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Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften bei den Städtischen Kunstsammlungen

Adresse. Neißstr. 30, 02826 Görlitz [Karte]
Telefon. (03581) 67 13 50
Telefax. (03581) 67 17 04
Bibliothekssigel. <Gl 2>

Unterhaltsträger. Stadtverwaltung Görlitz
Funktion. Regionales Sammel- und Informationszentrum für Literatur der östlichen Oberlausitz und angrenzender niederschlesischer Gebiete.
Sammelgebiete. 1. Allgemeine Sammelgebiete: Literatur zur Regionalgeschichte und Landeskunde der östlichen Oberlausitz und Niederschlesiens (letztere in Auswahl). 2. Besondere Sammelgebiete: Görlitz, Jakob Böhme.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek (mit begrenzter Ausleihmöglichkeit). Benutzung im Leseraum; eingeschränkte Benutzung der historischen Tageszeitungen. Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch 10-13 Uhr und 14-18 Uhr; Donnerstag 10-13 Uhr und 14-17 Uhr. Leihverkehr: DLV.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Reader-Printer.
Gedruckte Informationen. Städtische Kunstsammlungen Görlitz. Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften. Görlitz 1990. Hinweise für anreisende Benutzer. Alle Straßenbahnlinien ab Bahnhof bis Haltestelle Demianiplatz, von dort Fußwegnähe (5 Minuten). A 4 (E 40), Ausfahrt Bautzen, B 6; ab Cottbus B 115. Parkplätze am Untermarkt.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften geht auf die 1779 in Görlitz gegründete Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zurück. Diese war auf Initiative des Görlitzer Juristen, Historikers und Sprachforschers Karl Gottlob Anton (1751-1818) entstanden. Sie vereinte namhafte Geistes- und Naturwissenschaftler der Region in dem Bestreben, dem Verständnis der Aufklärung gemäß " gemeinnützig" zu wirken. Die Gesellschaft nannte sich zunächst Oberlausitzische Gesellschaft zur Beförderung der Natur- und Geschichtskunde und verstand sich als Provinzialakademie. Als ein Jahr nach der Gründung die Anzeigen als Information für die Mitglieder erschienen, war bereits von einer Büchersammlung die Rede. Für den Bestandsaufbau wurde die Zielstellung der Gesellschaft maßgebend. So waren zunächst keine besonderen Sammelgebiete festgelegt. Für eine gezielte Sammeltätigkeit fehlte noch das Geld. Die Bestandsvermehrung erfolgte vorwiegend durch Erwerbungen aus dem eingeschränkten Etat.

1.2 Dem zeitgenössischen Streben nach Volksaufklärung entsprechend, unterhielt die Gesellschaft während der Jahre 1780 bis 1793 eine für das breite Publikum gedachte " Lesebibliothek" mit Reisebeschreibungen, historischen und naturgeschichtlichen Werken, Monatsschriften (wie dem Göttinger Magazin der Wissenschaften und Literatur), Romanen und moralischen Schriften, deren Fortbestand sich auf die Dauer jedoch nicht finanzieren ließ.

1.3 Die prekäre Situation änderte sich, nachdem 1801 Karl Gottlob Anton und ein weiteres Gründungsmitglied der Gesellschaft, der Oberlausitzer Adolph Traugott von Gersdorf (1744-1807), in einem gemeinsamen Testament den Übergang ihrer privaten wissenschaftlichen Sammlungen einschließlich ihrer Bibliotheken an die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften bestimmt hatten. Anton hatte bereits zu Lebzeiten mit der Überführung seiner Bibliothek begonnen, und mit dem Tod von Gersdorf wurde seine testamentarische Verfügung wirksam. Nun standen ca. 25.000 Bde zur Verfügung. Das Bestandsprofil wurde durch diese Bibliotheken geprägt, die ihrerseits die Interessen der Vorbesitzer widerspiegelten: Ökonomie, Sprachwissenschaft, Jura, Geographie, Mineralogie, Elektrophysik. Die bessere finanzielle Ausstattung ermöglichte auch eine verstärkte Ankaufstätigkeit. Ab 1822, mit dem Beginn des Erscheinens des Neuen Lausitzischen Magazins, der Zeitschrift der Oberlausitzischen Gesellschaft, war die Möglichkeit des Schriftentausches gegeben. Ab 1826 sind Tauschbeziehungen nachgewiesen, die sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer wesentlichen Quelle der Bestandserweiterung entwickeln sollten. Rezensionsexemplare kamen hinzu, da eine Besprechung einschlägiger Werke in dem Organ der Gesellschaft hohes Ansehen genoß.

1.4 Seit den dreißiger Jahren des 19. Jhs veränderte sich mit der Zielsetzung der Oberlausitzischen Gesellschaft langsam auch das Bestandsprofil der Bibliothek. Die Absage an den akademischen Gedanken und die verstärkte Hinwendung zur Erforschung von Regionalgeschichte und Landeskunde der Lausitz spiegeln sich in zunehmender Orientierung an entsprechender Literatur wider. Zunehmend konzentrierte sich auch der Schriftentausch auf Geschichts- und Altertumsvereine. Seit der Mitte des 19. Jhs wurden die naturwissenschaftlichen Bestände nicht mehr erweitert. Dafür erlebte die Gesellschaft in einer vorübergehenden Phase eine literarisch-philologische Orientierung mit entsprechenden Auswirkungen auf die Bibliothek und deren Bestand.

1.5 Fast gleichzeitig mit der Übernahme der beiden Privatbibliotheken Antons und von Gersdorfs hatte Anton der Oberlausitzischen Gesellschaft eines der größten Barockhäuser in Görlitz als Gesellschaftshaus zur Verfügung gestellt (1804), so daß die verschiedenen Sammlungen einschließlich der Bibliothek einen adäquaten Aufbewahrungsort erhielten. Der Bibliothekssaal mit seinen spätbarocken und klassizistischen Bogenregalen steht noch in der Tradition der großen barocken Büchersäle. Die nunmehr erheblich umfangreichere Büchersammlung bedurfte der geordneten Aufstellung und eines Kataloges. Der damalige Sekretär der Gesellschaft, Johann Gotthelf Neumann (1777-1831), folgte gängigen Vorbildern und ordnete den Buchbestand nach wissenschaftlichen Disziplinen, die er als Buchstaben in der Signatur zum Ausdruck brachte (Th = Theologie, Gph = Geographie u. a.). Innerhalb dieser Sachgruppen geben römische Zahlen eine gewisse sachliche Untergliederung, die jedoch im Laufe der Zeit keine Beachtung mehr fand. Arabische Zahlen vervollständigen die Signatur. Diese Art der Ordnung wird auch gegenwärtig im Prinzip beibehalten. Den historischen Bestandsgruppen werden jedoch bis auf wenige Ausnahmen keine Bücher mehr hinzugeführt. Neuerwerbungen außerhalb der Sammelgebiete erhalten eine gesonderte Signatur, die sich an die oben beschriebene Systematik anlehnt. 1819 veröffentlichte Neumann auch einen zweibändigen Alphabetischen Katalog.

1.6 In den folgenden Jahrzehnten wurde das Wirken der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zunehmend als das eines geschichtsforschenden Vereins geprägt durch die regionalgeschichtliche und landeskundliche Orientierung, die auch das Profil des Bibliotheksbestandes bestimmte. Der Bestand erfuhr auf geisteswissenschaftlichen Gebieten eine großzügige Erweiterung und nahm auch regional relevante Bibliotheken und Nachlässe in sich auf: aus dem Vermächtnis von Pfarrer Johann Christian Jancke (1757-1834) gingen 1835 ca. 1000 Bde Lusatica ein, 1847 ebenfalls eine größere Anzahl von Lusatica aus dem Nachlaß von Geheimrat Johann Michael von Tzschoppe (1758-1808) und in den Jahren 1851/52 ca. 140 Titel aus der Bibliothek des vormaligen Akademischen Vereins für Lausitzer Geschichte und Sprache zu Breslau. Die Bibliothek erbte die Büchersammlung des Dichters Friedrich Peter von Uechtritz (1810-1875) und den Teilnachlaß des Muskauer Schriftstellers Leopold Schefer (1784-1862). In den Jahren 1885 bis 1889 erfolgte eine erneute Katalogisierung des Bestandes. 1929 nannte der Sekretär der Gesellschaft Richard Jacht (1858-1945) 120.000 Bde als Gesamtumfang der Bibliothek.

1.7 1943 begannen auf Befehl des Reichssicherheitshauptamtes groß angelegte Auslagerungsmaßnahmen. Die wertvollsten Bestände aus Görlitzer Bibliotheken und Museen, darunter auch die der Oberlausitzischen Gesellschaft, wurden durch Auslagerung in Depots östlich und westlich der Stadt " in Sicherheit" gebracht. Zu den verlagerten Beständen gehörten alle mittelalterlichen Hss., Inkunabeln, Manuskripte regionalgeschichtlichen Inhalts sowie mehrere tausend alte Drucke. Bei der offenbar unter Zeitdruck stehenden Aktion wurden keine detaillierten Listen angefertigt, so daß bis heute der genaue Umfang der verlagerten und noch nicht zurückgekehrten Bestände unbekannt ist. Der größte Teil dieser Bücher und Manuskripte befindet sich nach gegenwärtigem Erkenntnisstand in der Universitätsbibliothek Wroclaw (Breslau; s. u. 5, Bronislaw Krocowski).

1.8 Nach der durch die sowjetische Besatzungsmacht verfügten Auflösung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften und einer vorübergehenden treuhänderischen Verwaltung der Hinterlassenschaften durch die Stadt Görlitz übernahm diese 1950 die verbliebenen Besitztümer der Gesellschaft in ihr Eigentum. Die Bibliothek blieb an ihrem Standort. Das Barockhaus wurde Domizil der Städtischen Kunstsammlungen, denen die Bibliothek zugeordnet wurde. Sie erhielt den Namen Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften mit dem Auftrag, die regionalgeschichtlich-landeskundlichen Sammlungen fortzuführen, nun jedoch entsprechend der neuen territorialen Gegebenheiten. Der dezimierte Buchbestand wurde unter Hinzufügung der bisher in anderer Zugehörigkeit verwalteten historischen Milichschen Bibliothek wenigstens zahlenmäßig aufgestockt. Diese wird seitdem als Sondersammlung mit eigenem Katalog und gesonderter Aufstellung geführt (Teile heute auch in der Universitätsbibliothek Wroclaw, vgl. Eintrag dort und s. u. 5, Bronislaw Krocowski).

1.9 Die Milichsche Bibliothek geht auf eine 1726 erfolgte Stiftung des Schweidnitzer Juristen Johann Gottlieb Milich (1678-1726) zurück. Unter den Bedingungen der öffentlichen Benutzbarkeit durch die Einwohner der Stadt hatte Milich seine Sammlung von 7000 Bdn, 200 Mss. und 500 Münzen sowie weiteren Gegenständen der Gymnasialbibliothek vermacht. Die Gymnasialbibliothek selbst war bereits seit 1565 im Besitz der im 14. Jh angelegten Bibliothek des Franziskanerklosters, die seit Errichtung einer Klosterschule wesentlich erweitert worden war. Im weiteren Verlauf wurde die Gymnasialbibliothek vor allem durch Geschenke und Legate aus der Bürgerschaft bereichert. Aus nur unvollständig erhaltenen Katalogen geht hervor, daß die Milichsche Bibliothek über zahlreiche mittelalterliche Hss. und Inkunabeln verfügte und einen reichen Bestand an Werken zur deutschen Literatur und zur Medizin besaß. Die beträchtliche Reduzierung ihres Besitzes infolge der Verlagerungen führte zu dem Entschluß, sie der Oberlausitzischen Bibliothek anzugliedern. So spiegelt sich die über zweihundertjährige Geschichte der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften auch in dem aus unterschiedlichen Provenienzen gebildeten Bibliotheksbestand wider.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Ermittlung des Bestandsumfanges erfolgte durch Auszählung der Titel am Regal. Die einzelnen Titel in den zahlreich vorhandenen Sammelbänden (z. T. bis zu 30) wurden detailliert erfaßt. Lediglich der Bestand an historischen Karten wurde anhand des Kataloges gezählt.

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Bei einem Gesamtbestand von ca. 110.000 Bdn umfaßt der historische Bestand der Bibliothek einschließlich der Milichschen Bibliothek und der Uechtritz-Sammlung ca. 61.500 Titel. Darunter befinden sich 33 Inkunabeln; auf das 16. Jh entfallen 3824 Titel, auf das 17. Jh 11.200, auf das 18. Jh 28.260 und auf das 19. Jh ca. 18.000. Der größte Teil des Bestandes ist in deutscher Sprache (40.100 Titel); es folgen Latein (16.000) und ca. 3010 Titel in sonstigen Sprachen, vor allem in Französisch (ca. 1150 Titel). In den Sachgebieten Lusatica und Theologie finden sich ca. 80 Titel in sorbischer Sprache.

Systematische Übersicht

2.3 Die Systematische Übersicht folgt im wesentlichen der oben beschriebenen Bibliothekssystematik (s. o. 1.5). Gelegentlich überschneiden sich die inhaltlichen Zuordnungen. So sind beispielsweise im Sachgebiet Lusatica die Titel verschiedenster Fachgebiete unter dem regionalen Aspekt zusammengefaßt. Dies wurde bei der Auszählung nicht bis ins einzelne berücksichtigt, wirkt sich aber nicht signifikant auf die Größenordnungen aus. Ebenso enthält eine Formalgruppe Dissertationen verschiedenes Kleinschrifttum wie Flugschriften und Schulprogramme.

2.4 Die umfangreichste Sachgruppe ist die Theologie (ca. 9500 Titel). Beachtenswert ist eine umfangreiche Sammlung von Leichenpredigten aus den Regionen Lausitz und Schlesien, vor allem des 17. und 18. Jhs (ca. 3700), sowie von fast 3000 Predigtdrucken. Eine kleine Bibelsammlung (130, darunter 114 fremdsprachige) sowie eine Sammlung von Gesangbüchern (114) sind ebenfalls enthalten. Aus dem von Bischof Johann VI. von Meißen herausgegebenen und 1510 bei Melchior Lotter in Leipzig gedruckten Meßbuch liegen Calendarium und Cantionale vor. 1959 konnte die Bibliothek eine flugschriftenartige reformationszeitliche Ausgabe von 2 Texten geistlicher Lieder des Görlitzer Druckers Crispinus Scharfenberg mit Besitzangabe eines Lausitzers aus Friedberg bei Görlitz erwerben. Als bis dahin ältester Görlitzer Druck galt der 1565 von der dortigen Offizin des Hans-Lufft-Schülers Ambrosius Fritsch (1523-1593) gedruckte Luthersche Katechismus.

2.5 Die Sachgruppe Lusatica (über 5200 historische Titel) erlitt durch die kriegsbedingten Verlagerungen empfindliche Verluste, so daß das Gros ihres Bestandes heute aus dem 20. Jh stammt. Es dominieren Werke zur Geschichte der Lausitz und Schlesiens sowie zu einzelnen Orten, über historische Ereignisse und Personen. Besonders zahlreich ist die Literatur zu Görlitz. Die Leichenpredigt-Sammlung der Gruppe Theologie findet hier ihre Ergänzung durch ca. 2130 Personalschriften. Kleinschrifttum wie Schulschriften, Gelegenheitsschriften u. a. sind z. T. in insgesamt 76 Konvoluten unter dem Sammeltitel Lausitzische gedruckte Schriften zusammengefaßt, im Katalog jedoch mit Einzeltiteln verzeichnet. Selbstverständlich sind alle durch die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften herausgegebenen Titel vorhanden. Die Görlitzer Adreßbücher seit 1850 liegen im Original und als Mikrofilm vor. Eine Sammlung seltener Görlitzer Zeitungen von 1799 bis 1940 wie auch aus anderen Orten der Region vervollständigt den Lusatica-Bestand.

2.6 Zum Sammelgebiet Görlitz zählt u. a. auch der Sonderfonds zu Jakob Böhme (1575-1624) mit 37 Titeln des 17. Jhs, 26 des 18. Jhs und 49 des 19. Jhs, darunter der Hamburger Werkausgabe von 1715. Literatur von und über Jakob Böhme findet sich ferner in der Sachgruppe Theologie und in der Milichschen Bibliothek. Zu nennen ist auch eine umfangreiche Sammlung von Theaterzetteln aus den Jahren 1791 bis 1924 sowie anderen Programmen des 18. bis 20. Jhs, vor allem Görlitzer Provenienz.

2.7 In verschiedene Sachgruppen gegliedert liegen ca. 2900 Titel zur Geschichte einschließlich der historischen Hilfswissenschaften vor. Die Geschichte des Altertums schließt 80 Tacitus-Ausgaben ein. 117 zum Teil vielbändige Werke mit Urkundeneditionen, genealogischem, heraldischem und numismatischem Inhalt verdienen Beachtung. Die mehr als 400 Zeitschriftentitel, zumeist von historischen Vereinen und Gesellschaften herausgegeben, sind ein Ergebnis des Schriftentausches. Eine Besonderheit ist ein kleiner, geschlossen aufgestellter Besitz an zeitgenössischer Literatur zur Französischen Revolution sowie an Flugblättern und Flugschriften aus dem Bauernkrieg und der Reformationszeit, aus dem Dreißigjährigen Krieg sowie aus den Befreiungskriegen und der Revolution von 1848.

2.8 Die literatur- und sprachwissenschaftlichen Disziplinen umfassen ca. 3500 Titel einschließlich zahlreicher Ausgaben antiker Literatur. Gezählt wurden 380 Bibliotheks-, Meß- und Auktionskataloge, 360 Wörterbücher und Lexika, darunter Krünitz' Ökonomische Enzyklopädie (Berlin 1773-1858, vollständig). Außerdem liegen 75 Literaturzeitschriften vor. Zur deutschen Grammatik und Orthographie sowie zur Sprachenentwicklungstheorie sind ca. 70 Werke des 18. Jhs vorhanden. Autoren wie Wilhelm von Humboldt, Jakob Grimm und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben waren Mitglied der Gesellschaft, so daß von Humboldt z. B. auch die dreibändige Monographie zur javanischen Kawi-Sprache (Berlin 1836-1839) in den Bestand einging. Diese Bestände wie auch die Erstausgaben der deutschen Literatur des 17. bis 19. Jhs erlitten besonders einschneidende Kriegsverluste. Erhalten sind jedoch Ausgaben der Werke Dantes und seiner italienischen Zeitgenossen sowie Sekundärliteratur (ca. 200 Titel), die der Dante-Forscher Theodor Paur (1815-1891), Mitglied der Gesellschaft und deren Sekretär, der Bibliothek übereignete.

2.9 Die naturwissenschaftliche Literatur einschließlich der Medizin beläuft sich auf ca. 2300 Titel aus den Bereichen Astronomie, Mathematik, Physik, Chemie, Meteorologie, Biologie, Geologie und Mineralogie. Darunter befinden sich ca. 750 Werke des 17. bis 19. Jhs zur Mineralogie und Geologie, zu Fauna und Flora, davon 230 reich illustriert und teilweise koloriert. 66 Titel des 18. Jhs betreffen Luftelektrizität und Blitzableiter, 93 Alchemie und Chemie. Der Bestand an medizinischer Literatur ist klein, da ein großer Teil in der Vergangenheit an medizinhistorische Institutionen abgegeben wurde. Unter den verbliebenen sind 24 Titel des Görlitzer Arztes Christian August Struve (1767-1807), der sich als Pionier der Pockenschutzimpfung in der Oberlausitz einen Namen machte.

2.10 Die Formalgruppe Dissertationen umfaßt akademische Schriften der Disziplinen Theologie, Geschichte und Altertumskunde, Jura, Literatur- und Sprachwissenschaft, Geographie, Ökonomie, Philosophie, Medizin und verschiedener Zweige der Naturwissenschaft. Als umfangreichste Disziplinen ragen heraus die Theologie (868 Titel), Geschichte (ca. 820), Philologie (ca. 770), Medizin (ca. 540) sowie die Rechtswissenschaft (ca. 450, zusätzlich zu den in der Sachgruppe genannten). Der größte Teil der Dissertationen stammt aus dem 18. und 19. Jh.

2.11 Unter dem übrigen Kleinschrifttum befinden sich zahlreiche Schulschriften des 18. und 19. Jhs, die gemeinsam mit den unter " Schola" subsumierten Titeln eine Gesamtzahl von 2000 ergeben. Weitere Schulschriften enthält die Sachgruppe Lusatica, wo sie nicht gesondert gezählt worden sind. In der Formalgruppe " Schola" befindet sich auch schultheoretisches Schrifttum in kleinerer Anzahl.

2.12 Die Sachgruppe Geographie und Historische Karten enthält einige prächtig kolorierte Abbildungswerke, z. B. das Theatrum urbium des Johannes Janssonius (Amsterdam 1657) und Atlanten aus dem 16. bis 18. Jh. Für die neuen Bundesländer einmalig ist der Besitz der zwei Ausgaben des Rußischen Atlas (St. Petersburg 1745). Der Bestand an Einzelkarten einschließlich astronomischer Karten umfaßt ca. 2500 Blätter, insbesondere aus dem 18. Jh. Zu ihnen gehören die Landkarten der Mark Meißen (1568) und der Oberlausitz (1593, beide Görlitz) des Astronomen, Kartographen und Görlitzer Bürgermeisters Bartholomäus Scultetus (1540-1614) sowie Isak Jakob Petris Gantz neue und vollständige geographische General-Charte vom gantzen Churfürstenthum Sachsen (Berlin 1759-1763). Die Bibliothek besitzt auch Bernhard von Breydenbachs Reisebericht Dis Buch ist innhaltend die heilige reysen gein Jherusalem ... mit Holzschnitten nach den von dem Maler und Verleger Erhard Reuwich während der Reise angefertigten Illustrationen (Mainz 1486).

2.13 Aus einer Anzahl kleinerer, teilweise auch durch Verlagerung besonders beeinträchtigter Sachgruppen sind hinsichtlich des historischen Bestandes lediglich die Bereiche Land- und Forstwirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Manufakturwesen, Militärwesen und Philosophie hervorzuheben. Besonders zu nennen sind 45 historische Schriften über Trunksucht. Sondersammlungen

Milichsche Bibliothek

2.14 Die gesondert aufgestellten und katalogisierten Bestände der Milichschen Bibliothek ( s. o. 1.9) sind ähnlich systematisiert wie die der Gesellschaft. Die Sammlung umfaßt insgesamt ca. 15.400 Titel, wurde aber besonders stark von Verlusten betroffen, so daß ganze Sachgruppen fehlen (so die Inkunabeln, das Fach Deutsche Literatur u. a.). Andere Gruppen sind stark dezimiert. Einige wichtige Titel blieben erhalten, z. B. De mundi aetherei recentioribus phaenomenis und liber secundus (Uranienburg/Schweden 1588) des Tycho Brahe (1546-1607) mit eigenhändiger Widmung an Bartholomäus Scultetus sowie dessen Gnomonice de solariis, sive doctrina practica tertiae partis astronomiae: Von allerley Solarien, das ist Himmlischen Circuln und Uhren ... (Görlitz 1572). Das älteste unter den zahlreichen astronomischen Werken ist das Kalendarium Romanum ad usum publicum ecclesiae ex calculo Astronomica constructam (Nürnberg 1475), verfaßt und gedruckt von Johannes Regiomontanus (d. i. Müller aus Königsberg/Franken; 1436-1476). In der Sammlung alter Atlanten finden sich die zwölfbändige kolorierte französische Ausgabe Géographie Blaviane (Amsterdam: Johannes Blaeu 1663) und die zwischen 1524 und 1530 in Bamberg bei Georg Erlinger gedruckte Wanderkarte der Nürnberger Umgebung.

2.15 Weitgehend vollständig erhalten blieben die Sachgruppen Geschichte mit 5500 und Theologie mit 7120 Titeln (wozu auch eine bei Koberger in Nürnberg 1478 gedruckte Biblia Latina gehört). Unter den Theologica sind ebenfalls zahlreiche Predigtdrucke (1776, davon 1184 aus dem 17. Jh). Hinzu kommen 797 Leichenpredigten. Von besonderer Bedeutung ist der Komplex der ca. 1000 Flugschriften aus der Reformationszeit, darunter ca. 300 Lutherdrucke sowie einige andere Rara. Über diesen Bestand erschien 1983 ein Verzeichnis ( s. u. 3.2). Erfaßt wurden ebenfalls 74 theologische Dissertationen.

2.16 In der Sachgruppe Geschichte finden sich auch Werke zur Kunstgeschichte sowie Reisebeschreibungen und andere geographische Literatur. Auffällig ist ein großer Bestand von ca. 3000 Schulprogrammen (davon etwa 1580 in lateinischer Sprache), die Mehrzahl aus dem 18. Jh. Ihre Entstehungsorte liegen zumeist in der Lausitz und in Schlesien. Die Sachgruppe Geschichte enthält ferner ca. 960 Dissertationen. Die übrigen Sachgruppen umfassen insgesamt ca. 2700 Titel, u. a. aus den Bereichen Jura, Mathematik, Astronomie, Technik und Medizin.

2.17 Die Uechtritz-Sammlung mit 1301 Titeln ist ebenfalls gesondert aufgestellt. Ihre Bestände haben jedoch Aufnahme im Katalog der Gesellschaftsbibliothek gefunden. Den Schwerpunkt bilden Werke des 19. Jhs (1243 Titel), vor allem Ausgaben der antiken Klassiker sowie der deutschen und westeuropäischen Literatur, z. T. in Originalsprachen.

2.18 Der Bestand an Musikalien gehört zu den abgeschlossenen Sondersammlungen. In ihm sind Noten (z. T. handschriftlich vervielfältigte Chor- und Orchesterstimmen) sowie Musikliteratur und Konzertprogramme Görlitzer Provenienz fast ausschließlich des 19. und 20. Jhs vertreten. Es handelt sich um den Nachlaß eines Görlitzer Musikvereins.

3. KATALOGE

3.1 Moderne allgemeine Kataloge

Alphabetischer Katalog [nach RAK]

Systematischer Katalog

[nach hauseigener Systematik]

Ortskatalog

Biographischer Katalog

[alle Kataloge in Zettelform; vollständig für die Sachgruppen Lusatica, Silesiaca sowie für die Neuzugänge. Weitere historische Bestände sind nur zum geringen Teil erfaßt.]

3.2 Moderner Sonderkatalog

Klammt, Annerose: Flugschriften aus der Reformationszeit (1517-1550) im Bestand der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften zu Görlitz. Ein Verzeichnis. Görlitz 1983 (Schriftenreihe des Ratsarchivs der Stadt Görlitz 12)

3.3 Historische Kataloge

Die Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften alphabetisch verzeichnet. Hrsg. von Johann Gotthelf Neumann. 2 Bde. Görlitz 1819

[gedruckter Bandkatalog]

Alphabetischer Zettelkatalog der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften

[nach PI, Bestände bis ca. 1960 ergänzt]

Alphabetischer Katalog der Milichschen Bibliothek

[in Zettelform]

Sachkatalog der Milichschen Bibliothek

[in Bandform]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Akten der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften

Akzessionsverzeichnisse der Oberlausitzischen Gesellschaft [nach alter Systematik, bis um 1950 ergänzt]

4.2 Darstellungen

Knauthe, Christian: Historische Nachricht von denen Bibliotheken in Görlitz. Görlitz 1737

Geissler, Johann Gottfried: De historia Bibliothecae Gymnasii Avgvsti Gorlicens. T. 1-5. Görlitz 1764-1768 [Schulprogramme]

Neumann, Johannes Friedrich: De Bibliotheca Milichiana Gymnasii Avgvsti Gorlicens Publica. T. 1-13. Görlitz 1784-1802 [Schulprogramme]

Hortzschansky, Johann: Von den öffentlichen Bibliotheken in der Oberlausitz. Görlitz. In: Lausitzische Monatsschrift (1799) I, S. 329-360; II, S. 396-401

Joachim, Robert: Geschichte der Milichschen Bibliothek und ihrer Sammlungen. T. 1.2. In: Stadt-Gymnasium. Einladung zu der Feier des von Sylverstainischen Gedächtnis-Actus. Görlitz 1876, S. I-XXXII; Görlitz 1877, S. I-XX

Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften zu Görlitz. Görlitz 1970 Schmidt, Ingeborg: Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften zu Görlitz. In: Marginalien 40 (1970) S. 74-77

Klammt, Annerose: Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften Görlitz. In: Marginalien 76 (1979) S. 5-7

Klammt, Annerose: Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften. In: Die Oberlausitz und ihre Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz. Görlitz 1982, S. 99-110 (Schriftenreihe des Ratsarchivs der Stadt Görlitz 11,2)

Klammt, Annerose: Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften und ihre Bibliothek in Görlitz. In: Der gemeinsame Weg. Hrsg. von der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat und Stiftung Haus des Deutschen Ostens. 64 (1991) S. 29-33

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Butze, Gerhard: Wappenplatten auf älteren Görlitzer Bucheinbänden. In: Allgemeiner Anzeiger für Buchbindereien 70 (1957) Heft 8, S. 355-364; Heft 10, S. 452

Dreßler, Fridolin: Die älteste Bamberger Umgebungskarte. In: Fränkische Blätter 14 (1962) Heft 4, S. 13-16

Klammt, Annerose: Regionalgeschichtliche Literatur zur Oberlausitz und zu Niederschlesien im Bestand der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften. In: 20. ABDOSD-Tagung. Köln 1991. Referate und Beiträge. Berlin 1991, S. 133-135 (Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Veröffentlichungen der Osteuropa-Abteilung 15)

Krocowski, Bronislaw: Katalog Inkunabulów Biblioteki Universyteckiej we Wroclawiu [Katalog der Inkunabeln der Universitätsbibliothek Breslau]. 2 Bde. Breslau 1959-1977 [darin zahlreiche Provenienzangaben zur Oberlausitzischen Gesellschaft und zur Milichschen Bibliothek]

Lemper, Ernst-Heinz: Das älteste Görlitzer Druckwerk. In: Marginalien 17 (1964) S. 52-56

Reuther, Martin: Georg Erlinger und seine Nürnberger Wanderkarte aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts, ein Görlitzer Kartenfund. In: Petermanns Geographische Mitteilungen (1954) Heft 3, S. 224-226

Stand: Januar 1996

Annerose Klammt


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.