FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Letovice [Letowitz]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Im Jahre 1724 wurde die Herrschaft Letowitz von der gräflichen Familie von Blümegen erworben, deren Angehörige bedeutende Ämter in Mähren bekleideten. Kaietan von Blümegen hatte das Amt des Höchstkanzlers inne (K.u.k. Geheimer Rath, Staatsminister, königlicher und österreichischer Oberst-Hofkanzler), sein Bruder Johann Christoph (1722) war Landeshauptmann von Mähren (K.u.k. Geheimer Rath und Kämmerer), und ihr Bruder Hermann Hannibal (1716-1774) wurde Bischof von Königgrätz. Nach dem Brand von 1724 bauten die Blümegens das Schloß um und richteten eine Bibliothek ein. Durch Heiraten mit dem alten schwäbischen Geschlecht der Freiherren von Deuring und mit dem steiermärkischen Geschlecht Herberstein kamen Buchbestände aus diesen Provenienzen in die Familie. Eine weitere von den Blümegens gegründete Bibliothek befindet sich in Vizovice [Wisowitz] (s. Eintrag dort).

1.2 Die Entwicklung der Schloßbibliothek in Letowitz wurde unter den ungarischen Grafen Kálnoky von Köröspatak abgeschlossen, die im Jahre 1820 das Schloß erwarben. Vor allem ist Gustav Kálnoky (1832-1898) zu nennen, österreichischer Botschafter in St. Petersburg und in den Jahren 1881 bis 1895 österreichischer Außenminister. Durch Heirat mit den Angehörigen des Hauses Blümegen erwarben die Kálnokys neben dem Schloß auch die Bibliothek. Bei der Eheschließung von Hugo Leopold Arthur Gustav Kálnoky (1844) mit Maria Gräfin von Mensdorff-Pouilly im Jahre 1877 wurde die Bibliothek um einen Teil ihrer Bücher erweitert. Weitere Bücher enthalten Notizen seiner zweiten Gemahlin, Maria Gräfin zu Herberstein, die er 1892 heiratete. Beide Frauen stammten aus der verzweigten Familie der mährischen Dietrichsteins, und deshalb findet sich sporadisch auch Literatur mit Eigentumsvermerken der Dietrichsteins. In diesen Beständen überwiegt deutsche Belletristik aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs, vor allem Werke Grillparzers. Ein größerer Bestand veterinärmedizinischer und hippologischer Literatur stammt aus dem Eigentum von Eduard Wiedersperger Freiherr von Wiedersperg, den Gisela Kálnoky 1862 heiratete. Gegenwärtig wird die Bibliothek im Johann Amos Comenius-Museum in Uherský Brod [Ungarisch Brod] aufbewahrt, wo der überwiegende Teil ihres älteren Bestandes im Rahmen der Museumsausstellung gezeigt wird. Sie befindet sich weiterhin im Besitz und unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag.

1.3 Unter den nachweisbaren Provenienzen ist eine größere Menge juristischer Literatur aus den ersten Jahrzehnten des 18. Jhs aus dem Besitz von Johann Franz und Georg Beck de Wilmendingen. Ein weiterer bedeutender Bestand an juristischer Literatur, erschienen vorwiegend in Leipzig zwischen 1690 und 1720, ist mit einem Supralibros und heraldischen Exlibris versehen, deren gemeinsames Zeichen ein bisher nicht identifiziertes barockes Wappen mit drei Sonnen in einem Streifen ist, wie es in Bayern und Schwaben, z. T. auch in Preußen verbreitet war. Ein anderes Supralibros geht auf die niederösterreichische Familie Schmidlin zurück. Ein Band (16. Jh) aus diesem Bestand enthält den Vermerk Julius Echter von Mespelbrunn. Eine kleinere Menge vorwiegend französischer, aber auch deutscher Literatur der zweiten Hälfte des 19. Jhs, u. a. historische Studien, ist mit einem Vermerk Marquis de Sabran-Pontevés bezeichnet. Es handelt sich um eine alte provenzalische Familie, zu der auch der von Papst Clemens XIII. kanonisierte Elzéar de Sabran-Pontevès, Comte d'Ariano † 1323) gehörte.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 5276 Bde, darunter 29 Hss., 4 Inkunabeln, ca. 80 Bde des 16. Jhs, ca. 400 Bde des 17. Jhs und ca. 300 Bde des 18. Jhs.

2.2 Den bedeutendsten Teil des Bestandes Alter Drucke bildet die juristische Literatur, gesammelt von den Brüdern Adrian und Johann Albert Deuring und von verschiedenen Angehörigen des Grafengeschlechts von Blümegen. Er enthält eine große Zahl von Dissertationen vom Ende des 17. Jhs der Juristischen Fakultäten in Straßburg, Frankfurt, Gießen, Heidelberg, Tübingen, Erfurt, Jena, Basel und auch Dissertationen der Philosophischen Fakultät in Königsberg. Im Bestand finden sich Reichs- und Landesgesetze, Werke zum Strafrecht, Zivilrecht, Feudalrecht, Kirchenrecht, aber auch Titel zur Prozeßgeschichte und zum Jungfrauenrecht. Die Bibliothek umfaßt ferner Werke bedeutender Juristen aus der zweiten Hälfte des 17. Jhs und vom Anfang des 18. Jhs. Zu nennen sind Ahasverus Fritsch (1629) oder Samuel Stryk (1640). Älteren Ursprungs sind Werke von Henricus Jacobus Zoesius, dem Rektor der Universität in Leuven (†1627). Erwähnenswert sind auch die Schriften von Johann Jacob Weingarten, dem besonders mit der Rechtsgeschichte des böhmischen Kronlandes vertrauten Historiker aus der zweiten Hälfte des 17. Jhs. Einen weniger bedeutenden Teil bildet die naturwissenschaftliche und theologische Literatur in deutscher und lateinischer Sprache.

2.3 Die Literatur des 19. Jhs in der Letowitzer Schloßbibliothek ==== wurde vor allem durch die Familie Kálnoky gesammelt. Etwa 70 Prozent des Bestandes bilden deutschsprachige Werke, der Rest ist vorwiegend französisch. Es finden sich eine umfangreiche Sammlung von Militaria sowie Schriften zu Hippologie und Genealogie. Wie in anderen Schloßbibliotheken ist die Belletristik relativ umfangreich; daneben sind Memoiren, aber auch Reisebücher, naturwissenschaftliche Literatur, Religiosa, Schematismen, Adreßbücher und Wörterbücher zu verzeichnen. In kleinerem Umfang liegen deutschsprachige Werke über Ungarn vor, der Heimat des Hauses Kálnoky. Mit der Tätigkeit von Gustav Kálnoky als österreichischer Botschafter in St. Petersburg steht die deutschsprachige Literatur über Rußland in Verbindung sowie eine Reihe von Schriften über die politischen Verhältnisse auf dem Balkan. Ferner finden sich hier einige deutschsprachige Werke über die Geschichte Mährens und Böhmens.

Gesamtkatalog der Schloßbibliotheken unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag

Standortkatalog [erstellt 1975-1976]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Jakubícek, Milan: Adresár zámeckých a církevních knihoven jihomoravského kraje [Adreßbuch der Schloß- und Kirchenbibliotheken des südmährischen Kreises]. Brno 1972, S. 11

Antonín, Luboš: Zámecká knihovna Letovice [Die Schloßbibliothek Letowitz]. In: Studia comeniana et historica 23 (1993) S. 135-138

Stand: September 1996

Luboš Antonín


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.