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Adresse. Nr. 2, 02633 Gaußig
Telefon. (035930) 225
Bibliothekssigel. <88>
Unterhaltsträger. Freistaat Sachsen
Funktion. Historische Schloßbibliothek.
Sammelgebiete. Geographie und Reisebeschreibungen, Naturwissenschaften, Philosophie, Rechtswissenschaft, Theologie, Literatur, Enzyklopädien, Wörterbücher, Geschichte. Der Bestand wird nicht vermehrt.
Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Öffnungszeiten: nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Anfertigung von Kopien und Reproduktionen durch die Universitätsbibliothek Dresden oder das Audiovisuelle Medienzentrum der Technischen Universität Dresden.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung nur über die Universitätsbibliothek Dresden (Tel. 0351/463-4308). A 4 (E 40), Ausfahrt Bautzen-West oder Uhyst am Taucher, B 6 bis Göda. Parkplatz unmittelbar am Schloß.
1.2 Zur Geschichte der Bibliothek liegen nur wenige Zeugnisse vor. In dem 1769 anläßlich der Übernahme der Besitzungen durch Andreas Reichsgraf von Riaucour aufgestellten Inventar des Schlosses Gaußig ist eine Bibliothek nicht erwähnt. Allerdings werden in einem Testamentsnachtrag vom 2. August 1780 alle Erben des 1770 gestifteten Familienfideikommisses verpflichtet, einen Bibliothekar anzustellen; dies deutet auf eine Gründungszeit der Bibliothek zwischen 1770 und 1780 hin. Die fast ausnahmslose Ausstattung der Bücher mit den Exlibris der Grafen von Riaucour oder von Schall-Riaucour erhärtet diese Schlußfolgerung.
1.3 Auch über die Bestandsvermehrung können kaum Angaben gemacht werden. Archivalische Unterlagen geben in bescheidenem Umfange Auskunft über Buchkäufe in den Jahren 1843 bis 1863. Mit großer Sicherheit ist anzunehmen, daß der vorhandene Bestand im wesentlichen bis 1900 erworben wurde. Die Neuerwerbungen aus der ersten Hälfte des 20. Jhs sind unbedeutend. Ein weiterer Ausbau erfolgt nicht mehr. Die bei der Übernahme der Bibliothek und beim Vergleich mit den vorhandenen Katalogen festgestellten Bestandslücken konnten bisher nicht aufgeklärt werden. Der übernommene Bestand blieb bis jetzt ohne weitere Verluste erhalten.
1.4 1831 wurde der seit 1814 in Gaußig als Privatsekretär beschäftigte Friedrich Wilhelm Preil zusätzlich zum Bibliothekar ernannt. Als die Stelle des Privatsekretärs aus Rentabilitätsgründen 1844 aufgekündigt wurde, ging Preil in Pension. Die Verwaltung der Bibliothek oblag nunmehr dem Forstminister Freiherr von Gärtner. Weitere Informationen über die Betreuung der Bibliothek liegen nicht vor. Bekannt ist, daß die Bibliothek bis 1907 in einem Raum im ersten Obergeschoß des Schlosses untergebracht und vermutlich streng systematisch, getrennt nach Formaten, aufgestellt war, analog zu einem etwa um 1800 angelegten handschriftlichen Katalog. Nach Umbau und Erweiterung des Schlosses bezog die Bibliothek 1907 ihr gegenwärtiges Domizil. Mit dem Umzug war mit großer Gewißheit eine Neuordnung der Bestände verbunden. Das Bemühen um eine sachliche Ordnung ist zu erkennen. Abweichungen sind vorrangig durch die räumlichen Gegebenheiten bestimmt.
1.5 Seit 1945 wird die Bibliothek von der Universitätsbibliothek der TU Dresden verwaltet. Verhandlungen zwecks Übergabe an den Besitzer sind im Gange. Der zukünftige Standort ist noch ungewiß.
2.1 Den Angaben liegt die Auszählung des Bestandes nach dem Standortkatalog zugrunde. Für die Systematische Übersicht wurde zusätzlich der Systematische Katalog hinzugezogen. Der Großteil der Bände ist in Ganzleder gebunden, enthält auf dem Einband Supralibros in Goldprägung und trägt auf dem vorderen Innendeckel die Exlibris der Grafen von Riaucour oder von Schall-Riaucour. Die typographische Gestaltung und Illustration der Werke ist bemerkenswert. Chronologische Übersicht und Übersicht der Sprachen 2.2 Der Gesamtbestand umfaßt 1585 Titel in 7500 Bdn. Es handelt sich nahezu ausnahmslos um historischen Bestand. Davon entfallen 6 Titel auf das 17. Jh, 725 auf das 18. Jh, 844 auf das 19. Jh und 10 sind ohne Jahresangabe, aber mit großer Wahrscheinlichkeit vor 1900 erschienen. Von 1585 Titeln wurden 885 in französischer, 580 in deutscher, 50 in lateinischer, 55 in englischer und 15 in italienischer Sprache veröffentlicht. Systematische Übersicht 2.3 Die Bestandsbeschreibung folgt dem Systematischen Katalog (s. u. 3.1). Die Sachgruppe Allgemeines umfaßt 65 Titel (4,1 Prozent des historischen Bestands), die sich zu etwa gleichen Teilen auf das 18. und 19. Jh verteilen. Davon sind 45 Titel französisch- und 15 deutschsprachig. Den Haupteil bilden Bibliographien und Bibliothekskataloge, Enzyklopädien, Lexika, Schriften der Académie française (15 Titel des 18. Jhs) und Zeitschriften, speziell zur Kostümkunde, sowie Modezeitschriften des 19. Jhs. Die Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste (Leipzig 1818-1889) von Johann Samuel Ersch und Johann Gottfried Gruber befindet sich in der Bibliothek.
2.4 Die Sachgruppe Kunst umfaßt 75 Titel (4,7 Prozent), die je zur Hälfte aus dem 18. und 19. Jh stammen. Davon sind 38 Titel französisch- und 24 deutschsprachig. Erwähnenswert sind Kataloge von Galerien und Ausstellungen sowie die Werke über die Kunst des Altertums, z. B. Johann Joachim Winckelmanns (1717-1768) Histoire de l'art de l'antiquité (Leipzig 1781).
2.5 Die Sachgruppen Geographie und Reisebeschreibungen, Atlanten und Karten umfassen 270 Titel (17,1 Prozent). Davon sind 143 Titel in Französisch, 113 in Deutsch und 11 in Englisch. 99 Titel erschienen im 18. Jh, 169 im 19. Jh. Neben länder- und völkerkundlichen Arbeiten sowie Werken zur Geographie liegen vorwiegend Reisebeschreibungen und Exkursionsberichte vor, die die ganze Welt, einzelne Kontinente, Länder, Regionen oder Städte betreffen. Der Bestand enthält das amerikanische Reisewerk Alexander von Humboldts und die mit Stahlstichen reich ausgestattete Reihe Das malerische und romantische Deutschland (Kassel und Leipzig 1837 ff.). Ferner finden sich 25 Atlanten, Kartenwerke und Stadtpläne des 18. und 19. Jhs, u. a. aus den Druckereien Lotter in Augsburg und Bondet in Paris.
2.6 Die Sachgruppen Naturwissenschaften, Philosophie und Naturphilosophie, Angewandte Naturwissenschaften, Medizin und Gesundheitswesen umfassen 110 Titel (7 Prozent). Der überwiegende Teil (80 Titel) erschien in Französisch, 19 Titel liegen in Deutsch vor. 72 Titel stammen aus dem 18. Jh und 36 aus dem 19. Jh. Darunter befinden sich Nachschlagewerke zur Geschichte der Naturwissenschaften und zur Philosophie des 18. Jhs, praktische Hand- und Lehrbücher der Naturwissenschaften und lexikalische Übersichten. Hinzuweisen ist auf Werke bedeutender Physiker, Mathematiker und Philosophen wie Plinius d. Ä., Blaise Pascal, Isaac Newton, Charles Bonnet, Pierre Louis Moreau de Maupertius, David Hume, John Locke und Leibniz. Ein Kernstück der Sammlung bilden die Werke von Pierre Bayle, Voltaire, Montesquieu, Rousseau, Diderot und d'Alembert.
2.7 Die Sachgruppen Volks- und Landwirtschaft, Rechts- und Staatswissenschaft, Politik und Sozialpolitik sowie Theologie, Erziehungs- und Unterrichtswesen umfassen 103 Titel (6,5 Prozent), die zu etwa gleichen Teilen aus dem 18. und 19. Jh stammen. Außer 5 Titeln in Latein verteilt sich der Bestand je zur Hälfte auf Deutsch und Französisch. An der Rechtsliteratur haben Gesetzestexte und -kommentare einen wesentlichen Anteil. Zur Rechtsphilosophie sind Montesquieus De l'esprit des lois (Genf 1749) und Samuel von Pufendorfs Les droits de la nature et des gens (London 1740) hervorzuheben. Die theologische Literatur besteht vorwiegend aus Bibelausgaben, Erbauungsbüchern und religionsphilosophischen Werken, darunter die von Brian Walton herausgegebene neunsprachige Polyglottenbibel (London 1653-1657) und ein im 18. Jh erschienenes Andachtsbuch des Thomas von Kempen (1380-1471) in französischer Übersetzung.
2.8 Die Sachgruppen Sprachwissenschaft, Wörterbücher und Literatur umfassen 500 Titel (31,6 Prozent). 287 Titel liegen in Französisch, 147 in Deutsch und 31 in Englisch vor. 284 Titel erschienen im 18. Jh und 213 im 19. Jh. Vorhanden sind Wörterbücher, Enzyklopädien und Ausgaben antiker Klassiker in französischer Übersetzung, z. B. Ovid, Homer und Apuleius. Die französische, englische und deutsche Literatur bilden den Schwerpunkt dieser Fachgruppe. Dazu gehören u. a. Louis Moreris (1643-1680) Le grand dictionnaire historique ou mélange curieux de l'histoire sacrée et profane (Amsterdam 1740), Bayles Dictionnaire historique et critique (Amsterdam 1740-1756) als Vorläufer der ebenfalls vorhandenen Encyclopédie (Paris 1751-1780) von Diderot und d'Alembert sowie das Dictionnaire de l'Académie française (Paris 1835). Wielands Sämtliche Werke liegen in der sogenannten Fürstenausgabe (Leipzig 1794-1802) vor. Genannt seien ferner die Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller (Karlsruhe 1774-1794), John Miltons Le paradis perdu (Paris 1792), Voltaires Gesamtwerk und La Fontaines Fables choisies (Paris 1755-1759) in einer illustrierten vierbändigen Ausgabe.
2.9 Die Sachgruppe Geschichte umfaßt 462 Titel (29,2 Prozent). Davon erschienen 244 in Französisch und 215 in Deutsch. 160 Titel stammen aus dem 18. Jh, 298 aus dem 19. Jh. Neben Werken zur Weltgeschichte und Geschichte einzelner Kontinente überwiegen die historischen Darstellungen einzelner Länder und Regionen. Schwerpunkte bilden die Literatur zur Geschichte Deutschlands und Frankreichs, zur Kirchengeschichte, Genealogie und Heraldik. Zum Bestand gehören der Gothaische Hofkalender (ab Mitte des 18. Jhs bis Mitte des 20. Jhs), das Gothaische genealogische Taschenbuch der deutschen gräflichen Häuser (ab dem zweiten Viertel des 19. Jhs bis Mitte des 20. Jhs), das Gothaische genealogische Taschenbuch der freiherrlichen Häuser (ab Mitte des 19. Jhs bis Mitte des 20. Jhs), das Gothaische genealogische Taschenbuch der adligen Häuser (erste Hälfte des 20. Jhs) und der Churfürstliche sächsische Hof- und Staatskalender (zweite Hälfte des 18. Jhs).
3.1 Moderne Kataloge
Alphabetischer Katalog [in Zettelform, nach hauseigenen Regeln]
Systematischer Katalog [in Zettelform, standortunabhängig]
Standortkatalog [in Zettelform]
3.2 Historischer Katalog
Catalogus der Bibliothek Sr. Excellenz des Chur-Sächsischen Conferenz-Ministers und außerordentlichen Gesandes am Pfalz-Bayerischen Hofe Herrn Grafen von Riaucour [3 Bde, ca. 1800, hschr.]
4.1 Archivalien
Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Außenstelle Bautzen:
Gutsarchiv Gaußig Nr. 3118: Ernennungsurkunde Friedrich Wilhelm Preil, Nr. 902: Pensionierung Friedrich Wilhelm Preil, Nr. 2284: Inventarium Bibliothek (1843), Nr. 2285, 3468: Belege und Quittungen zu den Bibliotheks-Rechnungen in den Jahren 1843-1863, Nr. 1150: Nachtrag zum Testament des Grafen Andreas von Riaucour von 1770
4.2 Darstellung
Führlich, Ursula: Schloß Gaußig. Ein Streifzug durch seine Geschichte. In: Technische Universität [Dresden] (Hrsg.): Informationen ET-ITA-03-1992, S. 23-24
Debes, Dietmar: Die Schloßbibliothek Gaußig. Ein Beitrag zur sächsischen Bibliotheksgeschichte. In: Bibliothek als Lebenselixier. Festschrift zum 65. Geburtstag von Gottfried Rost. Leipzig 1996, S. 17-18
Maaß, Peter: Schloßbibliothek Gaußig - Kleinod eines kleinen Ortes. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 77 (1963) S. 112
Stand: Dezember 1993
Ursula Führlich