FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
Home
HomeRegionen:Stadtregister:Abkürzungen
Volltextsuche:

trunkiert

BenutzerprofilLogin
Impressum
 Home > Europa > Tschechische Republik > Schlossbibliotheken

Pernštejn [Pernstein]

Burgbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Burg Pernstein wurde bereits im 13. Jh gegründet und war seitdem im Besitz der Familie von Pernstein. Im 16. Jh starb die Familie aus, und der Besitz wechselte in der darauffolgenden Zeit mehrmals die Eigentümer. Ob in der Burg bereits in der Zeit der Familie von Pernstein im 16. Jh eine Büchersammlung vorhanden war, ist bislang ungeklärt. Die eigentliche Bibliothek der Familie war im Schloß Tovacov [Tobitschau] aufgestellt, ist aber nicht erhalten geblieben. Der Grundstock der heutigen Bibliothek entstand im 18. Jh, nachdem die Burg 1710 in den Besitz von Franz von Stockhammer und seinen Nachfolgern übergegangen war.

1.2 Nachfolger ab 1793 war Franz Joseph Freiherr Schröffel von Mansperg (Mannsberg) (1773), mit dessen Stempel Le Baron de Schröffel ein Teil der älteren Bücher versehen ist. Durch die Hochzeit seiner Tochter Josephine (1794-1834) mit dem Grafen Wilhelm Mittrowsky von Mittrowitz, Freiherr von Nemyssl (1789-1857) ging die Burg in den Besitz dieser Adelsfamilie über. So kam es zur Vereinigung der Pernsteiner Bibliothek mit der wertvollen und umfangreichen Bibliothek der Familie Mittrowsky, die in erster Linie durch Graf Maximilian Joseph Mittrowsky (1709-1782) aufgebaut worden war. Er war General der österreichischen Armee, Heereskommandant im Banat und Sammler. Seine Büchersammlungen waren in seinen Schlössern in Dolní Rozínka [Unterrozinka] und Sokolnice [Sokolnitz] in Mähren sowie in Szávas in Ungarn untergebracht. Auch sein Sohn, Graf Johann Nepomuk Mittrowsky (1757-1799), Militärarzt im Infanterieregiment des Grafen Lássy, ergänzte die Bibliothek vor allem mit medizinischer Literatur sowie mit Bohemica, Moravica und Silesiaca, die er größtenteils aus säkularisierten Klöstern in Mähren erwarb.

1.3 Den Aufbau der Bibliothek setzte im 19. Jh Graf Vladimír von Mittrowsky (1814-1899) fort, der sie um zeitgenössische deutsche und französische Belletristik, zahlreiche heimatkundliche, politische und ökonomische Werke bereicherte. Er ließ die vorhandenen Büchersammlungen in den Jahren 1882 bis 1885 vereinigen und von Dr. Moritz Trapp (1825-1895), dem Brünner Museumskustos des Franzensmuseums [Františkovo museum] neu ordnen und katalogisieren (s. u. 3.2 ).

1.4 Um 1900 umfaßte die Bibliothek ca. 13.000 Bde und wurde vom Bibliothekar F. Micek verwaltet. Der letzte private Eigentümer des Schlosses und der Bibliothek aus der Familie Mittrowsky war Graf Vladimír (1901-1976). Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag. Heute befindet sie sich im Besitz des Denkmalamtes für Südmähren [Památkový ústav Jizní Moravy] in Brno [Brünn].

1.5 Im Laufe der Jahrhunderte wurden einige ältere Büchersammlungen in die Bibliothek inkorporiert, z. B. die der Grafen von Salm aus dem Schloß Velké Opatovice [Großopatowitz], Bücher des Grafen Karl Benedikt von Lamberg (1675-1721), Bücher der Gräfin Onufrie Emma von Braida, geborene Gräfin Mittrowsky (1800-1871), sowie von Maria Prehorovská z Kvasejovic aus der Bibliothek der Burg Svojanov [Swojanow] der Familie von Salm. Insbesondere zu Lebzeiten des Grafen Maximilian Joseph Mittrowsky kam es zu zahlreichen Inkorporationen. Sein Sohn Johann Nepomuk überführte Bestände aus Bibliotheken der säkularisierten Klöster, z. B. der Zisterzienser aus Zdár nad Sázavou [Saar], der Prämonstratenser aus Zábrdovice [Zabrdowitz], der Karmeliter aus Kostelní Vydrí [Widern] u. a.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der Gesamtbestand umfaßt 15.308 Bde, darunter 8 Hss., 23 Bde aus dem 16. Jh, ca. 100 Bde aus dem 17. Jh, ca. 5270 Bde aus dem 18. Jh sowie ca. 9900 Bde aus dem 19. Jh und vom Anfang des 20. Jhs. Deutsche Werke machen etwa 65 Prozent des Gesamtbestandes aus. Ein Großteil der deutschsprachigen Werke wurde in Böhmen oder Mähren gedruckt, vor allem in Brünn. Die Bibliothek ist teilweise systematisch nach Fächern aufgestellt.

2.2 Der Bestand religiöser Literatur stammt vor allem aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs und umfaßt Predigten, polemische Streitschriften zwischen der katholischen und protestantischen Konfession, Bibelausgaben, liturgische Bücher, Werke zur Kirchengeschichte und Jesuitica. Zahlreich sind in Mähren gedruckte Titel. Werke zur Philosophie und Ethik gehen zumeist auf das Ende des 18. Jhs zurück. Kirchliches und weltliches Recht bilden einen kleineren Teilbestand, der durch Gesetzessammlungen und Werke zum Gerichtswesen ergänzt wird.

2.3 Umfangreich ist der Bestand zur Politik, der hauptsächlich der Problematik Österreich-Ungarns im 19. Jh gewidmet ist, aber auch Nationalitätenfragen und der politischen Lage einzelner Länder, z. B. Galiziens und Ungarns. Besondere Aufmerksamkeit galt Böhmen und Mähren. Weitere Themenbereiche sind die Stellung des Adels, Verläufe europäischer Revolutionen und der Frondienst. Der Bestand wird durch Biographien bedeutender Politiker ergänzt. Werke zur Freimaurerei sind vereinzelt vorhanden.

2.4 Naturwissenschaftliche Publikationen bilden den Grundstock des Bestandes aus dem 17. und 18. Jh. Neben allgemeiner naturwissenschaftlicher Literatur finden sich zoologische und mineralogische Werke zumeist mit detaillierten Abbildungen. Von den anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen sind Chemie, Physik, Mathematik und Astronomie vertreten. Besondere Aufmerksamkeit galt gegen Ende des 18. Jhs und zu Beginn des 19. Jhs den technischen Disziplinen, der Metallurgie, Elektrizität, der Entwicklung der Industrie, dem Fabrikwesen und der Ökonomie. Landwirtschaftliche Werke des 19. Jhs liegen zu Haustierzucht, Tierheilkunde und Gartenbau vor; des weiteren sind landwirtschaftliche Zeitschriften und Beschreibungen der Großgrundbesitze in Böhmen und Mähren vorhanden. Es schließen sich Werke zum Jagd- und Forstwesen und speziell zur Holzindustrie an. Umfangreich ist der Bestand der medizinischen Werke aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs und aus dem 19. Jh, der verschiedenen medizinischen Fachgebieten zuzuordnen ist, insbesondere der Balneologie mit Beschreibungen der Kurorte, der Einflüsse von Mineralquellen sowie der Homöopathie.

2.5 Militaria sind zahlreich durch Militärlehrbücher über Strategie und Taktik aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs repräsentiert, durch Beschreibungen der Heeresgattungen, der Organisation der Armee, Militärarchitektur, Beschreibungen von Schlachten, Kriegen und Feldzügen sowie durch die Geschichte einzelner Regimenter. Neben Biographien bedeutender Feldherren finden sich auch deren Memoiren sowie militärische Zeitschriften und Almanache. Eine besondere Gruppe bildet eine beträchtliche Sammlung von Militärlandkarten und -plänen. Nahezu alle vorhandenen Militaria beziehen sich auf die Armeen in Österreich.

2.6 Historische Publikationen stammen hauptsächlich aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs und umfassen Biographien bedeutender Persönlichkeiten, historische Topographien, Beschreibungen von Burgen, Städten und Ländern sowie genealogische und heraldische Werke. Besondere Aufmerksamkeit galt wiederum Böhmen und Mähren. Neben historischen Atlanten finden sich zudem Reisebeschreibungen des 18. und 19. Jhs, besonders zu Ländern in Asien, Afrika und Amerika.

2.7 Weiterhin besitzt die Bibliothek zahlreiche kleinere Teilbestände verschiedener Fächer. Die Belletristik ist vor allem durch deutsche Übersetzungen bedeutender europäischer Autoren aus dem späten 18. und dem 19. Jh vertreten. Vereinspublikationen, Jahresberichte u. ä. liegen speziell zu deutschen Vereinen in Mähren vor. Bei den Nachschlagewerken stehen allgemeine und spezielle Enzyklopädien, mehrbändige historische Nachschlagewerke und Wörterbücher zur Verfügung. Sprachlehrbücher, philologische Studien, Schullehrbücher und Kinderliteratur liegen vereinzelt vor. Der Bestand wird ergänzt durch Zeitschriften vom Ende des 18. und Anfang des 19. Jhs.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Standortkatalog [erstellt 1959-1960]

3.2 Historischer Katalog

Catalog der Excellenz gräflich Mittrowsky'schen Bibliothek in der Burg Pernstein [2 Bde; in alphabetischer Ordnung; erstellt von Moritz Trapp]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Bohatta, Johann; Holzmann, Michael: Adressbuch der Bibliotheken der Oesterreich-ungarischen Monarchie. Wien 1900, S. 154, Nr. 486

Lifka, Bohumír: Hradní knihovna pernštejnská [Die Burgbibliothek Pernstein]. In: Pernštejn. Státní hrad a okolí [Pernstein. Staatsschloß und Umgebung]. Praha 1953, S. 16-19

Kneidl, Pravoslav: Hradní knihovna pernštejnská [Die Burgbibliothek Pernstein]. In: Muzeum knihy Zdár nad Sázavou [Das Buchmuseum in Saar]. Praha 1958, S. 153

Kneidl, Pravoslav: Pernštejn. In: Knihovna Národ- ního musea v Praze [Die Bibliothek des Nationalmuseums in Prag]. Praha 1959, S. 148-149

Stand: Februar 1995

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.