FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Rájec nad Svitavou [Raitz]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die ursprünglichen Eigentümer von Raitz, die Familie Drnovský von Drnovic, erbauten an Stelle der alten gotischen Feste ein Renaissance-Schloß, das seinerseits durch ein Barock-Schloß ersetzt wurde, welches Anton Graf Salm-Reifferscheidt (1720-1769) errichten ließ. Dieser hatte im Jahre 1743 einen Teil der Herrschaft Raitz durch die Heirat mit Raffaela, der Tochter des Grafen Karl Ludwig von Rogendorf erworben und kaufte im Jahre 1763 den restlichen Teil dazu. Im Besitz der Familie Salm-Reifferscheidt blieb das Schloß bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

1.2 Die im Empirestil erbaute Bibliothek entstand in der zweiten Hälfte des 18. Jhs unter Karl Joseph Fürst Salm-Reifferscheidt (1750-1838). Von den Grafen Rogendorf wurde ein kleiner Buchbestand übernommen. Der zielstrebige Ausbau der Bibliothek, mit dem Karl Joseph begann, wurde vor allem von seinem Sohn Hugo Franz Altgraf Salm-Reifferscheidt (1776-1836) fortgesetzt. Dieser erweiterte die Sammlung um einen wertvollen Bestand an alchemistischer Literatur aus der Bibliothek der Grafen von Küenburg in Tovacov [Tobitschau] (s. Eintrag dort) und erwarb weitere alchemistische Literatur, beginnend mit dem 16. Jh. Unter Hugo Franz, dem Mitbegründer des Mährischen Landesmuseums und Eigentümer der prosperierenden Hüttenwerke in Blansko [Blanz], wuchs die Bibliothek auf etwa 20.000 Bde an, darunter vor allem Werke zu Naturwissenschaft und Technik. Zu den Förderern der Bibliothek gehörte auch Karl Eduard Fürst Salm-Reifferscheidt (1803-1888), der sie hauptsächlich mit zeitgenössischen politischen Schriften ergänzte. Die späteren Mitglieder der Familie Salm-Reifferscheidt, Hugo Karl Franz (1832-1890), Hugo Leopold Franz (1863-1903) und Hugo Nicolas Leopold (1893-1946), erweiterten die Sammlung ebenfalls, allerdings in geringerem Maße.

1.3 Zahlreich sind die Alten Drucke zu naturwissenschaftlichen Fächern (s. u. 2.3), die in die Sammlungen der Familie Salm aus dem Eigentum des Brünner Büchersammlers Wilhelm Alexander Balaus übergingen und mit seinem Exlibris versehen sind. Umfangreich und wertvoll sind Bestände aus der ehemaligen Bibliothek von Franz Anton Nell von Nellenburg (1777), Hofrat bei der Obersten Justizstelle. Es handelt sich vorwiegend um alte juristische und mathematische Literatur, die durch ein Exlibris mit der Inschrift Ex Bibliotheca Nelliana zu identifizieren ist. Der Nachlaß von Franz Anton Grimm (1710-1784) enthält außer Schriften zur Architektur mehr als 200 Stiche aus den Jahren 1542 bis 1738. In der Bibliothek finden sich auch Drucke mit dem Exlibris des Marschalls Johann Wenzel Radeczky von Radecz, die auf Auktionen erworben wurden, sowie Bücher aus dem Nachlaß von Adalbert Baron Lanna und Theodor von Karajan. Bedeutende Drucke stammen auch aus Klosterbibliotheken, darunter ein Teil der Bibliothek aus dem Zisterzienserstift in Wilhering oder Bestände aus dem Kloster in Znojmo [Znaim], dem Zisterzienserstift Zdár nad Sázavou [Saar] und dem Kloster in Olomouc [Olmütz].

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 59.479 Bde, davon 86 Hss., 2 Inkunabeln, 88 Drucke des 16. Jhs, ca. 1500 Bde des 17. Jhs, ca. 4000 Bde des 18. Jhs und ca. 50.000 Bde des 19. Jhs. Der chronologische Schwerpunkt liegt deutlich im 19. Jh. Über die Hälfte der Werke sind deutschsprachig; der Rest ist in französischer, lateinischer und englischer Sprache gedruckt.

2.2 Den umfangreichsten Teilbestand bilden über 6000 Bde belletristischer Literatur, insbesondere Gesamtausgaben von Autoren des späten 18. Jhs und des 19. Jhs. Ebenso zahlreich wie die deutschsprachige Belletristik bis 1800 ist die Fachliteratur der Staatswissenschaften und des Rechtswesens. Hier finden sich vor allem Rechtsenzyklopädien, Literatur zur Rechtsgeschichte, zum Privatrecht, Staatsrecht, Internationalen Recht, Öffentlichen Recht, Straf- und Kirchenrecht sowie Schriften aus dem Bereich der Volkswirtschaft und der Politik. Es folgt historische Literatur unter Einschluß der historischen Hilfswissenschaften.

2.3 Bemerkenswert ist die mathematische und naturwissenschaftliche Literatur mit zahlreichen Alten und seltenen Drucken. Unter den älteren naturwissenschaftlichen Werken finden sich Schriften aus den Bereichen Chemie, Botanik, Zoologie, Physik, Meteorologie und Aerologie, Elektrizität, Lichtlehre, Magnetismus, Mineralogie, Vulkanologie, Astronomie und Gnomica (Aphorismus-Sammlungen). Von den ältesten Drucken sind beispielsweise nennenswert Johann Jacob Schueblers Die aus denen antiquen principiis naturalibus numerorum eröffnete Arithmetica compendiosissima oder die durch blosses Aufschlagen in einem bequemen Rechnungs-Lexicon sich selbst-rechnende Rechen-Kunst, ... (Nürnberg 1739) und Johann Christoph Sturms Des unvergleichlichen Archimedis Kunst-Bücher oder heurigs Tags befindliche Schriften ... (Nürnberg 1670). Zahlreich sind Alte Drucke aus den Bereichen Astronomie, Botanik, Archäologie, Ethnographie, Dämonologie, Medizin und Pharmazie aus den Sammlungen der Familie Salm (s. o. 1.3). Bedeutend ist auch der Bestand an alchemistischen Werken, die von Hugo Franz Salm gesammelt wurden (s. o. 1.2). Weiterhin vorhanden sind dämonologische Literatur, Werke zur Mythologie, ein umfangreicher Bestand an Freimaurerschriften sowie Illuminaten- und Rosenkreuzer-Literatur. Nennenswert sind ferner zahlreiche Moravica und Silesiaca, die größtenteils in deutscher Sprache vorliegen.

2.4 Den umfangreichsten Teil der Literatur des 19. Jhs bildet die Belletristik, darunter 3000 bis 4000 Bde in deutscher Sprache. Es überwiegen deutsche Klassiker (Wieland, Tieck, Goethe, Schiller, Iffland, Klopstock und daneben auch Caroline Pichler). Vertreten sind weiterhin Werke von Autoren, die in Schloß Raitz zu Gast waren, z. B. von dem österreichischen Dichter Ferdinand von Saar (1833-1906). Darüber hinaus finden sich knapp 1000 geographische Werke und etwa 750 Landkarten. Auch theologische Schriften und Kunstbücher sind zahlreich vorhanden.

2.5 Aus dem 19. Jh stammen Schriften aus dem Bereich von Technologie und Handwerk, darunter eine Reihe von Handbüchern. Diese wurden von den Angehörigen der Familie Salm-Reifferscheidt gebraucht, die selbst die Leitung ihrer Hüttenwerke, Zuckerfabriken und des ältesten Maschinenbaubetriebes in Böhmen innehatten.

2.6 Neben etwa 600 Werken mit philosophischer Thematik sind etwa 50 medizinische Bücher vorhanden. Eine gleiche Zahl von Werken ist der Architektur gewidmet, einige hundert Bände dem Handel. Zahlreich sind zudem Militaria und pädagogische Schriften. In der Bibliothek finden sich außerdem philologische Werke, einschließlich orientalistischer und buchwissenschaftlicher Titel, sowie Liederbücher. Besonderheiten sind logopädische Werke sowie Schriften zur Mnemotechnik und zur Mimik. Außerdem finden sich Abhandlungen über Dendrologie, Literatur über Luftfahrt, Meteorologie, Heilkunde, Veterinärmedizin und Heilbäder-Almanache.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Standort- und Inventarkatalog der Schloßbibliothek in Raitz, I.-VIII. [erstellt 1960]

Kyasová, Vera: Státní zámek Rájec nad Svitavou. Zámecká knihovna. Inventár map a plán [Das Staatsschloß Raitz. Die Schloßbibliothek. Inventar der Landkarten und Pläne]. [erstellt 1977-1978]

3.2 Historische Kataloge

Nopp, Leopold: Oborový katalog [Fächerkatalog].

[2 Bde; erstellt 1927-1930]

Nopp, Leopold: Lístkový lokální katalog

[Standort-Zettelkatalog]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Hormayr, Joseph von: Hugo Altgraf von Salm. In: Taschenbuch für die vaterländische Geschichte 4 (1823) S. 105

Balbi, Adrien: Essai statistique sur les Bibliothèques de Vienne précédé de la statistique de la Bibliothèque Impériale. Wien 1835, S. 108, 113

Elvert, Christian d': Historische Literatur-Geschichte von Mähren und österreichisch-Schlesien. Brünn 1850, S. 53, 105, 263, 265, 317, 329, 331, 475, 484, 498

Elvert, Christian d': Die Bibliotheken und andere wissenschaftliche Kunst- und Alterthums-Sammlungen in Mähren und österreichisch Schlesien. In: Schriften der historisch-statistischen Sektion der k.u.k. mähr. schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Heft 3. Brünn 1852, S. 118

Knies, Jan: Blanský okres [Der Bezirk Blanz]. In: Moravská vlastiveda [Mährische Heimatkunde] 2 (1902) Nr. 4, S. 157 f.

Stránecký, Vilém: Neznámé knihovny na moravských zámcích [Unbekannte Bibliotheken in mährischen Schlössern]. In: Marginálie [Marginalien] 16 (1942) S. 2

Lifka, Bohumír: Empirová zámecká knihovna v Rájici [Die Schloßbibliothek im Empirestil in Raitz]. In: Rájec nad Svitavou, státní zámek a okolí [Raitz, Staatsschloß und Umgebung]. Praha 1953, S. 10-11

Lifka, Bohumír: Zámecké, hradní a palácové historické knihovny v ceských zemích ve sfére Národního musea [Historische Schloß-, Burg- und Palaisbibliotheken in böhmischen Ländern unter der Verwaltung des Nationalmuseums]. In: Casopis Národního musea [Zeitschrift des Nationalmuseums] 124 (1955) Nr. 1, S. 92

Lifka, Bohumír: K dejinám salmovské knihovny v Rájci nad Svitavou [Zur Geschichte der Salmschen Bibliothek in Raitz]. In: Sborník Národního musea v Praze, rada C [Sammelband des Nationalmuseums in Prag, Reihe C] 1 (1957) S. 5-12

Kneidl, Pravoslav: Rájec nad Svitavou. In: Knihovna Národního musea v Praze [Die Bibliothek des Nationalmuseums in Prag]. Praha 1959, S. 149-150

Jakubícek, Milan: Adresár zámeckých a církevních knihoven Jihomoravského kraje [Adreßbuch der Schloß- und Kirchenbibliotheken des südmährischen Kreises]. Brno 1972, S. 13-14

Langerová, Lenka: Zámecká knihovna v Rájci nad Svitavou [Die Schloßbibliothek in Raitz]. Praha 1978 [mschr.; Diplomarbeit; vorhanden im Nationalmuseum in Prag]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Cáda, František: Rukopisy knihovny státního zámku v Rájci nad Svitavou. Codices manu scriptorum qui in bibliotheca castelli Rájec nad Svitavou prope Brunam asservantur. In: Sborník Národního musea v Praze, rada C [Sammelband des Nationalmuseums in Prag, Reihe C] 1 (1957) S. 15-68

Stand: Dezember 1996

Luboš Antonín


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.