FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Marienbibliothek

Adresse. An der Marienkirche 1-3, 06108 Halle [Karte]
Telefon. (0345) 5 17 08 93
Bibliothekssigel. <Ha 32>; Kirchlicher Zentralkatalog Berlin <Sh 1>

Unterhaltsträger. Kuratorium der Marienbibliothek
Funktion. Kirchenbibliothek. Sammelgebiet. Abgeschlossener historischer Bestand.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Öffnungszeiten: Montag und Donnerstag 14-17 Uhr. - Leihverkehr: über ULB Halle.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät. Anfertigung von Mikrofilmen durch die Universitäts- und Landesbibliothek Halle.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung empfehlenswert. Straßenbahnverbindung vom Hauptbahnhof/Riebeckplatz (Linie 7 oder 9) bis Haltestelle Marktplatz. Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Marienbibliothek ist eine der ältesten evangelischen Kirchenbibliotheken in Deutschland. Aus katholischer Zeit gab es bereits eine Pfarrbibliothek an der Marienkirche. Sie enthielt Meßbücher und Breviarien, lateinische Bibeln sowie Schriften der Kirchenväter und des kanonischen Rechts. Aus diesem Vorgängerbestand besitzt die Bibliothek noch heute eine größere Anzahl Inkunabeln ( s. u. 2.10-2.13). Den Grundstock für die heutige Bibliothek legte 1552 angeregt durch Luthers 1524 veröffentlichte Schrift An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes zur planvollen Einrichtung von Bibliotheken - Magister und Superintendent Sebastian Boetius (1515-1573).

1.2 Mit Hilfe einer Spende des Rates der Stadt Halle kaufte Boetius zunächst lateinische und deutsche Lutherschriften. Der weitere Ausbau erfolgte größtenteils durch Spenden ortsansässiger Bürger. Boetius rief sie in Gottesdiensten oder bei anderen Gelegenheiten dazu auf und suchte sie vom Nutzen, den diese Einrichtung auch für die Gemeinde hatte, zu überzeugen. Es gelang ihm, Handschriften und frühe Drucke aus aufgelösten Klosterbibliotheken zu erwerben. Boetius' Ziel war in erster Linie der Aufbau einer Handbibliothek für die evangelischen Gemeindepfarrer. Ebenso sollten von Beginn an die Bücher den Bürgern zur Benutzung zur Verfügung stehen. Aus Raummangel waren die Bände in der ersten Zeit jedoch nur schwer zugänglich in der Kirche aufgestellt.

1.3 Boetius' Nachfolger, Superintendent Johann Olearius (1546-1623), der vor seiner Berufung Theologieprofessor in Helmstedt gewesen war, ließ 1609 mit Unterstützung des Rates ein eigenes Bibliotheksgebäude am Marktplatz errichten. Durch den Bibliotheksneubau, die Einstellung eines Bibliothekars und Festlegung von regelmäßigen Öffnungszeiten erhielt die Marienbibliothek, die sich allmählich zu einem wissenschaftlichen Mittelpunkt Halles entwickelte, damit auch den Status einer öffentlichen Bibliothek. Schenkungen und Nachlässe von Bürgern und einzelnen Geistlichen sowie Zuwendungen des Rates der Stadt gewährleisteten neben einigen Ankäufen im 16. Jh den Ausbau der Bibliothek.

1.4 Eine erste wertvolle Bereicherung erfuhr die Marienbibliothek z. B. durch den Büchernachlaß der mit Luthers Familie befreundeten Patrizierin Felicitas von Selmenitz (1488-1558), der die Marienbibliothek zahlreiche Erstdrucke Luthers, Melanchthons und anderer Reformatoren verdankt, viele davon mit handschriftlichen Widmungen der Autoren. Besondere Erwähnung verdienen auch die Privatbibliotheken des brandenburgischen Kanzlers Lampert Distelmeier (1522-1588) sowie der Grafen Johann Casimir und Augustus von Lynar (zusammen 3300 Bde), die der Rat der Stadt Halle 1616 der Marienbibliothek schenkte.

1.5 150 Jahre lang war die Marienbibliothek die einzige öffentliche wissenschaftliche Bibliothek in Halle. Die Professoren der 1694 gegründeten Universität machten regen Gebrauch von dem kurfürstlichen Benutzungsprivileg (1697) und bevorzugten die ältere, umfangreichere Bibliothek der Marienkirche, zumal die seit 1696 bestehende, nur langsam wachsende Universitätsbibliothek den Literaturbedarf der Studierenden und Lehrenden noch nicht abzudecken vermochte. Kauf und Schenkungen bereicherten die Marienbibliothek bis Anfang des 18. Jhs noch beträchtlich insbesondere auf den Gebieten der Theologie, Topographie, Geographie, Botanik, Medizin, Astronomie und Historiographie. Im Interesse fachgerechten Bestandsaufbaus versahen Universitätsprofessoren im 18. und 19. Jh das Amt des Bibliothekars, wie z. B. der Jurist Johann Gottlieb Heineccius (1681-1741; im Amt 1717-1723), der Philosoph Johann Friedrich Stiebritz (1707-1772; im Amt 1754-1772), der Theologe Johann Friedrich Gruner (im Amt 1773-1778), der Mediziner Johann Christian Kemme (1738-1815; im Amt 1778-1815) und der Philosoph und Zweite Oberbibliothekar der Universitätsbibliothek Halle Traugott Gotthelf Voigtel (1766-1843; im Amt 1815-1843).

1.6 Vermehrt gingen der Bibliothek die Nachlässe bedeutender Professoren zu, da sie ihnen die geschlossene Bewahrung ihrer Sammlungen ermöglichte. Die ehemals privaten Gelehrtenbibliotheken sind bis heute gesondert aufgestellt ( s. u. 2.14-2.15). Zahlreiche weitere Gönner beschenkten die Marienbibliothek im 18. und 19. Jh mit einzelnen, zumeist von ihnen selbst verfaßten Büchern, z. B. der alttestamentliche Philologe und Kirchenhistoriker Johann Simonis (1698-1768), der Naturkundler und Mathematiker Johann Andreas von Segner (1704-1777) und andere, oder verfügten Legate zur Erhaltung und Erweiterung der Bibliothek.

1.7 Im Jahre 1889 bezog die Bibliothek ein neues Gebäude hinter den Predigerhäusern der Marktkirche. Die inhaltlichen Schwerpunkte im 19. Jh lagen neben der planmäßigen Erweiterung des Manuskriptbestandes (vor allem Hallische und Magdeburgische Chroniken), im Ausbau der Halensia-Sammlung und dem Aufbau einer Gesangbuch-Sammlung. Von Beginn des 20. Jhs bis 1979 wurde die Bibliothek von Bibliothekaren der Universitätsbibliothek geleitet. 1979 übernahm ein pensionierter Pfarrer der Marktkirche die Leitung der Bibliothek. Mit ihrer Verwaltung wurde ein Bibliothekar beauftragt.

1.8 Die Bibliothek hat heute noch Bedeutung für die wissenschaftsgeschichtliche Forschung verschiedener Disziplinen, z. B. der Theologie, Geschichte, Medizin und Mathematik des 15. bis 17. Jhs. Zudem fungiert sie als Depositarbibliothek für historische Bestände anderer Gemeindebibliotheken der Region, z. B. von Sangerhausen und Weißenfels ( s. u. 2.18).

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek umfaßt insgesamt ca. 30.000 Bde. Davon entfallen 19.317 Titel auf den historischen Bestand im sogenannten " Corpus Bibliothecae". Es sind 435 Inkunabeln vorhanden. 8409 Titel stammen aus dem 16. Jh, 4257 aus dem 17. Jh, 1524 aus dem 18. Jh und 4692 aus dem 19. Jh. Hinzu kommen ca. 9000 Bde der separat aufgestellten Gelehrtenbibliotheken, vorwiegend aus dem 16. bis 18. Jh. Die Auszählung erfolgte anhand des Standortkataloges.

2.2 Die Bibliothek besitzt nahezu ausschließlich Titel in Deutsch (50 Prozent) und Latein (45 Prozent). Die restlichen Werke verteilen sich auf die Bibelsprachen Griechisch und Hebräisch sowie die führenden europäischen Kultursprachen Französisch und Englisch. Vereinzelt finden sich auch Titel in Jiddisch, Arabisch, Slowenisch, Tschechisch und anderen Sprachen. Systematische Übersicht

2.3 Der Bestand der Bibliothek ist in 5 Großgruppen mit grober systematischer Gliederung aufgestellt. Diese sind Theologie; Jurisprudenz; Geschichte/Philosophie/Philologie/Naturgeschichte/Medizin/; Vaterländische Geschichte sowie Wissenschaftliche neuere Theologie. In allen Gruppen finden sich jedoch größere thematische Überschneidungen, die die systematische Übersicht erschweren.

2.4 Den Schwerpunkt des Bestandes bildet mit ca. 6645 Titeln die Gruppe Geschichte. In dieser Gruppe findet sich eine umfangreiche Sammlung von Flugschriften und anderes Kleinschrifttum aus der Zeit der Reformation, des Dreißigjährigen und des Siebenjährigen Krieges. Allein aus den Jahren 1546 und 1547 besitzt die Bibliothek etwa 100 Flugschriften, die aus Anlaß des Sclkaldischen Krieges gedruckt wurden. Veröffentlichungen aus den historischen Hilfswissenschaften Numismatik und Heraldik wurden ebenfalls hier eingeordnet.

2.5 In der Gruppe Theologie mit 5430 Bdn finden sich 74 Bibelausgaben in verschiedenen Sprachen, darunter eine Thorarolle aus dem 14. Jh, hebräische Bibeln und Polyglotten, das September-Testament von 1522 sowie ein auf Seidenpapier gedrucktes chinesisches Neues Testament vom Beginn des 20. Jhs. Besonders hinzuweisen ist auf die beiden ersten Gesamtausgaben der Lutherbibel (Wittenberg 1534 und 1541) mit eigenhändigen Eintragungen Luthers aus dem Besitz der halleschen Patrizierin Felicitas von Selmenitz. Mit einer in der Bibel von 1541 eingeklebten Flugschrift von 1503 (Herausgeber Friedrich der Weise) wurde für den Besuch der neugegründeten Universität in Wittenberg geworben. Großen Raum nehmen Bibelkommentare und dogmatisches Schrifttum ein von den Kirchenvätern über die Reformatoren bis hin zu Theologen aus der jüngeren Zeit.

2.6 Der Anteil philosophischer Werke liegt bei 700 Bdn. 1500 Bde sind juristische Werke. Neben Texten der griechischen und lateinischen Klassiker liegen 413 grammatikalische und lexikographische Werke zum Studium der klassischen Sprachen vor. Aus der neuhumanistischen Literatur finden sich 875 Titel, darunter eine Vielzahl lateinischer Reden und Gedichte. Umfangreich ist die Sammlung von Gedenkreden (675 Titel), darunter insgesamt 550 Leichenpredigten sowie Hochzeitsgedichte und Geburtstagsreden. Hinzu kommen ca. 400 biographische Werke und 350 Zeitungen.

2.7 Mit 955 Titeln besitzt die Marienbibliothek eine der bedeutendsten Sammlungen astronomischer Werke des 16. und 17. Jhs. Den Schwerpunkt bildet die Sammlung von knapp 500 Kalendern und Prognostiken, darunter von Jakob Honiger und Leonhard Thurneisser zum Thurn (1572-1584). Von den 1430 naturwissenschaftlichen Drucken sind allein 1085 medizinische Titel, darunter 28 Kräuterbücher sowie zahlreiche Dissertationen, die z. T. auch Themen anderer, später verselbständigter naturwissenschaftlicher Disziplinen abhandeln.

2.8 Die Gruppe Geographie und Reisebeschreibungen ist mit 390 Titeln vertreten. Besondere Erwähnung verdienen u. a. Martin Zeillers Topographiae Germaniae (12 Bde, Frankfurt a. M. 1642-1654) mit Städteansichten von Matthaeus Merian d. Ä. (1593-1650) sowie Georg Brauns († 1622) Civitates orbis terrarum (Köln 1593) mit Kupferstichen von Franz Hogenberg (1540-1592).

2.9 Zur Gruppe Kunst (450 Titel) gehört eine Sammlung von 275 Musikalien, u. a. mit Werken der Komponisten Johann Hermann Schein (1585-1630), Samuel Scheidt (1587-1654), Heinrich Schütz (1585-1672) und Johann Rosenmüller (um 1620-1684) nebst Stimmbüchern. Hingewiesen sei auf das Wittembergisch deudsche Geistlich Gesangbüchlein. Mit vier von fünff Stimmen ... 5 Stimmbücher (mit einer Vorrede von M. Luther) (Wittenberg 1551). In einem Sammelband musikwissenschaftlicher Drucke findet sich das älteste Buch über den Orgelbau von Arnold Schlick, Spiegel der Orgelmacher und Organisten (Speyer: Peter Drach 1511).

Hildegard Seidel

Inkunabeln

2.10 Die Bibliothek besitzt mit 435 Inkunabeln ( s. u. 3.2 Juntke) eine der umfangreichsten Sammlungen in einer selbständigen Kirchenbibliothek. Der weitaus größte Teil der Bücher war schon vor dem Jahre 1500 im Besitz der Marienkirche, nur ein kleiner Teil kam im 16. und 17. Jh durch Vermächtnis hinzu. An Vorbesitzern sind das Monasterium Mariae Celle zu Altzelle sowie die St. Gertraudis-Kirche zu Halle und das dortige Kloster Neuwerk zu erwähnen, außerdem der Superintendent Sebastian Boetius. Den Einbänden nach zu urteilen handelt es sich um eine Gebrauchsbibliothek; zahlreiche Bücher sind Kettenbände gewesen. Auffallend ist eine große Zahl von Einbänden aus Erfurter Werkstätten aus den Jahren 1477 bis 1500, darunter wahrscheinlich einige von Nikolaus von Havelberg, Antonius Rodenfels und Erhard Herold ( s. u. 3.2 Juntke, S. 14-15).

2.11 Der Bestand gliedert sich wie folgt: Aus dem Zeitraum 1466 bis 1470 sind 5 Titel vorhanden, aus dem Zeitraum 1471 bis 1480 60 Titel, aus dem Zeitraum 1481 bis 1490 123 Titel und aus dem Zeitraum 1491 bis 1500 247 Titel. An Druckorten aus dem deutschsprachigen Raum sind vertreten Straßburg (89 Titel), Leipzig (57), Basel (52), Köln (40), Nürnberg (35), Augsburg (14), Speyer (9), Mainz (7), Erfurt und Ulm (je 5), Hagenau (4), Freiburg, Reutlingen und Tübingen (je 3), Ingolstadt (2), Heidelberg, Lübeck, Magdeburg und Merseburg (je einer). Hinzu kommen einige außerdeutsche Drucke, insbesondere italienische: Venedig (43 Titel), Lyon (15), Deventer (4), Bologna und Rom (je 2), Brüssel, Löwen, Mailand, Neapel, Paris und Pavia (je einer). Die Bibliothek besitzt 7 Unica, darunter die Agenda sive Benedictionale commune agendorum (Leipzig: Melchior Lotter [um 1500?], GW 452), Almanach für Nürnberg auf das Jahr 1485 (lateinisch; [Leipzig: Markus Brandis], Nachdruck von GW 1392), Arm und reich sei kundgetan, das man geren zu der heilgen Meß sol gan (Erfurt: [Hans Sporer 1496]) und Johann de Paltz, De septem foribus Beatae Virginis (deutsch; [Leipzig: Martin Landsberg, um 1493]). Als Pergamentdruck liegt das Corpus iuris civilis: Novellae (Mainz: Peter Schöffer 1477) vor.

2.12 Der Bestand ist vorwiegend theologisch ausgerichtet. Es finden sich 10 Bibelausgaben, als früheste eine lateinische ([Basel: Berthold Ruppel, um 1468], GW 4207), sowie eine deutsche Ausgabe ([Nürnberg: Johann Sensenscdt, zwischen 1476 und 1478], GW 4299). Ausgaben der Kirchenväter und mittelalterlichen Theologen nehmen einen breiten Raum ein, z. B. Thomas von Aquin (9 Titel), Duns Scotus (4) oder Jacobus de Voragine (4), Bernardus Carthusiensis, Boethius und Wilhelm von Ockham. Die Kirchengeschichtsschreibung ist mit Eusebius Caesariensis und Johannes Trithemius vertreten, das Kanonische Recht mit Guillelmus Duranti. Besondere Bedeutung kommt der Praktischen Theologie zu mit Brevieren, Missalia (darunter das seltene Missale speciale, [Straßburg: Johann Grüninger] 1498, HC 14896, oder das seltene Missale Strigoniense, [Nürnberg: Georg Stuchs] 1498, C 4239) und zahlreichen Predigten, u. a. von Pelbartus de Themesvár und Michael de Hungaria (beide mit Hagenauer Ausgaben). Auch die Erbauungsliteratur ist gut bestückt mit Beichtbüchlein und Ars-moriendi-Literatur, u. a. dem seltenen Modus confitendi von Andreas de Escobar ([Leipzig: Konrad Kachelofen, um 1487], GW 1828).

2.13 Die auch universell ausgerichtete Sammlung spiegelt den Wissensstand und die kulturellen Ideen der Zeit wider. Neben zahlreichen Klassikerausgaben (Aristoteles, Cicero, Persius Flaccus, Seneca, Terenz) finden sich humanistische Schriften zur Grammatik und Rhetorik (Johannes Reuchlin, Friedrich Riederer) oder neulateinische Literatur (Pius II., Epistolae familiares, Nürnberg: Anton Koberger 1486) sowie die seltene Ausgabe von Boccaccios Decamerone (Bologna 1476). Die zeitgenössische Historiographie ist vertreten mit Hartmann Schedels Chronica (lateinisch und deutsch; Nürnberg: Anton Koberger 1493) oder Werner Rolevincks Fasciculus temporum ([Straßburg: Johann Prüss, nicht vor 1490]). Zur Rechtsprechung finden sich Ausgaben des Corpus Iuris Civilis, Rechtskonkordanzen sowie Heinrich Institoris' Malleus maleficarum (Nürnberg: Anton Koberger 1496). Zur Landwirtschaft liegt vor Petrus de Crescentiis' Ruralia commoda ([Speyer: Peter Drach] 1493). Von besonderer Bedeutung sind astronomische Drucke, z. B. von Johannes de Sacro Bosco und Johannes Regiomontanus in venezianischen Ausgaben von 1485 und 1496, und eine Reihe von medizinischen Drucken, z. B. von Johannes Michael Savonarola und Johannes Mesue (Opera medicinalia, Venedig 1489-1491, mit 7 angebundenen Drucken), ebenfalls in venezianischen Ausgaben. Sie ergänzen die umfangreiche Sammlung an astronomischen und medizinischen Werken, die die Bibliothek aus den folgenden Jahrhunderten besitzt.

Karen Kloth

Sondersammlungen

2.14 Die sogenannten Professoren-Bibliotheken enthalten insgesamt ca. 9000 Bde. Sie werden im folgenden nach ihrer Größe beschrieben. Die umfangreichste dieser Bibliotheken ist die des Mediziners Prof. Johann Christian Kemme mit 3650 Bdn medizinischen und naturwissenschaftlichen Inhalts. Sie enthält z. B. das erste geburtshilfliche Werk einer Frau, Justina Siegmundin, Die Chur-Brandenburgische Hoff-Wehe-Mutter (Berlin 1708). Die von seinem Vater (Prof. Johann Ehrenfried Zschackwitz, † 1744) ererbte und von dem Juristen Christian Gottlieb Zschackwitz (1720-1767) vermehrte, 1767 der Marienbibliothek hinterlassene Büchersammlung mit 1990 Bdn hat besonderen Wert wegen einiger seltener juristischer und historischer Werke sowie etlicher Militaria. Im Jahre 1690 schenkte der Schöppenstuhl-Assessor Dr. Joachim Oelhafen (1603-1690) seine 1540 Bde umfassende Privatsammlung der Marienbibliothek mit Werken aus der italienischen und französischen Literatur.

2.15 Das Vermächtnis des größten Teils der Bibliothek von Superintendent Carl Christian Lebrecht Franke (1796-1879; 1280 Bde) enthält vorrangig theologische Literatur, darunter auch ca. 500 Predigten. 1732 gelangten 560 Bde des Mediziners Prof. Friedrich Hoffmann (1660-1742) in den Bestand, darunter zahlreiche theologische Titel, z. B. eine Bösche Bibel mit Holzschnitten von Lukas Cranach d. Ä. (Prag: Girijk Melantrych 1557) sowie das sogenannte Hallesche Heiltumbuch, Verzeichnis und Zuneigung des Heiligthumbs der Stifft Kirchen der Heiligen S. Moriz und Marien Magdalenen in Halle (Leipzig: Wolfgang Stöckel 1520). Daneben finden sich eigene Schriften sowie von ihm betreute Dissertationen. Hoffmann ließ auch auf eigene Kosten einen Katalog drucken ( s. u. 3.2). Wertvolle Geschenke von Friedrich August Eckstein (1810-1885; Rektor der Latina an den Franckeschen Stiftungen) ergänzten 1863 die Marienbibliothek insbesondere für die Gebiete Geschichte und Regionalgeschichte. Der Hofrat und Ratsmeister Johann Wilhelm Loeper († 1776) übereignete zunächst 97 Bde, im Jahre 1769 weitere 33 neugebundene Folianten und 8 Quartbände, alle mathematischen und philosophischen Werke von Christian Wolff (1679-1754) sowie Die allgemeine Welthistorie (Halle 1767-1772). Von Dr. Gustav Schwetschke (1804-1881) stammt eine weitere kleine Sammlung. Darüber hinaus erhielt die Bibliothek noch andere, in gesondertem Schrank und mit Bild aufgestellte Bibliotheken, z. B. von Ratsmeister Andreas Ockel (1658-1718).

2.16 Die Halensia-Sammlung umfaßt 3765 Titel vorwiegend aus dem 19. und 20. Jh, darunter auch zahlreiches Kleinschrifttum (Verordnungen und Bekanntmachungen). Die Sammlung betrifft die Stadt Halle und Umgebung mit allen einschlägigen Chroniken von Halle, aber auch Magdeburg und andere Städte. Hinzu kommt sonstige regionalhistorische Literatur, z. T. auch als Handschriften.

2.17 Die im 19. Jh begonnene Gesangbuch-Sammlung enthält 1350 Gesangbücher vorwiegend des 17. bis 19. Jhs und eine nicht unerhebliche Anzahl hymnologischer Werke. Sie wird heute nur noch durch Schenkungen vermehrt. Die ebenfalls separate Aufstellungsgruppe Notenmanuskripte enthält 125 Notenhandschriften von Komponisten aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs. Die Handschriftensammlung umfaßt 289 Nummern, die Urkundensammlung 227 Urkunden des 16. bis 18. Jhs. Deponate

2.18 Seit April 1986 ist die Marienbibliothek Depositarbibliothek für die historischen Buchbestände der St. Ulrichs-(Kirchen-)Bibliothek Sangerhausen (795 Bde, davon ca. 130 Inkunabeln sowie Literatur des 16. bis 18. Jhs) und der Stadtkirche Weißenfels (714 Bde vorwiegend des 17. und 18. Jhs).

3. KATALOGE

3.1 Allgemeine Kataloge

Alphabetischer Gesamtkatalog

[EDV-gestützt; nach RAK-WB mit Vergabe von Schlagworten]

Alphabetischer Katalog des Corpus

[in Zettelform; nach PI]

Alphabetischer Bandkatalog

[8 Bde, Mitte des 19. Jhs]

Standortkatalog

[Bandkatalog; 6 Bde, Mitte des 19. Jhs]

Die Bestände sind im Zentralkatalog Sachsen-Anhalt und im Kirchlichen Zentralkatalog Berlin (Mikrofiche-Ausgabe 1997) nachgewiesen.

3.2 Sonderkataloge

Alphabetischer Katalog der Halensia-Sammlung

[in Zettelform; hschr.; Ende des 19. Jhs]

Alphabetischer Katalog der Handschriftensammlung

[in Zettelform]

Katalog der Bibliothek Friedrich Hoffmann

[angelegt nach 1740 von dem halleschen Professor Justus Israel Beyer]

Alphabetischer und Sachwort-Katalog der Weißenfelser Kirchenbibliothek

[in Zettelform]

Katalog der Kirchenbibliothek Sangerhausen

[gedruckt nach dem Heftkatalog von 1897; gegliedert nach Mss., Inkunabeln und Drucken nach 1530]

Alphabetisches Verzeichnis der Notenmanuskripte [mschr.]

Chronologisches Verzeichnis der Urkundensammlung [mschr.]

Chronologisches sowie alphabetisches Verzeichnis der Medizinischen Dissertationen vor 1800. [1978; mschr.]

Juntke, Fritz: Die Inkunabeln der Marienbibliothek zu Halle an der Saale: Geschichte und Katalog. Berlin 1974 (Beiträge zur Inkunabelkunde 3, F. 5)

[alphabetisches Verzeichnis; Verzeichnis nach Druckorten sowie nach Provenienzen]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Dreyhaupt, Johann Christoph von: Pagus Neletici et Nudzici, Oder Ausführliche diplomatische historische Beschreibung des zum ehemaligen Primat und Ertz-Stifft ... Hertzogthum Magdeburg gehörigen Saal-Creyses und aller darinnen befindlichen Städte ... 2 Bde. Halle 1749-50 [hier: Bd 2, S. 217-220]

Knauth, Karl: Mittheilungen über die Marien-Bibliothek zu Halle. In: Serapeum 8 (1847) Heft 24, S. 369-376 Jahn, Wilhelm: Die Marienbibliothek. In: Saale-Zeitung vom 16.4.1889

Juntke, Fritz: Die Marienbibliothek zu Halle an der Saale im 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Leipzig 136 (1969) Nr. 25, S. 671-702

Juntke, Fritz: Über die Marienbibliothek zu Halle. In: Marginalien Heft 56 (1974) S. 21-43 Weissenborn, Bernhard: Geschichte der Marienbibliothek in Halle/Saale [ o. J.; mschr.]

Koehn, Horst: Die Marienbibliothek zu Halle an der Saale. In: Mitteilungsblatt der Bibliotheken in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt Heft 87 (1993) S. 40-42

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Juntke, Fritz: Ein unbekannter doppelseitiger Einblattdruck des Markus Brandis. In: Beiträge zur Inkunabelkunde 3, F. 3 (1968) S. 155-162

ders.: Die Exlibris und Supraexlibris des Georg von Selmenitz. In: Exlibris 43 (1933) S. 13-18

ders.: Über drei Kalender Jakob Honigers. In: Gutenberg-Jahrbuch (1977) S. 85-90 ders.: Urkundliche Nachrichten über Hallische Buchbinder aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In: Archiv für Buchbinderei 32 (1932) S. 77-79; 85-87

ders.: Neues zum Buchdruck in Halle an der Saale im 16. Jahrhundert. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 137 (1970) Nr. 52, S. 1481-1496

ders.: Über eine satirische astrologische Praktik für das Jahr 1585. In: Gutenberg-Jahrbuch (1979) S. 193-198

ders.: Über Leonhard Thurneisser zum Thurn und seine deutschen Kalender 1572-1584. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 19 (1978) S. 1349-1400

Koehn, Horst: Adam Puscns Gründtlicher Bericht. Ein seltener Görlitzer Druck von 1571. In: Marginalien Heft 59 (1975) S. 53-62

Luther und Halle. Kabinett-Ausstellung der Marienbibliothek und der Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen Halle. Halle (Saale) 1996

Marienbibliothek Halle. In: Karin Tietz; Rolf-Jürgen Wegener: Kostbarkeiten in Bibliotheken Sachsen-Anhalts. Magdeburg 1994, S. 37-40 (Mitteilungsblatt der Bibliotheken in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt 92, Sonderheft)

Die Marienbibliothek zu Halle. Kostbarkeiten einer alten Büchersammlung. Hrsg. vom Freundeskreis der Marienbibliothek zu Halle; Heinrich L. Nickel. 2 Hefte. Halle (Saale) 1995-98 Nickel, Heinrich L.: Die Marienbibliothek und ihre Professorenbüchersammlungen. In: Ralf-Torsten Speler (Hrsg.): 300 Jahre Universität Halle 1694-1994.

Schätze aus den Sammlungen und Kabinetten. Halle (Saale) 1994, S. 338-343

Stand: Juli 1998

Hildegard Seidel

Bearb.: Waltraut Guth


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.