FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Mladá Vozice [Jungwoschitz]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das Schloß wurde im Jahre 1678 von Graf Franz Ferdinand von Küenburg (1651-1731) erworben, dem späteren Prager Erzbischof. Er baute einen älteren geerbten Buchbestand zu einer barocken wissenschaftlichen Universalbibliothek aus. Bei seinen diplomatischen Tätigkeiten in Südeuropa erwarb er italienische und französische Literatur. Teilweise wurde die Bibliothek durch die Sammlung seines Verwandten, des Salzburger Erzbischofs Maximilian Gandolph von Küenburg (1622-1687), ergänzt. Seine Güter verwandelte Graf Franz Ferdinand 1683 in ein Fideikommiß, das sein Bruder Johann Joseph (1652-1726) erbte. Dessen Gemahlin Josephine (1663-1741), Tochter des Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach (1637-1706), der österreichischer Gesandter in Spanien war, erweiterte den Bibliotheksbestand durch handschriftliche und gedruckte Hispanica, darunter als Unikat das Drama Calderons El Gran Duque de Gandía.

1.2 Josephines Enkel Graf Franz Joseph Küenburg (1714-1793) erweiterte die Bibliothek durch zahlreiche Ankäufe sowie durch einen Teil der Sammlung aus dem 1763 erworbenen Schloß Tovacov [Tobitschau] (s. Eintrag dort). Darüber hinaus ließ er die Bestände mit seinem Exlibris ausstatten. In derselben Zeit trug zudem seine Mutter Gräfin Marie Barbara von Waldstein († um 1725) zur Bestandsvermehrung bei sowie seine Gemahlin Gräfin Maria Theresia (1718-1789), die eine Erbschaft ihres Vaters Leopold Anton Graf Firmiani (1679-1744) in die Sammlung einbrachte. Der Sohn Franz Josephs von Küenburg, Leopold Joseph Maria (1739-1812), erweiterte die Bibliothek hauptsächlich um zeitgenössische Literatur über die Französische Revolution. In der ersten Hälfte des 19. Jhs wurde die Bibliothek von Karl Joseph von Küenburg (1767-1832) mit deutscher Belletristik ergänzt. Für eine weitere Vermehrung der Bestände sorgten die späteren Besitzer des Schlosses, die Grafen Karl (1815-1884), Vinzenz Maria (1845-1915) und Georg von Küenburg (1912). Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag, in dessen Besitz sie sich heute befindet.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Gesamtzahl von 6012 Bdn umfaßt 92 Hss., 16 Inkunabeln, 78 Drucke des 16. Jhs, ca. 1000 Bde des 17. Jhs, mehr als 4000 Bde des 18. Jhs und ca. 800 Bde des 19. Jhs. Im alten Teil des Bestandes sind etwa 35 Prozent deutsche Werke, unter den Drucken des 19. Jhs etwa 90 Prozent.

2.2 Ein großer Teil des Bestandes umfaßt historische Literatur, insbesondere Biographien sowie Werke zu Genealogie und Heraldik. Im Zusammenhang damit finden sich auch Werke zur historischen Topographie. Einen zweiten großen Bereich bildet die theologische Literatur, vor allem über Klöster, das Zölibat und das Mönchswesen sowie zur kirchlichen Hierarchie und zum Papsttum. Vorhanden sind u. a. Der Celibat der Geistlichkeit (Osnabrück 1783) und Die Intoleranz der Protestanten (Wien 1782).

2.3 Unter den übrigen Beständen befinden sich zahlreiche Werke zu Pferdezucht und Pferdemedizin wie Joseph Christoph Zehentners Kurzer und gründlicher Unterricht von der Pferdezucht (Berlin 1770) und Franz M. F. Bouwinghausen von Wallemerodes Anweisung die Pferde besser und nützlicher als bisher zu beschlagen (Stuttgart 1780). Geographische Werke und Reiseliteratur konzentrieren sich auf die europäischen Länder. Kleinere Gruppen bilden politische und philosophische Schriften, Teile von Bücher- und Bibliothekskatalogen des 18. Jhs sowie Freimaurer-Literatur, so J. M. Babo, Über Freimaurer (o. O. 1784). Rechtswissenschaftliche Werke, kirchliche wie weltliche, stammen vorwiegend aus dem 17. Jh.

2.4 Eine Besonderheit der Bibliothek ist ein umfangreicher Bestand an französischen Drucken des 17. und 18. Jhs. Es handelt sich überwiegend um Romane und historische Biographien, die in Deutschland erschienen sind, vorwiegend in Köln. Im Bestand finden sich weiterhin zahlreiche Werke über Salzburg und in Salzburg erschienene Schriften sowie eine Gruppe von Dissertationen, die großenteils aus Helmstedt stammen. Hinzu kommt eine Sammlung von Theaterliteratur, insbesondere Komödien, sowie deutsche Belletristik der zweiten Hälfte des 19. Jhs. Unter den Drucken des 19. Jhs dominieren deutsche Belletristik und deutsche Übersetzungen insbesondere russischer Belletristik.

Standortkatalog [erstellt 1962]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Dolenský, Antonín: Kuenburská knihovna [Die Küenburger Bibliothek]. Praha 1929

Lifka, Bohumír: Zámecké a palácové knihovny v Cechách. Prehled historicko-topografický [Schloß- und Palaisbibliotheken in Böhmen. Eine historisch-topographische Übersicht]. In: Ceský bibliofil [Der tschechische Bibliophile] 6 (1934) S. 45

Kneidl, Pravoslav: Knihovna Národního musea v Praze [Die Bibliothek des Nationalmuseums in Prag]. Praha 1959, S. 147

Kneidl, Pravoslav: Mladovozická zámecká knihova [Die Jungwoschitzer Schloßbibliothek]. In: Sborník Národního muzea v Praze, rada C [Sammelband des Nationalmuseums in Prag, Reihe C] 6 (1961) Nr. 1-2, S. 107-118

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Bohácek, Miroslav: Rukopisy mladovozické knihovny. Soupis rukopis [Handschriften der Jungwoschitzer Schloßbibliothek ==== . Handschriftenverzeichnis]. In: Sborník Národního muzea v Praze, rada C [Sammelband des Nationalmuseums in Prag, Reihe C] 6 (1961) Nr. 1-2, S. 1-14

Cerný, Václav: Un drama inconnu de Calderón, nouvellement découvert en Bohême. In: Sborník Národního muzea v Praze, rada C [Sammelband des Nationalmuseums in Prag, Reihe C] 6 (1961) Nr. 1-2, S. 75-105

Cerný, Václav: Pedro Calderon de la Barca: El Gran Duque de Gandía. Praha 1963

Johanides, Josef; Kneidl, Pravoslav: Výber tisk z mladovozické knihovny [Eine Auswahl der Drucke aus der Jungwoschitzer Bibliothek]. In: Sborník Národního musea v Praze, rada C [Sammelband des Nationalmuseums in Prag, Reihe C] 6 (1961) Nr. 1-2, S. 119-195

Stand: Dezember 1996

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.