaja". Der Bestand aus dem 19. Jh enthält 10 Titel in semitischen Sprachen und einen in Türkisch.
2.16 Der Bereich Erdkunde umfaßt 326 Titel (16. Jh einer, 17. Jh 23, 18. Jh 43, 19. Jh 259) und gliedert sich in Allgemeine Erdkunde, Geologie, Geophysik, Reisebeschreibungen, Statistik, Volkswirtschaft und Kartenwerke. Die Bibliothek besitzt den kolorierten Atlas des Abraham Ortelius, Theatrum Orbis terrarum (Antwerpen 1570), den Neuen Atlas über die ganze Welt (Nürnberg 1712) von Johann B. Homann und Johann Gabriel Doppelmayr sowie die vollständige Topographiae Germaniae von Matthaeus Merian d. Ä. und Martin Zeiller (Text) (12 Bde, Frank furt a. M. 1643-1681). Von Richard Grenville liegen die Reiseberichte über America (Frankfurt a. M. 1600-1612) vor.
2.17 Zur Literaturgeschichte liegt ein thematisch breit gefächerter Bestand vor (396 Titel; 16. Jh 3, 17. Jh 33, 18. Jh 145, 19. Jh 215). Teilbereiche bilden die Geschichte der klassischen Literatur, die Griechische und römische Literaturgeschichte, Bibliographien, Biographische Werke (Biographien gelehrter Deutscher), Gelehrte Gesellschaften und Akademien, Verzeichnisse von Handschriftensammlungen und von Bibliotheken, Buchdruckerkunst und Zeitungswesen.
2.18 An Zeitschriften, Enzyklopädien und Lexika kommen weitere 270 Titel (17. Jh 4, 18. Jh 86, 19. Jh 180) hinzu. Einige Werke und Periodika wurden aus den Bibliotheken verstorbener Lehrer angekauft oder der Bibliothek übergeben. Die Vielfalt reicht von den Göttingische(n) gelehrte(n) Anzeigen (1739-1879) über die Allgemeine Literaturzeitung (1785-1849), die Jenaer Allgemeine Literaturzeitung (1814-1849), die Hallischen Jahrbücher für deutsche Wissenschaft und Kunst (1838-1841; führendes Organ der Junghegelianer, hrsg. von Arnold Ruge und Ernst Theodor Echtermeyer) und deren Fortsetzung Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst (Leipzig 1841-1843), die Augsburger Allgemeine Zeitung (1826-1858; 1865; 1870-1871, z. T. lückenhaft) bis zu den Periodika der verschiedenen deutschen Gelehrten Gesellschaften sowie den unterhaltenden Zeitschriften des damaligen gebildeten Bürgertums. Verfügbar ist auch Diderots und d'Alemberts Encyclopédie ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers (Paris 1751-1780).
2.19 Zu den Naturwissenschaften, die bis zur Mitte des 19. Jhs im Unterrichtsprogramm der Landesschule nur marginal vertreten waren, sind 278 Titel (16. Jh 14, 17. Jh 32, 18. Jh 48, 19. Jh 184) vorhanden. Sie verteilen sich auf Kosmologie, Geognosie, Astronomie, Zoologie, Botanik und Allgemeine Naturgeschichte. Die Bibliothek besitzt Erstausgaben von Nikolaus Kopernikus' De revolutionibus orbium coelestium (Nürnberg 1543), von Galileo Galileis Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo, Tolemaico e Copernicano (Florenz 1632) und seine Discorsi e dimostrazioni matematiche, intorno à due nuove scienze attenenti alle mecanica [ed] i movimenti locali (Leiden 1638), von Tycho de Brahes Historia coelestis (Augsburg 1666, ferner Regensburg 1672) und von Georgius Agricolas Schrift De re metallica (Basel 1550), die auch in der deutschen Übersetzung Vom Bergkwerck 12 Bücher (Basel 1557) vorliegt. Vorhanden sind auch Schriften von Conradus Noricus (eigentlich Tokler, † 1530), Christopherus Clavius (1537-1612), Athanasius Kircher (1602-1680) sowie eine von Caspar Bauhin verbesserte und erweiterte Ausgabe des New Kreuterbuch (Frankfurt a. M. 1625) von Tabernaemontanus (1520 oder 1530-1590).
2.20 Der Bestand zur Mathematik (ab 1724 Lehrfach in Schulpforte) umfaßt 119 Titel und setzt sich zusammen aus Werken der Geometrie, Arithmetik, Trigonometrie, Planimetrie und allgemeinen Sammelwerken. Soweit nicht in die Gebiete Naturwissenschaft und Mathematik einbezogen, gehören zu einer selbständigen Abteilung " Physik" weitere 60 Titel in deutscher Sprache aus dem 19. Jh.
2.21 Der Anteil der Klassischen Philologie am Gesamtbestand ist entsprechend der altsprachlichen Ausrichtung des Gymnasiums groß. Die Gruppe " Griechisch" umfaßt 1335 Titel (16. Jh 92, 17. Jh 122, 18. Jh 254, 19. Jh 887), gegliedert in " Scriptores Graeci Quart.", " Scriptores Graeci Okt.", " Scriptores Graeci Folië und " Corpus scriptorum historiae Byzantiniae". Mit zahlreichen Schriften vertreten sind Homer, Euripides, Isokrates, Platon, Sophokles, Aischylos, Aristoteles, Demosthenes, Euklid, Plutarch und Xenophon. Neben griechischsprachigen liegen auch zweisprachige (griechisch/lateinisch, griechisch/deutsch) und lateinische Ausgaben vor.
2.22 Die Gruppe " Latein" mit den Abteilungen " Opera omnia aut selecta", " Dissertationes collectiones", " Epistolarum collectiones", " Orationum collectiones", " Varia prosa", " Orationes scriptae", " Poemata" umfaßt 1159 Titel (16. Jh 84, 17. Jh 123, 18. Jh 254, 19. Jh 698). Am besten vertreten sind Cicero, gefolgt von Horaz, ferner Ovid, Plautus, Tacitus, Vergil und Livius, Caesar, Sallust, Seneca und Vitruv. Diese Rangfolge entspricht im wesentlichen dem Einsatz der Klassikertexte zur Vermittlung der Eloquenz als dem Hauptziel des Unterrichts. Beide Gruppen (Griechisch und Latein) enthalten eine große Zahl von bibliophilen Ausgaben. Sondersammlungen
2.23 Die Portensia-Abteilung ( s. o. 2.1) beinhaltet Schriften zur Geschichte von Kloster und Schule in jeder Form sowie Werke unterschiedlichster Genres und Sujets von ehemaligen Schülern der Lehranstalt. Soweit sie nicht zu Archivalien im Sinne der Pforteschen Sammlungen zählen, umfaßt diese Abteilung 396 Titel (16. Jh 5, 17. Jh 122, 18. Jh 42, 19. Jh 227). Der Teilbestand zur Geschichte von Kloster und Schule enthält 2 Inkunabeln, 3 Titel des 16. Jhs, 7 des 17. Jhs, 23 des 18. Jhs und 66 des 19. Jhs.
2.24 Klopstock-Sammlung. Die Sammlung umfaßt 448 Titel, davon 366 mit Erscheinungsdatum vor 1900 einschließlich gedruckter Musikalien. Ihre Einmaligkeit beruht auf dem Besitz der zeitgenössischen Werkausgaben Klopstocks (1724-1803) mit Korrekturen und handschriftlichen Eintragungen des Dichters sowie weiterer Erstausgaben. Klopstock, der von 1739 bis 1745 Schüler in Pforta gewesen war, schenkte seiner ehemaligen Ausbildungsstätte den Druck der ersten drei Gesänge des Messias (Halle 1748; abgeschlossen 1773). Die Sammlung enthält ferner Originalbriefe Klopstocks sowie Briefe seiner ersten Frau Meta, geb. Moller (1728-1758). Als " liber rarissimus" gilt Klopstocks Messias in russischer Sprache (St. Petersburg 1821).
3.1 Moderne allgemeine Kataloge
Alphabetischer Katalog
[in Zettelform, nach hauseigenen Regeln]
Systematischer Katalog
[in Zettelform, nach hauseigenen Regeln]
Die Bestände sind im Zentralkatalog Sachsen-Anhalt nachgewiesen.
3.2 Moderner Sonderkatalog
Inkunabelkatalog
[erstellt von Prof. Gottfried Langer in den sechziger Jahren des 20. Jhs; nicht abgeschlossen; ab 1993 weitergeführt von der Staatsbibliothek Berlin]
3.3 Historische Kataloge
Kataloge der Bestände 1580-1750
[in Bandform, nicht vollständig; Archiv Schulpforte]
Katalog der Inkunabeln
[erstellt 1879/80 von Prof. Paul Boehme; an- und beigebundene Exemplare ohne Signatur]
4.1 Archivalie Hübsch, Johann Georg Gotthelf: Nachrichten von der Pforteschen Bibliothec von 1730-1750. In: Collectanea, Bd 6 [Archiv Schulpforte]
4.2 Darstellungen
Löwe, Busso: Aufstellung und Katalogisierung der Bibliothek zu Schulpforte seit 1580. Berlin 1938
Archiv und Bibliothek der Landesschule Pforta, Schulpforte. In: Karin Tietz; Rolf-Jürgen Wegener (Hrsg.): Kostbarkeiten in Bibliotheken Sachsen-Anhalts. Magdeburg 1994, S. 53-55 (Mitteilungsblatt der Bibliotheken in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt 92; Sonderheft)
Boehme, Paul Hermann: Nachrichten über die Bibliothek der Königlichen Landesschule Pforte. I. Drucke des 15. Jahrhunderts. In: Schulprogramm der Königlichen Landesschule Pforte 4 (1879) S. 1-35;
dass.: (Auszug). In: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 9 (1884) S. 241-242
Freytag, Friedrich Gottlieb: Adparatvs litterarivs. Leipzig 1747 Freytag, Friedrich Gottlieb: Dissertatio de Codice in membrana ex arato bibliotheca portensis, qui Augustini libros de Civitate Dei complectitur. Leipzig 1747
Schamelius, Martin (Hrsg.) : Chronologica Abbatum Bosaugiensium. Naumburg 1731 [S. 87-92 zur Bibliotheca antiqua, insbesondere zu den Inkunabeln] Schulprogramme der Landesschule Pforte 1820-1914 [darin: Neuzugänge in den betreffenden Kalenderjahren]
Schumacherus, H. A.: De bibliothecas publicis et imprimis de bibliotheca scholae illustris. Leipzig 1738
Stand: Oktober 1998
Rudolf Konetzny