FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Pfarrbibliothek

Adresse. Neugasse 5, 6303 Hungen [Karte]
Telefon. (06402) 9851

Unterhaltsträger. Ev. Kirchengemeinde Hungen
Funktion. Öffentlich zugängliche Pfarrbibliothek.
Sammelgebiete. 1. Allgemeine Sammelgebiete: Theologie und Philosophie. 2. Besondere Sammelgebiete: Reformation und Gegenreformation.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Vereinbarung.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung im Pfarramt erforderlich (z. Z. Pfarrer Wilfried Roth). Fußwegnähe vom Bahnhof. A 5, Ausfahrt Gießen-Ost; B 457.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Der historische Buchbestand, wie er sich heute in der Hungener Pfarrbibliothek findet, erweist sich vornehmlich als theologischer Bestand des Zeitraums zwischen 1550 und 1650. Die Reformation brachte umwälzende Veränderungen im religiösen Gefüge auch für die Grafschaft Solms-Braunfels und damit auch für Hungen, das zu dieser Zeit schon zu den bedeutenderen Städten dieser Grafschaft zählte. Seit 1560 kann die systematische Durchsetzung des Protestantismus in diesem landgräflichen Territorium durch den Grafen Philipp zu Solms-Braunfels bereits als erfolgreich abgeschlossen betrachtet werden.

1.2 Dies wirkte sich auch auf den Buchbestand der Hungener Pfarrbibliothek aus. Erst das reformatorische Engagement des Landgrafen Philipp zu Solms-Braunfels, das sich u. a. im Bau von Schulen und der Unterhaltung von Lehrkräften zur Durchsetzung der " neuen Lehre" niederschlug, und das seines Sohnes Konrad, der für seine Solmser Landeskinder Stipendien an reformierten Universitäten stiftete, bereitete den geistigen Boden, auf dessen Grundlage die Anschaffung einer für die damalige Zeit " aktuellen" Bibliothek mit den wichtigsten reformatorischen und gegenreformatorischen Schriften sinnvoll und notwendig erschien.

1.3 Einer der Nutznießer der von Konrad gestifteten Stipendien war Philipp Schnabel, der seit 1607 in Heidelberg studierte. Von 1613 bis 1617 war er dritter Pfarrer in Büdingen gewesen und von dort nach Hungen gewechselt, wo er bis zu seinem Tode (1635) als erster Pfarrer wirkte. Ihm ist wesentlich das Zustandekommen der Bibliothek der Hungener Pfarrei zu verdanken. " Er hat die Bücher von den zahlreichen Fürsten und Grafen Oberhessens erbettelt, durch Freunde billig beschaffen oder sich schenken lassen, von reicheren bürgerlichen und kirchlichen Gemeinden erbeten, oder gar bei den Buchdruckern selbst diesen regelrecht abgepreßt" (Küther, S. 454).

1.4 Aus einigen Einträgen in Büchern geht hervor, daß er diese aus Büdingen nach Hungen mitgebracht hat. Dieser Wechsel scheint nicht ohne Probleme vonstatten gegangen zu sein, denn es läßt sich eine schriftliche Intervention des Grafen zu Solms-Hungen an den Grafen zu Isenburg-Büdingen im August 1617 nachweisen, in der dieser gebeten wird, dem Stellenwechsel Schnabels keine Hindernisse in den Weg zu stellen. Diese Bitte wird noch durch den " Hinweis auf die Reformationshilfe, die sich die Häuser Isenburg-Büdingen und Solms früher geleistet hätten" (Küther, S. 455) unterstrichen. Daß auch das Motiv der gegenseitigen Unterstützung bei der Ausbreitung und Festigung der Reformation eine Rolle bei der Konstituierung des Bibliotheksbestandes gespielt hat, erweist sich durch Eintragungen, die das Haus Isenburg-Büdingen als Herkunftsort erwähnen.

1.5 Weitere Details zur Bestandsgeschichte (ob etwa Gelder für die Bibliothek durch Pfründe aufgelöster Altäre bereitgestellt worden sind oder ob Graf Reinhard zu Solms-Hungen, Sohn des Grafen Konrad, die Pfarrbibliothek unmittelbar unterstützte) lassen sich vorläufig nicht klären. Dies gilt ebenfalls für den restlichen Buchbestand der Bibliothek, der weitgehend aus dem 18. Jh stammt. Hier läßt sich über die Herkunft keine Angabe machen.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Der Gesamtbestand der alten Hungener Pfarrbibliothek (neben dieser gibt es noch eine Ausleihbibliothek nicht-historischer Bücher für die Gemeindearbeit) ist bis auf eine Ausnahme gänzlich vor 1900 erschienen. Neben 3 Inkunabeln sind 140 Titel des 16. Jhs, 78 des 17. Jhs, 59 des 18. Jhs und 2 des 19. Jhs vorhanden; 9 Titel (vor 1900) weisen keine Jahreszahl auf.

2.2 Das Lateinische ist mit 225 Titeln vertreten (etwa 77 Prozent), die deutsche Sprache nur mit 53 Titeln, die griechische mit 7, die französische mit 5 (alle aus dem 18. Jh) und die hebräische mit einem Titel. Systematische Übersicht

2.3 Der Bestand ist mit 291 Titeln zwar vergleichsweise gering, stammt aber zu 76 Prozent (221 Titel) aus dem 15. bis 17. Jh und repräsentiert die geistigen Auseinandersetzungen des Zeitalters der Reformation und der Glaubenskriege, oft in Erstausgaben. Es handelt sich im wesentlichen noch immer um die Bibliothek, die im Zeitalter der Reformation als notwendige " Grundausstattung" für die Durchsetzung der " neuen Lehre" betrachtet wurde (s. a. 1.2-1.4). Die Aufstellung ist unsystematisch; die Gruppierung ist für die Beschreibung vorgenommen worden.

2.4 Die umfangreichste Sachgruppe mit 53 Titeln bilden profan- und kirchenrechtliche Werke, darunter Ausgaben des Lexikon juris civilis von Jakob Spiegel (1554), des Orbis Romanus (1728) von Ezechiel Spanheim, der Elementa juris criminalis Germanico-Carolini (1753) und der Elementa juris canonico-pontificio-ecclesiastici (1753) von Johannes Rudolf Engau sowie der Untersuchung De Republica libri sex von Jean Bodin (Paris 1584).

2.5 Mit 46 Titeln stellt das reformatorische und gegenreformatorische Schrifttum die zweitgrößte Sachgruppe dar. Eine Ausgabe von Luthers Schriften (1551-1573, ohne Band 2) weist Holzdeckel auf, in die Luthers Bild eingeprägt wurde, sowie Beschläge und Metallschließen. Von Melanchthon liegen eine Werkausgabe (1562-1564) sowie zwei Einzelschriften vor. Weiterhin sind Calvin, Zwingli, Theodor Beza, Heinrich Bullinger, Zacharias Ursinus und Christoph Pezel mit Einzelwerken vertreten. Es überwiegen Streitschriften, unter denen sich auch reformatorisches, gegen die Jesuiten gerichtetes Schrifttum befindet (so von Gregor Zarnowtza). Jesuitische Kontroverstheologen sind durch Martinus Becanus, Robert Bellarmin u. a. repräsentiert.

2.6 Bibel- und Psalmenkommentare umfassen (außer den bereits erwähnten von Luther und Calvin) 35 Titel. Unter den Autoren des 16. und 17. Jhs sind Johann Piscator und Aegidius Hunnius zu nennen. Bibelausgaben schließen das Neue Testament von Erasmus (1541) und eine Lutherbibel (1617) ein. Unter den Predigt- und Andachtsbüchern (33 Titel) ist eine Sammlung von Tilemann Heshusius zu erwähnen (Jena 1573) sowie ein Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz gewidmetes Psalmbuch mit Noten, das 1604 in Lich gedruckt wurde.

2.7 Den " artes" sind 32 Titel zuzuordnen, darunter eine griechische Grammatik von Nikodemus Frischlin (1589), eine mathematische Tabellensammlung von Johannis de Monte (1606) und Werke zur Logik von Amandus Polanus (1599) und Jacob Zabarella (1593). Antike Standardautoren (besonders Cicero) sind mit 25 Titeln des 16. und 17. Jhs vertreten; die Kirchenväter mit 8 Titeln, darunter eine Ausgabe von Johannes von Damascus von 1512.

2.8 Bei den Inkunabeln handelt es sich um die Rufinus-Übersetzung von Eusebius (zwischen 1475 und 1480), um eine Ausgabe von Bedas Historia ecclesiastica (zwischen 1475 und 1478) und die Soliloquia des Bonaventura (vor 1474).

3. KATALOGE

Alphabetischer Katalog

[nach Hausregeln; Zettelkatalog, teilweise überholt]

Die Bestände sind nicht im Hessischen Zentralkatalog nachgewiesen.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Küther, Waldemar: Philipp Schnabel, Pfarrer zu Hungen im Dreißigjährigen Krieg. In: Das Buch der Stadt Hungen. Hungen 1961

Stand: April 1991

Joachim Meißner


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.