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Biblioteca Nazionale Braidense - Il fondo Haller

Braidensische Nationalbibliothek - Sammlung Haller


Adresse. . Palazzo di Brera, Via Brera 28, 20121 Milano
Telefon. . (02) 86 46 09 07
Telefax. . (02) 72 02 39 10
e-mail. [BIBNAZMI@ICIL64.CILEA.IT]
Internet. . http://www.cilea.it/braidens
Bibliothekssigel. . <MIL NB MI0185>

Unterhaltsträger. . Ministero per i beni e le attività culturali [Ministerium für Kulturgüter und kulturelle Aufgaben]
Funktionen. . Allgemeine öffentliche Bibliothek, Forschungsbibliothek.
Sammelgebiete. . 1. Allgemeine
Sammelgebiete. : historischer Bestand aller Wissensgebiete; Forschungsliteratur vor allem zu Geisteswissenschaften, Wissenschaftsgeschichte, Geschichte Mailands und der Lombardei und Reiseliteratur. - 2. Besondere
Sammelgebiete. : Manzoniana, Bodoniana, Aldinen, Autographen, Theaterschriften, Jesuitica, Musikdrucke, Photographien, Exlibris.

Benutzungsmöglichkeiten. . Ausleihbibliothek mit Präsenzbestand. - Öffnungszeiten: Lesesäle und Katalogsaal: Montag bis Freitag 8.30-18.30 Uhr, Samstag 9-13.45 Uhr; Ausleihe: Montag bis Freitag 8.30-18 Uhr, Samstag 9-13.30 Uhr; Fernleihe: Montag bis Freitag 8.30-17.45 Uhr, Samstag 9-13.15 Uhr. Verkürzte Öffnungszeiten zu Weihnachten und Mitte August (jeweils für eine Woche): Montag bis Samstag 10-12 Uhr. - Leihverkehr: nationaler und internat. Leihverkehr.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergeräte (nur für Forschungsliteratur ab 1901), Mikrofilm- und Mikrofiche-Lesegeräte, CD-ROM Terminal, Datenbankrecherche (Servizio Bibliotecario Nazionale, SBN),
Internet. -Station (nur für bibliographische Recherche).
Gedruckte Informationen. Führer zu Benutzung, Geschichte und Beständen der Bibliothek.
Hinweise für anreisende Benutzer. Vom Hauptbahnhof Straßenbahnverbindungen (Linien 1 und 2) bis Haltestelle Manzoni; U-Bahnverbindung (Linie 2) bis Haltestelle Lanza oder (Linie 3) bis Haltestelle Montenapoleone. Vom Flughafen Malpensa Shuttle zum Hauptbahnhof; vom Flughafen Linate Busverbindung zum Hauptbahnhof. - Nur wenige Parkmöglichkeiten bei der Bibliothek.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Den Grundstock der Braidensischen Nationalbibliothek bildete die ca. 18.000 Bde umfassende Privatbibliothek des Grafen Carlo Pertusati (1674-1755) aus Mailand. Die Sammlung wurde 1763 von der Stadt erworben und 1770 durch einen Erlaß Maria Theresias öffentlich zugänglich gemacht. Die Bibliothek erhielt ihren heutigen Sitz, als nach Aufhebung des Jesuitenordens dessen Mailänder Kollegium im Palazzo Brera und die dortige Bibliothek (ca. 24.000 Bde) verstaatlicht wurden und die Sammlung Pertusati dorthin überführt wurde. Heute ist die Bibliothek mit einem Gesamtbestand von mehr als 800.000 Bdn die bedeutendste Bibliothek Norditaliens.

Die Sammlung Haller

1.2 Die Eingliederung der Sammlung Haller in die Biblioteca Braidense war beispielhaft für die moderne Kulturpolitik. Der Berner Arzt, Naturforscher, Dichter und Beamte Albrecht von Haller (1708-1777) besaß eine bemerkenswerte Privatsammlung zu den Naturwissenschaften, die er seiner Heimatstadt vermachen wollte. Die Sammlung wurde stattdessen von den Österreichern erworben, um die bis dahin überwiegend historisch und literarisch ausgerichtete Bibliothek im Palazzo Brera zu ergänzen sowie aus dem Bestand der Dubletten auch andere wissenschaftliche Institute der österreichischen Lombardei entsprechend auszustatten. Die ideelle und materielle Einheit der Sammlung, die auf die medizinisch-naturwissenschaftlichen Abteilungen der Braidense verteilt wurde, ist dank der Besitzvermerke, handschriftlichen Anmerkungen und Exlibris, mit denen Haller die meisten seiner Bücher versah, rekonstruierbar.

1.3 Briefwechsel vom Ende des 18. Jhs zwischen österreichischen Behörden und lombardischen Bibliothekaren dokumentieren den Umstrukturierungsprozeß, der die Braidense von einer Privateinrichtung zur ersten großen öffentlichen Bibliothek der Provinzhauptstadt machte. Auf Initiative der Wiener Staatskanzlei und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden in Mailand und in der lombardischen Provinz sowie den Bibliothekaren der Braidense öffnete sich die Braidense dank der aus der Schweiz kommenden Bücher Hallers den praktischen und angewandten Wissenschaften und entsprach somit dem theresianischen Bildungsideal.

1.4 In der Korrespondenz zwischen Wien und Mailand finden sich Hinweise auf den Erwerb der Berner Sammlung bereits drei Monate nach dem Tod Hallers am 12. Dezember 1777. Für nur 2000 Louisdor wurden am 24. Juli 1778 20.000 Titel der Sammlung gekauft. Die Kongruenz zwischen den wissenschaftlichen Schwerpunkten der erworbenen Sammlung und der umfassenden Reform, die u. a. die lombardischen Bibliotheken betreffen sollte, war offensichtlich. Die Sammlung Hallers sollte weitgehend als Einheit an einem Ort erhalten bleiben, die Dubletten jedoch ausgesondert und für die Ausstattung von Bibliotheken in Pavia, Mantova und Lodi verwendet werden. Die Bücher waren noch nicht in Italien eingetroffen, als bereits feststand, wie die Dubletten verteilt würden. Bevor das Verteilungsprogramm anlaufen konnte, gab Staatskanzler Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg als verantwortlicher Beamter in Wien zu bedenken, daß ein Teil der Dubletten auf jeden Fall verkauft werden müsse, um mit dem Erlös unvollständige Abteilungen der Braidense zu ergänzen.

1.5 Carlo Carlini, der Kustos, und Anton Cronthal, der zweite Bibliothekar der Braidense, wurden im Juli 1778 nach Bern gesandt, um den Nachlaß Hallers zu sichten und die erworbenen Bücher zu übernehmen. Cronthal, der deutscher Herkunft war, fungierte als Übersetzer; Carlini, der vollkommen unbewandert in den medizinischen Disziplinen war, hatte dennoch freie Hand. Angesichts hunderter unkatalogisierter Bücher zeigte sich Carlini auf naive Weise vor allem beeindruckt von den mit erhellenden Darstellungen geschmückten Werken, die er auswählte. Das Verpacken der Bücher war am 6. August abgeschlossen, und 154 Kisten überquerten die Alpen und erreichten am 4. Oktober Mailand in sehr schlechtem Zustand. Eineinhalb Monate später war erst ein Drittel der Bücher ausgepackt und noch nicht aufgestellt oder wenigstens provisorisch eingelagert in der bereits übervollen Bibliothek. Es fehlten genaue Vorstellungen darüber, welchem Flügel des Gebäudes der neue Bestand zugeteilt werden sollte, und auch darüber, ob er als Einheit aufbewahrt werden sollte oder wie er geteilt und in den wissenschaftlichen Bestand eingegliedert werden könnte.

1.6 Die Berner Sammlung wurde mit den vorhandenen Beständen der Braidense verglichen und auf dieser Basis eine Liste der Dubletten zusammengestellt, die in die Institute der Provinz überführt werden sollten. Die deutschen Bücher in der Sammlung Hallers waren noch im Sommer 1779 unangetastet, da ein Übersetzer benötigt wurde, der den inhaltlichen sowie sprachlichen Besonderheiten des Materials gewachsen war. Im Januar 1780 war die Sammlung Haller paradoxerweise immer noch als Einheit erhalten und geschützt durch Verzögerungen bei der Aufstellung der Regale, die die Sammlung aufnehmen sollten.

1.7 Ende des Jahres 1780 intervenierte Wien und unterbrach die zeitraubende systematische Katalogisierung, die im krassen Gegensatz stand zu der Notwendigkeit, in der Braidense einen Bücherschatz zugänglich zu machen, der sich auf insgesamt 70.000 Bde belief. Die Österreicher wollten die schnelle und präzise Aufstellung und Dublettenverteilung durchsetzen, für die vor allem die Aktualisierung des Verfasserkatalogs der Bibliothek notwendig war. Vom Sommer 1781 an arbeiteten die Mailänder mit aller Kraft an der Aufnahme der Bücher Hallers in den Verfasserkatalog. Der entscheidende Anstoß für die Aufstellung des Bibliotheksbestandes war schließlich die Reise Kaiser Josefs II. nach Mailand (1782), der sich enttäuscht zeigte, die Braidense noch nicht fertiggestellt und einsatzbereit zu sehen. Die Arbeiten schritten nun rascher voran.

1.8 Die Erfassung und Verteilung der Dubletten nahmen anfangs konkrete Formen an, die sich schließlich jedoch deutlich von den ursprünglichen Kriterien und Prioritäten unterschieden. Es ergab sich dadurch eine geringere Zahl von Dubletten, die zur Verteilung zur Verfügung standen. Am Ende des Jahrhunderts hatten die Bibliothekare mehr als neuntausend Dubletten aus allen Sammlungen der Braidense bearbeitet. Umfang und Komplexität der Arbeiten verursachten Verletzungen des Prinzips, das beste Exemplar eines Werkes am Ort zu behalten, das zweitbeste nach Pavia und die eventuell übrigen Ausgaben an die anderen Bibliotheken der Region zu schicken. Stattdessen verließen Bücher die Bibliothek, die weder in der Sammlung Haller noch in den anderen Sammlungen Dubletten hatten, man behielt mehrere Kopien derselben Ausgabe oder zog die Bedürfnisse der Bibliothek in Mantova jenen der Universität Pavia vor. Deutschsprachige Bücher verblieben jedoch generell in Mailand. Die der Universität Pavia zugewiesenen Dubletten wurden im vorgesehenen systematischen Katalog der Halleriana entlastet. Ein Bibliothekar versah umsichtigerweise diese Titel mit einem P.

1.9 Das Verfahren des Austauschs zwischen den Bibliotheken setzte sich im gesamten folgenden Jahrhundert fort, und die Bibliothekare waren berechtigt, den Tausch und den Verkauf der Dubletten auch auf Privatpersonen auszudehnen. Die Veräußerungen wurden bis in die Zeit der französischen Besetzung hinein fortgesetzt, jedoch verschwanden die von Wien vorgeschriebenen Abschlußrechnungen und Verzeichnisse und somit viele Hinweise auf die Inhalte und die Käufer der unnützen Dubletten. Wertvolle Ausgaben, die Haller entweder nicht als Dubletten besessen hatte oder durch handgeschriebene Seiten ergänzt hatte, wurden dann im Jahre 1796 von den napoleonischen Truppen als Kriegsbeute aus Pavia fortgeschafft. Außerdem verschwanden Bücher während der Neuordnung der Sammlung u. a. durch unkontrollierte Ausleihen. Ferner gelangten Bücher, die Haller mit seinem Exlibris versehen noch selbst verliehen hatte, erst verspätet aus verschiedenen europäischen Ländern nach Mailand. Eine Kiste mit Büchern aus Paris und aus Deutschland erreichte die Bibliothek z. B. erst im Mai 1779 nach Intervention der Witwe Hallers. Hingegen kam eine aus Göttingen versprochene Kiste nie an. Vermutlich enthielt sie Hallers Exemplar der von ihm gegründeten Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen. Die 68 Bde aus den Jahren 1739 bis 1777 stellen ein einmaliges Dokument dar, das wichtige Aspekte der wissenschaftlichen Produktion Hallers beleuchtet. Etwa die Hälfte der zwischen 1747 und 1753 erschienenen Rezensionen stammte von Haller selbst. Eines der zuverlässigsten Kriterien, Haller einzelne der anonymen Beiträge zuzuschreiben war das Vorhandensein von eigenhändigen Korrekturen oder des charakteristischen H auf dem Handexemplar, das schließlich in Bern blieb und heute in der Stadt- und Universitätsbibliothek aufbewahrt wird.

1.10 Die Sammlung von Briefen, die Haller mit mehr als tausend Korrespondenten austauschte, blieb in der Schweiz, da die Erben ihre Herausgabe verweigerten. Der handschriftliche Kern der Bibliothek, der so vielfältig ist wie Hallers wissenschaftliche und bibliophile Interessen, war ebenfalls im Kaufvertrag berücksichtigt, wurde jedoch nach der Ankunft im Palazzo Brera separat vom übrigen Bestand untergebracht und blieb unbearbeitet. Erst anläßlich des hundertsten Todestages Hallers äußerte die schweizerische Regierung den Wunsch, die Handschriften im Tausch gegen in Bern erhaltenes Material zur italienischen Kulturgeschichte, zurückzuerlangen. Die Verhandlungen hierüber begannen 1919 und endeten zehn Jahre später mit dem Tausch von 30 Werken in 88 Bdn gegen 98 Manuskripte in 145 Bdn.

1.11 Trotz der beschriebenen Eingriffe blieb der Kern des Buchbestandes in der Braidense, wo die Bücher Hallers ausnahmslos mit Beständen ähnlichen Inhalts gemischt wurden. Bücher Hallers finden sich jedoch auch in der Bibliothek des Hauptkrankenhauses Ca' Granda, im Lombardischen Institut [Istituto Lombardo] und der Akademie der Wissenschaften und Literatur [Accademia di Scienze e Lettere] in Mailand, in den Universitätsbibliotheken von Pavia und Padua, in den Stadtbibliotheken von Mantua, Lodi und Bassano del Grappa sowie im Ausland in der Bürgerbibliothek und der Stadt- und Universitätsbibliothek von Bern, der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, der Universitätsbibliothek Uppsala und den Bibliotheken des Institut de France und des Jardin des Plantes in Paris. Den Bibliotheken in der lombardischen Provinz mangelte es in allen Fällen an der Geschlossenheit, die den braidensischen Bestand zum idealen Spiegel der wissenschaftlichen Persönlichkeit Hallers machte. Dies gilt auch für den Bestand in Pavia, dem bemerkenswertesten nach dem der Braidense, in den zufällig auch seltene Werke und solche mit Anmerkungen des Autors gelangten.

1.12 Die Ankunft der Berner Sammlung bedeutete nicht das Ende der Phase im späten 18. Jh, in der die vielleicht interessantesten Buchbestände aus Privatbesitz verkauft wurden und für die Braidense erworben werden konnten. Hallers Sammlung war jedoch der letzte Kauf von Material mit so ausschließlich medizinisch-naturwissenschaftlichem Bezug. Die inhaltliche Geschlossenheit der Hallerschen Bibliothek machte in dieser Epoche weitere Erwerbungen ähnlicher Art überflüssig. Mit ihr stand in Mailand ein außergewöhnliches Instrument für die Erschließung neuer wissenschaftlicher Strömungen zur Verfügung, und gleichzeitig war sie ein Symbol der Begegnung von Kultur, Reform und Wissenschaft.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Der Gesamtbestand der Sammlung Haller beläuft sich auf 23.123 Titel, von denen 8934 Bücher und 8802 Dissertationen in der Braidense aufbewahrt werden sowie 2260 Bücher und 3127 Dissertationen verteilt außerhalb der Braidense. Der Umfang des Bestandes und das Fehlen von statistischen Untersuchungen jedoch machen exakte Zahlenangaben zur chronologischen und sprachlichen Zusammensetzung der Sammlung unmöglich.

2.2 Die Sammlung ist chronologisch homogen, mit Ausnahme von 13 Inkunabeln, und dokumentiert die medizinisch-chirurgische Wissenschaft mit Drucken des 16. bis 18. Jhs. Die Sammlung eröffnen Ausgaben von Werken Hippokrates' und Galens aus dem 16. Jh sowie arabische Kommentare, es folgen Dokumente der ersten eigenständigen Schritte der abendländischen medizinischen Wissenschaft, die großen anatomischen Atlanten und die verbreiteteren Handbücher des 17. Jhs bis zur Zeit Hallers sowie Zeugnisse der oft parallelen Entwicklungen in Zoologie und Botanik. Der Bestand bietet eine umfassende Übersicht medizinischer Literatur des 16. und 17. Jhs sowie der großen erkenntnistheoretischen Debatten Hallers und seiner Zeitgenossen.

2.3 Umfangreich ist medizinische Literatur vertreten, die in deutscher Sprache veröffentlicht oder ins Deutsche übersetzt wurde sowie deutschsprachige Werke zu Entstehung und Formen der philosophischen Dichtung. Im Hinblick auf das wissenschaftliche deutschsprachige Schrifttum stammt der geschlossenste Komplex aus dem 18. Jh, doch auch aus den vorangegangenen Jahrhunderten liegt entsprechendes Material vor. Aufgrund der medizinisch-biologischen Ausrichtung der Sammlung sind Titel in modernen Sprachen (insbesondere in Deutsch) gegenüber solchen in Latein wenigstens bis zur Mitte des 18. Jhs jedoch geringer vertreten. Dies vorausgesetzt, ist die einschlägige Buchproduktion des deutschen Sprachgebietes vollständig gesammelt, dank der Verbindungen Hallers zu seinen Schülern, Freunden und Mitarbeitern, die in den mitteleuropäischen Wissenschaftszentren wirkten.

2.4 Einen unerwarteten Bestand stellt ein Komplex von Werken in schwedischer Sprache dar. Sie stammen aus dem 18. Jh und stehen offenbar in Verbindung mit Hallers Rezensententätigkeit und seinen Beziehungen zu skandinavischen Schülern. Haller schenkte insbesondere den lebendigeren Stimmen des schwedischen Wissenschaftslebens Aufmerksamkeit, aber auch literarischen, politischen und verwaltungswissenschaftlichen Debatten. Darüber hinaus finden sich hier einige Texte die Wirtschaft, Statistik, Handel und Nautik betreffen. Miszellaneenbände umfassen überdies Akten, Berichte und Beschlüsse verschiedener Geschäftsbereiche des Reichstags in Stockholm.

Systematische Übersicht

2.5 Die Bücher Hallers sind zu einem guten Teil Einzelexemplare, weil sie Instrumente seiner täglichen Arbeit waren, die er häufig benutzte und mit Anmerkungen versah. Vor allem die eigenen Schriften korrigierte er im Hinblick auf neue Ausgaben, versah kritische Texte und Literatur mit Anmerkungen und sammelte ferner die eigenen Druckfahnen mit unendlich vielen Notizen und Korrekturen. Weit entfernt von der hybriden Natur zahlreicher deutscher Privatsammlungen der Epoche dokumentiert die Sammlung die enge, auch räumliche Nähe des Besitzers zu Büchern, Werkzeugen und Spezimina.

2.6 Vor dem Hintergrund des Universalismus der Interessen im 18. Jh dokumentiert der Nachlaß Hallers eine methodologische und epistemologische Auswahl, ähnlich den Standpunkten der englischen Empiristen und bescheinigt darüber hinaus umfassende gelehrte Aktivitäten, intensive Teilnahme am öffentlichen Leben sowie literarische Sensibilität. Als leidenschaftlicher Bibliophiler ließ sich Haller keine Rarität und keine schwer auffindbaren Ausgaben entgehen. Das Spektrum ist umso vollständiger, als er selbst in alle großen wissenschaftlichen Debatten der Zeit involviert war. Seine Beziehungen in das gesamte europäische Ausland ermöglichten es ihm, sich die für ihn interessante Buchproduktion seiner Zeit vollständig zu sichern. Der Bestand dokumentiert somit die Entwicklungen der mikroskopischen Anatomie und der klinischen Medizin, die Krise und die Reform der klassischen Iatrophysik, die spekulative Embryologie sowie zeitgenössische Theorien aus den Bereichen der Zoologie, Botanik und sogar der Chemie und Mineralogie. Auch die älteren Klassiker der betreffenden Disziplinen finden Berücksichtigung, sowohl in Form von medizinischen und chirurgischen Werken der Antike als auch in deren Kommentaren aus dem 16. Jh. Die ersten eigenen Schritte in der abendländischen Medizin dokumentieren die Werke des 16. Jhs. Besonders reichhaltig ist der Bestand des 17. und des 18. Jhs mit wertvollen Ausgaben und Broschüren, die anderswo nicht zu finden sind.

2.7 Da Haller an praktisch allen wichtigen Zeitschriften der Zeit mitarbeitete, bietet die Bibliothek auch über dieses Genre einen außergewöhnlichen Überblick, sowohl im Bereich der für das breite, gebildete Publikum bestimmten Publikationen, als auch bei den Fachzeitschriften im engeren Sinne. Das Spektrum reicht von medizinischen oder allgemeinen naturwissenschaftlichen Zeitschriften über Periodika politisch-ökonomischen Inhalts bis zu allgemein literarischen und gelehrten Zeitschriften. Es finden sich sowohl einzelne Nummern als auch gebundene vollständige Jahrgänge. Vollständig ist außerdem die Sammlung von Akten und Jahrbüchern der zahlreichen Akademien, deren Mitglied Haller war.

2.8 Haller sammelte auch Werke der historischen Wissenschaften, Poesie, Romane, Reiseliteratur und sogar theologische Literatur und Schriften zur Žsthetik. Wie seine wissenschaftliche Tätigkeit war auch die Revisionsarbeit, der er seine eigene Dichtkunst unterzog, umfassend. Die Poesie schien ihm besonders geeignet, um philosophischen Themen in deutscher Sprache Ausdruck zu verleihen. Bescheiden ist hingegen die eigentliche philosophische Abteilung der Bibliothek, die mit Ausnahme einer beachtlichen Sammlung der Werke von Christian Wolff fragmentarisch und unorganisch ist. Zu erwähnen ist schließlich der Teil der Sammlung, der in Verbindung steht mit dem gesellschaftlichen Engagement und der administrativen Arbeit Hallers. Hier finden sich Akten des Berner Sanitätsrates, dessen ständiges Mitglied Haller war, aber auch Gesetzessammlungen und Verordnungen von Souveränen in ganz Europa.

2.9 Mehr als 13.000 akademische Dissertationen des 17. und 18. Jhs liegen in großen Sammelbänden vor. Die Arbeiten vor allem medizinischen Inhalts sammelte Haller auch noch nach Beendigung seiner aktiven universitären Laufbahn. Neben den Dissertationen finden sich Dokumente zu Disputen und Kontroversen an den Universitäten, zur Verteidigung deren traditioneller Privilegien und Polemik gegen die Körperschaft der Professoren. Außer der Universität Göttingen, wo Haller unterrichtete, sind vor allem die Universitäten von Tübingen, Leiden, Paris, Montpellier, Wien, Edinburgh, Prag, Uppsala und Stockholm vertreten. Da aktuelle wissenschaftliche Fragen häufig in Form der disputatio bearbeitet wurden, tragen deren Seiten oft Randbemerkungen und Notizen von Haller.

Handschriften

2.10 Die Sammlung der Manuskripte, die in der Braidense geblieben sind, belegt den engen Zusammenhang zwischen den bibliophilen und wissenschaftlichen Interessen Hallers. Den Kern bilden Universitätsskripten, unter denen die der Kurse Boerhaaves besonders wichtig sind, Memoranden und Briefe über die bedeutenden Entdeckungen der Hallerschen Physiologie, sowie unveröffentlichte Arbeiten, die Hallers Interesse weckten. Daneben finden sich ein Traktat aus dem 15. Jh, unveröffentlichte Werke des 16. Jhs und die Autographen von Fabricius Hildanus. Eine besondere Unterabteilung der Sammlung besteht aus kurzen unveröffentlichten Essays, Briefen und Doktorarbeiten, die Haller zu Sammelbänden zusammenfügte und so der Aufmerksamkeit der Bibliothekare und Leser entzog. Es handelt sich meist um Schriften, die dem Zeitraum zwischen 1750 und 1770 zugeordnet werden können und laufende wissenschaftliche Forschungen und die politisch-administrative Arbeit Hallers betrafen.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Monti, Maria Teresa: Catalogo del fondo Haller della Biblioteca Nazionale Braidense di Milano [Katalog der Sammlung Haller der Nationalbibliothek Braidense in Mailand]. 14 Bde. Milano 1983-1994

[Einträge berücksichtigen Kurztitel, typographische Besonderheiten, Format, Seitenzahl, Signatur und Exlibris; Teil 1 katalogisiert Bücher in der Braidense, Teil 2 verzeichnet Dissertationen, Teil 3 Material, das außerhalb der Braidense aufbewahrt wird; Bd 14 ist ein Indexband]

3.2 Historische Kataloge

Systematischer Katalog der Braidense

[in Bandform; 18. bis 19. Jh; verzeichnet auch die Bücher Hallers ohne Provenienzvermerke; einziges zuverlässiges Instrument zur Orientierung im Altbestand der Bibliothek]

Catalogus Bibliothecae inceptus d. 27 sept. finitus m. aug. 1758

[zusammengestellt von Haller selbst; ergänzt durch Neuzugänge; insgesamt 7256 Titel, einschließlich 200 Hss.; konzipiert als Zugangsbuch nach Themen]

Catalogus disputationum

[größtenteils zusammengestellt von Haller; nach Fächern geordnet]

Catalogus variarum disputationum

[Index der disserentes aus dem vorangehenden Catalogus disputationum]

Catalogus Librorum manuscriptorum qui in Bibliotheca Halleriana adservantur

[erstellt von Carlo Carlini; heute im Archivio di Stato (Staatsarchiv) in Mailand]

Bibliothecae Braidensis Catalogus secundum rerum Classes

[20 Bde; Ende des 18. Jhs; ungenau, mit häufigen Korrekturen und Ergänzungen; verzeichnet den wissenschaftlichen Bestand der Braidense einschließlich der Bücher Hallers vor Abgabe der Dubletten]

4. QUELLEN UND DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Korrespondenz

[im Archivio di Stato (Staatsarchiv) in Mailand; Signaturen ASM, Studi, P. A. 21 fasc. I, IV; P. A. 22 fasc. VI; P. A. 23 fasc. I; P. A. 24 fasc. I-II; P. A. 26 fasc. I-III; P. A. 27 fasc. II-III, VIII-X, XIV; P. A. 28 fasc. I, V; P. A. 440 fasc. a-b]

Korrespondenz von Carlo Carlini

[im Archivio dell'Osservatorio di Brera (Archiv des Observatoriums von Brera) unter den Briefen seines Sohnes Francesco; abgedruckt in: A. Mandrino, G. Tagliaferri und P. Tucci: 1726-1799 Catalogo della corrispondenza degli astronomi di Brera (Katalog der Korrespondenz der Astronomen von Brera). Bd 1. Milano 1986]

Dokumente zum Schriftentausch

[in der Biblioteca Universitaria di Pavia (Universitätsbibliothek Pavia); Ticini 797; Ticini 797/1; Ticini 797/1/1]

4.2 Darstellungen

Gerster, K.: Der große Haller und seine Ex-libris. In: Schweizerische Blätter für Ex-libris Sammler 1 (1902) S. 21-22, 25-27

Vetter, Ferdinand: Bericht über den handschriftlichen Nachlaß Albrecht von Hallers in Italien. Stein 1922

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Äberhardt, Werner Ernst: Der große Haller und seine Ex-libris. In: Berner Tageblatt, 18. Okt. 1959, no. 286

Pecorella Vergnano, Letizia: Il fondo halleriano della Biblioteca Nazionale Braidense di Milano. Vicende storiche e catalogo dei manoscritti [Die Hallersche Sammlung in der Braidensischen Nationalbibliothek Mailand. Historische Begebenheiten und Handschriftenkatalog]. Milano 1965

Odorici, Federico: Memorie e documenti riguardanti l'acquisto e il trasporto della biblioteca di Alberto Haller alla Braidense di Milano raccolti per il Centenario dell'uomo illustre che verrà solennemente celebrato in Berna sua città natale il 12 dicembre 1877 [Erinnerungen und Dokumente zum Kauf und zum Transport der Bibliothek Albrecht von Hallers in die Braidense in Mailand anläßlich des 100. Todestages des berühmten Mannes, festlich begangen in seiner Geburtsstadt Bern am 12. Dezember 1877]. In: Letizia Pecorella Vergnano: Il fondo halleriano della Biblioteca Nazionale Braidense. Vicende storiche e catalogo dei manoscritti. Milano 1965, S. 29-36

Belloni, Luigi: Haller und seine Bibliothek. Aus: Georgia Augusta 29 (November 1978) [Sonderdruck]

Monti, Maria Teresa: I libri di Haller e la nascità delle biblioteche pubbliche nella Lombardia asburgica [Hallers Bücher und das Entstehen der öffentlichen Bibliotheken in der habsburgischen Lombardei]. In: Società e Storia [Gesellschaft und Geschichte] 46 (1986) S. 995-1030

Monti, Maria Teresa: Il fondo Haller [Die Sammlung Haller]. In: La Braidense. La cultura del libro e delle biblioteche nella società dell'immagine [Die Braidense. Buch- und Bibliothekskultur in der Bildungsgesellschaft]. Firenze 1991, S. 76-79, 276-279

Stand: März 1998

Maria Teresa Monti