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Náchod [Nachod]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Schloß Nachod wurde im Jahre 1634 von Oktavio I. Piccolomini erworben, dem Herzog von Amalfi (1599-1656) und kaiserlichen General aus einer italienischen Adelsfamilie. Seine Büchersammlung, die vor allem italienische Militaria enthielt, zählte laut historischen Berichten 700 Bde. Oktavios Bibliothek und die Büchersammlung späterer Angehöriger der Familie haben wahrscheinlich in den Jahren 1783 bis 1792 Verluste erlitten, als nach Erlöschen des fürstlichen Hauses der Piccolomini (1783) das Schloß für eine Zeit in den Besitz des Grafen Josef Adalbert Des Fours (1734-1791) und seiner Familie kam. Die Grafen Des Fours veräußerten das Schloß schon bald an Peter Biron, Herzog von Kurland und Sagan (1724-1800); dieser vererbte es an seine Tochter Katharina Friderike Wilhelmine Herzogin von Sagan (1781-1839). Im Jahre 1840 wurde das Schloß an den regierenden Fürsten Georg Wilhelm von Schaumburg-Lippe (1784-1860) verkauft. Es blieb im Besitz der Schaumburger Sekundogenitur bis 1945. Die Verwandtschaft der letzten Generationen der Familie Schaumburg-Lippe mit der dänischen königlichen Familie spiegelt sich im Buchbestand. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmusenums. Heute befindet sie sich im Besitz des Denkmalamtes für Ostböhmen [Památkový ústav Východních Cech] in Pardubice [Pardubitz].

1.2 Die Piccolominische Sammlung umfaßt heute noch etwas mehr als 200 Titel in gelben Pergamenteinbänden. Es handelt sich vor allem um italienische, spanische, französische und lateinische Schriften zu Geschichte, Politik und Militärwesen. Oktavios Erben erweiterten die Sammlung vor allem um deutsche Literatur. Im Jahre 1742 wurde die Bibliothek aus Angst vor der preußischen Kriegsgefahr nach Wien gebracht; 1746 kam sie wieder zurück ins Schloß Nachod. Herzog Peter Biron erwarb vor allem deutsche und französische Belletristik. Seine Tochter Katharina baute ihre eigene Büchersammlung im unweit gelegenen Ratiborice [Ratiboritz] auf, deren Katalog 1817 von dem Justitiarius Boreitner ausgearbeitet wurde. Diese Bibliothek enthielt hauptsächlich deutsche, englische und französische Autoren aus der Zeit der Romantik sowie mystische Werke. Sie umfaßte 6300 Bde und wurde 1833 mit der Nachoder Sammlung vereinigt. Leider kam es zu Bestandsvermischungen, so daß heute nur noch einige Bücher der Birons anhand des Supralibros zu identifizieren sind.

1.3 Die Schaumburger Sekundogenitur vertraute die Bibliothek dem Historiker Arnold Karl F. Freiherr von Weyhe-Eimke (1830) und seinem Nachfolger Otto Elsner an, die beide als Bibliothekare tätig waren. Die Entwicklung der Bibliothek im 19. Jh wurde vor allem geprägt von der Gemahlin des Prinzen Wilhelm Karl zu Schaumburg-Lippe (1834-1906), Prinzessin Bathildis von Anhalt (1837-1902), sowie von den Gemahlinnen des Prinzen Friedrich Georg (1868), der Prinzessin Luise Karoline von Dänemark (1875-1906) und der Prinzessin Antoinette von Anhalt (1885). Unter den Büchern fremder Provenienz finden sich Werke des Züricher Gelehrten Johann Caspar Lavater (1741-1801) mit eigenhändigen Widmungen.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 24.264 Bde, davon 95 Hss., 104 Drucke aus dem 16. Jh, ca. 300 Bde aus dem 17. Jh, ca. 2540 Bde aus dem 18. Jh. Der Rest des Bestandes stammt aus dem 19. Jh (ca. 18.000 Bde) und vom Anfang des 20. Jhs (ca. 3000 Bde). Ungefähr 80 Prozent der Bestände liegen in deutscher Sprache vor, kleinere Teile in französischer, englischer, tschechischer oder dänischer Sprache. Lateinische Drucke kommen ausgesprochen selten vor.

2.2 Der Bestand der Drucke bis 1800 enthält neben deutschen auch italienische, französische und englische Werke. Die deutschen Drucke machen ca. 45 Prozent aus und sind hauptsächlich theologischen Inhalts. Es dominiert die protestantische Literatur, darunter Luthers Schriften, zahlreiche Predigten, Gebetbücher sowie eine Sammlung bibelwissenschaftlicher Literatur. Aus dem 17. und 18. Jh stammen historische Topographien, vorwiegend der österreichischen Länder, einige Reisebücher, Beschreibungen und Karten von exotischen Ländern. Das spätere 18. Jh ist mit juristischer Literatur und zahlreichen deutschen Gesetzessammlungen vertreten, vorwiegend aus Österreich.

2.3 Im Bestand des 19. Jhs dominiert die landwirtschaftliche Literatur. Sie umfaßt Werke über Tierzucht und Veterinärmedizin, über Ackerbau, Forstwirtschaft, Jagd, Obstbau und über die Lebensmittelindustrie. Ein größerer Bestand betrifft die Zuckerherstellung und die Bierbrauerei. Zahlreich vertreten sind auch Publikationen zur Chemie und deren Anwendung in der Landwirtschaft. Weiter finden sich Schematismen von Großgrundbesitzern sowie Schriften über Fragen des Großgrundbesitzes, Fachpublikationen über Pflanzenkrankheiten und Veröffentlichungen des Ministeriums für Landwirtschaft.

2.4 Umfangreich vertreten sind die geologische und mineralogische Literatur aus dem 19. Jh. In diesen Bereich gehören auch zahlreiche Schriften über die Gesteins- und Kohleförderung sowie zur Kohleverarbeitung und zum Bergbaurecht. Ein dritter umfangreicher Bestand aus dem 19. Jh enthält Militaria, vor allem Werke über Infanterie, Artillerie und Kavallerie, militärische Zeitschriften und Dienstordnungen, Werke über Taktik, Befestigungen und Uniformen. Gesammelt wurden auch Darstellungen zur Geschichte der Kriege sowie Beschreibungen von Schlachten und Feldzügen.

2.5 Die historische Literatur des 19. Jhs konzentriert sich auf Deutschland. Hinzu kommen Werke zu den skandinavischen Ländern, zu Rußland und zur Französischen Revolution, einschließlich zahlreicher Werke über Napoleon. Nennenswert sind hier die historischen Biographien (zahlreiche über Wallenstein), die Werke zur Geschichte der Dynastien (hauptsächlich des Hauses Habsburg) und zur deutschen Literaturgeschichte. Ein kleinerer Bestand betrifft die Geschichte der böhmischen Länder, der Städte und Ortschaften vornehmlich im Nachoder Gebiet. Wiederholt ist der Geschichtsschreiber Arnold Karl F. von Weyhe-Eimke als Autor vertreten. Gedruckte Korrespondenzen von historischen Persönlichkeiten, genealogische Handbücher und Publikationen über die Geschichte des Protestantismus ergänzen den Bestand im Fach Geschichte. Viele Drucke stammen aus Anhalt, Württemberg und Waldeck. Hervorzuheben sind schließlich die Schriften über das Geschlecht und das Land Schaumburg-Lippe sowie die dort erschienenen Schriften, die häufig der Geschichte und dem Rechtswesen gewidmet sind.

2.6 Politisches Schrifttum hat vornehmlich Mitteleuropa, Österreich und den Balkan zum Gegenstand. Zum Bestand gehören vollständige Reihen der Sitzungsberichte des böhmischen und österreichischen Landtages aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs. Der juristische Bestand umfaßt hauptsächlich zeitgenössische Gesetzessammlungen. Im Bereich Bildende Kunst finden sich neben Werken zur Ästhetik in erster Linie Beschreibungen von Galerien (besonders in Dresden), Kataloge von Ausstellungen sowie Künstlerbiographien. Zahlreich sind Auktions- und Antiquariatskataloge aus der Zeit um 1900. Die Schöne Literatur ist vorwiegend durch deutsche Klassiker vertreten sowie durch deutsche Übersetzungen englischer und französischer Schriftsteller des 18. und 19. Jhs und Bühnenliteratur dieser Zeit. Ein Teil der französischen Theaterliteratur wurde in Deutschland gedruckt. Aus der ersten Hälfte des 19. Jhs stammen Ausgaben antiker Autoren, sowohl in lateinischer als auch in deutscher Sprache.

2.7 Neben der erwähnten chemischen Literatur befinden sich im Bestand auch Werke aus den Bereichen Physik, Mechanik, Technik und Maschinenbau. Aus der Zeit um 1900 stammt ein Konvolut von Angebots- und Werbekatalogen verschiedener Industrieunternehmen. Ein kleinerer Bestand betrifft die Medizin, vor allem die Balneologie, Homöopathie und den Einfluß des Magnetismus, sowie die Pharmazie. Die neuere Sammlung wird ergänzt durch Wörterbücher, Lexika, Lehrbücher für Gymnasien und Grammatiken, Kalender, Zeitschriften, Landkarten und Führer, literarische Jahrbücher sowie Jahresberichte von verschiedenen Vereinen und Institutionen - alle vorwiegend aus dem Raum Nachod.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Standortkatalog

[4 Bde; erstellt 1959; Nachtrag 1989]

3.2 Historische Kataloge

Weyhe-Eimke, Arnold Freiherr von: Allgemeiner Katalog der Bibliothek Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht des Prinzen Wilhelm zu Schaumburg-Lippe. Náchod o. J.

[zweite Hälfte des 19. Jhs; Signatur 26088-26090]

Weyhe-Eimke, Arnold Freiherr von: Katalog der Bibliothek Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht des Prinzen zu Schaumburg-Lippe. Náchod 1882

[Signatur 26091-26093]

Weyhe-Eimke, Arnold Freiherr von: Bibliothek Ihrer Hoheit der Frau Prinzessin ... zu Schaumburg-Lippe, Prinzessin von Anhalt, Herzogin zu Sachsen-Engern-Westphalen. Náchod 1883 [Signatur 26115-26116]

Katalog der Kupferstiche, Karten, Pläne usw. des Prinzlichen Schloß-Archivs Nachod. 4. Januar 1902 [Signatur 26094]

Katalog. I. Französisch; II.-III. Belletristisch; IV. Spanisch, Portugiesisch etc.; V. Theologie, Medizin etc.; VI. Philosophie et Belletr.; VII. Incomplete Werke; VIII. Geschichte; IX. Literatur [Nachod; erste Hälfte des 19. Jhs; Signatur 26095-26103]

Katalog der Bibliothek. Schrank I.-VII., IX. [Nachod] 1905, 1906 [Signatur 26104-26111]

Musikalienkatalog

[Nachod; zweite Hälfte des 19. Jhs; Signatur 26112]

Alphabetischer Catalog der Bibliothek zu Ratiboritz, sogenannte Piccolomini-Bibliothek. [Ratiboritz] 1865 [Signatur 26113]

Nach Wissenschaften geordneter Catalog der Bibliothek zu Ratiboritz [Mitte des 19. Jhs; Signatur 26114]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Zíbrt, Cenek: Bibliografie ceské historie [Bibliographie der böhmischen Geschichte]. Bd 1. Praha 1900, S. 188, Nr. 3323

Lifka, Bohumír: Zámecké a palácové knihovny v Cechách. Prehled historicko-topografický [Schloß- und Palaisbibliotheken in Böhmen. Eine historisch-topographische Übersicht]. In: Ceský bibliofil [Der tschechische Bibliophile] 6 (1934) S. 43, 50

Lifka, Bohumír: Zámecká knihovna v Náchode [Die Schloßbibliothek in Náchod. In: Náchod. Státní zámek a okolí [Nachod. Staatsschloß und Umgebung]. Praha 1956, S. 20-24

Hyklová, Dana: Knihovna státního zámku Náchod. [Die Bibliothek des Staatsschlosses Nachod]. Praha 1969 [Diplomarbeit an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität in Prag, Lehrstuhl für Bibliothekswesen]

Kneidl, Pravoslav: Náchod. In: Knihovna Národního musea v Praze [Die Bibliothek des Nationalmuseums in Prag]. Praha 1959, S. 144-145

Stand: November 1996

Petr Mašek