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Praha [Prag]

Knihovna Maltézských rytír v Praze

Bibliothek der Malteserritter in Prag

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Der Johanniterorden (die späteren Malteserritter) kam um die Mitte des 12. Jhs nach Böhmen. Kurz danach erwarb er für den Bau seines Konvents einen Acker bei der heutigen Karlsbrücke auf der Prager Kleinseite. Das zweite Zentrum des Ordens in Böhmen war die Stadt Strakonice [Strakonitz]. In beiden Niederlassungen wurden Ordensbibliotheken errichtet mit kleineren Sammlungen meist liturgischer Literatur. Im gesamten Mittelalter und während der Renaissance war die Strakonitzer Bibliothek die wesentlich bedeutendere. Die Prager Sammlung wurde vor allem im 17. Jh unter den Prioren Paul Genilius von Altorf und Graf Rudolph von Colloredo-Wallsee (Amtszeit 1637-1657) ausgebaut.

1.2 Im Jahre 1690 wurden der Strakonitzer und der Prager Konvent vereinigt und die Strakonitzer Bibliothek nach Prag überführt. Der vereinigte Bestand wurde hier durch Vermächtnisse von einzelnen Mitgliedern des Ordens und durch Ankäufe weiter vergrößert. Erwähnenswert ist der Erwerb einer Sammlung des Pfarrers Jan Josef Pokorný (1690-1752) aus Benešov [Beneschau] im Jahre 1732. Hinzu kamen Bestände aus dem Besitz von Franz Prössler (1732-1776), Johann Rathouský (1737-1757) und vor allem von Johann Raymund (1737-1808). Die umfangreichste Neuerwerbung aber war die Sammlung des Ordensmitgliedes und Ritters Franz Paul von Smitmer (1740-1796). Es handelt sich um die größte mitteleuropäische Sammlung von Melitensia (Bücher über den Malteserorden). Den Erwerb von Melitensia setzte später der Prior des Ordens Josef Hamršmíd (1859-1939) fort.

1.3 Eine weitere beträchtliche Erweiterung erfuhr die Bibliothek im Jahre 1840 durch die Büchersammlung von František Xaver Chanovský z Dlouhé Vsi (<

 †1877).  Im
19. Jh nahm der Bestand vor allem durch eine Reihe von Nachlässen und Geschenken zu. Am Anfang des Zweiten Weltkrieges erlitt die Bibliothek Verluste, und 1941 wurde sie in die Prager Universitätsbibliothek überführt. Nach dem Krieg wurde sie dem Orden zurückgegeben und in den Konvent zurückgebracht. 1948 wurde sie konfisziert und verstaatlicht und 1990 im Rahmen der Restitutionsmaßnahmen erneut an den Orden zurückgegeben. Sie befindet sich weiterhin unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag. Bibliothek der Malteserritter in Prag

1.4 Neben Büchern aus dem Besitz von Mitgliedern und Freunden des Ordens finden sich im Bestand auch zahlreiche Werke anderer Provenienz. Häufig handelt es sich um Bücher aus Klöstern verschiedener Kirchenorden. Der wertvollste Bestand trägt das Exlibris des berühmten Humanisten Jan Hodejovský z Hodejova (1496-1566).

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek enthält insgesamt 23.721 Bde, davon 315 Hss., 130 Inkunabeln, 962 Drucke des 16. Jhs, ca. 1000 Drucke des 17. Jhs, ca. 2000 des 18. Jhs und ca. 14.000 des 19. Jhs.

2.2 Die meisten der vor 1800 erschienenen Bücher sind deutsche Drucke in lateinischer Sprache. Daneben sind auch italienische, französische und tschechische Werke vertreten. Ungefähr 130 deutschsprachige Bände wurden vor 1800 in Böhmen gedruckt. Der Bestand der Drucke aus dem 19. Jh und aus der ersten Hälfte des 20. Jhs umfaßt zusammen annähernd 20.000 Bde. Ungefähr 65 Prozent davon sind deutschsprachiges Schrifttum (vorwiegend aus Böhmen); den Rest bilden tschechische, lateinische, französische, englische und italienische Bücher.

2.3 Inhaltlich überwiegt unter den Alten Drucken die religiöse Literatur. Neben zahlreichen Bibeln (Gesamt- und Teilausgaben) finden sich viele liturgische und homiletische Bücher, Missale, Breviere, Gebetbücher, allgemeine theologische Schriften, Polemiken gegen nicht-katholische Autoren, Darstellungen von Häresien aus katholischer Sicht (zu Lutheranern, Calvinisten, den Böhmischen Brüdern und Russisch-Orthodoxen), Legendensammlungen, Werke der Kirchenväter, Darstellungen des Lebens Jesu u. a. Zu den ältesten Werken zählen Psalterium Davidis (Leipzig 1509); Novum Testamentum (Basel 1543); Luis de la Puente (Ponte), Dux spiritualis ... (Köln 1613) und Joannes a Cruce, Opera mystica (Köln 1710). Der theologische Bestand umfaßt ausschließlich katholisches Schrifttum.

2.4 Bei den Alten Drucken finden sich weiterhin historische Werke, darunter vor allem Biographien und Literatur zur böhmischen Geschichte, so z. B. von J. Oswaldus Ex historia ecclesiastica de Johanne Rokyczana (Altdorf 1718) und von Alerius Parízek Kurzgefaßte Naturgeschichte Böhmens für die Jugend (Prag 1784). Vorhanden sind auch Lehrbücher, insbesondere zum Sprachunterricht, wie Johann Christoph Adelungs Auszug aus dem grammatisch-kriti- schen Wörterbuch der hochdeutschen Mundart (Wien 1793). Eine umfangreiche Gruppe bilden antike Autoren, wobei die Drucke des 16. Jhs dominieren. Der Bestand an philosophischer Literatur thält neben Werken katholischer Autoren auch Schriften von europäischen Denkern des 18. Jhs, die nicht der katholischen Kirche angehörten. Neben juristischer Literatur mit Schwerpunkt auf dem Kirchenrecht, darunter Anaklet Reiffenstuhls Jus canonicum universum (Ingolstadt 1739-1745), liegen zudem einzelne naturwissenschaftliche Publikationen vor. Eine Sondergruppe bilden die Melitensia (s. o. 1.2). Dazu zählen Werke über die Geschichte des Malteserordens, Ordensstatuten, Verordnungen der Großpriore, Privilegien, Biographien von bedeutenden Ordensmitgliedern wie beispielsweise Theobald Friedrich Schlölls Eilfertiger Entwurf der zwischen Ihro Hochf. Gnaden dem Herrn Johanniter-Obrist-Meister in teutschen Landen und Dero Hochw. Capitel entstandenen Irrungen (Straßburg 1770) und Johann Nikolaus Weislingers Armamentarium catholicum ... ordinis Melitensis Sancti Johannis Hierosolimitani (Straßburg 1749).

2.5 Im Bestand des deutschsprachigen Schrifttums aus dem 19. Jh überwiegt ebenfalls die religiöse Thematik. Zu nennen sind Katechismen, Schriften zur katholischen Dogmatik, Predigten, Gebetbücher und Handbücher, theologische Wörterbücher und Enzyklopädien, Heiligenviten, neuzeitliche Ausgaben der Kirchenväter, Publikationen über Fragen der katholischen Kirche im 19. Jh, kirchliche Adreßbücher u. a.

2.6 Im Bereich der Geschichte dominiert die Kirchengeschichte einschließlich der Geschichte des Malteserordens. Daneben sind historische Biographien zu nennen. Zahlreich sind die Musikalien, hauptsächlich Partituren, einige Operettenlibretti und Biographien von Komponisten. Nennenswert vertreten sind auch Philosophie, Psychologie und Geographie, in einzelnen Zeitabschnitten ferner die Judaica. Der Bestand wird ergänzt durch eine Reihe von Zeitschriften und eine Gruppe belletristischer Werke bekannter Autoren des 19. Jhs.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Gesamtkatalog der Schloßbibliotheken unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag

[erstellt 1972-1983]

Standortkatalog [erstellt 1975-1976]

3.2 Historische Kataloge

Smitmer, Franz Paul von: Catalogo della biblioteca del Sacro Militar Ordine di S. Giovanni gerosolimitano, oggi detto di Malta (Soupis sbírky F. P. Smitmera, která je soucástí dnešní Maltézské knihovny) [Verzeichnis der Sammlung von F. P. Smitmer, die Bestandteil der heutigen Malteser-Bibliothek ist]. 1781

Miscellanea Melitensia

[Zettelkatalog; vom Ende des 18. Jhs; bearb. von F. P. Smitmer; befindet sich im Staatlichen Zentralarchiv in Prag: Státní ústrední archiv v Praze, Signatur 464, Abt. 64, Nr. 223]

Inventarium rerum mobilium ac immobilium omnium Ecclesiarum et Capellarum Strakonicensium. 1782

[Signatur R 106]

Bibliotheks-Catalog des ritterl. Malteser-Convent in Prag. 1871 [Signatur R 114]

Katalog [nach Fächern; 2 Bde; vom Anfang des 20. Jhs; Signatur R 115]

Katalog [nach Fächern; vom Anfang des 20. Jhs; Signatur R 116]

Alphabetischer Zettelkatalog der Malteser-Bibliothek [bearb. von Bohumír Lifka; erstellt 1947]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Ropková, Ira: Knihovna Maltézských rytír v Praze na Malé Strane [Die Bibliothek der Malteserritter auf der Kleinseite in Prag]. Praha 1982 [Diplomarbeit an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität in Prag, Lehrstuhl für Bibliothekswesen]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Lifka, Bohumír: Johanitská bohemika XVIII. století. Studie k dejinám písemnictví rádu maltézských rytír v ceském velkoprevorství [Johanniter Bohemica des XVIII. Jhs. Studien zur Geschichte des Schrifttums des Ordens der Malteserritter im böhmischen Priorat]. In: Ceský bibliofil [Der tschechische Bibliophile] 7 (1935) S. 17-42 [Sonderdruck, Praha 1935]

Mašek, Petr: K historickým knihovním fondm [Zu historischen Buchbeständen]. In: Marie Mzyková (Hrsg.): Navrácené poklady. Restitutio in integrum [Zurückgegebene Schätze]. Praha 1994, S. 160 [Ausstellungskatalog]

Šimákova, Jitka: Vzácný konvolut z knihovny maltézských rytír v Praze [Ein seltenes Konvolut aus der Bibliothek der Malteserritter in Prag]. In: Miscellanea oddelení rukopis a starých tisk [Miszellen der Abteilung für Handschriften und Alte Drucke] 7 (1990) Heft 2, S. 49-66

Stand: Februar 1995

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.