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Stadtbibliothek, Abteilung Ratsbibliothek

Adresse. Stadt Nördlingen, Rathaus, Marktplatz 1, 86720 Nördlingen; [Karte] Aufstellung: Stadtarchiv, Hallgebäude, Weinmarkt 1, 86720 Nördlingen [Karte]


Telefon. (09081) 84-118 oder -119
Telefax. (09081) 84-102
Bibliothekssigel. <152>

Unterhaltsträger. Stadt Nördlingen
Funktion. . Historische Ratsbibliothek mit Rechtsliteratur für Ratsherren, Ratskonsulenten und Amtspersonen der Stadtverwaltung; seit 1864 öffentliche Rats- und Stadtbibliothek.
Sammelgebiete. 1. Allgemeine Sammelgebiete: Rechts- und Staatswissenschaften, Theologie, Geschichte, Geographie; Deutsche Literatur nach 1750. 2. Besondere Sammelgebiete: Nördlinger Gelegenheitsgedichte und Leichenpredigten. Verwaltung der Altbestände (vor 1851) der Nördlinger Lateinschul-Bibliothek.

Benutzungsmöglichkeiten. Wegen Unterbringung der Bibliothek im Stadtarchiv Nördlingen dort vorherige telefonische Anmeldung und Terminvereinbarung unbedingt erforderlich. - Leihverkehr: DLV.
Hinweise für anreisende Benutzer. Bahnstrecke Aalen-Donauwörth. Fußwegnähe vom Bahnhof und von den Parkplätzen vor den Toren der Stadtmauer (ca. 10 Minuten). A 7, Ausfahrt Lauchheim; B 29.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Im Verlauf der Einführung der Reformation in der Reichsstadt Nördlingen seit 1522/23 sind die beiden örtlichen Klöster aufgelöst worden und an die Stadt gefallen, das Franziskaner- oder Barfüßerkloster 1536 und das Karmeliterkloster 1562. Ihre Handschriften- und Bücherbestände sind jedoch nicht in einer reichsstädtischen Bibliothek zusammengefaßt und erhalten worden, sondern offenbar aufgelöst und sekundär verwendet worden, wie Pergamenteinbände mit liturgischen Texten im Stadtarchiv Nördlingen beweisen. Drei Totenbücher oder Anniversarien (Nekrologien) des Barfüßerklosters, die um 1320, 1416-1510, etwa 1492/1502-1536 datiert werden, befinden sich im Stadtarchiv.

1.2 Die Bibliotheksgeschichte der Reichsstadt Nördlingen beginnt mit einer Stiftung, indem der Nördlinger Bürgersohn Johannes Protzer (ca. 1472-1528) dem Spital des Hl. Geistes seiner Vaterstadt 1529 testamentarisch u. a. 301 Bde seiner Bibliothek vermachte, von denen 290 auf einer Tafel näher bezeichnet waren. Johannes Protzer entstammte einem alteingesessenen Nördlinger Ratsherren- und Bürgermeistergeschlecht. Er hatte 1487 und 1488 in Ingolstadt studiert und von 1490 bis 1497 in Italien seine juristischen Studien fortgesetzt und wohl auch abgeschlossen, da die eigenhändigen Besitzvermerke in seinen Büchern außer seinem Namen auch den Titel I. U. L. (Juris utriusque Licentiatus) und I. U. D. (Juris utriusque Doctor) enthalten und zudem Erwerbungsjahr und Preis des Buches angeben. Im Jahre 1500 offenbar nach Nördlingen zurückgekehrt, blieb Johannes Protzer zwar noch bis 1508/09 Nördlinger Bürger, obwohl er schon 1507 in Nürnberg, der Heimatstadt seiner Frau, als Consulent in das dortige Stadtgericht gewählt worden war. Dank seines juristischen Sachverstandes und seines öffentlichen Ansehens war Protzer 1514-1521/22 an der Ausarbeitung der Reformation des Nürnberger Stadtrechtes beteiligt, aber trotz dieser engen Bindung an die Reichsstadt Nürnberg vermachte der hochgebildete Jurist und Humanist seine Bibliothek seiner Vaterstadt Nördlingen. Von den 290 Büchern blieben 176 Bde, zumeist Rechts- und Staatswissenschaften (139 Bde), aber auch antike Autoren und insgesamt großenteils Inkunabeln (104), im Rathaus, während 114 Bde, überwiegend Theologie (55 Bde), der späteren Kirchenbibliothek St. Georg (s. Eintrag dort), die seinerzeit im Karmeliterkloster untergebracht worden war, übergeben wurden. Durch Verluste, Entfremdungen wie Schenkungen, vom 17. Jh bis offenbar in die zweite Hälfte des 19. Jhs sollen von diesen 290 Büchern in der Ratsbibliothek allenfalls noch 128 Bde erhalten sein. Auch Johannes Protzers verschließbarer Holzdeckelkatalog, dessen Blätter in Regalfolio auf zwei hölzerne Tafeln aufgezogen gewesen sind, ist entsprechend älteren Darstellungen ( s. u. 4.2 Schmid, S. 112-113) und wiederholt geäußerten Befürchtungen unauffindbar und muß gegenwärtig als verschollen gelten.

1.3 Die durch Johannes Protzers Stiftung 1529 gegründete Ratsbibliothek wurde im 16. Jh durch weitere Stiftungen Nördlinger Bürger vermehrt. So vermachte der Sacellan Gregorius Raming(er), genannt Engelhardt, 1532 seine Bibliothek von 114 gedruckten und 23 handgeschriebenen Büchern dem Rat seiner Vaterstadt, der den Bestand der Kirchenbibliothek St. Georg (s. Eintrag dort) zuwies. Über diese Raming-Bibliotheksstiftung wird im Stadtarchiv ein wertvoller Holzdeckelkatalog verwahrt ( s. u. 3.2). Gregorius Raming ist wohl um 1465 in Nördlingen als Sproß einer alten, angesehenen Nördlinger Ratsfamilie geboren worden, studierte 1482 bis 1493 in Leipzig und Köln Theologie und war nach Erlangung der Magisterwürde seit 1496 dauernd in Nördlingen an der St. Georgskirche als Benefiziat, Sacellan und Prediger tätig. Er schloß sich 1522/23 allerdings nicht der reformatorischen Bewegung an, sondern blieb bis zu seinem Tode 1532 katholisch, vermachte seine Bibliothek aber trotzdem der evangelisch gewordenen Reichsstadt Nördlingen.

1.4 Um 1550 übergab Christoph Scherb, Amtskastner im Deutschordenshaus, einen Teil seiner von seinem Vater Jörg und seinem Vetter Heinrich Scherb ererbten Bibliothek der Reichsstadt Nördlingen, die den Bestand, über dessen ursprünglichen Umfang bisher kaum etwas bekannt ist, auf die Rats- oder Stadtbibliothek und die Kirchenbibliothek St. Georg aufteilte.

1.5 Ebenfalls großenteils dem 16. Jh zugehörig war die medizinische Spezialbibliothek, die die Reichsstadt Nördlingen 1619 dank der Stiftung von Dr. med. Jeremias Seng erhielt. Dieser war 1554 als Sohn des Bürgermeisters in Nördlingen geboren, aber nach Abschluß seines Medizinstudiums als Stadtphysikus in die Reichsstadt Rothenburg o. d. T. gegangen und hat dann kinderlos seine Bibliothek von insgesamt 103 Bdn vorwiegend medizinischen Inhalts, darunter 16 Bde Manuskripte, seiner Vaterstadt für ihre Ratsbibliothek vermacht.

1.6 Trotz der Belagerung der Stadt 1634 und der Schlacht bei Nördlingen im Dreißigjährigen Krieg scheint die Ratsbibliothek keinen Schaden erlitten zu haben, zumal der Rat sich des kulturellen und praktischen Wertes seiner Bibliothek offenbar bewußt gewesen ist, denn als der Doktor der Rechte Jakob Kyllinger, von 1610 bis 1646 Nördlinger Ratskonsulent, am 17. September 1646 starb, kaufte der Rat dessen umfangreiche und kostbare Bibliothek von insgesamt 873 Bdn für 1800 fl. an. Dieser Bestand, der noch heute einen Großteil der Ratsbibliothek bildet, umfaßte alle Wissenschaftsgebiete des 16. und 17. Jhs, überwiegend natürlich juristische Literatur.

1.7 Laut Ratsprotokoll vom 8. Februar 1654 wurde durch Ratsbeschluß der Richter des Nördlinger Stadtgerichtes Johann Adam Seefried als Bibliothekar bestimmt und dem Altherrn Johann Konrad Gundelfinger (1635 Ratsherr, 1647 Stadtammann, 1664 Bürgermeister) die Oberaufsicht übertragen. Vor allem sollte ein Register angelegt werden, " darein jeder, so ein Buch begehrt zu entleihen, mit eigener Handt zu schreiben, was er entliehen". Auch in den folgenden Jahren und Jahrhunderten blieb die Aufsicht über die Ratsbibliothek fortwährend Mitgliedern des Rates und des Stadtgerichtes anvertraut, und die 1654 zugestandene öffentliche Benutzungsmöglichkeit dürfte sicherlich auf Amtspersonen der Stadt und der Kirche sowie Lehrer und Gelehrte beschränkt gewesen sein. 1659 wurde die Ratsbibliothek laut Ratsbeschluß im Zahlhaus (Hallgebäude am Weinmarkt) zusammengeführt, was 1671 nocls bestätigt wird.

1.8 In eben diesem Jahr 1671 übergab der Nördlinger Ratsherr und mit dem Amt eines Bibliothekars betraute Georg Wilhelm Wiedenmann (Sohn einer alten Nördlinger Ratsherrenfamilie, als Jurist 1652 im Stadtgericht, 1670 im Rat der Reichsstadt, † Nördlingen 1692) den von ihm verfaßten neuen Katalog der Ratsbibliothek, wofür ihm als Dank und Anerkennung 25 fl. verehrt wurden. Von späteren Händen bis 1803 fortgeführt, verzeichnete der Folioband von Wiedenmanns Hand insgesamt 1250 Bde, innerhalb der verschiedenen Wissensgebiete nach dem Buchformat geordnet: 850 Bde juristischen Inhalts, 25 Bde politische und andere Streitschriften, 355 Bde historischen und philosophischen Inhalts und 20 Bde Orationes. Die tatsächliche Aufsicht über die Ratsbibliothek wurde aus praktischen Erwägungen dem im Hallgebäude wohnenden und amtierenden reichsstädtischen Zahlmeister übertragen (1670).

1.9 Obwohl der Nördlinger Rat 1683 jährlich 30 fl. für Neuanschaffungen von Büchern bestimmte, scheinen Ankäufe in den folgenden Jahren, wie 1697 gerügt wurde, nicht immer durchgeführt worden zu sein. Dagegen stiftete Georg Friedrich Engelhard (Nördlingen 1647, † Nördlingen 1700, nach zahlreichen anderen Ämtern von 1690 bis 1700 Bürgermeister der Reichsstadt), ein eifriger Förderer der Ratsbibliothek, dieser bei seinem Tod seine eigene Bibliothek von 67 Bdn, gedruckte Bücher wie auch Manuskripte, hauptsächlich theologische, philosophische und historische Titel sowie 5 Bde kanonisches Recht. Während 1752 ein Katalog dieser Engelhard-Bibliothek noch vorhanden war, muß dieser später abhanden gekommen sein, wie 1927 ( s. u. 4.2 Schmid, S. 122) festgestellt wurde.

1.10 In der ersten Hälfte des 18. Jhs wurde die Ratsbibliothek seitens des Rates der Stadt nicht etwa gesichert und gefördert, sondern sie war, vielleicht wegen der Auswirkungen des Spanischen Erbfolgekrieges, der Nördlingen stark belastete, in höchstem Maße gefährdet, wie der Stadtschreiber Heinrich Konrad Weng (Nördlingen 1713, † Nördlingen 1760) 1752 in einem Gutachten an den Rat beklagte, indem er die Bibliothekskataloge von Protzer, Engelhard, Kyllinger und Seng sowie einen neueren Katalog erwähnte und den Verlust von 60 Bdn nachwies, während ein anderes Schriftstück dieser Zeit sogar 165 Bde als fehlend aufzählte. Diese Verluste waren teilweise auch dadurch entstanden, daß der Ratskonsulent Georg Friedrich Scheid während seiner Amtszeit von 1724 bis 1746 allein 87 Bde der Juristenbibliothek in die Konsulentur ins sogenannte Leihhaus hatte transferieren lassen, die dann 1753 bei einem Verlust von 6 Bdn wieder zurückgebracht werden konnten. Da auch Scheids Nachfolger Johann Matthäus Scheuffelhut (1698-1753, Nördlinger Ratskonsulent von 1747 bis 1753) 100 Bde in seinem Amtszimmer aufgestellt hatte, konnten solche und ähnliche Eingriffe in den Bibliotheksbestand nur durch neue Organisationsvorschriften verhindert werden.

1.11 Der als Bibliothekar bestimmte Amtsträger mußte auf Vorschlag Wengs nach Ratsbeschluß seit 1753 einen Bibliothekseid schwören, der Verwaltung und Benutzung der Ratsbibliothek genau regelte und Verlust und Diebstahl von Büchern nach menschlichem Ermessen zukünftig ausschloß. Auch erscheinen jetzt wieder Rechnungen (1756) und Aufstellungen von neuen Buchankäufen (1758, 1759), und 1759 wurde der Betrag für Neuanschaffungen von bisher 30 fl. auf fortan 50 fl. erhöht. Schlüsselgewalt (1760) und Aufsicht (1761) über die Stadtbibliothek wurden dem Ratskonsulenten und dem Stadtschreiber, also zwei juristisch ausgebildeten reichsstädtischen Amtspersonen, übertragen. Die neu erworbenen Bücher wurden bis etwa 1790 einheitlich in weißliches Pergament gebunden und tragen auf dem vorderen Buchdeckel in Gold gepreßt den Nördlinger Wappenadler mit der Initiale N. Die wichtigste Bibliotheksarbeit übernahm und vollendete der Stadtschreiber Heinrich Konrad Weng selbst, indem er 1753 einen Standortkatalog erstellte, der in zehn Repositorien 1638 Bde aufzählte, 561 Bde in Folio, 308 Bde in Quart, 761 Bde in Oktav und Duodez sowie 8 Handschriftenbände. Somit enthält dieser zweite Gesamtkatalog gegenüber dem von 1671 mit seinerzeit 1250 Bdn einen Zuwachs von nur 388 Bdn in einem Zeitraum von 82 Jahren, was einem jährlichen Ankauf von 4 bis 5 Büchern entspräche, wären nicht die beklagenswerten Verluste durch Diebstahl und Entfremdung in der ersten Hälfte des 18. Jhs.

1.12 Um derart verlorengegangene Bücher wieder zurückzugewinnen, scheuten sich der Stadtschreiber Weng und der Rat der Reichsstadt nicht vor einer langwierigen Auseinandersetzung gegen die Erben von Christian Gottlieb Schwarz (1675-1751, seit 1709 Professor der Universität in Altdorf), der 1727/28 nachweislich Bücher der Ratsbibliothek Nördlingen an sich gebracht, jedoch nie zurückgegeben hätte. Allein diese Anstrengungen von 1752 bis 1754 blieben erfolglos, und am Ende war die Reichsstadt Nördlingen sogar zufrieden, den Streit ohne Prozeßkostenentschädigung beenden zu können. Die in diesem Rechtsstreit gewonnenen Erfahrungen machten den Rat dann so vorsichtig, daß er sich wegen etwa zu erwartender Nachforderungen selbst gegenüber Bücherschenkungen zurückhaltend verhielt. Als daher der aus Nördlingen gebürtige Kurmainzische Rat, Kaiserliche Hofpfalzgraf und Notar zu Augsburg Georg Wilhelm Zapf (1747-1810) der Rats- und Stadtbibliothek zwischen 1786 und 1788 mehrere Exemplare seiner Veröffentlichungen zusandte, bedankte sich der Rat mit Anerkennungsbeträgen und beglich 1791 anläßlich eines Besuches von Zapf in Nördlingen die Überlassung von 109 Bdn an die Rats-, Kirchen- und Schulbibliothek (s. Eintrag dort) mit einem Gegengeschenk von 250 fl. Als Zapf 1791 dann nocls 257 Bde, 22 Hss. und 27 Bde Leichenpredigten für die Ratsbibliothek übersandte, darunter zahlreiche Inkunabeln aus Köln, Straßburg, Nürnberg, Paris, Mailand und Venedig, wofür der Nördlinger Ratskonsulent Anton Jakob Dolp (1745-1819) einen Liebhaberwert von 593 fl. 55 Kr. schätzte, jedoch einen geringeren Geldbetrag als Gegengeschenk empfahl, verweigerte der reichsstädtische Rat ein solches Gegengeschenk völlig, so daß bei Zapf Enttäuschung und Verbitterung groß waren. Die gegenseitig entstandenen Verdrießlichkeiten wurden dadurch gelöst, daß der Nördlinger Rat dem Förderer und Gönner der Stadtbibliothek Georg Wilhelm Zapf alle von diesem geschenkten oder übersandten Bände zurückschickte (8. November 1791) und sogar in Rechnung gestellte Unkosten teilweise ersetzte. Zapfs 1798 geäußertes Gesuch, sich in seiner Vaterstadt niederlassen zu dürfen, lehnte der Rat der Reichsstadt " ein für allemal" ab.

1.13 Auf Betreiben des für die Ratsbibliothek zuständigen und interessierten Ratskonsulenten Anton Jakob Dolp (1745-1819) wurden 1789 aus dem Nachlaß des Archidiakons an der St. Georgskirche M. Georg Adam Wolf (1730-1789, ab 1769 Diakon, von 1772 bis 1789 Archidiakon) 57 Bde allgemeiner Weltgeschichte sowie ein Handschriftenband und 1792 aus dem Nachlaß des Diakons Christian Gottfried Boeckh (1732-1792, ab 1772 Diakon) 42 Bde großenteils Predigtliteratur und 6 Handschriftenbände erworben. Ausdruck seiner besonderen, über die Amtsverantwortung hinausgehenden, liebevollen Fürsorge für die Stadtbibliothek war es, als Dolp sieben Jahre vor seinem Tod dieser im Mai 1812 seine eigene, von ihm selbst katalogisierte Bibliothek von 655 Bdn, 59 in Folio, 153 in Quart und 443 in Oktav, schenkte und damit die bis dahin zahlenmäßig umfangreichste Bücherstiftung für Nördlingen vornahm.

1.14 Aufgrund der Kriegswirren zu Anfang des 19. Jhs war die Nördlinger Ratsbibliothek um 1805 wieder in einen " verwaisten Zustand" geraten, " indem sich Niemand um dieselbe annehme und unter keiner Aufsicht stehe", was 1802/03 offenbar auch der Verlust der eigenen Reichsfreiheit der Stadt Nördlingen und ihre Zwangseingliederung in Bayern nicht hatten verhindern können. Letztlich vermutlich wegen nicht auszuschließender Extraditionsabsichten stellte der mit dem Amt eines städtischen Bibliothekars betraute Nördlinger Hospitalpfarrer M. Johann Friedrich Weng (1767-1842, ab 1792 Pfarrer in Nähermemmingen, ab 1800 Hospitalpfarrer in Nördlingen) in den Jahren von 1814 bis 1817 einen dreibändigen Katalog der Ratsbibliothek her, der bis heute Gültigkeit besitzt. Insgesamt verzeichnete Weng 3651 Bde, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, noch heute den Umfang der Nördlinger Ratsbibliothek ausmachen. Zwischen 1932 und 1964 hat der Stadtarchivar und -bibliothekar Dr. Gustav Wulz eine Anzahl vor 1800 gedruckter Bücher der Ratsbibliothek und dem Bandkatalog angereiht.

1.15 Die Entwicklung der Nördlinger Stadtbibliothek wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jhs besonders durch die Persönlichkeit zweier Stadtarchivare und -bibliothekare geprägt. Der Studienlehrer an der Nördlinger Lateinschule Ludwig Müller (1831-1910, seit 1864 Leiter der Stadtbibliothek, seit 1867 ebenfalls des Stadtarchivs) bewirkte 1864 die Trennung von Archiv und Bibliothek, die Öffnung der Bibliothek für die Allgemeinheit (1864) im Sinne der Volksbildung und -belehrung nach der neu ausgearbeiteten Bibliotheksordnung, wobei die Bestände der Ratsbibliothek von dieser allgemeinen Benutzungsmöglichkeit ausgenommen gewesen sein dürften, und schließlich die Aufstellung der Bibliothek im dafür besonders geeignet gehaltenen Waisenhaus am Tändelmarkt (etwa seit 1857/62). Als Müller 1872 als Bibliothekar an die neuerrichtete Universitäts- und Landesbibliothek Straßburg berufen wurde, dankte die Stadt Nördlingen seinem bisherigen und zukünftigen Wirken im Verständnis der damaligen Zeit dadurch, daß sie der Straßburger Bibliothek 10 Foliobände, teilweise Straßburger Drucke aus der Zeit zwischen 1486 und 1517, als Geschenk übersandte und als Gegengabe den Einblattdruck eines Nördlinger Schützenbriefes von 1477 erhielt. Von 1872 bis 1910 verwaltete und leitete der evangelische Theologe und Rektor der Realschule Hofrat Christian Mayer (1828-1910) das Stadtarchiv, die Stadtbibliothek und das 1867 gegründete Museum im Sinne seines Vorgängers mit Umsicht und Tatkraft. 1910 wurde die Stadtbibliothek wieder in das Hallgebäude am Weinmarkt transferiert, wo die Ratsbibliothek innerhalb des Stadtarchivs bis heute in einem feuersicheren Gewölbe aufgestellt ist.

1.16 Wie in den früheren drei Jahrhunderten erfuhr die Nördlinger Stadtbibliothek auch im 19. und frühen 20. Jh eine wesentliche Bereicherung durch Stiftungen. So konnte ihr die über 100 Bde zählende Sammlung von Nördlinger Drucken und Schriften des Nördlinger Stadtrichters Johann Philipp Wucherer (1765-1822) einverleibt werden. Der Buchhändler und Verleger Ernst Rohmer (1818-1897) als Inhaber der C. H. Beck'schen Buchdruckerei und Buchhandlung Nördlingen schenkte anläßlich des 100jährigen Firmenjubiläums 1863 der Stadtbibliothek 649 Bde und Hefte der eigenen Verlagsproduktion und ergänzte diese Schenkung 1867 um weitere 78 Bde. Aus dem Nachlaß von Ludwig Müller ( s. o. 1.15) durfte die Stadtbibliothek 1911 laut Vermächtnis 225 Werke auswählen, und Christian Mayer ( s. o. 1.15) stiftete 400 Bde, die ebenso eine wertvolle Bereicherung bedeuteten wie die zahlreichen und hoch zu schätzenden Schenkungen des in Nördlingen geborenen und verstorbenen Staatsrates und Schriftstellers Gottfried von Böhm (1845-1926). Dank dieser und anderer Stiftungen sowie kontinuierlicher Ankäufe nach einem im Stadthaushalt ausgewiesenen Etat zählte die Stadtbibliothek einschließlich der alten Ratsbibliothek um 1925 etwa 15.000 Bde.

1.17 Die Ratsbibliothek ist 1972 gründlich gesäubert und vom Verfasser nach dem Bandkatalog von 1814-1817 wieder nach Formaten getrennt numerisch aufgestellt worden. Vor dem Jahre 1800 gedruckte Bücher der Stadtbibliothek sollen aus deren Bestand nach und nach ausgesondert und der Ratsbibliothek angereiht werden. Während die heutige öffentliche Stadtbibliothek als ehemalige Volksbücherei im wesentlichen nach 1945 aus der sogenannten Wissenschaftlichen Stadtbibliothek erwachsen und herausgelöst worden ist, läßt sich die Trennung der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek von der Ratsbibliothek, wie sie tatsächlich besteht, allem Anschein nach zeitlich nicht näher bestimmen.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Grundlage der Bestandsbeschreibung ist der nach wie vor allein brauchbare und gültige dreibändige Bandkatalog von M. Johann Friedrich Weng aus den Jahren 1814 bis 1817, einschließlich der wenigen von Dr. Gustav Wulz wohl zwischen 1932 und 1964 dem Altbestand angereihten und im Katalog nachgetragenen Bücher. Die im Bestand der sogenannten Wissenschaftlichen Bibliothek vorhandenen vor 1800 erschienenen Bücher werden in dieser Bestandsbeschreibung ebenso wenig erfaßt wie jene etwa 240 zumeist nicht exakt katalogisierten, sondern nur angereihten Bücher, die z. T. erst seit ca. 1935 als Geschenk oder durch Ankauf erworben worden sind. Auszählung und Bestandsbeschreibung nach dem Bandkatalog bieten darüber hinaus insofern keine exakten Zähl-, sondern nur relativ verläßliche Näherungswerte, als gegenwärtig versucht worden ist, einerseits bei mehrbändigen Werken nur den Titel zu zählen, andererseits die beigebundenen Titel zu erfassen, soweit das nach dem Bandkatalog, der allerdings nur einen kleinen Teil beigebundener Schriften nachweist, durchführbar war. Hieraus erklären sich die Abweichungen vom Bandkatalog ebenso wie die von zukünftigen Auszählungen (wenn diese einmal alle beigebundenen Titel einzeln erfassen).

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Der Bestand der Ratsbibliothek umfaßt nach Auszählung des Bandkataloges bis zum Druckjahr 1800 3773 Drucke sowie 42 Hss. (etwa 1482 bis 1596). Darunter befinden sich 221 Inkunabeln, während in den Zeitraum 1501 bis 1550 249 Titel gehören; der Zeit 1551 bis 1600 sind 1345 Titel, von 1601 bis 1700 1156 Titel und von 1701 bis 1800 802 Titel zuzuordnen. Die Titel nach 1800 sind nicht ausgezählt worden. Druckorte der Inkunabeln und Drucke bis 1550 sind Augsburg (6), Basel (4), Hagenau (4), Köln (8), Leipzig (5), Lyon (26), Mailand (22), Mainz (6), Nürnberg (14), Pavia (26), Perugia (4), Straßburg (18), Trient (5), Venedig (118), Vicenza (4) und Wittenberg (4). Zudem sind als deutschsprachige Druckorte Bonn, Brixen, Erfurt, Frankfurt a. M., Freiburg, Ingolstadt, Landshut, Magdeburg, Memmingen, München, Reutlingen, Speyer und Tübingen belegt.

2.3 Von den ausgezählten 3773 Titeln sind 2701 (72 Prozent) lateinisch und 1072 (28 Prozent) deutsch. Im Verlauf der Jahrhunderte ergeben sich, ohne Berücksichtigung der Buchformate, folgende Veränderungen: Es liegen 220 lateinische Inkunabeln (99,5 Prozent) und eine deutsche vor; aus der ersten Hälfte des 16. Jhs liegen 187 lateinische (75 Prozent) und 62 deutsche (25 Prozent) Drucke vor; aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs 1172 lateinische (87 Prozent) und 173 deutsche (13 Prozent); aus dem 17. Jh 865 lateinische (75 Prozent) und 291 deutsche (25 Prozent); aus dem 18. Jh 257 lateinische (32 Prozent) und 545 deutsche (68 Prozent). Andere als lateinische und deutsche Titel sind nicht ermittelt worden.

Systematische Übersicht

2.4 Die systematische Übersicht folgt der von Weng für seinen Bandkatalog getroffenen Systematik, die mit Ausnahme der Inkunabeln und Drucke bis 1536/1550 sowie Hss. im Grunde durchgängig auf seine fünffache Gliederung und Aufstellung nach Alter und Formaten (Inkunabeln und Drucke bis etwa 1536/1550, Folio, Quart, Oktav und Duodez) angewandt worden ist. Die in lateinischer Terminologie strukturierte Systematik besteht aus vier Teilen (Pars), die jeweils nach Büchern (Liber), Kapiteln (Caput) und Abschnitten (Sectio) untergliedert sind.

2.5 Bei den Inkunabeln (221) und Druckwerken bis etwa 1536/1550 (181) handelt es sich großenteils um Theologica und Juridica. Es sind zum einen Bibelausgaben und vorreformatorische theologische Kommentare sowie Titel der Scholastiker Bonaventura, Jacobus de Voragine mit der Legenda aurea (Reutlingen 1485), Johannes Duns Scotus und Nicolaus von Lyra. Zum anderen sind es vor allem zahlreiche Erläuterungen und Kommentare zum Römischen und Kanonischen Recht, zum Zivil-, Feudal- und Strafrecht und später verschiedene Gerichtsordnungen und Landrechte des Deutschen Reiches sowie süddeutscher Länder und Städte. Von antiken Autoren sind zu nennen Aristoteles, Boëthius, Catull, Cicero, Homer, Horaz, Ovid, Plautus, Properz, Sallust, Terenz, Tibull und Vergil. Neben mehreren Titeln für die tägliche Rechtspraxis verdienen erwähnt zu werden der Malleus maleficarum ( o. O., o. J., gekauft 1501; trotz der Nördlinger Hexenprozesse von 1589 bis 1598 ohne Gebrauchsspuren und handschriftliche Anmerkungen) und der deutschsprachige Layenspiegel von Ulrich Tengler (1509, mit Abnützungsspuren); Tengler war 1479 bis 1483 Stadtschreiber der Reichsstadt Nördlingen. Historischer Ausdruck der geistigen Entwicklung der Reichsstadt sind die Titel der Theologen der Reformationszeit Johannes Eck, Luther und Johann Bugenhagen, während die Werke von Hartmann Schedel, Ulrich Pinder und Sebastian Münster eher auf politische und wirtschaftliche Verflechtungen hinweisen.

2.6 Unter dem Titel " Germanisches / Deutsches Privatrecht" werden in Teil I, der in drei Bücher mit jeweils mehreren Kapiteln und Abschnitten untergliedert ist, 414 Titel zusammengefaßt. Unter den Quellen des deutschen Privatrechtes finden sich kommentierte Ausgaben des Sachsenspiegels von 1545 und des Sächsischen Lehenrechtes von 1551, unter den Gesetzessammlungen deutscher Länder und Städte solche für Bayern, Württemberg, Nürnberg, Worms und Lübeck, unter den Gesetzessammlungen außerhalb Deutschlands solche für Frankreich (13 Titel), Italien (14) und Spanien (2). Zu den Autoren mit systematischen Darstellungen und Kommentaren über das deutsche Privat- und Öffentliche Recht zählen im 18. Jh mit mehrbändigen Publikationen Johann Jacob Moser, August Friedrich Schott und Carl Friedrich Häberlin. Über das deutsche Staats-, Straf- und Feudalrecht sind vom 16. bis zum Ende des 18. Jhs 145 Titel verzeichnet, unter ihnen wiederholt als Autoren Christoph Besold, Johann Jacob Moser und Georg Christoph Oelhafen von Schoellenbach. Wegen der großen Nördlinger Hexenverfolgung von 1589 bis 1598 sind sieben Abhandlungen und Traktate von 1590 (durchgängig mit Gebrauchsspuren), 1629, 1630 und 1631 zu erwähnen. Eine Beibindung, die hier thematisch nicht einmal vermutet werden kann, stellt z. B. Ernst Friedrich von Borgsdorffs Bericht über den Festungsbau (Ulm 1682) mit mehreren Plänen über Dreiecks- und Sternschanzen dar. Von solchen Zufallsfunden abgesehen, spiegeln die Titel im Teil " Germanisches / Deutsches Privatrecht" die Anforderungen der selbständigen und eigenverantwortlichen Gerichtsbarkeit der Reichsstadt Nördlingen.

2.7 In Teil II der systematischen Anordnung sind unter der Thematik " Öffentliches Germanisches / Deutsches Recht", in zwei Bücher und insgesamt 36 Kapitel unterteilt, 531 Titel aufgestellt. Als Quellen des Öffentlichen Deutschen Rechtes werden Reichsgesetze (20 Titel), die Goldene Bulle von 1356 (2 Titel von 1617 und 1752), Schriften zum Reichs- und Religionsfrieden (wobei Titel zum Prager Frieden von 1635 und zum Westfälischen Frieden von 1648 auffälligerweise fehlen), dann königliche Verordnungen, ein Judenspiegel von 1606 und schließlich Sammlungen wichtiger historischer Daten und Fakten angeführt. Etwa 126 Titel sind dem Öffentlichen Recht in europäischen Staaten gewidmet (ca. 120 Bde bearbeitet und herausgegeben von oder namens Anton Faber, 1697-1782). Während von den 531 Titeln zum Öffentlichen Deutschen Recht 176 oder 33 Prozent den Rechtsquellen zugeordnet sind, gehört die überwiegende Mehrzahl von 355 Titeln oder 67 Prozent den Autoren von Darstellungen und Kommentaren an, unter denen z. B. wiederholt Johann Jakob Moser, Wilhelm Gottfried von Moser, Johann Mader, Johann Ulrich von Cramer und andere namhafte Juristen erscheinen.

2.8 Die Abhandlungen und Erörterungen sind z. T. Kompendien und Systematiken. Sie behandeln Rechtsfragen zu König, Kaiser und Reich, zu den Reichstagen, Gerichtshöfen des Reiches, Reichskreisen und strafrechtlichen Reichsentscheiden. Auch sind Titel über das Wahlrecht der Kurfürsten, die Nachfolge der Fürsten, Primogenitur und weibliche Erbfolge, dann über den Vorrang von Landesrechten, über Herrschafts-, Zoll- und Steuerrechte, über Post-, Grenz-, Jagd- und Forstrecht angeschafft worden, weil alle diese Rechtsfragen für die Reichsstadt Nördlingen in ihrer Nachbarschaft zu konkurrierenden Herrschaftsansprüchen jederzeit von lebenswichtiger Bedeutung gewesen sind. Daher fehlen auch nicht Titel über die Rechtslage der weltlichen und geistlichen Fürsten und Grafen, die Rangordnung der immediaten und mediaten Reichsritterschaft, die Rechte der deutschen Reichsstädte und der Patrizier, das öffentliche Partikularrecht namentlich in Franken, Schwaben und einigen Reichsstädten. Bayern bleibt bemerkenswerterweise unbeachtet, hingegen sind die Grafschaft Oettingen und Kloster Kirchheim am Ries in unmittelbarer Nachbarschaft zu Nördlingen vertreten. Verschiedene Titel zu Spezialaspekten des Öffentlichen Rechtes und eine Reihe von historisch-politischen Streitschriften bezeugen das jederzeit aktuelle Interesse der Reichsstadt Nördlingen an diesen Fragestellungen, wobei die Darstellung der Gegenwartsgeschichte der Jahre 1590 bis 1595 von Jakob Frank (1599) eine Reihe bemerkenswerter Kupferstiche enthält.

2.9 Mit 779 Titeln, die nur in zwei Bücher und fünf Kapitel geordnet sind, vereint Teil III einen umfangreichen Bestand an Hilfs- und Ergänzungsrechten für das Römische Reich Deutscher Nation. Zum Römischen Recht mit drei Ausgaben des Corpus iuris civilis von 1662, 1767-1768 und 1776-1797 finden sich hier Quellen und Kommentare, Kompendien und Lexika, systematische Werke und kritische Abhandlungen zur Geschichte und zu speziellen Themen des Römischen Rechtes und in sehr großer Zahl (129 Titel) Ratschläge und ergangene Rechtsbescheide (" Fälle") für die Praxis des Anwalts wie des Richters im Gerichtsverfahren. Dieser Thematik dienen zusätzlich etwa 200 Dissertationen, Disputationen, Traktate und andere Universitätsschriften, darunter ein Werk über Abkürzungen von 1582 (mit einer im Katalog nicht ausgewiesenen Bucolica von Vergil, Tübingen 1580, als Beibindung) oder über die Befragung und Folterung der Hexerei Angeklagter von 1631.

2.10 Das zweite Buch von Teil III umfaßt etwa 130 Titel zum kanonischen, päpstlich-bischöflichen und protestantischen Kirchenrecht einschließlich der Kommentare und Abhandlungen zu einzelnen Themen. Für die seit 1523/25 protestantische Reichsstadt waren diese Fragestellungen wichtig, da sich in der Stadt zwei Klöster und neun Amtshäuser oder Klosterhöfe auswärtiger Klöster befanden und die Reichsfreiheit von Nördlingen nur in Anlehnung an den katholischen Kaiser dauerhaft gesichert werden konnte. Ein Corpus iuris canonici in Ausgaben von 1614 (mit einer handschriftlichen, kämpferisch protestantischen Dorsalwidmung des Nördlinger Ratskonsulenten Jakob Kyllinger, s. o. 1.6, von 1617) und 1682 sowie die Institutiones und Decretales stehen daher hier nicht von ungefähr nahe neben protestantischen Publikationen und Streitschriften.

2.11 Teil IV unterscheidet sich von den anderen Teilen insofern, als hier der deutlich größte Bestand von numerisch 1011 Titeln in nur fünf Bücher, allerdings zumeist mit weitergehender Untergliederung, zusammengefaßt ist, ohne daß diese Ordnung durch alle Formate hinweg gleichmäßig oder genau berücksichtigt worden ist. Thematisch erfaßt Teil IV die Bereiche Theologie, Philosophie, Philologie, Geschichte mit Diplomatik, Genealogie, Chronologie und Geographie, schließlich Musik und sogar Medizin. Zum allgemeinen Studium der Wissenschaften und Sprachen finden sich z. B. ein achtsprachiges Lexikon (Basel 1584) neben anderen griechischen und lateinischen Lexika sowie Ausgaben der Werke von Homer, Platon und Aristoteles, von Plautus, Terenz, Cicero, Sallust, Vergil, Livius, Ovid, Plinius und Tacitus oder von Francesco Petrarca, Erasmus, Johannes Sleidanus, Nikodemus Frischlin u. a. Philosophie ist nur mit etwa 70 Titeln vertreten; darunter sind Werke von Aristoteles, Cicero, Johannes Trithemius und Nikodemus Frischlin.

2.12 Einen breiteren Raum mit etwa 325 Titeln nimmt die Geschichte einschließlich der historischen Hilfswissenschaften ein. Hier stehen vielbändige Sammelwerke sowohl zur Weltgeschichte als auch zur Regional- und Stadtgeschichte, wozu auch die bekannten Darstellungen von Daniel Stadler zur bayerischen und von Christian Friderich Sattler zur württembergischen Geschichte gehören. Hier werden auch die bekannten Werke von Martin Crusius, Matthäus Merian, Martin Zeiller und Burkhard Gotthelf Struve aufbewahrt und ebenso von Johann Christoph Gatterer, Georg Wolfgang Panzer und Georg Wilhelm Zapf sowie mehrbändige Ausgaben der Werke von Johannes Sleidanus (Straßburg 1586) und Friedrich II. (Berlin 1788). Eine Besonderheit stellt ein Rechenbuch von Johann Ober von 1545 dar, das einem Druck über französische Kriegshändel (Edinburgh 1575) beigebunden ist.

2.13 In der Anordnung der Systematik folgt die Theologie, die in den vier Formaten etwa 425 Titel umfaßt. Den lateinischen Bibel- und Testamentausgaben, Konkordanzen und Kommentaren des 16. und 17. Jhs folgen seit der zweiten Hälfte des 16. Jhs zunehmend auch deutschsprachige Ausgaben, hauptsächlich in kleineren Formaten. Während die Werke, Schriften und Kommentare der berühmten Reformatoren wie Luther und Johannes Brenz sowohl in groß- wie kleinformatigen, lateinischen und deutschen Ausgaben vorliegen, sind andere mittelalterliche Theologen wie Augustinus, Albertus Magnus, Johannes Tauler sowie Erasmus und die reformatorischen Theologen Martin Bucer, Melanchthon, Andreas und Lukas Osiander oder Jacob Andreä ebenfalls mit eigenen Schriften oder Schriften über sie (zunehmend auch in kleinen Formaten, selbst Duodez) in der Ratsbibliothek gesammelt worden.

2.14 Ohne Aufzählung weiterer Autoren ist auf Besonderheiten hinzuweisen, wie die von Ambrosius Lobwasser in deutschen Reimen abgefaßte Bibel von 1584, die Confessio Augustana von 1530 (eine Hs. von 1530 ist im Stadtarchiv Nördlingen), ein Enchiridion oder theologisches Lehrbuch der Bibel von Lukas Osiander von 1593 sowie eine weitere Ausgabe des Malleus maleficarum in Latein von 1582. Hinzuweisen ist schließlich noch auf die gedruckten Kirchenordnungen und Katechismen, so von Rothenburg ob der Tauber (1611), Schwäbisch Hall (1615) und Ulm (1618), sowie eine Arbeit des Nördlingers David Schramm über den Syllogismus von 1587. Eine örtliche Besonderheit sind 12 stattliche Sammelbände von Nördlinger Gelegenheitsgedichten (Folio und Oktav, zumeist Hochzeitsgedichte, vornehmlich des 16. bis 18. Jhs) und 11 umfangreiche Sammelbände von Nördlinger Leichenpredigten (Folio und Oktav, zumeist des 16. bis 18. Jhs). Allgemein sind innerhalb der Theologie sowohl deren Quellen als auch Kommentare, evangelische und katholische Abhandlungen (in dieser Reihenfolge), polemische wie ökumenische Traktate und Dissertationen erworben und gesammelt worden.

2.15 Wenig umfangreich erscheint der Bestand an Medizin mit etwa 110 Titeln, von denen allerdings über 90 aus dem 16. Jh stammen. Von den vielen sowohl der griechisch-römischen Medizin (wie z. B. Hippokrates und Galen) als auch der arabisch-islamischen Medizin (wie Avicenna) verpflichteten Autoren seien wegen ihrer persönlichen Beziehungen zu Nördlingen und zum Ries Paracelsus (Tübingen 1564, Straßburg 1575) und Leonhard Fuchs aus Wemding (Basel 1549, 1566, 1568 und 1572, Lyon 1555, 1561 und 1567) genannt. Medizinischen Inhalts sind auch 17 der oben genannten 42 Hss., die zur Ratsbibliothek gehören ( s. o. 2.2), wohl eindeutig Universitäts- oder Kollegmanuskripte von Medizinstudenten.

2.16 Den Altbeständen der Ratsbibliothek ist eine Reihe ursprünglich nicht erfaßter Bücher (des 16. bis 18. Jhs) vornehmlich theologischen Inhalts von Nördlinger Autoren, zumeist Theologen und Pädagogen, angereiht. Darunter sind Bernhard und Georg Albrecht, Georg Matthäus Beck, Christian Gottfried und Friedrich Böckh, Conrad und Johann Conrad Feuerlein, Friedrich Franck, Daniel Haack, Jacob, Jacob Adam und Johann Daniel Herrenscdt, Jacob Heinrich Hilbrandt, Georg Heinrich Lang, Johann Mettinger, Johann Friedrich Schöpperlin, Albrecht Friedrich Thilo, Johann Jakob Friedrich Vogelgsang und Georg Friedrich Weng. Hierher gehört auch der auf die Trauerbühne gestellte Ophiletes von Sibylla Schuster (Oettingen 1685), der einzigen Frau unter allen anderen Autoren.

Sondersammlungen und Sonderbestände

2.17 Im Stadtarchiv werden vier Bestände von gedruckten Schriften aufbewahrt, die als Sondersammlungen gelten können. Außer den Sammelbänden mit Gelegenheitsgedichten und Leichenpredigten ( s. o. 2.14) gibt es einen umfangreichen Bestand an Separatdrucken dieser Gattungen. Dabei handelt es sich einschließlich der Doppel- und Mehrfachexemplare um etwa 1230 Gelegenheitsgedichte (16. bis 19. Jh) wie Gedichte und Schriften zu Geburt, Hochzeit oder Tod und zu Amts- oder Berufsjubiläen. Weiterhin umfaßt diese Sammlung, einschließlich der Mehrfachexemplare, etwa 810 Leichenpredigten (16. bis 19. Jh), 140 Universitätsschriften (16. bis 20. Jh) wie Dissertationen, Disputationen und Traktate und zudem etwa 120 Predigten (16. bis 20. Jh). Die Autoren, ebenso wie die weiblichen oder männlichen Adressaten dieser etwa 2300 Separatdrucke, sind überwiegend Nördlinger Personen.

2.18 Eine zweite Sondersammlung im Stadtarchiv bildet die Reihe der Nördlinger Zeitungen, die in nahezu lückenloser Folge von 1766 bis heute gesammelt worden sind (Lücken: 1922-1927, 1932-1935). In der Entwicklung des Journalismus von Bedeutung ist das von Wilhelm Ludwig Wekhrlin in und für Nördlingen publizierte Felleisen, in der Beck'schen Buchhandlung (13. Januar bis 29. Dezember 1778).

2.19 Einen dritten, nicht sehr umfangreichen, aber seltenen und wertvollen Sonderbestand stellen die der reichsstädtischen Verwaltung übermittelten, nur in geringem Maße von ihr käuflich erworbenen Einblattdrucke im Stadtarchiv dar. Einschließlich der Mehrfachexemplare umfassen sie 46 Blätter, 41 aus der Inkunabelzeit und 5 zwischen 1501 und 1526. Inhaltlich handelt es sich fast ausschließlich um Papstbullen und Ablaßbriefe (27) sowie Einladungsschreiben zu Armbrust- und Büchsenschießen (13 und 5). In den 41 Einblattdrucken sind nicht 11 Blätter eingerechnet, die die Stadt Nördlingen zwischen 1927 und 1932 nachweislich eingetauscht, verkauft oder sogar verschenkt hat.

2.20 Die vierte Sondersammlung stellt die Bibliothek der ehemaligen Lateinschule dar. Durch eine vertragliche Regelung vom 31. März 1993 ist der Bestand der Nördlinger Lateinschulbibliothek von 1334 Büchern zwischen 1512 und 1850 als eigenständiger Fonds in die Wissenschaftliche Stadtbibliothek übernommen worden. Der Bestand der Lateinschule ist von Helmut Popp gesondert beschrieben und dargestellt worden ( s. u. 3.1 und Nördlingen, Gymnasialbibliothek).

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Vom Hauptbestand existieren keine modernen Kataloge.

Katalog der Lateinschulbibliothek

[Beschreibung von 87 ausgewählten deutschsprachigen Titeln; 1990 von Helmut Popp angelegt; mschr.]

Zettelkataloge der Sondersammlungen

[nach hauseigenen Regeln; veraltet]

Die Bestände sind weder im Bayerischen Zentralkatalog noch in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Holzdeckelkatalog der Bibliothek des Magisters Gregorius Raming(er), genannt Engelhard(t)

[von Raming mit den Büchern 1532 der Stadt Nördlingen und der St. Georgskirche vermacht; zwei durch Scharniere und eine Schließe miteinander verbundene Holztafeln (53 x 43 x 5,5 cm), die auf den Innenseiten mit zwei mehrspaltig beschriebenen Schriftblättern (45 x 34 cm) als Katalogseiten beklebt sind; verzeichnet 157 Titel]

Bandkatalog der Ratsbibliothek

[von M. Johann Friedrich Weng 1814-1817 angelegt; hschr.; verzeichnet 3651 Bde; Bd 1 weist 384 Werke von 1473 bis 1536 nach, außerdem in einem Anhang 25 Hss. und die Sammlung medizinischer Schriften von Jeremias Seng (1554-1618); Bd 2 verzeichnet, nach Formaten getrennt, 646 Bde in Folio und 903 Bde in Quart, Bd 3 1140 Bde in Oktav und 278 in Duodez; zusätzlich zu der nach Formaten getrennten numerischen Zählung sind die Titel im 2. und 3. Bd systematisch nach Fächern gegliedert.]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Die Bestände des Stadtarchivs enthalten über die Jahrhunderte hin zahlreiche Einzelhinweise auf die Rats- und spätere Öffentliche Bibliothek sowie auf die Lateinschulbibliothek, sowohl hinsichtlich des Etats und der Anschaffungen wie des bibliothekarischen Personals. Relevant sind generell die Stadtkammerrechenbücher und Ratsprotokolle und speziell Personalakten sowie die Akten zu Archiv, Bibliothek und Museum.

4.2 Darstellungen

Mußgnug, Ludwig: Die Sammlungen der Stadt Nördlingen. In: Rieser Heimatbuch. 2. Aufl. Nördlingen 1923, S. 188-193

Schmid, Albrecht: Die Bibliotheken der Stadt Nördlingen. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 47 (1927) S. 106-178 (Phil. Diss. Erlangen 1924)

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Glauning, Otto: Der Holzdeckelkatalog in der Stadtbibliothek zu Nördlingen. Das Bücherverzeichnis eines Geistlichen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für Nördlingen und Umgebung 6 (1917), Nördlingen 1918, S. 19-72

Kyriss, Ernst: Beiträge zur Einbandforschung des 15. Jahrhunderts. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 60 (1944) S. 385-400

Kyriss, Ernst: Nördlinger Bucheinbände eines Zeit- und Kunstgenossen Johann Richenbachs. In: Otto Glauning zum 60. Geburtstag. Leipzig 1936, S. 119-139

Kyriss, Ernst: Verzierte gotische Einbände im alten deutschen Sprachgebiet. Stuttgart 1951

Rupp, Paul Berthold: Schwäbische Bibliotheken stellen sich vor. Zu einer Ausstellung mit ausgewählten Werken. In: Bibliotheksforum Bayern 15 (1987) S. 115-131

Voges, Dietmar-H.: Nördlingen: Druckwesen und Zeitungen. In: Erich Keyser und Heinz Stoob (Hrsg.): Bayerisches Städtebuch Bd 2. Stuttgart 1974 [zur Bibliothek S. 500]

Weng, Johann Friedrich: Antiquissima quaedam typographiae monumenta, hactenus incognita, in bibliotheca Civitatis Nordlingensis asservata. Nördlingen 1816

Wulz, Gustav: Das Nördlinger Buchgewerbe vom 15. bis 18. Jahrhundert. In: Jahrbuch des Rieser Heimatvereins 22 (1940/41), Nördlingen 1942, S. 90-118

Wulz, Gustav: Verzeichnis der Leichenpredigten der Stadtbibliothek Nördlingen. In: Blätter des Bayerischen Landesvereins für Familienkunde 12 (1934) S. 21-27, 37-42, 54-66

Wulz, Gustav; Zipperer, Gustav Adolf: Aus der Frühzeit des Nördlinger Buchdrucks. Nördlingen 1963

Stand: August 1995

Dietmar-H. Voges


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.