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Lysice [Lissitz]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Zum ersten Mal wird Lissitz im Jahre 1308 im Zusammenhang mit Heralt von Kunštát erwähnt, dem Angehörigen eines tschechischen Adelsgeschlechtes, in dessen Besitz Lissitz bis 1514 blieb. Die Lissitzer Herrschaft wechselte in der Folgezeit häufig ihren Besitzer. Darunter waren z. B. die Häuser von Pernštejn, Breznický von Náchod oder Dietrichstein. František Leopold Breznický von Náchod erreichte im Jahre 1652 von Kaiser Ferdinand III. die Erhebung von Lissitz zur Kleinstadt. Dann wechselte die Herrschaft im Jahre 1807 den Besitzer, als die Erbin Antonia Piatti in das alte böhmische Geschlecht Dubský von Trebomyslic einheiratete. Die ersten Besitzer, die Herren von Kunštát, wohnten wahrscheinlich auf Burg Rychvald. Erst für das Jahr 1480 ist in Lissitz eine gotische Festung belegt, die 1551 durch Cerncický zu einer Wasserburg im Renaissancestil umgebaut wurde. Die heutige Gestalt des Schlosses entstand durch Umbauten im 18. und 19. Jh. Lysice [Lissitz]

1.2 Die Bibliothek wurde vermutlich erst von der Familie Dubský gegründet, denn die Bücher stammen größtenteils aus dem 19. und 20. Jh. Die Sammlung gehört weder zu den umfangreichsten noch zu den wertvollsten tschechischen Schloßbibliotheken. Sie enthält nur einzelne Alte Drucke, wobei nicht genau feststeht, auf welche Weise sie von den letzten Schloßbesitzern erworben wurden. Wertvoll ist die Bibliothek jedoch aufgrund der Tatsache, daß sie in den historischen Räumen in ihrer ursprünglichen Aufstellung erhalten ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag. Sie wurde verstaatlicht und 1991 zum Kulturdenkmal erklärt.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Insgesamt sind in der Lissitzer Bibliothek 13.488 Bde vorhanden, die größtenteils aus dem 19. Jh und der ersten Hälfte des 20. Jhs stammen. Die Bibliothek umfaßt drei Teile: die sogenannte Bibliothek von Ervin Dubský, die sogenannte Bibliothek von Marie von Ebner-Eschenbach und die Bibliothek von Albrecht Dubský. Nur die dritte Sammlung gehörte tatsächlich dem Träger ihres Namens. Die Bibliotheken von Ervin Dubský und Marie von Ebner-Eschenbach thalten ältere Bestände überwiegend aus dem 19. Jh, während die Sammlung des letzten Schloßbesitzers Albrecht Dubský hauptsächlich aus Schrifttum des 20. Jhs besteht. Im allgemeinen überwiegen in allen Teilbibliotheken deutsche Schriften; einen kleineren Teil bilden Bücher in Französisch, und vereinzelt sind andere Sprachen wie Englisch, Italienisch und Tschechisch vertreten.

2.2 Die Bibliothek von Ervin Dubský enthält mehr als 5000 Bde, davon annähernd 10 Prozent in Französisch. Ein Großteil tfällt auf pferdekundliche Literatur und Militaria, darunter Lehrbücher und Schriften zur Waffenkunde, Militärkarten und Darstellungen der Kriege Österreichs. Daneben finden sich Zeitschriften und Bücher mit Reisebildern und illustrierten Darstellungen zur Geographie, ferner Schulbücher und ein umfangreicher Bestand an Belletristik. Dieser ist mit dem Eigentumsstempel von Albrecht Dubský versehen, der in den anderen Werken weitgehend fehlt. Einige Bücher in italienischer Sprache sind durch das Bücherschild Gräfin Wiga Dubský als Eigentum der Tante des letzten Schloßbesitzers ausgewiesen. Ausgaben der Werke Marie von Ebner-Eschenbachs tragen häufig ihre eigenhändige Widmung an eine ihrer Großnichten.

2.3 Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916) war die Nichte des vorletzten Besitzers von Schloß Lissitz. Zwar trägt ein Teil der Bibliothek ihren Namen, und auch ein Porträt erinnert an sie, doch lebte die Autorin nie auf dem Schloß. Die Bücher stammen aus der Provenienz verschiedener Mitglieder der Familie Dubský, die im Schloß wohnten; so von den Gräfinnen Wiga Dubský und Elisabeth Dubský, geborene Kinský. Drei Viertel der Sammlung von ca. 6800 Bdn sind deutschsprachige Werke. Bemerkenswert sind die sowohl gedruckten als auch handschriftlichen Theaterstücke (mehr als 150). Sie dokumentieren die Geschichte des gegen Ende des 18. Jhs noch unter den Besitzern Piatti entstandenen Schloßtheaters, das mit Unterbrechungen während des ganzen 19. Jhs fortbestand und für das auch eigene Stücke verfaßt wurden. Als Schauspieler traten die Schloßbesitzer und ihre Gäste selbst auf, manchmal auch die Dienerschaft.

2.4 Die Bibliothek von Albrecht Dubský stellt mit ihren 1354 Bdn den kleinsten und jüngsten Teil der Bestände dar. Ihre Zusammensetzung läßt erkennen, daß Albrecht Dubský ein leidenschaftlicher Büchersammler war, der sich vor allem für Geschichte und Belletristik interessierte. Seine Bücher sind vorwiegend deutschsprachig, wenige sind in anderen Sprachen erschienen. Einige tschechische Titel und ein tschechisches Lehrbuch mit seiner Unterschrift lassen auf seine Tschechischkenntnisse schließen. Seine tschechischen Bücher sind vermutlich Erbstücke oder kostenlose Publikationen von Verbänden für Mitglieder (z. B. des Automobilclubs Rocenka Autoklubu oder des Leseclubs Klub ctenár).

2.5 Der wahrscheinlich älteste Druck der Lissitzer Bibliothek ist das 1538 in Augsburg bei Heinrich Steiner erschienene Werk von Bischof Nucerin, Ursprung des Thürkischen Reiches. Wertvolle römisch-katholische Meßbücher aus dem 18. Jh (1724 und 1763) gehörten wahrscheinlich ursprünglich zur Ausstattung der Schloßkapelle.

2.6 Eine weitere Besonderheit ist das Werk des Pioniers der Photographie, Louis Daguerre, Das Daguerrotyp und das Diorama oder genaue und authentische Beschreibung meines Verfahrens zu Fixirung der Bilder der Camera obscura (Stuttgart 1839). Das Interesse an der neuen Technik dokumentiert auch die Practische Anweisung zum Daguerrotypen (Leipzig 1843). Vermutlich gehörten diese Schriften Ervin Dubský, der auf seinen Reisen eine große Zahl von Photographien anfertigte. Dies gilt insbesondere für die Weltreise, die er in den Jahren 1874 bis 1876 an Bord des Schiffes Erzherzog Friedrich unternahm. Das Photoalbum von dieser Reise findet sich ebenfalls in der Bibliothek.

Derzeit werden Kataloge zum Gesamtbestand und zu den Teilbibliotheken erarbeitet. Historische Kataloge müßten in der Bibliothek von Marie von Ebner-Eschenbach erhalten geblieben sein.

Stand: Dezember 1994

Pavla Mazalová


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.