FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Mimon [Niemes]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Familie von Hartig aus Schlesien kam in der zweiten Hälfte des 17. Jhs nach Böhmen und wurde 1719 in den böhmischen Grafenstand erhoben. Das Schloß Niemes erwarben sie 1707. Ursprünglich war die Bibliothek im Schloß Horní Berkovice [Oberberkowitz] untergebracht, wo sie Adam Franz von Hartig gegründet hatte. Um die Erweiterung des Bestandes bemühten sich später vor allem Adam Ludwig von Hartig (1710-1738), seine Gemahlin Theresia, geb. Gräfin Kager von Globen (1716-1759), und Franz de Paula Anton (1758-1797), Diplomat und Politiker, Gesandter am sächsischen Hof, Freimaurer und Vorsitzender der Königlichen böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, dessen Vorliebe der französischen Kultur galt.

1.2 Durch den Verkauf von Büchern auf einer Auktion wurde der Bestand 1934 vermindert. Die Sammlung gedruckter Judaica und Hebraica aus dem 16. bis 19. Jh wurde 1950 dem damaligen Staatlichen Jüdischen Museum [Statní zidovské muzeum] in Prag übergeben (s. Eintrag dort). Neben Büchern, die Besitzeinträge und Exlibris der Grafen von Hartig aufweisen, gibt es viele Bände aus der Bibliothek des Sammlers und Genealogen Gottfried Daniel Freiherr von Wunschwitz (1678-1741), dessen Bibliothek größtenteils im 18. Jh zerstreut wurde. Einige Bücher tragen das Supralibros der Grafen Wolkenstein von Trostburg. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag, in dessen Besitz sie sich heute befindet.

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 17.809 Bde, darunter 375 Hss., 10 Drucke des 16. Jhs, ca. 80 Bde des 17. Jhs, ca. 9500 Bde aus dem 18. Jh und ca. 7500 Bde aus dem 19. Jh. Deutschsprachige Werke sind in der Bibliothek zu 50 Prozent vertreten, französische ebenfalls zu annähernd 50 Prozent.

2.2 Die ältesten Titel, hauptsächlich aus dem 17. Jh, sind in Deutschland gedruckte juristische Werke in lateinischer Sprache. In Latein liegen auch zahlreiche Werke antiker Autoren vor, die in der ersten Hälfte des 18. Jhs in Berlin, Braunschweig und Leipzig veröffentlicht wurden. Aus Berliner, Wiener, aber auch einigen schlesischen Druckereien stammen französische Werke des 18. Jhs.

Systematische Übersicht

2.3 Der umfangreiche Bestand an medizinischer und pharmazeutischer Literatur enthält eine Reihe von Titeln zur Veterinärmedizin, vor allem über Pferde. Allgemeine hippologische Literatur ist ebenfalls vertreten.

2.4 Vorhanden sind auch philosophische Werke, u. a. der deutschen klassischen Philosophen, sowie politische und diplomatische Beurteilungen der europäischen Situation in der Übergangszeit vom 18. zum 19. Jh. Bei der Geschichtsschreibung einzelner europäischer Staaten wurde Preußen besondere Aufmerksamkeit gewidmet, was auch im Bestand aus dem 19. Jh noch zu erkennen ist.

2.5 Eine verhältnismäßig große Sammlung bilden Theatralia, die hauptsächlich in Dresden, Leipzig und München veröffentlicht wurden. Kleinere Bestände betreffen die Numismatik und den Gartenbau.

2.6 Vom Ende des 18. Jhs stammen Publikationen zur Wirtschaft und zur Landwirtschaft, die oft speziell Böhmen betreffen. Weitere deutsche Bohemica beschreiben Mineralquellen in Böhmen. Auch Gesetze und Verordnungen, gültig für Böhmen, Mähren, Schlesien oder alle österreichischen Länder, sind zahlreich vorhanden.

2.7 Für die Zeit des Übergangs zum 19. Jh steigt die Zahl literarischer und genealogischer Almanache (z. B. Gothaisches genealogisches Taschenbuch, Musenalmanach), der Schematismen zu österreichischen Ländern und der Zeitschriften aller Art, vor allem der wissenschaftlichen (medizinischen, physikalischen, ökonomischen). Auch Vereinszeitschriften und die Tagespresse sind gut vertreten. Hier finden sich beispielsweise die Wiener Landwirtschaftliche Zeitung, die Neue Freie Presse und die Kaiserlich-Koenigliche privilegierte Prager Zeitung.

2.8 Angehörige der Familie von Hartig sind mit eigenen Werken vertreten, vor allem Franz de Paula Anton. Freimaurerische Literatur ist trotz seiner Logenzugehörigkeit kaum vorhanden.

2.9 Der Bestand aus dem 19. und dem frühen 20. Jh umfaßt zu ca. 50 Prozent deutsche Schriften. Den Rest bilden italienische und eine geringere Zahl französischer und tschechischer Werke. In deutscher Sprache überwiegen landwirtschaftliche Publikationen, Statistiken und Beschreibungen von Besitzungen in Böhmen. Ein umfangreicher Bestand liegt zu Sozialpolitik, Sozialdemokratie und sozialen Fragen vor. Im 19. Jh steigt das Interesse an der Belletristik, hauptsächlich an deutscher klassischer Literatur (u. a. Schiller, Wieland), an Reisebeschreibungen und an exotischer Literatur. Einen kleineren Bestand bilden Auktionskataloge.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Gesamtkatalog der Schloßbibliotheken unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag

[verzeichnet einen Teil der Alten Drucke bis zur Signatur 1700; erstellt 1977-1978]

Standortkatalog [erstellt 1975-1976]

3.2 Historische Kataloge

Kurzgefasster Katalog der Bibliothek Sr. Exzellenz des Hochgeborenen Herrn Franz Grafen von Hartig. Abteilung unterhalb der Gallerie sowohl als auch auf derselben [Signatur R 129]

Catalogue raisonné des tableaux, qui trouvent dans le musée de Mme les Comtes d'Hartig. Prag

[vom Ende des 18. Jhs; Signatur R 130]

Verzeichnis der nach Niemes gesandten Bücher

[2 Bde; Signatur R 6]

Kataloge der Niemes-Bibliothek

[ohne Titel; 8 Bde; Signatur R 67]

Bücherverzeichnis der kleinen Bibliothek Niemes. 1889 [Signatur R 70]

Katalog Niemes [aus dem 19. Jh; Broschüren sind rückläufig nach Nummern verzeichnet; Signatur 71]

Katalog Niemes. Schrank I-IV

[aus dem 19. Jh; Signatur 72]

Katalog Niemes [aus dem 19. Jh; 48 Bde; Signatur 73]

Katalog Niemes. Schöne Literatur und Kunst

[aus dem 19. Jh; Signatur 115]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Schloßbibliothek ==== in Niemes. In: Mitteilungen des Nordböhmischen Excursionsclubs 6 (1883) S. 267-269

Zíbrt, Cenek: Bibliografie ceské historie [Bibliographie der böhmischen Geschichte]. Bd 1. Praha 1900, S. 187, Nr. 3316

Lifka, Bohumír: Zámecké a palácové knihovny v Cechách. Prehled historicko-topografický [Schloß- und Palaisbibliotheken in Böhmen. Eine historisch-topographische Übersicht]. In: Ceský bibliofil [Der tschechische Bibliophile] 6 (1934) S. 45, 53

Stand: Juli 1996

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.