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Knihovna kláštera minorit

Bibliothek des Minoritenklosters


Adresse. Minoritská 1, 602 00 Brno
Telefon. (05) 42 21 48 63

Unterhaltsträger. Konvent minorit v Brne [Minoritenkonvent in Brno]
Funktion. Klosterbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzstudium der Handschriften und Inkunabeln in der Abteilung für Handschriften und Alte Drucke der Mährischen Landesbibliothek/Universitätsbibliothek in Brünn (s. Eintrag dort).
Gedruckte Informationen. Vladislav Dokoupil: Knihovna kláštera minorit v Brne. Prvodce pro exkurze [Die Bibliothek des Minoritenklosters in Brünn. Führer für Exkursionen]. Brno 1961.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche Anmeldung im Kloster erforderlich.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Entstehungsgeschichte des Klosters und der Bibliothek liegt weitgehend im Dunkeln, da fast alle Dokumente durch Brände oder bei der Verwüstung des Klosters durch Protestanten im Jahre 1619 verlorengegangen sind. Nach der Überlieferung soll das Kloster um 1231 gestiftet worden sein. 1239 werden ein Frater Hermannus und weitere fratres minores in Brünn urkundlich erwähnt. Die wichtigsten Wohltäter des Konvents waren die Herren von Boskovic, deren Grabstätte sich in der Kirche des Klosters befand. 1257 wurde der Lektor Bartholomäus von Papst Alexander IV. zum Inquisitor für die böhmischen und polnischen Grenzländer ernannt, woraus auf ein schon damals im Konvent bestehendes Hausstudium geschlossen werden kann. Gleichzeitig (um 1262) scheint eine Schule dem Kloster angegliedert gewesen zu sein.

1.2 Im 15. Jh erlebte die Klosterschule durch den Brünner Propst und späteren Bischof zu Olmütz, Prothas von Boskovic (

†1482), eine Blütezeit, nachdem er sie zusammen mit dem Guardian Johann Hufnagel (

†1452) wiederaufgebaut hatte. Neben gelehrten Ordensmännern wurden auch einige Lehrer aus Italien berufen. Bald danach wurden die ersten Inkunabeln für die Bibliothek erworben. Gemäß den Besitzeinträgen wurden sie unter den Guardianen Sigismund (1486), Ambrosius Kunen (1488-1500), Stephan von Brünn (Provinzial 1513-1516) und Martin (1519) beschafft.

1.3 Die Reformation führte zum Niedergang des Klosters. Im Jahre 1619 wurde es von den Einwohnern Brünns zweimal verwüstet. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden Kloster und Bibliothek erneuert. Der Buchbestand scheint katalogisiert worden zu sein; zugleich wurde ein Supralibros mit der Jahreszahl 1662 angebracht. Die Minoriten erhielten in den folgenden Jahren die meisten Bücher durch Schenkungen oder Nachlässe. Die wertvollsten stammen von dem Brünner Stadtpfarrer Matthäus Ignaz Scholz (

†1710) mit mehr als 50 Büchern theologischen Inhalts (überwiegend homiletische Literatur) und von dem Priester Peter Paul Gabriel Záblatský von Tuleschic (1668-1704) mit etwa 60 theologischen Büchern.

1.4 Zu Beginn des 18. Jhs wurde ein Neubau für Kirche und Kloster errichtet. 1722 entstand über der Sakristei ein quadratischer Bibliothekssaal für etwa 5000 Bde. Von der originalen barocken Ausstattung sind besonders die 22 Putten des Holzschnitzers Schweigel zu erwähnen, die oberhalb der Bücherschränke verschiedene Berufe, Tugenden und Eigenschaften darstellen.

1.5 Im 18. Jh erfolgte die Bestandserweiterung nicht zuletzt durch Geschenke von adligen Stiftern, besonders von Michael Freiherr von Wertema, der Familie von Freyenfels, Josef Maria Freiherr von Leiden und der Familie Tengelott von Vältelin. Weiterhin besaß die Bibliothek einen regelmäßigen Erwerbungsetat aus einer für diesen Zweck eingerichteten Stiftung Pro conservatione bibliothecae der Josefa Antonia Anna Gräfin von Hoyos, geb. von Kolowrat, vom 1. April 1738. Aus einer Stiftungssumme von 3000 Gulden standen der Bibliothek die jährlichen Zinsen von 180 Gulden (später 120 fl., seit 1830 128 fl.) zur Verfügung. Der Bestand erfuhr auch durch die umfangreiche Büchersammlung des Guardians Lazar Schopper (1698-1765) mit mehr als 300 Bdn einen bedeutenden Zuwachs.

1.6 Die für die Bibliothek wichtigste Persönlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jhs war P. Bonaventura Zdura (*1791). Von 1823 bis 1832 bekleidete er das Amt des Guardians; danach wurde er zum Ordensprovinzial erhoben. Er sorgte 1838 für die Katalogisierung der Bibliothek (s. u. 3.3). Zdura war u. a. ein Förderer der tschechischen Nationalbewegung. So wurden im Kloster auch die Versammlungen des 1848 gegründeten katholischen Zentralvereines für Mähren abgehalten. Der Verein unterhielt die sogenannte Häredität der Hl. Kyrill und Method zur Verbreitung katholischer Bücher in tschechischer Sprache.

1.7 In der zweiten Hälfte des 19. Jhs verlor die alte Bibliothek an Bedeutung für das Kloster. Außerhalb des mit mehr als 8000 Bdn (um 1850) gefüllten Bibliothekssaals schufen sich die Minoriten für ihre praktischen Bedürfnisse eine Handbibliothek mit zeitgenössischen Werken. Nach der Aufhebung der Klöster in der Tschechoslowakei im Jahre 1950 wurde die Klosterbibliothek der Brünner Universitätsbibliothek übergeben. Diese ließ die Ausstattung der Bibliothek restaurieren. Zu Beginn des Jahres 1998 wurde die Bibliothek an den Orden zurückgegeben; die Handschriften und Inkunabeln blieben in der Universitätsbibliothek deponiert.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der Bestand umfaßt etwa 10.000 Bde. Davon entfallen 56 auf das 15. Jh, 245 auf das 16. Jh, ca. 1900 auf das 17. Jh, 5700 auf das 18. Jh und 2000 auf das 19. Jh. Die Bibliothek besitzt nahezu ausschließlich Titel in lateinischer (ca. 70 Prozent) oder deutscher Sprache (ca. 28 Prozent). Daneben sind 152 tschechische Titel sowie einige wenige französische und italienische vorhanden. 1.2

2.2 Die 56 Inkunabeln (in 45 Bdn) liegen fast ausschließlich in lateinischer Sprache vor (53 Titel); 3 Titel sind in tschechischer Sprache. Fast 80 Prozent der Inkunabeln stammen aus dem deutschsprachigen Raum, und zwar aus Augsburg (3), Basel (8), Köln (3), Lübeck (eine), Nürnberg (13), Speyer (3), Straßburg (12) und Vimperk [Winterberg] (eine). Die ältesten Inkunabeln sind Gregorius Magnus, Moralia (Basel um 1469/70) und Paulus Orosius, Historiarum libri VII ... (Augsburg 1471).

2.3 Im 16. Jh steigt der Anteil der deutschsprachigen Titel an; von den 245 Titeln sind 60 in deutscher Sprache (24,5 Prozent). Diese verteilen sich auf die Gebiete Recht (20 Titel), Theologie (17), Wörterbücher (5), Geschichte und Medizin (je 4), Geographie und Hexerei (je 3), Politik (2) und Kriegswesen (ein Titel); außerdem ist ein Kochbuch vorhanden. Die deutschen Drucke stammen aus Ingolstadt (15), Frankfurt a. M. und Leipzig (je 6), Augsburg (5), Köln (4); Mainz, München und Straßburg (je 3); Dillingen, Neustadt a. d. Haardt, Wien und Znojmo-Louka [Bruck a. d. Thaya] (je 2); Basel, Bautzen, Nürnberg, Wittenberg und Worms (je einer). Lateinische Drucke stammen aus Düsseldorf, Frankfurt/Oder, Helmstedt, Lübeck, Magdeburg und Tübingen.

2.4 Unter den Drucken des 17. und 18. Jhs (ca. 7600 Bde) überwiegt zwar die Theologie, doch ist der Anteil an profaner Literatur relativ hoch. Dies ist auf die Schenkungen adliger Wohltäter des Klosters zurückzuführen, deren Interessen sich in der Zusammensetzung der profanen Literatur widerspiegeln. Neben juristischen Schriften sind Geschichte, Politik, Geographie, landwirtschaftliche und ökonomische Nachschlagewerke, Naturwissenschaften und Mathematik vertreten. Verhältnismäßig zahlreich sind medizinische und pharmazeutische Bücher (mehr als 100 Bde). Dies erklärt sich daraus, daß es beim Kloster früher eine Apotheke gab.

2.5 Der Bibliothekssaal ist fast ganz der Theologie gewidmet. Die Bücher sind systematisch aufgestellt und gliedern sich in die Gruppen (I) Kirchengeschichte einschließlich Konzilsgeschichte und Bullensammlung (400 Bde); (II) Katechese (250); (III) Exegetische Theologie und Bibelwissenschaft (350); (IV) Systematische und Dogmatische Theologie (350); (V) Bibelausgaben (100); (VI) Schriften der Kirchenväter (200); (VII) Pastoraltheologie (350); (VIII) Homiletik (900); (IX) Aszetik und Schriften erbaulichen Charakters (750); (X) Hagiographie einschließlich der Acta Sanctorum der Bollandisten (350 Bde); (XI) Polemische Literatur (320); (XII) Zivilrecht (350) und (XIII) Kirchenrecht (350).

2.6 Obwohl die Belletristik im 18. Jh ausgesondert wurde, blieb der Bibliothek einiges an deutscher Barockliteratur erhalten. Zu nennen sind etwa eine Gesamtausgabe von Grimmelshausen (Nürnberg 1684-1685), Schriften von Matthias Abele und Aegidius Albertinus, ferner Johann Christoph Beers Neu-eröffnete Trauer-Bühne (Nürnberg und Altdorf 1708), Samuel von Butschkys Pathmos (Leipzig 1676), Baldassare Castigliones Galante Nacht-Gespräche (Dresden 1685) oder Der in allen Wissenschaften erfahrene Pickelhering, erschienen unter dem Pseudonym Halecius Eyerplatz (o. O. 1720). Weiterhin sind vorhanden die Werke von Erasmus Francisci, Johann Gottfried Gregorii, Antonio de Guevara, Johann Heinrich Hagelgans' Arminii glorwürdige Thaten (Nürnberg 1640), Eberhard Werner Happels Der Europaeische Toroan (Hamburg 1676) und Der Italiänische Spinelli (Ulm 1685), Georg Philipp Harsdörffers Der Teutsche Secretarius (Nürnberg 1656), Johann Paulis Schimpf und Ernst (Hall 1721), Madelène de Scudérys Almahide (Nürnberg 1685) und Christian Weises Politischer Redner (Leipzig 1691). Von den Drucken des 19. Jhs sind die Monumenta Germaniae historica (1826-1894) zu nennen.

3. KATALOGE

3.1 Moderner allgemeiner Katalog

Alphabetischer Katalog

[in Zettelform; nach PI]

3.2 Moderne Sonderkataloge

Dokoupil, Vladislav: Soupisy prvotisk, spravovaných Universitní knihovnou v Brne. 1. Klášterní knihovna brnenských minorit [Verzeichnisse der von der Universitätsbibliothek in Brünn verwalteten Inkunabeln. 1. Klosterbibliothek der Brünner Minoriten]. Brno 1953 [vervielfältigt]

Dokoupil, Vladislav: Tisky 16. století z knihovny minorit v Brne [Die Drucke des 16. Jhs der Minoritenbibliothek in Brünn]. Brno 1960. [vervielfältigt; Ergänzungen (8 Titel) in Bdn 9 und 10 der Reihe]

Die Inkunabeln (56), Postinkunabeln 1501-1520 (12), Alten Drucke aus der Slowakei (26), Brünner Alten Drucke, Alten Musikdrucke und Comeniana (5) sind in den entsprechenden Gesamtkatalogen der Mährischen Landesbibliothek verzeichnet (s. Eintrag dort, 3.2).

3.3 Historische Kataloge

Catalogus Alphabeticus et Collocationis Bibliothecae Conventus Ad S. S. Joannes Baptistam et Evangelistam Ord. Min. S. P. Francisci Conventualium sub Auspiciis A. R. P. Bonaventurae Zdura h. t. per Bohem. Morav. et Silesiam Ministri Provincialis per R. P. Philippum Mohapel h. t. Bibliothecarium conscriptus Brunae Pridie Nonas Januarias 1838

[hschr.; Alphabetischer Bandkatalog; mit den Abschnitten Nomina Auctorum et operum inscriptio - Editionis locus, annus, impressor - Forma, summa voluminum - Locus repositionis, scrinium, series - Adnotationes]

Catalogus

[hschr. Standortkatalog; in Bandform; aus der Zeit vor 1838; in der Sammlung der Minoritenhandschriften Nr. 61]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Buch der Einnahmen und Ausgaben der Bibliothek 1738-1784 (1812) [Klosterarchiv im Mährischen Landesarchiv in Brünn, Signatur: E 49, Fasz. 46]

Notizen über Ausleihen aus der Bibliothek [ebda, Signatur: E 49, Fasz. 45]

4.2 Darstellungen

Elvert, Christian d': Die Bibliothek der Minoriten zu Brünn, Iglau, Troppau und Jägerndorf. In: Schriften der historisch-statistischen Sektion der k.u.k. mähr. schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Heft 3. Brünn 1852, S. 95

Volný, Rehor: Stadtpfarre zum hl. Johann, oder Klosterpfarre der PP. Minoriten sammt deren Konvente. Katholischer Centralverein für Mähren, mährischer Zunge. In: ders.: Kirchliche Topographie von Mähren. 2. Abt. Brünner Diöcese. Bd 1. Brünn 1856, S. 99-110

Horák, František: Klášterní knihovny v ceských zemích [Die Klosterbibliotheken in den böhmischen Ländern]. In: Knihovna. Vedecko-teoretický sborník [Die Bibliothek. Wissenschaftlich-theoretischer Sammelband] 6 (1966) S. 219-268 [zur Brünner Minoritenbibliothek S. 243 und Abb. 13]

Baur-Heinhold, Margarete: Schöne alte Bibliotheken. München 1972, S. 283 und Abb. 341-345

Dokoupil, Vladislav: Knihovna kláštera minorit v Brne [Die Bibliothek des Minoritenklosters in Brünn]. In: ders.: Dejiny moravských klášterních knihoven ve správe Universitní knihovny v Brne [Die Geschichte der mährischen Klosterbibliotheken unter der Verwaltung der Universitätsbibliothek in Brünn]. Brno 1972, S. 160-186

Masson, André: Le décor des bibliothèques du Moyen Age à la Révolution. Genève 1972, S. 176

[S. a. die Vorworte zu den Sonderkatalogen in 3.2]

Stand: Juni 1992

Jaroslav Vobr

Ergänzt: April 1998


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.