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Ritter-Waldauf-Bibliothek

Adresse. Pfarramt St. Nikolaus, Bachlechnerstr. 3, 6060 Hall [Karte] in Tirol
Telefon. (05223) 57 914

Unterhaltsträger. Pfarre St. Nikolaus
Funktion. Historische Bibliothek der Prediger und Meßkapläne
Sammelgebiet. Vorwiegend Pastoraltheologie. - Der Bestand wird nicht vermehrt.
Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. - Be- nützung nach Voranmeldung im Pfarramt (Vermittlung ev. über UB Innsbruck). - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benützer. Voranmeldung erforderlich. - Westbahn bis Hall. Fußwegnähe vom Bahnhof (ca. 15 Minuten). - A 12, Abfahrt Hall.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Florian Waldauf (ursprünglich wohl und wieder im Barockzeitalter: Baldauf; um 1450-1510), der 1495 in Antwerpen den Vorvertrag zur habsburgisch-spanischen Doppelhochzeit gegenzeichnete (De speciali et expresso mandato sacre maiestatis domini Romanorum Regis prefati - nämlich des späteren Kaisers Maximilian - Florianus Waldauf de Waldenstain aules Regius prothonotarius etc.), und seine Frau Barbara ( nach 1510) stifteten mit Urkunde vom 29. Dezember 1501 der Pfarrkirche in Hall eine Marienkapelle, eine Reliquiensammlung und ein Predigtamt. Dem Prediger und einem Meßkaplan stellten sie vier messpuecher bei (nicht mehr vorhanden), item vil gedruckt und gepunden puecher in merklicher anzal zu der heiligen capellen liberei und dem predigambt ... (Garber, s. u. 4.2). Zudem hatte gemäß Verfügung des Stifterpaares die Stadt Hall als Verwalterin der gesamten Waldauf-Stiftung dafür zu sorgen, das alle jar etliche puecher nach anzaigen des predigers zum predigambt gekauft und in der heiligen capellen liberei an ketten gehangen und versorgt werden ... (ebda). Ferner sollten der Bibliothek Bücher aus den Nachlässen der Prediger und Meßkapläne zukommen.

1.2 Entgegen der Anordnung Waldaufs wurde die Bibliothek kaum durch gezielte Ankäufe vermehrt, sondern größtenteils durch die zufällige Übernahme von Büchern und Schenkungen. 53 Prozent der Bände tragen einen Vorbesitzervermerk. Aus der Hand von fünf Predigern sind 491 Titel nachzuweisen, aus dem aufgehobenen Jesuitenkolleg in Hall 235, von anderen ehemaligen Eigentümern (u. a. Damenstift Hall, Geistliche, Schüler) 361. Der bekannteste Vorbesitzer ist Johannes Eck; ein nichtkoloriertes Exlibris (entspricht der zweiten Holzschnittvariante von Ecks Exlibris) in einem Predigtband (Nr. 837 des Kataloges, s. u. 3) bezeugt ihn als vormaligen Bucheigner. Die Titelblätter sind fast durchwegs mit einem Stempel aus dem 19. Jh versehen (Ritter v. Baldauf'sche Stifts-Bibliotheck in Hall). Signaturen dürften die Bücher fünfmal erhalten haben. Ein größerer Teil des Bestandes weist eine Gruppensignatur auf (S - mnemotechnisch für Scriptura, Md für Moralia et dogmatica, H für Homiletica, A für Ascetica, HJ für Historia et Jus, P für Patres und M für Miscellanea).

1.3 Nach 400 Jahren ihres Bestehens und nur fallweisem Zuwachs schien das Interesse am Fortbestand der Ritter-Waldauf-Bibliothek als geschlossener Sammlung verlorenzugehen. Obendrein war das Stiftungsvermögen im Ersten Weltkrieg vollends untergegangen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde eine unbekannte Anzahl wertvoller Hss. und Drucke an Privatpersonen in Hall und Umgebung ausgehändigt, um sie vor der Beschlagnahmung durch die Nationalsozialisten zu sichern. Nach Kriegsende wurde jedoch keines dieser Bücher rückerstattet. In den Nachkriegsjahren ordnete ein Pastoraltheologe aus dem Jesuitenorden die Bibliothek neu und sonderte im Zuge dessen etwa 16 Laufmeter Bücher aus. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Drucke aus dem 18. Jh; sie wurden 1964 an ein Antiquariat verkauft.

1.4 Anfang der achtziger Jahre setzten sich u. a. das Bundesdenkmalamt und das Innsbrucker Generalvikariat verstärkt für den Fortbestand der Waldauf-Bibliothek als selbständiger Sammlung und für die Rückführung tfremdeter Bände ein. Der Verfasser des beschreibenden Kataloges der Waldauf-Bibliothek (s. u. 3) verfolgte mit der Bestandsaufnahme dasselbe Ziel. Ätere Inventare und ein Katalogbuch (Mayrhofer, s. u. 4.2 ) dürften nicht (mehr) vorhanden sein. Der Bestand umfaßt heute 127 Laufmeter Bücher, die in einem Magazin in der Waldaufgasse leider ungünstigen klimatischen Bedingungen ausgesetzt sind.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek setzt sich aus 2056 Titeln in 3048 Bdn (Buchbindereinheiten) und 20 Papierhandschriften zusammen. Der Druckschriftenbestand verteilt sich auf 14 Inkunabeln, 203 Titel aus dem 16. Jh, 593 aus dem 17. Jh, 902 aus dem 18. Jh, 327 aus dem 19. Jh und 17 aus dem 20. Jh. 20 Prozent der Werke erschienen zwischen 1611 und 1670, 26 Prozent zwischen 1751 und 1790. Die Zahlenangaben beruhen auf der Auswertung des gedruckten Kataloges.

2.2 997 Titel (49 Prozent) des historischen Buchguts sind lateinisch, 928 (45 Prozent) deutsch, 96 (5 Prozent) französisch und 16 (ein Prozent) italienisch. Ein Psalter (Katalog-Nr. 759) ist dreisprachig (Hebräisch/Griechisch/Latein).

2.3 In folgenden sechs Orten sind 50 Prozent der Titel erschienen: Augsburg (allein 18 Prozent - wohl auch ein Echo des Handels zwischen Hall und Augsburg), Köln, München, Ingolstadt (Dissertationen), Innsbruck und Wien. Aufgrund von Reformation und Gegenreformation wurden die alten Druckorte Straßburg, Hagenau, Basel und Nürnberg verdrängt von weiteren katholischen Städten, z. B. Antwerpen, Mainz, Dillingen, Lyon, Paris und Venedig.

2.4 Etwa 60 bis 65 Prozent der Drucke sind der Pastoraltheologie zuzuordnen. Es handelt sich um Predigten (auffallend ist das Fehlen jeglicher Werke von Abraham a Sancta Clara), Betrachtungen und Heiligenleben, Gebetbücher und Katechismen. Etwa 30 Prozent des Bestandes tfallen auf Bibeln und Bibelkommentare, Werke zu Dogmatik, Moral, Kirchengeschichte und Kirchenrecht. Die verbleibenden 5 bis 10 Prozent verteilen sich auf Philosophie (u. a. Seneca, Boethius), Geschichte, Recht und einige Werke der Dichtkunst (Ossian, Cervantes, Bidermann, Corneille, Gellert, La Fontaine u. a.). Die Autoren sind zu 86 Prozent Geistliche - vereinzelt auch Ordensfrauen -, was die Dominanz des theologischen Schrifttums hervorkehrt; davon sind 27 Prozent Weltkleriker und 59 Prozent Ordensangehörige - zu 40 Prozent Jesuiten (u. a. 28 Titel von Hieremias Drexel, 17 von Paolo Segneri, 15 von Franz Neumayr, 13 von Louis Bourdaloue, 11 von Jacques Nouet).

3. KATALOGE

Brunner, Klaus: Katalog der Ritter-Waldauf-Bibliothek: eine ehemalige Predigerbibliothek in Hall/Tirol. München u. a. 1983

[Kollation angegeben; Exlibris, hschr. Einträge, Bindeart, frühere Signaturen; S. IX-XXXIV Überblick über Geschichte der Bibliothek und Buchbestand; enthält ferner Register der Drucker und Verleger und der Druck- und Erscheinungsorte - beide bis einschließlich 1700 - sowie Register der hschr. eingetragenen Personennamen und der Exlibris]

4. QUELLEN UND DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Akten und Korrespondenz finden sich im Pfarramt Hall, Bundesdenkmalamt Tirol, Institut für Pastoraltheologie an der Universität Innsbruck, in den Stadtarchiven Hall und Innsbruck, im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Verkehr (Wien) sowie bei der Volksanwaltschaft Wien.

4.2 Darstellungen

Brunner, Klaus: v. Baldauf'sche Bibliothek in Hall. In: Zeitschrift für katholische Theologie 94 (1972) S. 450

Garber, Josef: Das Haller Heiltumbuch mit den Unika-Holzschnitten Hans Burgkmairs des Älteren. Wien u. a. 1915 (Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, 32,6) [Waldaufs Heiltumbuch S. 54-172; Waldauf gibt hier u. a. Rechenschaft über seine Rolle bei der Entstehung der Stiftung]

Mayrhofer, Bernhard: Einiges über Nordtiroler Bibliotheken, im besonderen über die Ritter-Waldauf-Bibliothek in Hall. In: Tiroler Heimatblätter 16 (1938) S. 109-112

Stand: August 1996

Klaus Brunner


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.