FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Lipník nad Becvou [Leipnik]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Schloß Leipnik wurde nach der Schlacht auf dem Weißen Berg (1620) Eigentum der Fürsten von Dietrichstein. Durch die Heirat von Walter von Dietrichstein (1664-1738) mit Karoline Maximiliane Proskowsky von Proskau (1674-1734) erfuhr der Familienbesitz eine zusätzliche Erweiterung. Vergrößert wurde er auch durch ihren Enkel Karl Johann (1728-1808), seit dessen Zeit die Familie den Namen Dietrichstein-Proskau-Leslie trug. Karl Johann, Habsburger Diplomat und Freimaurer, sorgte zusammen mit seiner Gemahlin Christine (1738-1788), geborene Gräfin von Thun-Hohenstein, für den Ausbau der Leipniker Bibliothek. Sie ließen die Mehrzahl der Bücher mit grünen Ganzledereinbänden und mit goldverzierten Rücken ausstatten und veranlaßten die Ausarbeitung eines Bibliothekskataloges. Ihre Tätigkeit wurde von ihrem Sohn Franz Joseph (1767-1854) fortgesetzt, ein Offizier und Diplomat, der auf seinen Reisen durch Europa viele Bücher für die Bibliothek erwarb. Sein Bruder Maria Johann (1775-1864) war der letzte Dietrichsteiner in männlicher Linie. Lipník nad Becvou [Leipnik] 1 1.1

1.2 Schloß Leipnik fiel als Erbe an Gabrielle von Dietrichstein (1825-1909), verheiratet mit Alfred von Hatzfeld (1825-1911), und nach ihr an ihre Tochter Antonie (1856-1933) mit ihrem Gemahl Michael Robert von Althann (1853-1919). Antonie erweiterte wie ihre Mutter die Bibliothek mit Roman- und Memoirenliteratur des 19. Jhs, ließ einen weiteren Katalog ausarbeiten und die Bücher mit einem heraldischen Exlibris versehen. Heute befindet sich die Bibliothek im Besitz des Nationalmuseums in Prag.

1.3 Die ältesten Bücher stammen aus der Sammlung der Grafen Proskowsky von Proskau aus Schloß Bzense und Schloß Boskovice (s. Eintrag dort). Sie sind mit heraldischen Exlibris von Johann Christoph Proskowsky und Georg Christian Proskowsky versehen. Bestandteil dieser Sammlung war auch ein Fragment der um 1600 entstandenen Bibliothek von Veit Ulrich Marschal von Ebnet. Daneben finden sich in der Bibliothek Reste der Sammlungen des Naturwissenschaftlers und Organisators der Freimaurerei in der habsburgischen Monarchie, des Ritters Ignaz von Born (1742-1791), sowie von Jan Josef Trnka von Krovice (1738), der als Ökonom in den Diensten der Dietrichsteiner stand. Schließlich enthält die Bibliothek Bücher aus dem Besitz der Grafengeschlechter Sedlnitzky, Collanto San Salvatore, Silva-Tarouca, von Sternberg, von Kinský, von Stadion, von Thurn, von Oedt, der Ritter von Bissing und weiterer, heute nicht mehr existierender Bibliotheken.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die heutige Leipniker Bibliothek umfaßt 21.204 Bde, davon 50 Hss., 36 Drucke des 16. Jhs, ca. 1000 Bde des 17., ca. 4700 Bde des 18. und ca. 15.000 Bde des 19. Jhs. Ungefähr 70 Prozent des Bestandes sind deutschsprachig.

2.2 Die Drucke des 16. Jhs sind vor allem naturwissenschaftliche Werke und Schriften antiker Autoren. In den folgenden Jahrhunderten dominieren landwirtschaftliche, ökonomische, mathematische, mineralogische und botanische Werke. Zur Ökonomie liegt beispielsweise vor Der verbesserte oeconomische Tausendkuenstler (Ulm 1767), Johann Heinrich Gottlob von Justis System des Finanzwesens (Halle 1766); zur Landwirtschaft liegen vor von Henri Louis du Hamel de Monceau, Abhandlung von der Erhaltung des Getraides und besonders des Weizens (Leipzig 1755) und Von Fallung der Wälder (Nürnberg 1766). Eine kleinere Gruppe umfaßt chemische, physikalische und medizinische Schriften. Hier finden sich Carl von Linnés Species plantarum (Stockholm 1753) und Versuch einer Mineralogie (Kopenhagen 1770) sowie J. H. Rieses Arithmetische und geometrische Vergleichung (Kopenhagen 1759).

2.3 Zahlreich vertreten unter den Alten Drucken ist die Geschichte, vor allem die Genealogie und Heraldik. Hier liegen vor Johann Paul Reinhards Vollständige Wappen-Kunst (Nürnberg 1747) und von J. A. Rudolphi Heraldica curiosa (Nürnberg 1698). Sorgfältig wurde in Leipnik der Verlauf der Französischen Revolution verfolgt und Literatur hierzu gesammelt. Geschlossene Bestände bilden Militaria und eine Sammlung von Landkarten und Plänen. Die Drucke vor 1800 werden ergänzt durch eine Sammlung von Enzyklopädien, juristischen Handbüchern, Schematismen u. a.

2.4 Im Bestand der Bücher des 19. Jhs überwiegen deutsche Schriften. Bemerkenswert ist eine umfangreiche Gruppe von Broschüren der ersten Hälfte des 19. Jhs, die politische, völkerkundliche und historische Studien umfaßt, ferner Schriften zu Ästhetik und Kunst sowie zur Aristokratie, gedruckte Polemiken, offene Briefe zumeist politischen Inhalts, Nekrologe von bedeutenden Persönlichkeiten, wissenschaftliche Vorträge, Publikationen über landwirtschaftliche und technische Neuerungen, das Gesundheitswesen, die Religion u. a.

2.5 Der Schwerpunkt des Bestandes aus dem 19. Jh liegt bei der großen Sammlung von Literatur über europäische Revolutionen, angefangen mit der Französischen Revolution über die Polnische Revolution bis zu den Schriften von Bakunin, Marx und Engels. Große Aufmerksamkeit wurde auch ökonomischen Fragen und dem Finanzwesen gewidmet. Von den naturwissenschaftlichen Fächern ist am stärksten die Botanik vertreten. Einen kleineren Bestand bilden die medizinische und pharmazeutische Literatur. Bemerkenswert ist auch die verhältnismäßig große Zahl der Judaica. Der Bestand wird ergänzt durch Schematismen, juristische Handbücher, Zeitschriften aller Fächer, durch umfangreiche Bildpublikationen und Enzyklopädien. Bohemica sind durch historische Werke, vor allem zur regionalen Geschichte, repräsentiert.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Standortkatalog [erstellt 1975-1977]

3.2 Historische Kataloge

Alte Kataloge

[aus dem 19. Jh; Signatur 30, 31]

Catalogue des livres français, latins, italiens, allemands etc. dans la Bibliothèque de Mme Dietrichstein Proskau, née Ctesse de Thun [aus dem 19. Jh; zu Marie Christine von Dietrichstein; Signatur 32]

Katalog der Bibliothek Leipnik

[erstellt 1849; Signatur 43]

Duplikate der Leipniker Schloßbibliothek

[erstellt Ende des 19. Jhs; Signatur 44]

Nopp, Leopold: Katalog der Schloßbibliothek zu Leipnik. 1912-1914 [hschr.; 4 Bde; Signatur 48]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Spurný, František: Knihovny na úsovském zámku [Bibliotheken im Usover Schloß]. In: Vlastivedné zajímavosti Okresního vlastivedného muzea v Šumperku [Heimatkundliche Besonderheiten des heimatkundlichen Bezirksmuseums in Mährisch Schönberg]. Šumperk 1982

Mašek, Petr: Nový nález z knihovny Víta Oldricha Marschala z Ebnetu [Ein neuer Fund aus der Bibliothek von Veit Ulrich Marschal von Ebnet]. In: Casopis Národního muzea v Praze, rada historická [Zeitschrift des Nationalmuseums in Prag, Historische Reihe] 155 (1986) Nr. 3-4, S. 191-192 [die beschriebene Bibliothek von Ebnet befindet sich größtenteils in Lipník]

Mašek, Petr: Zámecké knihovny na státním zámku Úsov [Schloßbibliotheken im Staatsschloß Úsov]. In: Miscellanea oddelení rukopis a starých tisk [Miszellen der Abteilung für Handschriften und Alte Drucke] 7 (1990) Heft 2, S. 67-94

Stand: November 1996

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.