FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
Home
HomeRegionen:Stadtregister:Abkürzungen
Volltextsuche:

trunkiert

BenutzerprofilLogin

Impressum
     Home > Deutschland > Sachsen-Anhalt > Stendal

Bibliothek der Schönbeckschen Stiftung in der Marienkirche

Adresse. Evangelisches Pfarramt, Priesterstraße 2, 39576 Stendal [Karte]
Telefon. (03931) 21 28 77 (Pfarramt), 21 21 34 (Kreiskirchenamt)
Bibliothekssigel. Kirchlicher Zentralkatalog Berlin <Sa 20>

Unterhaltsträger. Kuratorium der Schönbeckschen Stiftung
Funktion. Spezialbibliothek. Sammelgebiet. Abgeschlossener historischer Bestand, gelegentlich durch Ankäufe ergänzt und erweitert.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Öffnung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erwünscht. - Fußwegnähe vom Hauptbahnhof (ca. 20 Minuten). A 2 (E 30), Ausfahrt Magdeburg-Zentrum, B 189. Parkmöglichkeiten in der Nähe.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Den Grundstock der Bibliothek bildet die private Büchersammlung von Christoph Schönbeck (1601-1662), der in Berlin als kurfürstlich-brandenburgischer Rat und Archivar tätig war. Wenige Tage vor seinem Ableben erweiterte er am 26. September 1662 die von seinem Vater Bartholomäus Schönbeck sen. (1546-1605, Bürgermeister zu Stendal) errichtete Familienstiftung mit der testamentarischen Verfügung, seine Bücher dem Rat der Stadt zu übereignen zur Gründung einer " ... Bibliothec daselbst von theologischen, juristischen und politischen Büchern, die nicht iedermanns Kauff, auch nicht bey allen zu finden". Ein Kapital von 700 Talern sollte " zur Erkauffung dergleichen guten und raren Büechern" dienen. Die Bibliothek war von ihrem Stifter als kommunale Einrichtung für seine Heimatstadt gedacht. Der erste Katalog von 1669 verzeichnet vermutlich den Bestand der ursprünglichen Stiftung, wozu auch eine Reihe von Bänden aus dem Besitz des Bruders Benedikt Schönbeck (1597-1665) gezählt werden müssen.

1.2 Obwohl für den kontinuierlichen Ausbau ein ausreichender Etat vorhanden war, ist die Bibliothek im 18. Jh nur geringfügig erweitert worden. Im 19. Jh wurden grundlegende Editionen wie die Weimarer Lutherausgabe und der von Adolph Friedrich Riedel herausgegebene Codex diplomaticus Brandenburgensis (Berlin 1838-1869) angeschafft.

1.3 Die vom Stifter vorgeschlagene Unterbringung im Rathaus ist nicht gesichert. Aus einem eigens für sie errichteten, später wohl baufälligen Gebäude zwischen Ratskeller und Marienkirche wurde die Bibliothek um 1725 an ihren heutigen Standort über der Sakristei im Westwerk der Marienkirche überführt. Vermutlich bei dieser Gelegenheit sind auch die Reste der Kirchenbibliothek dieser Gemeinde, darunter 4 Inkunabeln und knapp 20 Titel des 16. und 17. Jhs zur Musikliteratur, in den Bestand aufgenommen worden.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek umfaßt einen gezählten Gesamtbestand von 1663 Titeln, davon 4 Inkunabeln, 342 Titel des 16. Jhs (20,6 Prozent), 920 des 17. Jhs (55,3 Prozent), 47 des 18. Jhs (2,8 Prozent), 211 des 19. Jhs (12 Prozent) und 90 Titel des 20. Jhs (5,4 Prozent). 49 Titel (2,9 Prozent) enthalten keine Jahresangabe. Hinzu kommen ca. 16 lfd. Meter (ca. 600 Bde), die in nachträglich aufgefundenen Schränken mit Büchern und Akten in einem Turmaufgang lagern. Die vorrangig aus dem 19. Jh stammenden Titel sind nicht differenziert ausgezählt worden, doch konnten einige bisher als vermißt geltende alte Drucke aus den Bereichen Theologie, Geschichte sowie Musikalien festgestellt werden.

2.2 Den Hauptanteil bilden Werke in Latein (712 Titel, 42,8 Prozent) und in Deutsch (667 Titel, 40,1 Prozent). 247 Titel (14,8 Prozent) sind in Französisch, 34 (2 Prozent) in Italienisch. Englische und griechische Titel (in 3 polyglotten Werken) machen nur einen geringen Prozentsatz aus. Systematische Übersicht

2.3 Für die Bestandsbeschreibung wurde der vier- bändige, 1837 geschriebene Sachkatalog hinzugezogen und durch die im Hauptkatalog erscheinenden Zugänge ergänzt.

2.4 Der theologische Bestand nimmt mit 533 Titeln neben den Miscellanea den größten Raum ein. Dazu zählen Werkausgaben und Einzelschriften der Kirchenväter (7 Titel), von Luther, Melanchthon und anderen Reformatoren (53) sowie jüngerer Theologen (77). Die Bibliothek besitzt z. B. die von Donatus Richtzenhain und Thomas Rebatus gedruckten Jenaer Lutherausgaben in Latein (Jena 1564-1570) und Deutsch (Jena 1565-1568; unvollständig; mit Register) sowie Melanchthons Opera Omnia (Wittenberg: Johannes Crato 1562-1564). Aus dem 19. Jh stehen die Erlanger Lutherausgaben in Deutsch (20 Bde; Erlangen 1826-1829) und Latein (12 Bde; Erlangen 1829-1844) sowie die Weimarer Gesamtausgabe (1883-1985; wenige Lücken) zur Verfügung. Aus dem Corpus Reformatorum liegen Melanchthons Schriften (28 Bde; Halle 1834-1852 und Braunschweig 1853-1860) sowie die Werke Johann Calvins (50 Bde; Braunschweig 1863-1895 und Berlin 1900) vor.

2.5 In der umfangreichen Gruppe zur Systematischen Theologie (137 Titel) und Praktischen Theologie (123) ist die Erstausgabe von Christian Scrivers Chrysologia catechetica (Magdeburg 1659) zu nennen. Die kirchengeschichtlichen Werke, einschließlich der Biographien namhafter Theologen, umfassen 50 Titel, darunter z. B. zur Reformationsgeschichte die seit der Goldenen Bulle von 1356 dokumentierten Reichstagsabschiede des Heiligen Römischen Reiches (Mainz: Frantz Behem 1562) sowie die Confessio Augustana (Wittenberg: Hans Lufft 1562).

2.6 Hinzu kommen 25 Ausgaben von Bibeln oder deren Teilen. Wegen ihres defekten Zustandes nur zu schätzen sind die Druckjahre des verbliebenen zweiten Teils einer Vulgata (1474/75) und des zweibändigen Sentenzenkommentars von Petrus Lombardus (ca. 1491). Ohne die Kanonbilder erhalten blieb das Missale Magdeburgense, Halberstadense, Brandenburgense, Verdense etc. (Magdeburg: Simon Koch 1486; GW-MS, Bl. 24529; HC 11322). Von dem mit Christoph Schönbeck befreundeten, 1637 bis 1663 in Stendal amtierenden Generalsuperintendenten Johann Stralius d. J. (1602-1663) liegen zahlreiche Kleinschriften vor. Eine besondere Kostbarkeit stellt das im Jahre 1730 der Bibliothek geschenkte, 215 Blatt umfassende Manuskript des norddeutschen Reformators Johannes Bugenhagen (1485-1558) zu seinen Vorlesungen über das Evangelium St. Matthäus dar.

2.7 Der Bestand zur Rechtswissenschaft enthält 238 Titel zum römischen, zum Feudal- und zum bürgerlichen Recht, ferner 8 kirchenrechtliche Werke und 30 Dissertationen, die z. T. unter Johann Samuel Stryk (1668-1715) in Leipzig und Frankfurt/Oder verfaßt wurden.

2.8 Erwerbungen zur Geschichte (248 Titel) bildeten bis ins 19. Jh einen wichtigen Schwerpunkt der Bibliothek. Zu den älteren Werken dieser Gruppe zählt Andreas Engel, Annales Marchiae Brandenburgicae (Frankfurt/Oder 1598). Aus dem 17. Jh stammen die im Auftrag von Matthaeus Merian durch Johann Philipp Abelin († zwischen 1634 und 1637) unter dem Pseudonym Johann Ludwig Gottfrid verfaßte Historische Chronica oder Beschreibung der Geschichte von Anfang der Welt bis auf das Jahr 1657 (nach Abelins Tod fortgesetzte Ausgabe, Frankfurt a. M. 1710) sowie deren (gleichfalls weitergeführte), unter dem richtigen Namen und dem Titel Theatrum Europaeum erschienene Ausgabe (15 Bde; Frankfurt a. M. 1662-1707). 28 Titel haben den Dreißigjährigen Krieg und den Westfälischen Frieden zum Inhalt. In gleichem Umfang ist die Regionalgeschichte vertreten.

2.9 Der wertvollste Besitz in der Gruppe Erdbeschreibung einschließlich Reisebeschreibungen (18 Titel) ist der Atlas novus absolutissimus (11 Bde; Amsterdam 1658, mit Stichen von Matthaeus Merian d. Ä.). Auch auf eine Reihe älterer Globen sei hingewiesen. Der Bereich Naturgeschichte umfaßt 57 Titel, darunter 17 zur Pest und ihrer Bekämpfung.

2.10 Die 503 Titel der Gruppe " Miscellanea" gliedern sich in die Bereiche Allgemeines (265 Titel), Literatur und Literaturgeschichte (120), darunter auch frühe Ausgaben lateinischer und deutscher Klassiker, aber auch Anthologien griechischer, lateinischer, deutscher, französischer Dichtungen aus dem 17. und 18. Jh (z. B. Peter Lauremberg, Acerra Philologica, Lübeck 1653; Zacharias Lundius, Allerhand artige Deütsche Gedichte, Leipzig 1636; Jean Puget de La Serre, Le Secretaire de la Covr ov la Manière d'escrire selon le Temps, Paris 1626 und andere). Ferner liegen vor Wörterbücher und Grammatiken (34), Werke zur Philosophie (32), Rhetorik (16), Pädagogik und Kunstgeschichte (je 10) sowie zur Philologie (8). Hinzu kommen Zeitschriften (5) und Enzyklopädien (3). In beachtlicher Vollständigkeit sind die Kompositionen von Orlando di Lasso (1520-1594) erhalten, darunter z. B. Newe Teutsche Liedlein mit Fünff Stimmen (5 Bde; München 1567), Selectissimae Cantiones (8 Bde; z. T. mehrfach; Nürnberg 1568) sowie Magnum Opus Musicum (München 1604; unvollständig).

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Alphabetischer Katalog

[in Zettelform; nach PI]

Systematischer Katalog

[in Zettelform; nach hauseigenen Regeln]

Sonderkatalog für die Drucke des 16. Jhs [nach VD 16] und des 15. Jhs [nach GW]

Alle drei Kataloge wurden im Februar 1994 abgeschlossen. Die Bestände sind im Kirchlichen Zentralkatalog Berlin (Mikroficheausgabe 1997) nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Alte systematische Abteilungen:

Catalogus librorum ad bibliothecam Schönbeccianam ... 1669

[Systematischer Katalog mit den Gruppen libri theologici; libri juridici; libri philosophici, historici et alii communes: Stadtarchiv Stendal, Bestand Schönbeckstiftung Nr. 18]

Catalogus librorum in biblioteca Schönbecciana, 1712

[Systematischer Katalog: Gruppen wie Katalog von 1669 zuzüglich libri gallicae et italicae linguae; ebda, Nr. 19]

Gesamtbestand:

Sachkatalog

[4 Bde mit den Gruppen Theologie, Rechtswissenschaft, Erdbeschreibung Geschichte Naturgeschichte, Miscellanea; innerhalb der Sachgruppen in alphabetischer Abfolge. Beide zwischen 1837 und 1848 von Pfarrer Ernst Weihe in Staffelde unter Mithilfe des Stadtschreibers Pfannscdt angelegt]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Pfarrarchiv St. Marien Stendal:

Nr. 576, S. 519-524 [Verzeichnis der Bücher in der Sakristei im Kirchenstuhlregister von 1739]

Magdeburg, Landeshauptarchiv:

Rep. A 12 Spec. Stendal Nr. 367, Bl. 3-14, 21 [anno 1816/17] und

Rep. A 23 g Altmärkisches Obergericht Stendal Nr. 144 Stadtarchiv Stendal, Bestand Schönbeckstiftung Nr. 38, Faszikel 2: Testament des Christoph Schönbeck vom 26. September 1662 (Abschriften ebda in Nr. 2 und in Nr. 177, Bl. 21).

Ebda Nr. 179: Verwaltung der Bibliothek 1826-1898. Magdeburg, Konsistorialarchiv: alte Signatur IX/171: Bericht von Eduard Jacobs über die Bibliothek, 1890

4.2 Darstellungen

Bekmann, Johann Christoph; Bekmann, Bernhard Ludwig: Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg. Bd 2. Berlin 1753 [zur Bibliothek Teil 5, Buch 1, Kapitel 2, Sp. 57 und 177-178]

Nachrichten über die Schönbecksche Stiftung. Zusammengestellt für die Mitglieder des Kuratoriums derselben. Stendal 1897 [zur Bibliothek S. 19-20]

Alberts, Haymo: Aus einer alten Bibliothek. Die Bücherei der Schönbeckschen Fundation in der Marienkirche zu Stendal. In: Die Altmärkische Heimat. Monatsbeilage zur Altmärkischen Tageszeitung. Stendal (1933) Nr. 11, S. 43-44 [Leipzig Deutsche Bibliothek: ZB 292820. Kirchlicher Zentralkatalog: CZ 21 Kopie, einziges nachweisbares Exemplar]

Czubatynski, Uwe: Christoph Schönbeck (1601-1662) und die Gründung der Schönbeckschen Bibliothek in Stendal. In: Aus der Altmark. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel 70 (1994) S. 114-118

Czubatynski, Uwe: Armaria ecclesiae. Studien zur Geschichte des kirchlichen Bibliothekswesens. Neustadt a. d. Aisch 1998, S. 39, 89-90, 105, 108, 119, 125, 130, 351/508 (Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft der Archive und Bibliotheken in der evangelischen Kirche 24; Veröffentlichungen des Evangelischen Zentralarchivs in Berlin 6)

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Alberts, Hermann: Zwei Bugenhagenfunde aus zwei alten Büchereien. In: Theologische Studien und Kritiken 106 (1934/35) S. 61-72

Bieber, Anneliese: Johannes Bugenhagen zwischen Reform und Reformation. Göttingen 1993 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 51)

Stand: Januar 1998

Alfred Zimmermann

Uwe Czubatynski


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.