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Pfarrbibliothek

Adresse. Pfarramt, 3672 Maria Taferl
Telefon. (07413) 278

Unterhaltsträger. Pfarre Maria Taferl
Funktion. Historische Pfarrbibliothek.
Sammelgebiete. Überwiegend Theologie, ferner Geschichte, Geographie, Recht, Naturwissenschaften und Medizin. - Der Bestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Schriftliche Genehmigung des Bischöflichen Ordinariates (Domplatz 1, 3100 St. Pölten; Tel. 02742/521 01-30) erforderlich. Termin nach Vereinbarung mit dem Pfarramt. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Westbahn bis Melk, Busverbindung ab Bahnhof. - A 1, Abfahrt Melk.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Pfarrbibliothek wurde 1759 von Franz Anton Weillnpöck (ca. 1708, Kurat in Maria Taferl 1739/1740 und 1772 bis 1781) gegründet. Er brachte ca. 1500 Bde nach Maria Taferl, um den Seelsorgern die Möglichkeit zur Weiterbildung zu geben. An seine Stiftung waren die Bedingungen geknüpft, einen eigenen Raum für die Unterbringung der Bücher zu schaffen, einen Bibliothekar zu bestellen und den Erlaß eines Dekretes gegen Defraudatores durch den Bischof von Passau zu erwirken.

1.2 Die Bücher waren bis zur Adaptierung eines Bibliotheksraumes im Zisterzienserstift Säusenstein gelagert, von wo sie 1760 in den zwecks Feuersicherung eingewölbten und durch Einziehung von Holzdecken in Geschoße unterteilten Raum der ehemaligen Blasbalgkammer im Kirchturm überstellt werden konnten. Der Bischof von Passau, unter dessen Schutz die Bibliothek stand, verbot 1761 unter der Strafe der Exkommunikation die betrügerische Entwendung von Büchern und die Entlehnung ohne Wissen des Bibliothekars. Zu den Büchern Weillnpöcks kamen 1768 254 Werke aus dem Besitz des Administrators der Pfarre in den Jahren 1763 bis 1768, Franz Josef Reischl (†1768), hinzu. Einige Bände tragen Eigentumsvermerke der Donatoren Weillnpöck und Reischl.

1.3 Als bedeutendster Förderer der Bibliothek erwies sich Adalbert Blumenschein (1720-1781). Seit 1761 wirkte er in Maria Taferl als Bibliothekar, später auch als Kurat und Administrator. Er schuf sich eine ansehnliche Privatbibliothek (ca. 5000 Bde), die in drei Zimmern des Kuratenhauses untergebracht war. Die Bücher hatte er z. T. auf Reisen zusammengetragen - er besuchte alle bedeutenden Bibliotheken in Europa, was seinen Niederschlag in der vier Foliobände umfassenden handschriftlichen Beschreibung verschiedener Bibliotheken in Europa (s. u. 4.1) fand. Seine geistige Aufgeschlossenheit und seine breitgestreuten Interessen spiegeln sich im Buchbestand wider, wobei seine Vorliebe den Bereichen Geschichte, Geographie, Naturwissenschaften, Diplomatik und Bibliothekskunde galt.

1.4 1774 stiftete Blumenschein seine Privatbibliothek der Wallfahrtsstätte Maria Taferl. Er erließ eine Bibliotheksordnung, derzufolge seine Büchersammlung in den Sommermonaten wöchentlich einmal für zwei Stunden allen Interessenten zur Verfügung stehen sollte. Auch für die Zeit nach seinem Ableben traf er Vorsorge, indem er den Zinsertrag des von ihm gesichert angelegten Kapitals (1500 Gulden) zur Aufbesserung des Gehalts des Bibliothekars und seines Gehilfen bestimmte. Laut Blumenschein soll die Bibliothek 1780 8000 Bde umfaßt haben.

1.5 Blumenscheins Intention war es auch, durch die Bibliothek das Ansehen des Wallfahrtsortes zu heben. Es war sein ausdrücklicher Wunsch, daß dieser Bücherschatz immer in Maria Taferl verbleibt, doch bereits 1797 kamen ca. 3700 Bde seiner Sammlung an die Bibliotheca Theresiana in Wien, der Restbestand wurde 1799 in die Pfarrbibliothek übertragen. Die sich unter derselben befindliche Opferkammer wurde ebenfalls als Aufstellungsort für Bücher verwendet.

1.6 Aus wirtschaftlichen Gründen wurden viele Bücher, aber auch Medaillen, Conchilien und Mineralien um 1800 veräußert. Erst 1825 konnte wieder ein größerer Zuwachs verzeichnet werden, als der Bibliothek Werke aus dem Privatbesitz Chrysostomus Steinsdorfers (1758-1825), Kooperator in Maria Taferl in den Jahren 1804 bis 1821, zukamen. 1838 brachte der Büchernachlaß des Pfarrers von Maria Taferl, Christian Koblinger (1759-1838), eine weitere Bestandsvermehrung. 1839 nahm Dechant Anton Dobner von Dobenau eine Neuordnung und -katalogisierung der Pfarrbibliothek vor. Ihre weitere Geschichte ist bislang nicht erforscht.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der historische Bestand beläuft sich auf ca. 6100 Titel (7400 Bde); rund 400 Bde stammen aus dem 20 Jh. Die meisten Bücher sind im Kirchturm untergebracht, rund 1700 Bde im Pfarrhof. Der Chronologischen und Sprachlichen Übersicht liegt die Titelzählung anhand des Autorenkataloges zugrunde, für die Systematische Übersicht wurden die Bände am Regal gezählt. Ob tatsächlich alle im Katalog verzeichneten Werke vorhanden sind, müßte eine Revision des Bestandes klären. Auch konnte bei den Erhebungen am Regal keine Inkunabel ausfindig gemacht werden. Zitiert sind nur Bücher, die in der Bibliothek vorgefunden wurden.

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Laut Katalog sind neben 13 Inkunabeln 189 Titel aus dem 16. Jh, 1011 (17 Prozent) aus dem 17. Jh, 4611 (78 Prozent) aus dem 18. Jh und 60 aus dem 19. Jh vorhanden. 210 Werke ohne Erscheinungsjahr sind ebenfalls dem historischen Buchgut zuzuzählen und werden daher in der weiteren Beschreibung berücksichtigt. Mit 3570 Titeln liegen 58,6 Prozent der Drucke in deutscher Sprache vor, 2219 (36 Prozent) sind lateinisch, 252 italienisch und 53 französisch.

Systematische Übersicht

2.3 Die Bibliothek ist in den zwei Etagen des Kirchturms nach Sachgebieten aufgestellt; die Ordnung ist allerdings nicht streng eingehalten. Ca. 300 Bde der Abteilung Theologia dogmatica, positiva et apologetica schließen u. a. 10 Titel von Martin Gerbert, die Opera controversis (1614) von Georg Scherer, den Controvers-Catechismus (1750) Joseph Fitterers und das Opusculum polemicorum (1718) von Martin Szent-Ivany ein. Auch Schriften Johann Ecks in frühen Ausgaben und die Histoire du Luthéranisme (1681) von Louis Maimbourg fehlen nicht. Im Anschluß daran finden sich Biblica - rund 200 Bde an Bibelausgaben, Kommentaren und Konkordanzen. Neben den bekannten Kommentaren von Aloisius Novarinus (1692) und Jacob Tirinus (1757) sind auch August Torniellis Annales sacri et profani (1616) hier eingereiht.

2.4 Besonders umfangreich ist mit ca. 950 Bdn der Bestand an Homiletae et concionatores, der sich zum überwiegenden Teil aus deutschsprachigen Gelegenheitspredigten und Predigtsammlungen aus dem 18. Jh zusammensetzt (u. a. von Alois Merz, Johann Krävogel, Philipp Hartung, Matthias Fabri). 35 Titel weist der Katalog von Franciscus Neumayr nach. Unter den Drucken des 17. Jhs gibt es Predigten von Ulrich Neuburger, Simeon Manhard, Georg Stengel und Michael Pexenfelder, unter jenen des 16. Jhs einige Postillen von Johann Eck und Johann Mathesius.

2.5 Die drittgrößte Bestandsgruppe bildet mit ca. 740 Bdn die Aszetik. U. a. liegen Joannes Bucellenis Asceticae considerationes (1666), die Bibliotheca Ascetica (1723-1740) des Melker Stiftsbibliothekars Bernhard Pez sowie zahlreiche kontemplative Schriften und Ars-moriendi-Literatur aus dem 18. Jh vor. Von Franz von Sales sind - laut Katalog - 17 Titel vorhanden.

2.6 Das Sachgebiet Historia ecclesiastica et profana ist mit ca. 380 Bdn vertreten, darunter kirchengeschichtliche Werke von Callistos Nicephoros Xanthopulos und Eusebius von Caesarea in Ausgaben des 16. Jhs. Im übrigen handelt es sich hauptsächlich um Drucke des 18. Jhs (z. B. Lazarus von Imhoffs Welt-und Kirchengeschichte, 1736-1769; Lorenz von Mosheims Ketzergeschichte, 1748). Von den hier eingereihten profangeschichtlichen Büchern seien das Hauptwerk von Hieronymus Pez, die Scriptores Rerum Austriacarum (1721-1745), und Friedrich Büschings Magazin für die neue Historie und Geographie (1767-1781) hervorgehoben.

2.7 Ca. 780 Bde stehen in der Abteilung Praktische Theologie. Neben zahlreichen Katechismus-Ausgaben vor allem aus dem 18. Jh (Nicolaus Cusanus, Mauritius Geiger, Paulus Merz, Ferdinand Gessl) gibt es Literatur über die christliche Kinderzucht (18. Jh), Handbücher zur Religionswissenschaft, Pastorallehre sowie Werke über geistige Strömungen (Deismus etc.). Auch einige Zeitschriftenreihen sind hier angeordnet (Theologisch-praktische Quartalschrift, 1883-1913; Zeitschrift für katholische Theologie, 1886-1913), außerdem Manualien und Missalien, auch Ausgaben des 16. Jhs. Zur Moraltheologie finden sich weitere 150 Bde, wobei die Drucke aus dem 18. Jh dominieren, darunter Werke von Mathäus de Moya und Anaklet Reiffenstuel.

2.8 Die Gruppe Linguistica et classici setzt sich aus rund 240 Bdn zusammen. Bei der sprachwissenschaftlichen Literatur fällt der relativ große Bestand zur italienischen Orthographie, Grammatik und an Wörterbüchern auf (ca. 30 Titel, die ältesten reichen in das 17. Jh zurück). Gut vertreten sind auch die Werke zur französischen und lateinischen Linguistik, während zum Spanischen, Griechischen, Ungarischen und Dänischen jeweils nur einige Titel vorliegen. An antiker klassischer Literatur gibt es u. a. Juvenals und Persius' Satyrae (1684) und Homers Iliados liber primus (1667).

2.9 Die Abteilung Ius canonicum et civile umfaßt ca. 500 Bde, darunter Standardwerke wie Ehrenreich Pirhings Ius Canonicum (1674-1678). Auch einschlägige Darstellungen von Vitus Pichler und Laurentius de Nicollis sowie der Tractatus iudicorum (o. J.) des Bartolus de Saxoferrato und Johann Wolfgang Textors Tractatus de Iure Publico (1722) fehlen nicht.

2.10 Ca. 180 Bde enthält die Bestandsgruppe Historia profana et Geographia. Neben Schriften Martin Zeilers in Ausgaben des 17. Jhs finden sich u. a. Curtius Rufus' Taten Alexanders des Großen (1696), ferner vielbändige Werke aus dem 18. Jh, wie die mit farbigen Karten und Kupferstichen ausgestattete Neue Europäische Staats- und Reisegeographie (1750 ff.). Die Abteilung Historia Profana weist weitere 130 Bde auf, vorwiegend Darstellungen zur Geschichte der Länder der österreichisch-ungarischen Monarchie, Chroniken und Panegyriken auf verschiedene Herrscher.

2.11 Die rund 750 Bde Miscellania betreffen u. a. die Bereiche Land- und Hauswirtschaft (Haushaltungslexikon, 1740), Handel (Museum rusticum et commerciale, 1764) und Kriegswissenschaft (Wilhelm Fridericis Gründliche Einleitung in die Kriegswissenschaft, 1763; Peter Eberhards Vorschläge zur Anlegung der Pulvermagazine, 1771). Mit eingeschlossen sind verschiedene Lexika, Briefsteller sowie Literatur zu Kunstgeschichte und Erziehung (u. a. Prinzen-Lust, 1703). Zudem finden sich Werke über Navigation (z. B. L'arte del navegar des Pedro de Medina, Venedig 1555), Glasherstellung (z. B. Johann Kunckels Glasmacher-Kunst, 1689), Sonnenuhren (u. a. eine mit Kupferstichen versehene Anweisung zu deren Verfertigung, 1762) sowie über Architektur (Manuale d'Architettura von Giovanni Branca, 1772).

2.12 Reisebeschreibungen, Belletristik, Schriften jesuitischer Missionare und ähnliches, insgesamt rund 440 Bde, sind in der Abteilung Profana angeordnet. Von den zumeist vielbändigen Werken seien Der Kinderfreund (1780 ff.) und die Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften (1768 ff.) erwähnt. Zur Historia Naturalis sind ca. 230 Bde eingereiht, neben allgemeinen Abhandlungen, wie Albrecht Hallers Allgemeiner Historie der Natur (1750 ff.), Christian Wolffs Vernünftigen Gedanken über die Wirkungen der Natur (1746) oder der Historia naturalis des Plinius (o. O. 1507), auch medizinische Literatur. Die Opera des Paracelsus (1603) sind ebenso vorhanden wie Johann Agricolas Anmerkungen über chymische Arzneyen (1686) sowie Kräuter- und Arzneibücher aus dem frühen 18. Jh.

3.KATALOGE

3.1 Allgemeine Kataloge

Autorenkatalog

[hschr. angelegt zwischen 1875 und 1903, mit Standortsignaturen versehen; aufbewahrt in der Pfarrbibliothek von Maria Taferl]

Catalogus Bibliothecae Parochalis Ecclesiae in Tabellis-Marianis

[1839 angelegter und nach Autoren geordneter Bandkatalag; in Verwahrung des Diözesanarchivs St. Pölten]

Catalogus Bibliothecae in Tabellis Marianis

[um 1800 angelegter Bandkatalog; in Verwahrung des Diözesanarchivs St. Pölten]

3.2 Sonderkatalog

Verzeichnis der bei der k.k. Landesfürstl. Pfarr Maria Taferl in der so benamst Blumenscheinschen Bibliothek vorgefundenen und auf hohem Befehl zur Ablieferung eingepackten Bücher

[1786; aufbewahrt im Niederösterreichischen Landesarchiv; Klosterrat, Karton 207, Vermischte Angelegenheiten"]

4. QUELLEN UND DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Blumenschein, Adalbert: Maria Taferl. In: Beschreibung verschiedener Bibliotheken in Europa [Hs. an der ÖNB Wien, Codex S. n. 2808. Bd 2, S. 107-109]

Hinweise zur Geschichte der Bibliothek enthalten auch die Pfarrakten im Pfarrarchiv Maria Taferl [Pfarramt Maria Taferl, Pfarrakten, Karton 1-12]

Inventarium der l. f. Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Taferl (1862) [beiliegend ein Catalog über die Blumenschein'sche Bibliothek vom 28. 9. 1862 mit der Überschrift: Zur Blumenschein'schen Bibliothek, worüber mit Ende 1847 ein ausführlicher Katalog vorgelegt worden ist, der laut h. Regierungs-Dekretes vom 17. März 1848 Z. 13467 anstandslos befunden wurde, sind seither laut den Kirchenrechnungen nachstehende Bücher und Schriften zugewachsen. Im folgenden werden 191 Werke aufgezählt; Diözesanarchiv St. Pölten, DASP, Pfarr- und Klosterakten Maria Taferl 10]

4.2 Darstellungen

Klos-Bouzek, Friederike: Mit Adalbert Blumenschein durch Niederösterreichs Bibliotheken. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 54/55 (1988/1989) S. 200-203

Kraft, Josef: Die Bibliothek Blumenschein in Maria Taferl. In: Reichspost vom 1. Mai 1926, S. 21 f.

Plesser, Alois: Zur Kirchengeschichte des Waldviertels. In: Geschichtliche Beilagen zum St. Pöltner Diözesanblatt 11 (1932) [Beitrag Maria Taferl S. 454-460]

Stand: Juli 1991

Wilma Buchinger


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.