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Ris-Bibliothek

Adresse. Pfarramt Flaurling, 6403 Flaurling
Telefon. (05262) 627 63 oder Universitätsbibliothek Innsbruck: (0512) 507-2400 und 2424 [s. u. 1.5]

Unterhaltsträger. Pfarre Flaurling
Funktion. Historische Bibliothek eines Geistlichen im 15./16. Jh.
Sammelgebiete. Vorwiegend Theologie. - Der Altbestand wird nicht vermehrt.
Benutzungsmöglichkeiten. Nach Voranmeldung im Pfarramt Flaurling. Für die aus konservatorischen Gründen an der Universitätsbibliothek Innsbruck verwahrten Bestände (45 Bde) s. UB Innsbruck. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benützer. Schnellzugstation Telfs-Pfaffenhofen (ca. 5 km bis zum Pfarrhof), Regionalzugstation Flaurling (ca. 2 km bis zum Pfarrhof); Busverbindung von Innsbruck nach Telfs. - A 12 (Inntal-Autobahn), Abfahrt Telfs-West oder B 171 bis Telfs-Pfaffenhofen, weiter auf der Landesstraße von Pfaffenhofen nach Osten; von Innsbruck Anfahrt auch über die Landesstraße via Kematen-Inzing möglich (ca. 22 km).

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Bibliothek ist Teil einer am 15. April 1516 erfolgten und am 7. Jänner 1520 erneuerten Stiftung durch den Pfarrherrn Sigismund Ris (1431-1532). Diese umfaßte ein Prediger-Benefizium, ferner Pretiosen, z. B. einen vom Landesfürsten Herzog Sigmund geschenkten Kelch, und die Liberey.

1.2 1479 wurde Ris die Pfarre Flaurling übertragen, eine der ältesten Pfarren der Diözese Brixen, später Sitz eines Dekanates. In den Jahren 1489 bis 1491 besuchte er eine Universität (Bologna ?) und schloß seine Studien mit dem Grad eines Magisters der Philosophie und eines Bakkalaureus der Theologie ab. 1486 verlieh ihm Erzherzog Sigmund ein Wappen, welches 1500 von Kaiser Maximilian bestätigt wurde. 1526 legte Ris sein Amt als Pfarrer von Flaurling freiwillig nieder, blieb aber bis zu seinem Tod 1532 in der Gemeinde. Sein Grabstein befindet sich in der Pfarrkirche von Flaurling (unter der Kanzel).

1.3 Die im Stiftungsbrief mehrmals erwähnte Liberey, zentraler Bestandteil der Stiftung, wurde dem Kaplan zur Oberaufsicht übertragen. Er hatte die Benützung der Bücher zu überwachen und mußte für deren Erhaltung und würdige Unterbringung sorgen. Ihm oblag die Schlüsselgewalt, und es war ihm unter Androhung des Verlustes seiner Stelle ausdrücklich untersagt, die Werke zu veräußern. Die Bücher waren angekettet, insgesamt 80 der erhaltenen Bände lassen sich auf Grund von Spuren an den Einbanddeckeln als libri catenati erkennen. Es muß sich also um eine für diese Zeit typische Pultbibliothek gehandelt haben, wie sie vor 1600 in Tirol mehrfach belegt ist (Wilten; Stams; private Stiftungsbibliothek des Wilhelm Taz in Brixen im Thale im 15. Jh).

1.4 Wie groß der Bestand im Jahre der Stiftung (1516) war, läßt sich nicht genau ermitteln. Die Sammlung wurde von Ris selbst nach 1516 noch vergrößert. Im Stiftungsbrief ist ausdrücklich auch von Büchern die Rede, welche er nach seinem Tod der Bibliothek hinterlassen würde. In vielen Bänden findet sich ein eigenhändiger Kauf- oder Besitzvermerk des Stifters, teils aus der Zeit vor, teils nach 1516. Nach dem Tod von Ris (1532) erhielt die Bibliothek nur noch vereinzelt Zuwachs, wohl durch Geschenke an die Pfarre oder aus dem persönlichen Besitz einzelner Pfarrer. Insgesamt umfaßt der als historische Ris-Bibliothek zu bezeichnende, katalogisierte Bestand 149 Signaturen mit 150 Bdn (gezählt von 0 bis 148). Dazu kommen 2 Bde mit anderen Signaturen, die jedoch auch hier aufgestellt sind. Im signierten Bestand befinden sich 9 Werke, die erst nach 1532 erschienen sind; mindestens 4 ältere Werke (2 Inkunabeln und 2 Drucke des 16. Jhs) sind, wie aus Besitzvermerken hervorgeht, sicher erst nach dem Tod des Stifters hinzugekommen. Wahrscheinlich ist die Zahl der später erworbenen Bücher noch größer, da bei vielen kein Hinweis auf den Zeitpunkt der Erwerbung für die Ris-Bibliothek zu finden ist. Sicher ist, daß die Büchersammlung nach dem Tod des Stifters noch vermehrt wurde, teils durch ältere Werke, teils durch Neuerscheinungen. Darüber hinaus besitzt die Pfarre Flaurling weitere Bücher des 17. bis 19. Jhs: durchwegs theologische Gebrauchsliteratur ohne Bedeutung. Diese werden getrennt verwahrt und sind sicher nicht der Stiftung zuzuzählen.

1.5 Die Bücher der Stiftung und einige jüngere Werke, insgesamt 150 Bde, wurden im 19. Jh erstmals mit Nummern versehen und in einfachster Form katalogisiert. Wohl schon im 18. Jh wurde die Bibliothek aus ihrem ursprünglichen Raum entfernt und schlechter untergebracht, sodaß die Bücher schwere Schäden erlitten. Bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verblieb die Bibliothek geschlossen in Flaurling. Die Verluste hielten sich in Grenzen: Von den im 19. Jh katalogisierten 150 Bdn sind derzeit 10 nicht mehr auffindbar. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor die Stiftung infolge der Inflation ihr Barvermögen. Man plante daher - erstmals in den Jahren 1927/28, dann wieder 1935 bis 1937 und zuletzt nochmals 1964/65 -, den wertvolleren Teil der Bibliothek zu veräußern, um Mittel für die Renovierung der Baulichkeiten zu erhalten (Neuhauser, 1974, s. u. 4.2). Im Zuge dieser Bestrebungen trennte man die wertvolleren Bücher von den weniger wertvollen bzw. bereits stark beschädigten. Der kostbarere Teil, insgesamt 45 Bde, wurde 1937 aus konservatorischen Erwägungen an die UB Innsbruck gebracht. Ein Verkauf der Bücher kam glücklicherweise nie zustande, vor allem, weil der tatsächliche Geldwert der Bände nicht so hoch war, wie erhofft wurde. Heute ist an einen Verkauf nicht mehr zu denken. Die genannten 45 Bde an der UB Innsbruck werden als Depot der Ris-Bibliothek im Handschriftenmagazin sachgemäß verwahrt und können dort benützt werden. Die in Flaurling verbliebenen restaurierbedürftigen Bücher wurden mittlerweile zusammen mit dem umfangreichen Pfarrarchiv in einem trockenen, durch eine Eisentür gesicherten Raum im ersten Stock des ehemaligen Schlosses (Pfarrhofes) untergebracht und in offenen Holzregalen mit Rückwand aufgestellt.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der größte Teil der Bücher stammt aus dem 15. Jh. Nicht nur die Hss., sondern auch viele Drucke sind sorgfältig rubriziert und teilweise auch mit einfachen gemalten Initialen und Ranken versehen. Es dürfte sich dabei entweder um konventionelle Arbeiten eines heimischen Meisters unter dem Einfluß der süddeutsch-tirolischen Schule (besonders aus Augsburg) oder Arbeiten einer süddeutschen, am ehesten Augsburger Werkstätte des ausgehenden 15. Jhs handeln. Ein großer Teil der Bücher ist mit Ledereinbänden versehen, die mit Blindstempel- und Rolleneinbänden des 15./16. Jhs verziert sind. Eine Zuordnung an einzelne Werkstätten ist bisher noch nicht erfolgt. Im wesentlichen sind es Einbände aus Tiroler, Augsburger, Nürnberger (Koberger-Drucke), aber auch aus Wiener Werkstätten.

2.2 Von den 137 gedruckten Bänden des katalogisierten Bestandes sind 95 Inkunabeln (mit 99 Titeln auf Grund von Sammelbänden) und 32 Frühdrucke aus der Zeit von 1501 bis 1532. Acht Bde stammen aus der Zeit von 1532 bis 1600 und ein Band aus dem 18. Jh. Bei einem Werk ist eine zeitliche Zuordnung nicht möglich. Dazu kommen 2 Bde, eine Inkunabel und ein Druck aus dem Jahre 1520, die beim Stiftungsbestand aufgestellt, aber nicht im Katalog thalten sind und keine Zählung aufweisen. Die ältesten Drucke stammen aus dem Jahre 1471. Die häufigsten Druckorte der Inkunabeln und Frühdrucke sind Augsburg (9), Basel (29), Nürnberg (27), Straßburg (21) und Venedig (21).

2.3 Der Bestand ist überwiegend lateinischsprachig. Ausnahmen bilden lediglich 2 deutschsprachige Werke (eine Inkunabel, Nr.14, und ein Frühdruck, Nr. 26), ein lateinisch-französisches Wörterbuch (Nr. 39) und ein Sammelband mit 2 Werken in spanischer Sprache (Nr. 61). Alle diese nicht-lateinischen Werke gehören teils sicher nicht, teils wahrscheinlich nicht zum Grundbestand der Ris-Bibliothek.

2.4 Die Büchersammlung sollte weniger bibliophilen, sondern vor allem praktischen Zwecken dienen. Es handelt sich um die Bibliothek eines nicht nur theologisch gebildeten Geistlichen, der die finanziellen Mittel besaß, um sich - unabhängig von seinen Universitätsstudien - auch in der Abgeschiedenheit der Flaurlinger Pfarre weiterzubilden. Von den 137 katalogisierten Bänden (Adligate nicht berücksichtigt) sind 121 theologischen Inhalts. Am stärksten vertreten ist die Scholastik (Theologie wie Philosophie, vor allem große, mehrbändige Summenwerke, z. B. von Thomas von Aquin, Antonius Florentinus, Petrus Lombardus, Alexander von Hales) mit 38 Bdn. Es folgen teils kommentierte Bibeltexte und Bibelkommentare (19), Kirchenrecht (19), Predigtliteratur (17), Patristik (10), Gebet- und Erbauungsbücher (9), liturgische Texte (6) und Werke zur Liturgie (3). Die 16 Werke nicht-theologischen Inhalts verteilen sich auf lateinische Klassiker und Wörterbücher (7), Philosophie (5), Geschichtswerke des Mittelalters (2), spanische Literatur (1) und Römisches Recht (1).

3.KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Neuhauser, Walter: Die Ris-Bibliothek in Flaurling. Geschichte und Katalog der Bestände. Innsbruck 1974

[Bei den Hss. wurde auf eine detaillierte Beschreibung verzichtet, sie soll einem späteren Katalog vorbehalten bleiben. Die Drucke wurden, soweit möglich, identifiziert und beschrieben sowie mit bibliographischen Nachweisen versehen. Zu jedem Band gibt es eine knappe Exemplarbeschreibung: 1) Hinweis auf Vollständigkeit bzw. Anführung fehlender Teile; 2) Künstlerische Ausstattung; 3) Besitz- und Kaufvermerke; 4) Sonstige hschr. Eintragungen; 5) Kurze Angaben zum Einband; 6) Wiedergabe der Eintragung im alten Katalog bzw. am Buchrücken und im Inneren des Vorderdeckels; 7) Erhaltungszustand.]

3.2 Historischer Katalog

Kurzverzeichnis aus dem 19. Jh

[geordnet nach den damals vergebenen Nummern mit nur knappen Titelangaben; bestehend aus 2 Papierstreifen (je 34 x 10,5 cm), die auf der Innenwand des früher verwendeten Bücherkastens eingeklebt sind; weist auf einen ausführlichen Katalog im Flaurlinger Pfarrarchiv hin, der jedoch bisher nicht gefunden werden konnte. Die Eintragungen des Kataloges scheinen in derselben Form und mit denselben Fehlern sowohl auf den Buchrücken als auch auf einem auf der Innenseite der Vorderdeckel eingeklebten Zettel auf.]

4. QUELLEN UND DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Der am 15. April 1516 ausgestellte Stiftungsbrief ist in 4 gleichdatierten Exemplaren in Pergament erhalten (eines mit 3 Siegeln). Dazu kommen 2 Abschriften aus dem 18. Jh auf Papier. Der am 7. Jänner 1520 erneuerte Stiftungsbrief ist in einem Exemplar (Pergament) überliefert. Alle genannten Urkunden befinden sich im Flaurlinger Pfarrarchiv und sind erwähnt in: Emil von Ottenthal; Oswald Redlich (Hrsg.): Archivberichte aus Tirol. Wien 1988, Heft 1 (Mitteilungen der dritten (Archiv-)Section der K.K. Centralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, 1) S. 5-12

Zur Geschichte der mehrmals versuchten Veräußerung der Bibliothek im 20. Jh s. Akten der UB Innsbruck aus den Jahren 1928/29, 1935-1937 und 1964/65 (Archiv der UB Innsbruck), verwertet bei Neuhauser (s. u. 4.2)

4.2 Darstellungen

Neuhauser, Walter: Die Ris-Bibliothek in Flaurling. In: Biblos 19 (1970) S. 185-200

Neuhauser, Walter: Die Ris-Bibliothek in Flaurling. Geschichte und Katalog der Bestände. Innsbruck 1974 (Tiroler Bibliographien, 6 = Beihefte zu Tiroler Heimat)

Neuhauser, Walter: Die Ris-Bibliothek, eine Bibliothek des Humanismus in Tirol. In: Otto Mazal (Hrsg.): Handschriftenbeschreibung in Österreich. Wien 1975, S. 65-70

[Alle Publikationen von Neuhauser beziehen sich sowohl auf die Geschichte der Bibliothek als auch auf die Bestände.]

Wieser, Hans: Die Ris-Liberey in Flaurling. In: Robert Muth (Hrsg.): Natalicium Carolo Jax septuagenario oblatum. P. 2. Innsbruck 1956 (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, 4) S. 207-212

Stand: Juni 1992

Walter Neuhauser


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.