FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Orlík [Worlik]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Feste und das spätere Schloß Worlik gehörten bereits seit dem 13. Jh bedeutenden südböhmischen Familien, so den Rosenbergs, Schwambergs, Eggenbergs und Schwarzenbergs. Um 1800 diente es nahezu ausschließlich als Verwaltungszentrum für den Worliker Zweig der Schwarzenbergs. Erst mit der Errichtung des zweiten Majorats des Hauses Schwarzenberg im Jahre 1802 wurde das Schloß Wohnsitz der sogenannten Worliker Linie. Begründer der Worliker Sekundogenitur war Marschall Karl I. Philipp von Schwarzenberg (1771-1820), Oberbefehlshaber der Armeen in den Schlachten gegen Napoleon sowie österreichischer Gesandter in Frankreich und in Rußland. Zusammen mit seiner Gemahlin Maria Anna geb. von Hohenfeld (1767-1848) begründete er die heutige Schloßbibliothek ==== . Sein Ziel war eine enzyklopädische Sammlung, die Hauptwerke der Gesellschafts- und Naturwissenschaften thalten sollte. 4

1.2 Nahezu alle Nachfolger Karls I. - Majoratsherren von Worlik und andere Angehörige des Hauses - schlugen eine militärische Laufbahn ein und hatten hohe politische Ämter in Österreich und Böhmen inne. Die meisten von ihnen setzten die enzyklopädische Ausrichtung der Bibliothek fort. Im Jahre 1942 wurde Worlik durch die Gestapo enteignet. Nach 1945 kehrten die Schwarzenbergs zurück, bis die Worliker Herrschaft 1948 verstaatlicht wurde. 1991 wurde das Schloß dem damaligen Haupt der Familie und Kanzler des tschechoslowakischen Staatspräsidenten, Karl Fürst von Schwarzenberg, zurückgegeben. Die Bibliothek verblieb jedoch unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag.

1.3 1953 erfolgte die vorübergehende Eingliederung der Bibliothek aus Schloß Tochovice [Tochowitz], die nach Eigentumsvermerken Bücher von Edmund (1803-1873), Friedrich (1800-1870) und Dr. jur. Friedrich (1862-1936) von Schwarzenberg enthielt. 1992 wurde diese Sammlung mit ca. 2450 Bdn den Erben des Tochowitzer Schlosses zurückgegeben.

1.4 Die ursprüngliche Bibliothek Karls I. trägt ein Monogramm-Exlibris Sc. Die älteren Bücher sind zum größten Teil mit Ex Bibliotheca principis in Schwarzenberg bezeichnet; eine Reihe von Bänden trägt Eigentumsvermerke einzelner Mitglieder des Hauses. Die genealogische Literatur ist z. T. mit dem Exlibris Franc. Com. A. Thun-Hohenstein Tetschen versehen. Nach Worlik gelangte sie vermutlich durch Karl VI. von Schwarzenberg, der sie bei der Versteigerung der Tetschener Bibliothek am Anfang des 20. Jhs erworben hat. Nahezu alle Bücher tragen die neueren Stempel F. S. Bibliothek Worlik oder Knízecí knihovna Vorlik [Fürstliche Bibliothek Worlik].

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 16.869 Bde, darunter 33 Drucke aus dem 16. Jh, 78 aus dem 17. Jh und 6231 Bde aus dem 18. Jh. Aus dem 19. Jh liegen ca. 9000 Bde vor. Die Bücher waren bereits in der ursprünglichen Marschall-Bibliothek nach Fächern aufgestellt, die im 19. und 20. Jh laufend ergänzt wurden.

2.2 Die Alten Drucke gehen zum größten Teil auf die Bibliothek Karls I. zurück. Es überwiegen Werke in französischer und lateinischer Sprache; auf deutsche Werke tfällt ein Anteil von etwa 40 Prozent. Die enzyklopädisch ausgerichtete Sammlung läßt eine Spezialisierung auf Militaria im weitesten Sinn erkennen (ca. 2000 Bde). Dazu gehören militärische Theorie in Handbüchern und Lehrbüchern der Taktik und Strategie, ferner Geschichte der Kriege von der Antike bis zum Beginn des 19. Jhs, Beschreibungen von Feldzügen vor allem aus der Zeit Napoleons, militärische Wörterbücher, Werke zur Festungsarchitektur, Schlachtpläne und Landkarten. Überdies finden sich Biographien und Memoiren von Feldherren und ihre Korrespondenz. An die Militaria schließt sich Literatur zur Geschichte einzelner europäischer Länder an, vor allem zu Frankreich mit Schwerpunkt auf der Französischen Revolution, sowie zu Österreich, Preußen und Böhmen. Ferner finden sich Biographien, Korrespondenzen und Memoiren von Monarchen und Staatsmännern. Werke zu Heraldik und Genealogie umfassen zusammen ca. 400 Bde.

2.3 Die juristische Literatur ist durch kaiserliche und königliche Privilegien vertreten, durch österreichische und bayerische Patente und Dekrete aus den Jahren 1347 bis 1719. Zur Philosophie gehören Werke antiker Autoren, Schriften religiöser Philosophen des Mittelalters und Gesamtausgaben der französischen Aufklärer. Der Bereich der Naturwissenschaften umfaßt ein breites Spektrum von allgemeinen und spezielleren Werken aus Botanik, Zoologie, Chemie, Geologie, Mineralogie und Geographie; auch Jagdliteratur, Reisebücher, Herbarien und Landkarten gehören ergänzend dazu.

2.4 Umfangreich ist die Sammlung von Kunstliteratur und Werken zur Kunstgeschichte und Architektur. Geringeren Umfang besitzt die religiöse Literatur mit einigen wertvollen Bibelausgaben und Werken zur Kirchengeschichte. Zu den Alten Drucken der ursprünglichen Bibliothek gehören auch Werke der klassischen französischen und deutschen Belletristik aus dem Besitz von Karls Gemahlin Maria Anna (s. o. 1.1), die in Kontakt zu französischen und deutschen Schriftstellern des späten 18. und frühen 19. Jhs stand.

2.5 Der Bestand des 19. Jhs setzt die universale Anlage der älteren Sammlung fort. Sprachlich überwiegt hier deutsches Schrifttum (etwa 85 Prozent des Bestandes), daneben sind vor allem französische und italienische Schriften vorhanden. Eine eigene Gruppe bilden Bohemica. Es überwiegen wiederum militärisches und historisches Schrifttum mit Werken zur Geschichte der Kriege sowie zu revolutionären Bewegungen des 19. Jhs bis hin zur Revolution in Rußland 1917. Historische Darstellungen werden ergänzt durch Biographien, Memoiren und Korrespondenzen von Staatsmännern und Feldherren. Auch hier finden sich militärische Wörterbücher, Heeresbeschreibungen und Ausbildungsbücher für Heeresgruppen, theoretische Handbücher, Werke zur Militärarchitektur, Zeitschriften und Landkarten. Zum Bereich der europäischen und außereuropäischen Geschichte gehören ebenfalls Biographien und Memoiren von Persönlichkeiten aus Politik und Kultur des 19. Jhs.

2.6 An die älteren philosophischen Werke knüpfen die Schriften der Philosophen des 19. Jhs und Neuausgaben der älteren französischen Philosophen des 18. Jhs an. Einen bemerkenswert großen Umfang hat die religiöse Literatur, die verschiedene neuere Bibelausgaben umfaßt, ferner Werke zur Geschichte christlicher und anderer Kirchen und Orden, Breviarien, Predigtsammlungen und Handbücher der katholischen Kirchenlehre.

2.7 Die Werke des 19. und frühen 20. Jhs zur allgemeinen und speziellen Botanik und Zoologie knüpfen inhaltlich an die älteren Bestände an. Stärker vertreten als bei den Alten Drucken sind die Bereiche Wirtschaft, Forst- und Wasserwirtschaft, Mechanik, Mathematik und Physik. Die Sammlung geographischer Werke umfaßt Atlanten, Beschreibungen einzelner Länder und Reiseführer. Eine größere Gruppe bilden juristische Schriften, sowohl zur politischen Geschichte als auch zum österreichischen, böhmischen und deutschen Rechtswesen. Eine Reihe von Rechtsverordnungen und Gesetzessammlungen vom Ende des 19. Jhs betrifft das Zivil- und Strafrecht sowie das Wirtschafts- und Kirchenrecht.

2.8 Ungewöhnlich umfangreich ist die Sammlung heraldischer und genealogischer Literatur, die Standardwerke der historischen Hilfswissenschaften einschließt. Die Sammlung geht auf Karl VI. von Schwarzenberg zurück, der ein Fachmann auf dem Gebiet der böhmischen Heraldik war. In den dreißiger Jahren sammelte er sowohl Literatur vom Anfang des 20. Jhs als auch Werke aus dem 17. Jh. Vertreten sind neben der Theorie der Heraldik die Geschichte der adeligen und bürgerlichen Heraldik, ferner Wörterbücher, Tafelwerke, genealogische Tabellen einzelner europäischer Adelshäuser und genealogische Handbücher.

2.9 Zum kunsthistorischen Bestand aus dem 19. Jh gehören neben umfangreichen Bildpublikationen und Werken über die Geschichte der Malerei, der Bildhauerei und der Architektur auch Beschreibungen von historischen Denkmälern und Führer durch europäische Galerien. Im Bereich der Schönen Literatur dominieren Neuausgaben deutscher, französischer und englischer Klassiker sowie Werke zeitgenössischer Schriftsteller. Darstellungen der europäischen Literaturgeschichte sind ebenfalls vorhanden.

2.10 Der Bestand aus Schloß Tochovice, der in Worlik verblieben ist, enthält Literatur des 19. und frühen 20. Jhs und liegt zu 90 Prozent in deutscher Sprache vor. Vertreten sind Werke zur Geschichte allgemein und zur Geschichte einzelner Staaten, Biographien, juristische Literatur, religiöses Schrifttum, Reiseliteratur, Publikationen zu Wirtschaft und Bauwesen sowie deutsche und französische Belletristik.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Standort- und Inventarkatalog

[erstellt 1961; 2 Bde in 5 Teilen; geordnet nach dem Standort der Bücher in den einzelnen Schloßräumen]

3.2 Historischer Katalog

Inventar der Bibliothek

[erstellt 1896; Standortkatalog in 3 Bdn; nur noch eingeschränkt benutzbar, da die Standorte der Bücher mehrmals verändert wurden]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Lifka, Bohumír: Státní zámek Orlík. Prvodce [Das Staatsschloß Worlik. Führer]. Praha 1955, S. 14-16

Hájek, Pavel: Vývoj orlické knihovny, její knihovedná a obsahová charakteristika a kulturne historický význam [Die Entwicklung der Worliker Schloßbibliothek ==== , ihre buchkundliche und inhaltliche Charakteristik und kulturhistorische Bedeutung]. Praha 1985 [Diplomarbeit an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität in Prag, Lehrstuhl für wissenschaftliche Informationen und Bibliothekswesen]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Mašek, Petr: K historickým knihovním fondm [Zu historischen Buchbeständen]. In: Marie Mzyková (Hrsg.): Navrácené poklady. Restitutio in integrum [Zurückgegebene Schätze]. Praha 1994, S. 160 [Ausstellungskatalog]

Stand: November 1996

Jitka Šimáková


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.