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Schloßbibliotheken in Böhmen, Mähren und Schlesien

Die Schloß-, Burg- und Palaisbibliotheken in Böhmen, Mähren und Schlesien stellen innerhalb Mitteleuropas durch ihren Bestandsumfang und ihre Inhalte einen bemerkenswerten und gut erschlossenen Bestand an historischen Büchersammlungen dar. Es handelt sich fast ausschließlich um Bibliotheken, die durch Adelsfamilien begründet wurden. Der Adel spielte in der Vergangenheit in den böhmischen Landen, ähnlich wie in anderen europäischen Ländern, eine besondere Rolle in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur und war neben den Klöstern Hauptbegründer von großen Büchersammlungen.

Eine der größten europäischen Adelsbibliotheken im 16. Jahrhundert war die der alten böhmischen Adelsfamilie der Herren von Rozmberk (Rosenberg), die sogenannte Rosenbergsche Bibliothek. Sie wurde hauptsächlich von Vilém (1535-1592) und Petr Vok z Rozmberk (1539-1611) zusammengetragen. Vilém integrierte beispielsweise Bestände aus den zerstörten Klöstern in Borovany [Borowan] und Trebon [Wittingau]. Parallel dazu wuchs in Bechyne [Bechin] die Bibliothek Petr Voks. Nach 1601 wurden beide Bibliotheken in Trebon vereint und im neu errichteten Gebäude untergebracht. Die Bestände wurden mit Exlibris von Aegidius Sadeler ausgestattet und durch Václav Brezan katalogisiert. Viele Bücher trugen zudem das Supralibros von Petr Vok und seiner Gemahlin Katerina von Ludanic ( 1601). Nach dem Tode Petr Voks im Jahre 1611 umfaßte die Bibliothek insgesamt etwa 11.000 Bände und ging als Erbe an die Herren von Švamberk (Schwamberg). Petr von Švamberk nahm 1618 bis 1620 am böhmischen Aufstand teil, weshalb sein Besitz später konfisziert und die Bibliothek 1647 in die Prager Burg gebracht wurde, um mit den Sammlungen Kaiser Rudolfs vereinigt zu werden. Im darauffolgenden Jahr wurden die wertvollen Sammlungen Beute der schwedischen Armee. Ein Teil gelangte in die Königliche Bibliothek in Stockholm, andere Teile kamen nach Uppsala, Lund, Västeras und Strängnäs. Der Katalog von Brezan diente der Königlichen Bibliothek als Vorbild für die eigene Katalogisierung und befindet sich bis heute in Stockholm. Der Großteil der Rosenbergschen Bibliothek wurde 1697 beim Brand des königlichen Schlosses vernichtet. Werke aus Rosenbergscher Provenienz sind in Böhmen und Mähren nur in geringer Zahl erhalten geblieben.

Während des Dreißigjährigen Krieges wurden in Böhmen und Mähren viele weitere große Adelsbibliotheken aus der Zeit der Renaissance teilweise vernichtet oder zerstreut, so z. B. die der Familien Hodejovský z Hodejova (Hodiejow) und Zerotín (Zierotin). Aus den erhaltenen Bruchstücken entstanden in der Folgezeit neue Bibliotheken einer neuen Adelsgesellschaft, die sich einerseits aus traditionellen einheimischen Adelsgeschlechtern zusammensetzte, andererseits aus Familien, die nach der Vertreibung des nicht-katholischen Adels aus Böhmen hier ansässig geworden waren.

Ein beträchtlicher Teil des neuen böhmischen und mährischen Adels, der sogenannten Aristokratie nach der Schlacht auf dem Weißen Berg (1620), stammte aus Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien, ein geringerer Teil aus Polen oder Ungarn. Später kamen vereinzelt irische und schottische Familien sowie jüdischer Adel hinzu. Infolge des multinationalen Charakters dieser böhmisch-mährischen Aristokratie mit ihren zahlreichen verwandtschaftlichen Beziehungen ins Ausland entstanden Bibliotheken nicht nur regionalen Charakters, sondern europäischen Gepräges. Die Literatur aus dem 17. und 18. Jh stammte hauptsächlich aus Gebieten des katholischen Europa. Ausnahmen bildeten die Bibliotheken der Grafen von Zierotin in Bludov [Blauda] und der Grafen von Zedtwitz in Aš [Asch], deren Besitzer lange Zeit ihren protestantischen Glauben beibehielten. Der paneuropäische Charakter der Bibliotheken wurde zusätzlich durch häufige Studienreisen der Adligen ins Ausland gefördert sowie durch die Ausübung politischer Funktionen im Ausland, wie beispielsweise in diplomatischen Diensten der Habsburgermonarchie. Auslandsreisen wurden stets auch für Bücherkäufe genutzt.

Seit dem Dreißigjährigen Krieg wurden die Adelsbibliotheken dieser Regionen nicht mehr wesentlich durch Kriege, Plünderungen oder Brände beschädigt. Die Bestände blieben weitgehend erhalten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Aristokratie allmählich ihre privilegierte Stellung vor allem im wirtschaftlichen Bereich verlor, wurden viele wertvolle und über Jahrhunderte gewachsene Bibliotheken durch das seit dem 18. Jahrhundert bestehende Fideikommiß-Gesetz vor der Zerstreuung bewahrt, so etwa die Schloßbibliothek Kynzvart [Königswart]. Einige Schloßbibliotheken dienten im 19. Jahrhundert als Grundstock für Bibliotheken neu begründeter tschechischer kultureller Institutionen. So gingen auch Büchersammlungen in größerem Umfang an das 1818 begründete Nationalmuseum in Prag, dessen Bibliothek zu ihrer Gründung großzügige Schenkungen von böhmischen Adligen erhielt, darunter die bedeutendste von den Grafen von Kolowrat aus den Schloßbibliotheken in Breznice [Breznitz] und Rychnov nad Kneznou [Reichenau an der Knezna].

In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen waren die Fideikommiß-Beschränkungen aufgehoben; dennoch waren von den ehemaligen Fideikommissen nur die Bibliotheken der Grafen Thun-Hohenstein in Decín [Tetschen] und ein Teil der Bibliothek der Fürsten Dietrichstein-Mensdorff-Pouilly in Mikulov [Nikolsburg] von Verkäufen betroffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es 1945 und 1948 in zwei Wellen zur Verstaatlichung nahezu aller Schloßbibliotheken auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik. Obgleich sich in dieser Zeit erhebliche Bücher- und Bibliotheksbeschädigungen ereigneten, konnte der Großteil der Bestände erhalten werden. Erfreulicherweise kam es im Gegensatz zu den gleichfalls beschlagnahmten und verstaatlichten Klosterbibliotheken bei den Schloßbibliotheken kaum zu Bestandsvermischungen. Sie blieben zumeist als historische Einheiten bestehen. Nur wenige wichtige Bibliotheken oder Teile von Sammlungen wurden ausgegliedert und in eine sogenannte Distributions-Zentralstelle (heute in Kladruby u Stríbra [Kladrau]) verbracht, wo die eingegangenen Bücher nach Fachgebieten neu sortiert und danach zum Beispiel wissenschaftlichen Institutionen, Universitäten und anderen Lehranstalten übergeben wurden. Werke zu vier Themenkomplexen wurden systematisch aus den Beständen herausgelöst und gesondert zusammengestellt: Napoleonica, Metternichiana, Literatur zu Goethe und Schiller sowie Literatur zu Rilke und Karl Kraus.

Nach der Verstaatlichung konnten nur solche Schloßbibliotheken an ihrem ursprünglichen Standort verbleiben, deren Schlösser den Status eines Kulturdenkmals erhielten. Die meisten anderen Schloßbibliotheken wurden aus ihren ursprünglichen Standorten entfernt, da die Schloßgebäude anderweitig staatlich genutzt wurden (unter anderem für soziale Einrichtungen, die Armee und landwirtschaftliche Unternehmen). Ihre Buchbestände und weiteres Schloßinventar wurden als Depots in diejenigen Schlösser verbracht, die zu kulturellen Zwecken bestimmt waren. Neue Besitzer wurden neben dem Nationalmuseum auch andere staatliche Institutionen wie Ämter für Denkmalpflege, Museen und Archive. 1954 wurde eine eigene Abteilung [Oddelení zámeckých knihoven] in der Bibliothek des Nationalmuseums in Prag [Knihovna Národního muzea v Praze] eingerichtet und mit der Verwaltung aller Schloßbibliotheken - unabhängig von den Eigentumsverhältnissen - beauftragt. Dieser Verwaltungsauftrag wurde auch nicht durch die Rückgabe von etwa 40 Schloßbibliotheken an die ursprünglichen Besitzer oder ihre Nachfahren im Rahmen der Restitutionsmaßnahmen zu Beginn der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts beeinträchtigt. Mit allen privaten Besitzern der Schloßbibliotheken wurden für die Zukunft Abkommen über die Bestandsverwaltung und -benutzung durch die Bibliothek des Nationalmuseums geschlossen.

Von den Schloßbibliotheken, die noch in den ursprünglichen Räumlichkeiten aufgestellt sind, sind mehrere durch ihre Architektur sowie durch ihre wertvolle Raumgestaltung und historische Einrichtung bemerkenswert. Die ältesten in böhmischen Landen erhaltenen Bücherschränke finden sich in der Bibliothek in Schloß Breznice [Breznitz]. Sie stammen aus dem 16. Jahrhundert. Ebenfalls imposante Bibliotheksräume finden sich in Námešt nad Oslavou [Namiescht an der Oslawa], Kacina [Kaczin], Kynzvart [Königswart] und Ceský Krumlov [Krumau]. Eher romantisch wirken die Bibliotheksräume in den Schlössern Zleby [Zleb] und Sychrov [Sichrow] sowie in der Burg Pernštejn [Pernstein]. Von den moderneren Bibliotheksräumen aus dem 19. und 20. Jahrhundert seien unter anderem die Schloßbibliotheken in Dacice [Datschitz] und Kladruby u Stríbra [Kladrau] erwähnt.

Interessant ist die geographische Verteilung der Schloßbibliotheken in Böhmen und Mähren (s. Kartenteil im Anhang). Sie spiegelt die Situation des Grundbesitzes innerhalb der böhmischen Aristokratie wider. In Südböhmen, wo die Ländereien vornehmlich in der Hand der Fürsten von Eggenberg und später der Fürsten von Schwarzenberg waren, gab es wenige, dafür aber ausgesprochen umfangreiche Bibliotheken, wie die in Ceský Krumlov [Krumau], Orlík [Worlik] und Hluboká [Frauenberg]. In Südwest- und Nordwestböhmen hingegen, wo der Grundbesitz zersplittert war, existierten zahlreiche kleinere Büchersammlungen. Zudem entstand naturgemäß eine größere Zahl von Adelsbibliotheken in den bedeutenden Palästen Prags. Einige dieser Bibliotheken wurden später auf die Landsitze der betreffenden Adelsfamilien überführt, so beispielsweise nach Krivoklát [Pürglitz], Rychnov nad Kneznou [Reichenau an der Knezna] und Krimice [Krimitz]; andere verschwanden spurlos. Heute befinden sich in Prag nur noch die Adelsbibliotheken der Grafen Nostitz und der Fürsten Kinský (s. Einträge in Band 1), die ebenfalls unter der Verwaltung der Bibliothek des Nationalmuseums stehen.

Inhaltlich zeigen die Buchbestände in der Regel die Bemühungen der Inhaber aus der Barockzeit, umfangreiche enzyklopädische Bibliotheken aufzubauen, die möglichst alle wissenschaftlichen Disziplinen und Bereiche des menschlichen Lebens in dieser Zeit repräsentieren sollten. So sind neben den verschiedenen naturwissenschaftlichen, technischen und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern auch die Alchemie, die exakten Wissenschaften, die Belletristik, die Poesie und Reiseliteratur von der Antike bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vertreten. Überdies spiegeln sich in den Sammlungen die persönlichen Interessen der Inhaber wider, so daß sie neben wissenschaftlichen Werken auch Curiosa einschließen. Die auf Curiosa gerichtete Sammeltätigkeit brachte eine Reihe von interessanten Spezialbeständen hervor wie etwa Werke aus dem 18. Jahrhundert zur elektrischen Energie und zum Magnetismus in der Schloßbibliothek in Litencice [Litenschitz], zur Ägyptologie in Pacov [Patzau], zeitgenössische Flugblätter aus dem Dreißigjährigen Krieg in Mnichovo Hradište [Münchengrätz], Werke über Dämonologie in Buchlov [Buchlau], magische und kabbalistische Schriften in Újezd Svatého Kríze [Heiligenkreuz], Literatur über Freimaurerei in Lipník nad Becvou [Leipnik], über Weinbau in Dolní Berkovice [Unterberkowitz], über Eisenbahnen in Vrchlabí [Hohenelbe] sowie umfangreiche Bestände zur Alchemie in Rájec nad Svitavou [Raitz], Tovacov [Tobitschau] und Mnichovo Hradište [Münchengrätz].

Standardsammelgebiete waren die praktischen Bereiche des aristokratischen Lebens wie Politik, Jurisprudenz und Militärwesen. Umfangreiche Militariabestände finden sich in den Bibliotheken des Generals Alfred von Windischgrätz in Kladruby u Stríbra [Kladrau] und des Generals Ernst Gideon von Laudon aus Bystrice pod Hostýnem [Bistritz am Hostein]. Hier liegen etwa 2000 Landkarten europäischer Kriegsschauplätze vor. Nahezu jede Schloßbibliothek umfaßte zudem ökonomische, forst- und landwirtschaftliche Literatur, da das Schloß in der Regel die Funktion eines Verwaltungszentrums für den umliegenden Grundbesitz ausübte. Auch aus diesen Bereichen finden sich oft regional bedingte Spezialbestände (insbesondere aus dem 19. Jahrhundert), zum Beispiel zur Verbesserung des Bodens, Be- und Entwässerung oder Trockenlegung von Sümpfen. Sammlungen über Architektur und Gartenbau waren bei der Gestaltung der Anlagen und bei Umbauten der Burg- und Schloßgebäude nützlich. Zur Erziehung der jungen Adelsgenerationen dienten Lehrbücher und pädagogische Literatur. Als charakteristisch für die Bestände in den Schloßbibliotheken gelten ebenfalls Interessenbereiche des adligen Lebens wie Jagd, Genealogie, Heraldik und Theater. Selbstverständlich enthalten die Bibliotheken auch Werke zur Geschichte von Böhmen, zur Geschichte der jeweiligen Region des Schlosses und daneben auch zur Geschichte des europäischen Auslandes.

Eine sprachliche Analyse der Buchbestände zeigt, daß die Literatur bis zum 17. Jahrhundert zumeist in lateinischer Sprache vorliegt, während im 18. und 19. Jahrhundert Französisch (als gängige Sprache des Adels) und Deutsch überwiegen. Werke in tschechischer Sprache liegen nur vereinzelt aus dem 16. Jahrhundert vor; in Gebieten wie beispielweise um Rychnov nad Kneznou [Reichenau an der Knezna] und Neustupov [Neustupow] nimmt ihr Anteil im 19. Jahrhundert rasch zu. Weitere vertretene Sprachen sind Italienisch (zum Beispiel in der Bibliothek der Fürsten Piccolomini in Náchod [Nachod]), Spanisch (zum Beispiel in Roudnice nad Labem [Raudnitz] und Mladá Vozice [Jungwoschitz]) sowie Englisch (zum Beispiel in Kvasiny [Kwasnei]). Durch verwandtschaftliche Beziehungen der Besitzer bedingt sind in bestimmten Bibliotheken zu kleineren Anteilen andere europäische Sprachen vertreten, so Ungarisch in Buchlov [Buchlau] und Letovice [Letowitz], Niederländisch in Osvracín [Wostratschin], Lettisch in Kopaniny [Krugsreuth], Russisch in Pobezovice [Ronsperg] und Dänisch in Ratiborice [Ratiboritz]. Vereinzelt vorhanden sind Drucke und Handschriften in orientalischen Sprachen (zum Beispiel in Krivoklát [Pürglitz] und vornehmlich Handschriften in Opocno [Opocen]). Für das Handbuch wurden insbesondere Schloßbibliotheken mit einem bedeutenden Anteil an deutschsprachigen Werken ausgewählt, insgesamt 177 der 341 erhaltenen Schloß-, Burg- und Palaisbibliotheken.

Die meisten Bibliotheken wurden durch die Sammeltätigkeit von Generationen von Familienmitgliedern über Jahrhunderte zusammengetragen. In Einzelfällen kam es aber auch zu Inkorporationen größerer Bestandskonvolute oder privater Sammlungen. Dies geschah sowohl durch Eheschließungen und Erbschaften als auch durch Ankäufe in Antiquariaten im In- und Ausland. So kamen in die Metternichsche Schloßbibliothek Kynzvart [Königswart] die Handschriftensammlung von Karl Huss, dem letzten Egerer Henker, und eine Auswahl der wertvollsten Bücher aus dem säkularisierten schwäbischen Kloster Ochsenhausen. In der Schloßbibliothek Konopište [Konopischt] findet sich eine italienische Bibliothek des Toskaner Zweiges der Habsburger, in Horovice [Horowitz] eine Sammlung der hessischen Kurfürsten, in Kunín [Kunwald] ein älterer Bestand der Grafen von Hohenembs, in Becov nad Teplou [Petschau] eine ursprünglich belgische Büchersammlung der Herzöge Beaufort-Spontin sowie in Kout na Šumave [Kauth] die Wartenhausener Bibliothek der Grafen von Stadion, die an ihrem ursprünglichen Standort den jungen Wieland beeinflußte.

Die Buchbestände sind heute gut erschlossen. Bereits im 19. Jahrhundert nahm das wissenschaftliche und öffentliche Interesse an den Buchbeständen der böhmischen und mährischen Schloßbibliotheken zu, das sich im 20. Jahrhundert noch stärker artikulierte. Zahlreiche in- und ausländische Fachleute nutzten die Bestände für ihre Studien und wissenschaftlichen Publikationen. Den Bemühungen und Publikationen Dr. Bohumír Lifkas ist es in erster Linie zu verdanken, daß die Geschichte der Schloßbibliotheken, ihre Bestandsentwicklungen sowie die Geschichte ihrer Inhaber heute gut dokumentiert sind. Das Interesse an den historischen Beständen hielt auch in den letzten Jahren an.

Das Handbuch bietet die bisher umfassendste Übersicht über die Bestände der böhmischen und mährischen Schloßbibliotheken. Die Bibliotheken werden alphabetisch unter den Ortsnamen ihrer ursprünglichen Standorte beschrieben und im Kartenteil im Anhang verzeichnet. Die Orte sind nicht identisch mit den heutigen Standorten der Bestände, die aus Sicherheitsgründen nicht bekanntgegeben werden. Alle Bestände sind ausschließlich über die Bibliothek des Nationalmuseums in Prag zugänglich und können nur als Präsenzbestand in deren Lesesaal benutzt werden.

Die Aufgabe der speziell eingerichteten Abteilung für Schloßbibliotheken in der Bibliothek des Nationalmuseums in Prag besteht in der Sammlung von Informationen über die Bibliotheken, in der Bearbeitung und Katalogisierung der Bestände, um ihre wissenschaftliche Benutzbarkeit zu ermöglichen. Die Abteilung verwaltet und betreut zudem einige Pfarrbibliotheken und als ursprüngliche Klosterbibliothek auch die Bibliothek der Malteserritter in Prag. Sie organisiert Ausstellungen zu den Beständen und gibt wissenschaftliche Publikationen heraus. Für die Bearbeitung der Schloßbibliotheken steht eine umfangreiche genealogische Datenbank zum Adel in den böhmischen Kronländern zur Verfügung, die von Dr. Vladimír Pouzar aufgebaut wurde. Ergänzend sammelt die Abteilung weitere Informationen über die mehr als 400 bekannten historischen Schloßbibliotheken in Böhmen und Mähren, die heute nicht mehr existieren.

Die noch bestehenden 341 Schloßbibliotheken weisen zusammen einen Gesamtbestand von etwa 1.672.000 Bänden auf. Darunter befinden sich etwa 7895 Handschriften, 1640 Inkunabeln (einschließlich des Bestandes der Schloßbibliothek Roudnice nad Labem [Raudnitz], die von der Nationalbibliothek in Prag verwaltet wird), ca. 15.000 Drucke des 16. Jahrhunderts und ca. 600.000 vor 1800 erschienene Drucke. Die älteste Handschrift stammt aus dem 9. Jahrhundert, die jüngste Literatur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Für annähernd alle Schloßbibliotheken sind Standortkataloge angelegt worden, sowohl maschinenschriftliche als auch handschriftliche. Ausnahmen sind die Bibliotheken von Brtnice [Pirnitz], Dolní Rozínka [Unterrozínka], Holešov [Holleschau], Kunštát na Morave [Kunstadt], Líšen [Lösch], Miroslav [Miroslaw], Roudnice nad Labem [Raudnitz] und Sovinec [Eulenburg]. Die Standortkataloge verzeichnen Verfasser, Kurztitel, Ort und Jahr sowie die Bandzahl. In der Regel befindet sich ein Exemplar des Standortkataloges in der Abteilung für Schloßbibliotheken in der Bibliothek des Nationalmuseums und ein weiteres Exemplar bei den Beständen selbst. Etwa dreißig Prozent aller Titel sind bislang in einem Alphabetischen Gesamtkatalog erfaßt. Dieser enthält neben den üblichen bibliographischen Angaben einige zusätzliche Angaben wie etwa zur Provenienz oder zum Einband.

Einige Bestände sind mit Hilfe von Photographien der Titelblätter katalogisiert worden, die auf Karten aufgeklebt wurden. Für die Schloßbibliothek Ceský Krumlov [Krumau] liegt ein handschriftlicher Katalog vom Anfang des 20. Jahrhunderts vor. In Einzelfällen stehen andere Sonderkataloge zur Verfügung. Für alle Periodika, die nicht zu den Bohemica zu zählen sind, liegt ein alphabetisches Titelverzeichnis mit ca. 30.000 Einträgen vor. Dort werden auch Kalender, Almanache und Jahrbücher verzeichnet.

Aus dem Alphabetischen Gesamtkatalog wurden Spezialkataloge herausgezogen, darunter ein Katalog der Bohemica mit etwa 9000 alphabetisch nach Verfassern geordneten Kurznachweisen. Zu den Bohemica zählen Werke in tschechischer Sprache unabhängig vom Erscheinungsort; Werke tschechischer Autoren unabhängig von der Sprache; Werke in jeder Sprache, die in Böhmen oder Mähren erschienen sind, sowie Werke in jeder Sprache, die sich inhaltlich auf Böhmen beziehen. Ein Katalog von Theaterliteratur wurde ebenfalls aus dem Gesamtkatalog herausgezogen und verzeichnet etwa 12.000 Einträge (Theaterstücke, Libretti, Theaterliteratur einschließlich Periodika) in einem alphabetischen Autorenverzeichnis und einem alphabetischen Titelverzeichnis. Ein gleichfalls aus dem Gesamtkatalog exzerpierter Katalog der Handschriftenbestände wird derzeit durch einen vom Archiv der Tschechischen Akademie der Wissenschaften [Akademie ved Ceské republiky - archiv] erarbeiteten Gesamtkatalog der Handschriften in den Schloßbibliotheken ersetzt. Der Katalog der Drucke aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts enthält ausführliche bibliographische Angaben einschließlich Exemplarbeschreibungen. Er wird derzeit in maschinenlesbare Form gebracht und ist zur Veröffentlichung vorgesehen.

Die Bestände der Schloßbibliotheken von Dacice [Datschitz], Horšovský Týn [Bischofteinitz], Kacina [Kaczin], Oselce [Woseletz], Malonice und Chotoviny sind bereits im Detail in einem maschinenlesbaren EDV-Katalog erfaßt. Die Angaben aus den vorliegenden Standortkatalogen wurden übernommen für die Bibliotheken in Kuks [Kukus], Kladruby u Stríbra [Kladrau], Vranov nad Dyjí [Frain] und Bruntál [Freudenthal]. Dieser Katalog bildet die Grundlage für einen künftig geplanten EDV-Gesamtkatalog der Schloßbibliotheken, der zur Zeit etwa 60.000 Bände verzeichnet. Ein Verzeichnis der historischen Kataloge zu den Beständen in den Schloßbibliotheken ist in konventioneller Form vorhanden. Datenbanken für allgemeine Informationen zu den Schloßbibliotheken und zur Provenienz einzelner Titel und Bestandsgruppen befinden sich im Aufbau.

Veröffentlichungen zu den einzelnen Bibliotheken sind, soweit vorhanden, bei den jeweiligen Einträgen aufgeführt. Archivalien aus einzelnen Schlössern werden zumeist in den Regionalarchiven aufbewahrt und sind verzeichnet in der Publikation Prehled archiv v CSR [Übersicht der Archive in der CSR], Praha 1984. Informationen über das Schicksal einzelner Bibliotheken nach 1948 finden sich zusätzlich in den Berichten der Nationalen Kulturkommission [Národní kulturní komise], der Staatlichen Denkmalpflege [Státní památková správa] und der Bibliothek des Nationalmuseums [Knihovna Národního muzea]. Sie sind ebenfalls in der Abteilung für Schloßbibliotheken zugänglich.

Die Anschrift der Bibliothek des Nationalmuseums lautet: Knihovna Národního muzea v Praze, Václavské námestí 68, 115 79 Praha 1. Das Museum ist mit den U-Bahnlinien A und C erreichbar (Station Muzeum). Telefon (02) 24 49 71 67, Telefax (02) 24 22 64 88, e-mail [Muzeum]. Der Lesesaal ist Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 19 Uhr geöffnet. Eine telefonische oder schriftliche Anmeldung ist in der Regel erforderlich. Fotokopien oder Mikrofilme sind gegen Entgelt über die Fotostelle des Nationalmuseums erhältlich. Die Kataloge der Schloßbibliotheken stehen in der Abteilung für Schloßbibliotheken [Oddelení zámeckých knihoven] zur Verfügung. Die Abteilung verfügt zudem über eine umfangreiche Handbibliothek mit modernen Bibliographien und Nachschlagewerken. Weitere Informationen zur Bibliothek des Nationalmuseums in Prag finden sich in Band 1 des Handbuchs.

Stand: März 1997

Petr Mašek


Quelle:Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.