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Zámecká knihovna hrabat Chorinsky z Veselínad Moravou ulozena v Moravské zemské knihovne

Schloßbibliothek der Grafen Chorinsky aus Wessely a. d. March deponiert in der Mährischen Landesbibliothek


Adresse. Moravská zemská knihovna/Univerzitní knihovna, Kounicova 1, 601 81 Brno

Unterhaltsträger. Moravská zemská knihovna/Uni- verzitní knihovna [Mährische Landesbibliothek/Universitätsbibliothek]
Funktion. Schloßbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzstudium in der Mährischen Landesbibliothek/Universitätsbibliothek (s. Eintrag dort).

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die heutige Bibliothek setzt sich aus zwei historischen Buchbeständen zusammen, die Anfang des 20. Jhs auf Schloß Wessely a. d. March vereinigt wurden: aus der Bibliothek der Familie Chorinsky und der Walldorfschen Bibliothek.

1.2 Die Entwicklung der alten Büchersammlung der Adelsfamilie Chorinsky von Ledské kann man seit der Mitte des 17. Jhs verfolgen. In Bernhard Hertzogs Chronicon Alsatiae. Edelsasser Cronick (Straßburg 1592) findet sich ein Besitzvermerk von Absolon Chorinsky aus dem Jahre 1652. Als Graf Franz Karl d. Ä. Chorinsky (1689-1741) die Herrschaft und das Schloß Wessely erbte, kam auch die Büchersammlung der Familie dorthin. Sein Enkel Franz Karl d. J. Chorinsky sorgte dafür, daß die Bibliothek entscheidend erweitert wurde. Der klassisch gebildete Piarist Innozenz Alesch, Erzieher der Söhne des Grafen, ordnete die Bibliothek, bearbeitete die Kataloge, die nicht erhalten geblieben sind, und errichtete auf Wunsch des Grafen ein physikalisches Museum. Die Bibliothek gehörte zum Fideikommiß, das seit 1812 auf Wessely verwaltet wurde. Im Jahre 1884 brach im Schloß ein Brand aus, der das ganze Gebäude beschädigte. Nicht nur die Bibliothek, sondern auch die große Kupferstich- und Bildersammlung wurden davon betroffen.

1.3 Der Gründer der Walldorfschen Bibliothek war Gottfried Walldorf (1617-1687), Sohn einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aus Köln. Im Jahre 1664 wurde er als Ritter in den Adelsstand erhoben, 1678 kaufte er das Landgut Sádek. Dort wurde auch die Bibliothek aufbewahrt, die zur Zeit seines Sohnes Gottfried Ignaz I. (†1739, seit 1727 Graf) im Jahre 1733 von einem Kapuziner katalogisiert wurde. Nach 1761 wurde die Bibliothek nach Zeletice [Selletitz] überführt. Als Gottfried Ignaz II. (1727-1796) kinderlos starb, wurden die Grafen Chorinsky als Universalerben eingesetzt. In den fünfziger Jahren des 19. Jhs nahm die Bibliothek durch ein Hochwasser großen Schaden.

1.4 Nach dem Verkauf von Selletitz im Jahre 1862 wurde die Bibliothek wieder in das Schloß Sádek überführt, geordnet und in zwei Katalogen verzeichnet. Die Tatsache, daß die Bibliothek in Sádek keine angemessene Unterbringung fand und daß die Bücherschätze der Familie weit verstreut waren, bewog die Gräfin Maria, geb. Eszterházy, den Gesamtbestand nach Wessely bringen zu lassen und dort als einzige Gräflich Chorinskysche Bibliothek einzurichten. Inspektor Leopold Nopp, Archivar des Grafen Magnis im Schloß zu Stráznice [Straßnitz], verfaßte einen neuen Katalog nach 16 Sachgruppen (s. u. 3.1), der als ältester Katalog erhalten geblieben ist.

1.5 Da die Chorinskys nach der deutschen Okkupation die deutsche Nationalität angenommen hatten, wurde die Bibliothek im Jahre 1945 konfisziert und der Brünner Landes- und Universitätsbibliothek zugeteilt. Heute wird die Bibliothek als historisches Ganzes in einem Depot außerhalb Brünns aufbewahrt.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der historische Gesamtbestand der Bibliothek umfaßt 9594 Bde. Davon entfallen 17 auf das 15. Jh, 458 auf das 16. Jh, etwa 2000 auf das 17. Jh, etwa 6000 auf das 18. Jh und der Rest auf das 19. Jh.

2.2 Die Inkunabeln sind mit Ausnahme eines deutschen Titels ausschließlich lateinisch. Im 16. Jh steigt der Anteil deutschsprachiger Titel deutlich an und beträgt 28 Prozent (131 Titel). Von den 8000 Bdn des 17. und 18. Jhs tfallen etwa 7000 auf die lateinische und deutsche Sprache, 800 auf die französische Sprache und 200 auf andere Sprachen (davon 83 in Tschechisch). Das Verhältnis lateinischer und deutscher Drucke beträgt 55 zu 35 Prozent.

2.3 Die 17 Inkunabeln (die älteste wurde 1474 in Rom gedruckt) stammen aus Venedig (10), Nürnberg (3), Augsburg, Basel, Hagenau und Rom (je eine). Dem Inhalt nach überwiegt das Recht (36 Prozent), aber auch Ausgaben römischer Klassiker (18 Prozent) und neulateinischer Humanisten (18 Prozent), Werke der Theologie (18 Prozent), Philosophie, Geschichte und Naturwissenschaften sind vertreten. Bei der deutschsprachigen Inkunabel handelt es sich um Eike von Repgows Sachsenspiegel (Augsburg 1496). Die Inkunabeln werden im Tresorraum der Brünner Landesbibliothek aufbewahrt.

2.4 Die Sammlung der Drucke des 16. Jhs umfaßt 458 Bde. Die Rechtswissenschaft nimmt den weitaus größten Teil ein, aber es finden sich auch Werke zur Geschichte, Philosophie, Erdkunde, Landwirtschaft, Mathematik, Medizin (Schriften von Paracelsus) und zum Militärwesen. Die deutschsprachigen Drucke (131 Titel) stammen aus Amberg, Augsburg, Basel, Bautzen, Coburg, Dresden, Eisleben, Frankfurt a. M., Frankfurt/Oder, Görlitz, Halle, Heidelberg, Ingolstadt, Kassel, Köln, Leipzig, Liegnitz, Mainz, München, Neiße, Neustadt a. d. Hardt, Nürnberg, Olmütz, Prag, Straßburg, Tübingen, Wien, Wittenberg und Zürich. Zu den seltenen Werken gehören ein Sammelband mit 13 Reformationsdrucken aus den zwanziger Jahren des 16. Jhs und die Werke von Hans Sachs mit dem ersten Teil der Gesamtausgabe (Nürnberg 1560) und Eygentliche Beschreibung aller Stände (Frankfurt 1568).

2.5 Die Titel des 17. und 18. Jhs thalten neben überwiegend juristischen Werken alle profanen Fächer. Besonders zahlreich unter den Naturwissenschaften ist die Botanik vertreten, zumeist mit Herbarien aus dem 18. Jh. In nennenswertem Umfang ist deutsche Barockliteratur vorhanden, z. B. Matthias Abele, Künstliche Unordnung (Sulzbach 1669/70); Amydor [pseud.], Publius Cornelius Scipio der Africaner. Helden und Liebes-Geschichte, Erster Theil (Frankfurt und Leipzig 1696); Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig, Octavia (unvollständig, Nürnberg 1685-1703) und Aramena (unvollständig, Nürnberg 1673); François de Calvi, Beutelschneider (Frankfurt 1641-1657); Kurtzweiliger Diwan (o. O. 1684); Johann Michael Fleischer, Der Nordische Robinson (Kopenhagen 1741); Erasmus Francisci, Die lustige Schaubühne (Nürnberg 1669-1671); Christoph Fürer von Haimendorf, Christliche Vesta und irrdische Flora (o. O. 1702); Eberhard Werner Happel, Der Academische Roman (Ulm 1690); Georg Philipp Harsdörffer, Delitiae mathematicae et physicae (Nürnberg 1651); Peter Lauremberg, Acerra philologica (Frankfurt und Leipzig 1663); Louis le Caron, Exilium melancholiae (Straßburg 1669); Friedrich von Logau, Deutscher Sinn-Getichte drey Tausend (Breslau 1654); Giovanni Ambrosio Marini, Endimiro (2. Teil, Nürnberg 1667); Johann Peter de Memel, Zeitvertreiber (o. O. 1685); Alamodischer Politicus (Hamburg 1671); Schaubühne Englischer und Französischer Comödiante Teil 2 (Frankfurt 1670); George de Scudéry, Artamenes (unvollständig, Nürnberg 1690-1699); Philipp Zesen, Assenat (Nürnberg 1672) und Der erdichteten Heidnischen Gottheiten ... Herkunft (Nürnberg 1688) sowie 5 Werke von Christian Weise.

3. KATALOGE

3.1 Moderner allgemeiner Katalog

Katalog der Gräfl. Chorinsky'schen Schloßbibliothek zu Veselí a. d. March

[hschr. Bandkatalog; 1925 von Leopold Nopp angelegt; nach 16 Sachgruppen geordnet: Theologie, Philosophie, Belletristik, Pädagogik, Staatswissenschaft, Geschichte, Geographie, Philologie, Medizin, Naturwissenschaften, Mathematik, Kunst und Fertigkeiten, Bauwissenschaft, Gewerbe und Technologie, Handelswissenschaft, Landwirtschaft; innerhalb der Gruppen alphabetisch]

3.2 Moderne Sonderkataloge

Dokoupil, Vladislav: Soupisy prvotisk, spravovaných Universitní knihovnou v Brne. 9. Menší klášterní a zámecké knihovny [Verzeichnisse der von der Universitätsbibliothek in Brünn verwalteten Inkunabeln. 9. Kleinere Kloster- und Schloßbibliotheken]. Brno 1961

Vobr, Jaroslav; Dokoupil, Vladislav: Catalogus librorum saec. XVI typis impressorum, qui in bibliotheca Wesseliensi Comitum Chorinsky de Ledske nec non in bibliotheca gymnasii quondam Soc. Jesu Brunae asservantur. Brno 1977

[Alphabetischer Katalog; nach PI; mit vielen Registern]

Die Inkunabeln (17 Titel), Postinkunabeln 1501-1520 (20 Titel), Drucke aus der Slowakei (39 Titel), Brünner Drucke, Alten Musikdrucke (40 Titel) und Comeniana (2 Titel) sind in den tsprechenden Gesamtkatalogen der Mährischen Landesbibliothek in Brünn verzeichnet (s. Eintrag dort, 3.2).

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Elvert, Christian d': Gräflich chorinsky'sche Bibliothek in Selletitz. In: Schriften der historisch-statistischen Sektion der k.u.k. mähr. schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Heft 3. Brünn 1852, S. 117-118

[S. a. Vorworte in den Katalogen in 3.1 und 3.2.]

Stand: Mai 1992

Jaroslav Vobr

Ergänzt: April 1998


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.