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Bibliothek des Prämonstratenser-Chorherrenstiftes Wilten

Adresse. Stift Wilten, Klostergasse 7, 6020 Innsbruck [Karte]
Telefon. (0512) 58 30 48-32

Unterhaltsträger. Prämonstratenser-Chorherrenstift Wilten
Funktionen. Wissenschaftliche Bibliothek; Studienbibliothek zur hausinternen Verwendung.
Sammelgebiete. Tirolensia, Wiltinensia, Prämonstratensia, Theologie, Kunst und Geschichte.
Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. - Benützung nach schriftlicher oder telefonischer Vereinbarung. Keine Entlehnung. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für Benützer. Kopiergerät, PC-Terminals für die durch EDV erfaßten Bestände.
Hinweise für anreisende Benützer. Anmeldung erforderlich. - Straßenbahnlinie 1 bis Endstation (Berg Isel).

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Eine Klosterbibliothek ist schon für die früheste Zeit des 1138 von Papst Innozenz II. bestätigten Prämonstratenserstiftes Wilten bezeugt. In einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1140, deren Echtheit allerdings umstritten ist, werden neben liturgischen Geräten auch Bücher angeführt. Die heute noch erhaltenen Hss. stammen jedoch sicher nicht aus diesem Bestand. Prämonstratenser-Chorherrenstift Wilten

1.2 Aus dem 14. und 15. Jh sind noch einige Hss. und zahlreiche Inkunabeln vorhanden. Darüber hinaus gibt es Nachrichten über Buchentlehnungen und die Namen einiger Schreiber aus dem Wiltener Skriptorium (z. B. Michael Ausse, der ein Werk zur frühen Geschichte des Prämonstratenserordens, das Opusculum Compendiosum et probabile de exordio, plantatione, loco, nomine, habitu, regula, postulacione ... - Cod. 120 der Universitätsbibliothek Innsbruck -, verfaßte). Die wachsende Zahl der gedruckten Bücher machte es in der zweiten Hälfte des 15. Jhs notwendig, für eine entsprechende Unterbringung zu sorgen. Abt Ingenuin Mösl (reg. 1458-1464) ließ einen eigenen Bibliotheksraum schaffen, Abt Alexius Stoll (reg. 1470-1492) erweiterte die Bibliothek loco pulchro und richtete sie neu ein. Es dürfte sich dabei um eine für das ausgehende Mittelalter typische Pult- bzw. Kettenbuchbibliothek gehandelt haben. In dieser Zeit wurden viele Werke mit gotischen Blindstempeleinbänden versehen. Teilweise tragen sie den Namensstempel ERIBER, der in anderer Form vor allem im südwestdeutschen Bereich nachgewiesen ist.

1.3 Auf den Niedergang des Klosters im 16. Jh folgte im Verlauf der Gegenreformation ein Aufschwung, der sich durch vermehrte Bücherkäufe auch auf die Bibliothek positiv auswirkte. Um 1600 wurden zahlreiche beschädigte Einbände durch neue Rolleneinbände mit Blinddruck ersetzt - hervorzuheben sind 70 Bde aus der Werkstatt Leonhard Schuechls - und die Werke (bis 1617) erstmals mit Signaturen versehen.

1.4 Im 17. und 18. Jh gewann die Bibliothek durch das Wirken der Äbte Andreas Mayr (reg. 1621-1650) und Martin Stickler (reg. 1719-1747) große Bedeutung. Nahezu alle Fachgebiete - allen voran die Theologie - waren mit den wichtigsten Werken vertreten. Unter Abt Martin Stickler wurde als letzte Etappe des barocken Umbaus des Klosters auch die Bibliothek in ihrer heutigen Form als Saalbibliothek geschaffen, zahlreiche Bücher neu gebunden und der Bestand neu geordnet und signiert.

1.5 Infolge der Klosteraufhebung durch die bayerischen Behörden 1807 wurde der wertvollere Teil der Sammlung der Universitätsbibliothek Innsbruck inkorporiert. Anläßlich der Wiedereingliederung Tirols in das österreichische Staatsgebiet 1815 bemühte sich das Stift zwar um die Rückgabe der ausgelagerten Bücher, konnte aber nicht die volle Anzahl wieder zurückführen (1816). Mindestens 34 Hss., das kostbare Konvolut von drei Blockbüchern (darunter der wertvolle Liber Regum, der Mitte des 15. Jhs in Deutschland entstanden sein soll und von dem es weltweit nur 5 Exemplare gibt), etwa 75 (von ursprünglich 210) Inkunabeln und ca. 160 Drucke des 16. bis 18. Jhs verblieben an der Universitätsbibliothek (insgesamt etwa 270 Bde). 140 Inkunabeln wurden an die Bibliothek retourniert.

1.6 Abt Alois Röggl (reg. 1820-1851), einer der Mitbegründer des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, konnte aus der sogenannten Fliegerschen Stiftung an der Pfarrkirche Hall 10 Hss. aus dem 15. Jh - darunter 8 Kettenbücher mit erhaltener Kette - und 30 Inkunabeln erwerben. Unter seinem Nachfolger, Abt Johannes Freninger (reg. 1851-1876), wurde eine Tirolensien-Sammlung angelegt und der gesamte Bestand des Bibliothekssaales katalogisiert.

1.7 Zu Zeiten wirtschaftlicher Notlagen - 1877, im 20. Jh während der Zwischenkriegszeit - war das Kloster gezwungen, einige wertvolle Stücke zu verkaufen. 1939 bis 1945 war das Stift durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt, 1943 mußten sämtliche Bücher zum Schutz vor Bombenangriffen nach Stams verlagert werden, von wo sie 1954 wieder zurückgebracht wurden.

1.8 Im Zuge der Renovierung der Stiftsanlage (1976 bis 1988) wurde die Bibliothek erweitert und mit einem neuen Regalsystem (Compactus-Anlage) versehen, in das vorwiegend die Bestände nach 1800 aufgenommen werden. Die derzeitige Katalogisierung des Gesamtbestandes nach dem EDV-System LIDOS setzt für den Bibliotheksbetrieb neue Maßstäbe. Darüber hinaus wurde die Geschichte der Bibliothek und ihrer historischen Bestände in einer Monographie festgehalten, in der auch die heute in Innsbruck befindlichen Bände nachgewiesen sind (Bibliotheca Wilthinensis, s. u. 4.2).

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Bei einem Gesamtbestand von ca. 60.000 Bdn umfaßt der historische Teil der Sammlung etwa 33.000 Bde. Davon sind rund 13.300 in der Barockbibliothek aufgestellt und größtenteils vor 1800 erschienen (rund 1020 im 16. Jh, 3000 im 17. Jh, 8200 im 18. Jh und 800 im 19. Jh). 300 Werke weisen kein Erscheinungsjahr auf. Der Hauptanteil der Literatur des 19. Jhs (20.000 Bde) ist in den rund 40.000 Bdn enthalten, die in der Compactus-Anlage untergebracht, aber noch nicht vollständig katalogisiert sind. Der Inkunabelbestand beläuft sich auf 253 Titel.

2.2 60 Prozent des Bestandes sind deutschsprachig, 25 Prozent in Latein, 10 Prozent in romanischen (Italienisch, Französisch, Spanisch) und 5 Prozent in anderen Sprachen verfaßt.

Systematische Übersicht

2.3 Der historische Bestand ist im wesentlichen nach der alten Ordnung der Barockbibliothek systematisch aufgestellt. Von den rund 12.500 Titeln der Barockbibliothek sind 616 Biblica, 631 entfallen auf die Patristik, 332 auf die Scholastische Theologie, 311 auf die Dogmatik; 1086 Titel sind der polemischen Literatur, d. h. der Apologetik und Kontroverstheologie, sowie der Moral- und Pastoraltheologie zuzurechnen. Zu erwähnen sind einige frühe deutschsprachige Titel zur Moraltheologie, z. B. das von Johann Altenstaig verfaßte Werk Ain nutzlich unnd in hailiger geschrifft gegründte underricht/was ain Christen mensch thun oder lassen sol/daz er sälig und nit verdärbt werd (Augsburg 1523) und Hans von Wildecks Die zehe gebot in diesem Büch erclert und ußgelegt durch etlich hochberümbere lerer (Straßburg: Johann Grüninger 1515) mit Holzschnitten von Hans Baldung. Die Homiletik ist mit 1315 Werken vertreten, die Aszetik mit 773, Kirchenrecht mit 600, Kirchengeschichte mit 1145. Der restliche Bestand zur Theologie (337 Titel) entfällt auf Varia.

2.4 Zum Profanrecht zählen 661 Bücher, darunter frühe Ausgaben (16. Jh) von tirolischen und bayerischen Landesordnungen, z. B. die New reformierte Landts Ordnung der Fürstlichen Grafschafft Tyrol (1532). Zur Profanhistorie sind 1610 Titel vorhanden. Zu Literatur- und Sprachwissenschaft liegen 1970 Bücher vor, 690 davon aus dem 19. Jh. Dazu kommen kleinere Gruppen, z. B. Ethik und Politik (438 Titel), scholastische Philosophie (238), Mathematik (70), Medizin (67) und Naturgeschichte (164). 136 Tirolensia und Praemonstratensia, die vor 1800 erschienen, sind bereits katalogisiert, aber im Magazin aufgestellt.

2.5 Die noch nicht erfaßten Bestände (rund 40.000 Bde) sind ebenfalls systematisch angeordnet, und zwar nach folgenden Fachgebieten: Tirolensia, Kunstgeschichte, Geschichte, Naturwissenschaften, Geographie, Sprachwissenschaft, griechische und lateinische Literatur, französische und spanische Literatur, englische und italienische Literatur, deutsche Literatur, Jus, Soziologie, Philosophie, allgemeine und spezielle Kirchengeschichte, Kirchenrecht, Theologie (allgemein), Liturgie und Moral, Homiletik, Betrachtungs- und Gebetsliteratur, Pädagogik, Pastoraltheologie, Katechetik, religiöse Zeitfragen, Biblica, Patrologie, Orden, Hagiographie, Jesus- und Marienleben, Praemonstratensia, Zeitschriften (ca. 170 Titel) und Lexika. Unter den bereits bearbeiteten Titeln des 19. Jhs sind 1500 Tirolensia, 1600 historische Werke, 700 naturwissenschaftliche, 300 kunsthistorische sowie 300 geographische.

Sondersammlung

2.6 Inkunabeln. Der Bestand umfaßt 253 Titel, die - mit einigen Ausnahmen - gesondert aufgestellt sind. Weitere 75 Bde (100 Titel) befinden sich in der Universitätsbibliothek Innsbruck. 50 der im Stift aufbewahrten Inkunabeln stammen aus Nürnberg, je 40 aus Venedig und Straßburg, 34 aus Basel und 28 aus Augsburg. Die restlichen entfallen auf weitere 16 Druckorte. Bis auf drei Exemplare sind alle Inkunabeln in lateinischer Sprache verfaßt. Der Bestand verteilt sich auf 41 Titel zur Homiletik, 38 zum Kirchenrecht, 24 Biblica, 21 zur Theologie im allgemeinen, 17 Summen, 16 moraltheologische Werke, 14 Liturgica und 11 Titel zur Patristik. Die übrigen Fachgebiete sind mit weniger als 10 Titeln vertreten.

2.7 Eine seltene Inkunabel ist z. B. eine Ausgabe der Decretales Gregors IX. (Venedig: Rainaldus de Novimagio 1489), die außer in Wilten nur noch in Pisa nachgewiesen werden konnte. Weiters besitzt die Bibliothek ein Exemplar der sogenannten Zainer-Bibel, der vierten deutschen Bibelausgabe (Biblia, deutsch, Augsburg: Günther Zainer ca. 1475/1476). Die älteste vollständig vorhandene Inkunabel ist Johannes Auerbachs Summa de auditione confessionis et de sacramentis (Augsburg: Günther Zainer 1469), als Fragment liegt eine Biblia von 1466 vor (Straßburg: Heinrich Eggestein; nur Genesis bis Psalmi).

3.KATALOGE

3.1 Moderner allgemeiner Katalog

Autorenkatalog nach dem EDV-System LIDOS

[seit 1990 in Arbeit, umfaßt bisher die historischen Bestände bis 1800, nach vereinfachten RAK]

3.2 Moderner Sonderkatalog

Inkunabelkatalog

[Kurzverzeichnis aller an der UBI (Universitätsbibliothek Innsbruck) befindlichen Wiltener Inkunabeln, Appendix in W. Neuhausers Bibliotheca Wilthinensis, s. u. 4.2]

3.3 Historische allgemeine Kataloge

Stand-Katalog

[16 Bde, nur für die theologischen Fachgruppen, angelegt im 18. Jh]

Systematischer Katalog

[2 Bde, innerhalb der Systemgruppen alphabetisch nach Autoren geordnet, angelegt anläßlich des Neubaues der Bibliothek im 18. Jh, Ergänzungen bis um 1750]

Supplement zum Systematischen Katalog

[Bandkatalog, enthält vorwiegend Zeitschriften um 1800]

Stand-Katalog

[ein Band, erstellt Ende des 18. Jhs, enthält ausschließlich Werke des 15. bis 18. Jhs]

Freninger-Katalog

[systematisch, innerhalb der Fachgruppen nach Autoren geordnet, 3 Bde, angelegt 1862]

Entlehnverzeichnis

[Supplement zum Freninger-Katalog, angelegt 1862]

Inventar [Akzessionsjournal, Ende 19. Jh]

Autorenkataloge

[2 Kataloge in Zettelform, 20. Jh, abgebrochen]

3.4 Historische Sonderkataloge

Inkunabelkataloge

[2 Bandkataloge, jeweils chronologisch geordnet, angelegt von Abt Alois Röggl, Mitte 19. Jh]

Inkunabelkatalog

[Supplement zum Freninger-Katalog, chronologische Ordnung, angelegt 1862]

Inkunabelkatalog

[in Heftform, chronologische Ordnung, Ende 19./Anfang 20. Jh]

4. QUELLEN UND DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Im Stiftsarchiv unter Alte briefliche Privilegien und Schenkungen:

Rechnungsbücher ab 1524

Prioratsrechnungen ab 1553

Tschaveller, Adalbert: Annales. 1730

Diarien (zwischen 1234 und 1640 sowie aus dem 19. Jh)

Inventar des Stiftbriefes von Reginbert von Brixen (1140)

Abttagebücher von 1651 bis 1722 sowie 1809 bis 1850

Ankaufs- und Geschenkvermerke im unter Abt Alois Röggl erstellten Inkunabelkatalog (s. o. 3.4)

4.2 Darstellungen

Neuhauser, Walter: Die Bedeutung der Bibliothek für die Geistesgeschichte des Stiftes Wilten. Festvortrag anläßlich der Wiedereröffnung der Wiltener Stiftsbibliothek am 17. September 1983. In: Schlägl intern 10 (1984) S. 1-40

ders.: Geschichte und Bedeutung der Wiltener Bibliothek. In: 850 Jahre Praemonstratenser Chorherrenstift Wilten. Hrsg. vom Prämonstratenserstift Wilten. Wilten 1988, S. 269-292

ders.: Bibliotheca Wilthinensis. Die Wiltener Stiftsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart. In: Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Sonderheft 63, Innsbruck 1988 [Inkunabelkatalog S. 165-224]

ders.: Wilten wird immer gelehrt genannt werden. Die Wiltener Stiftsbibliothek in Vergangenheit und Gegenwart. In: Imagination (Zeitschrift für Freunde des alten Buches) (1989) Heft 1, S. 9-12

Schadelbauer, Karl: Zur mittelalterlichen Geistesgeschichte des Stiftes Wilten. In: Tiroler Heimatblätter 12 (1934) S. 83-89

Stand: November 1994

Sebastian Huber

Hannelore Steixner


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.