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Kirchenbibliothek der St. Jacobi-Gemeinde

Adresse. Untermarkt (Pfarramt Dom I), 09599 Freiberg [Karte]
Telefon. (03731) 2 21 86

Unterhaltsträger. Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde von St. Jacobi in Freiberg in Verbindung mit dem Kirchenkreis
Funktion. . Kirchenbibliothek; ruhende Traditionsbibliothek.
Sammelgebiete. Theologie. Der Bestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erforderlich. Fußwegnähe vom Bahnhof (ca. 20 Minuten) oder Citibus-Verbindung bis Haltestelle Untermarkt; von dort eine Minute Fußweg. A 4 (E 40), Ausfahrt Siebenlehn; A 14, Ausfahrt Nossen; B 101, B 173. Parkmöglichkeiten auf dem Untermarkt.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Bibliothek der alten St. Jacobikirche zu Freiberg geht auf einen Grundstock von 68 Bdn aus dem Freiberger Jungfrauenkloster Maria Magdalena zur Buße zurück. Das Nonnenkloster Maria Magdalena zur Buße, in Freiberg 1230 gegründet, gehörte zu einem Orden, der nur in Deutschland Verbreitung fand. 1224 rief Rudolf von Worms in einer Predigt zur Stiftung dieses Ordens auf mit dem Ziel, Dirnen zur Buße und zum klösterlichen Leben zu führen. Schon 1227 wurde die Neugründung vom Papst bestätigt. Auf dem Territorium von Thüringen und Sachsen entstanden Klöster in Altenburg, Dalenschütz, Dohren, Erfurt und Großenhain. Sie wurden von einer Priorin und einem Prior geleitet. Als der ursprüngliche Zweck des Ordens gegen Ende des 15. Jhs zugunsten der Versorgung unverheirateter Frauen aufgegeben wurde, kamen die Nonnen etwa zur Hälfte aus dem Adel des Landes und aus dem städtischen Bürgertum. Um 1480 befand sich das Freiberger Kloster in einer Krise, die aber in den nächsten Jahrzehnten durch die Einsetzung einer auswärtigen Priorin, eines Klosterverwalters und eines Probstes aus dem Keis der Ratsmitglieder behoben werden konnte. 1506 lebten im Kloster 44 geweihte Nonnen und 13 ungeweihte adelige Damen.

1.2 In diese Zeit der Stabilisierung fällt vermutlich auch der Aufbau der Bibliothek. Die Bücher sind vor allem durch den Besitzvermerk in deutscher Sprache, " Das Buch gehort kegn Freybergk in das Jungfrawencloster S(an)cte Marie Magdalene", als Teil der Klosterbibliothek zu erkennen. In einem Fall ist zusätzlich angegeben, daß das Buch für das Kloster gekauft worden ist (Fol. 22), in mehreren Fällen wurde vermerkt, daß Bücher von Gönnern dem Kloster geschenkt wurden. Da keine Spuren einer Ankettung zu erkennen sind, hat es in diesem Kloster wahrscheinlich keinen mit Pulten ausgestatteten Bibliotheksraum gegeben. Statt dessen dürften die Bücher in den Zellen der Nonnen benutzt worden sein.

1.3 Da Signaturen fehlen, hat die Bibliothek wahrscheinlich keine feste Ordnung gehabt. Der erhaltene oder im Katalog von 1480 nachgewiesene Bestand läßt erkennen, daß die Nonnen zwar einige deutsche Bücher, liturgische Werke, Heiligenlegenden sowie Erbauungsbücher und Predigten, vor allem von dem Volksprediger Johann Geiler von Kaysersberg (1445-1510), besaßen, von denen 9 Bde erhalten sind. Aus der großen Zahl der lateinischen Werke, die neben Viten und Sermonen auch dogmatische Werke enthalten, geht jedoch hervor, daß sie auch für diese Literatur die notwendigen Kenntnisse und Interessen besaßen.

1.4 Nach der Auflösung des Klosters im Jahre 1542 wurden die Bücher auf Anweisung des Klosterverwalters Urban Hartmann in das Diakonatsgebäude der früheren Klosterkirche St. Jacobi gebracht und inventarisiert. Wie ein Inventar von 1721 ausweist, wurde die Büchersammlung später in einem " gemalten Schrank in der Sakristei" aufbewahrt und blieb dort bis zum Abbruch der Kirche im Jahre 1890. Die Bedingungen waren für die Aufbewahrung offenbar ungünstig, denn schon 1772 wurde berichtet, daß sie sich " in schlechten Umständen befinden", und 1883 hieß es: " Noch gegenwärtig ist ein Teil davon in sehr verwahrlostem Zustand in der Jakobkirche in Freiberg aufgestellt. Die Bücher haben besonders durch den Wurmfraß stark gelitten."

1.5 Die Bibliothek wurde über den ursprünglichen Klosterbestand hinaus (Julius Petzholdt rekonstruierte 1842 einen Bestand von 104 Drucken, davon 56 Inkunabeln) in der zweiten Hälfte des 16. Jhs und im 17. Jh durch den gezielten Erwerb von protestantischen Büchern vermehrt, außerdem im 18. Jh durch Stiftungen, und entwickelte sich von einer Klosterbibliothek zu einer Kirchenbibliothek. Superintendent Mag. Christoph Gottlieb Grundig (1707-1780) stiftete um 1780 der Kirchenbibliothek einen wesentlichen Teil seiner Büchersammlung. Da er gute Kenntnisse der Kirchengeschichte und besonders der Liturgik und Katechetik besaß, hatte er seltene Ausgaben erworben. In seinen Büchern finden sich von seiner Hand sorgfältige bibliographische und historische Erläuterungen. Aufgrund dieses ungewöhnlichen Zuwachses wurde nach 1780 von einem unbekannten Verfasser ein neuer " Catalogus über die in der Kirchenbibliothek zu S. Jacobi befindlichen Bücher und Manuscripte" erstellt.

1.6 Als die alte Jacobikirche 1890 abgerissen wurde, übergab man die Bibliothek zunächst dem Gymnasium zur Verwahrung und 1927 dem Ratsarchiv, das sie während des Zweiten Weltkrieges auslagerte. Seit 1952 wurde sie vom Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche Sachsen in Dresden aufbewahrt, kehrte erst 1960 nach Freiberg zurück und wird seit dieser Zeit vom Ephoralarchiv am Dom zu Freiberg verwaltet.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek zählt 905 Titel, alle aus der Zeit vor 1900. Von den 23 lateinischen Inkunabeln stammen die meisten aus der Bibliothek des Jungfrauenklosters, einzelne sind durch Grundig ( s. o. 1.5) hinzugekommen. Aus dem 16. Jh datieren 429 Titel (darunter 162 deutsche, 260 lateinische, 7 griechische, hebräische und polyglotte). Das 17. Jh ist mit 283 Titeln vertreten (116 deutsche, 163 lateinische, 2 griechische, je ein niederländischer und französischer), das 18. Jh mit 169 Titeln (davon 116 deutsche, 49 lateinische, ein griechischer, 2 schwedische). Ein einziger deutscher Titel stammt vom Anfang des 19. Jhs. Insgesamt sind 395 Titel in deutscher Sprache und 495 in lateinischer Sprache, dazu kommen 6 in griechischer, 2 in hebräischer Sprache sowie ein polyglotter Titel. Der Rest entfällt auf neuere europäische Sprachen: 2 schwedische sowie je ein französischer und niederländischer Titel. Für diese Zusammensetzung war vor allem die Schenkung von Christoph Gottlieb Grundig maßgebend.

Systematische Übersicht

2.2 Die systematische Übersicht erfolgt unabhängig von der Signierung und dem Katalog, da beide außer der Anordnung nach Formaten und der Aufteilung auf die in der Bibliothek vereinten Sammlungen nur schwache Anhaltspunkte für eine systematische Ordnung geben.

2.3 Den Allgemeinen Wissenschaften sind 6 Titel, der Allgemeinen Theologie 7 zugeordnet. Das fachübergreifende Interesse Grundigs belegen auch die 15 Zeitschriften des 18. Jhs zu allgemein wissenschaftlichen und theologischen Fragen, die durch ihn in den Besitz der Bibliothek gelangten. Neben den Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen (1715-1779) und den Unschuldigen Nachrichten von alten und neuen theologischen Sachen (1702-1761) gehören dazu eine Reihe kleinerer Publikationen, wie die in Bremen erschienene Bibliotheca historica-philologica-theologica (1718-1722) und die Nachrichten von einer hallischen Bibliothek (1718).

2.4 Bei den 30 Bibelausgaben sind vor allem die frühen Übersetzungen ins Deutsche bemerkenswert. 48 Werke beschäftigen sich mit Fragen der biblischen Überlieferung im allgemeinen, 54 sind speziell der Auslegung einzelner biblischer Bücher gewidmet. Die meisten Titel stammen aus dem 16. und 17. Jh. Die 28 Titel zur Philologie, meist Exegetica und Grammatiken, liegen zu einem guten Teil in Hebräisch und Griechisch, die restlichen in Latein vor. Zur Kirchengeschichte sind 19 Ausgaben der älteren Kirchenväter, 69 Editionen der Reformatoren, 12 Ausgaben von Bekenntnisschriften und 45 Monographien zu rechnen.

2.5 Im Bereich der Systematischen Theologie sind 85 Titel zur Dogmatik, 22 zur Ethik und 124 zur Polemik vorhanden. Eine Reihe von Kontroversschriften des 15. Jhs beziehen sich auf die Frage nach der unbefleckten Empfängnis Marias. Für das 16. Jh sind die durch Jakob Strauß (zwischen 1480 und 1485-1533) und Franciscus Stancarius (etwa 1501-1574), im 17. Jh die durch Lälius (1525-1562) und Faustus Socinus (1539-1604) ausgelösten Streitfragen hervorzuheben. Im 18. Jh kommen Auseinandersetzungen um den Pietismus hinzu.

2.6 Der Bereich der Praktischen Theologie nimmt großen Raum ein. Während nur 10 Titel zu Grundfragen dieser Disziplin und zur Pastoraltheologie vorhanden sind, ist die Liturgik gut vertreten. Dazu gehören 29 Kirchenordnungen meist aus dem 16. Jh, die in der Regel auch liturgische Vorschriften enthalten, sowie 5 Agenden und 4 theoretische Werke zu diesem Thema. Die Bibliothek besitzt zwar nur 12 Gesangbücher, jedoch mit einer Ausnahme alle aus dem 16. und 17. Jh, darunter auch 2 Ausgaben des Gesangbuchs der Böschen Brüder. Von gleichem Wert sind die 35 Katechismus-Ausgaben der Reformationszeit, darunter auch lateinische und griechisch-lateinische. Elf Titel aus der gleichen Zeit behandeln Grundsatzfragen der Katechetik, z. B. Petrus Palladius, Brevis expositio catechismi pro parochis Noruegianis (Magdeburg 1556). Die Predigtlehre behandeln nur 4 Titel, aber es haben sich viele Beispiele der homiletischen Tätigkeit erhalten: 55 Predigtsammlungen, 22 Leichenpredigten oder Sammlungen von Leichenpredigten sowie 41 Erbauungsbücher, z. T. von radikalen Pietisten wie Johanna Eleonore Petersen (1644-um 1730) und Gottfried Arnold (1666-1714). Auf das Kirchenrecht beziehen sich außer den schon erwähnten Kirchenordnungen nur 10 Titel.

2.7 Wissensgebiete außerhalb der Theologie sind in der Bibliothek nur schwach vertreten: Philosophie mit 22 Titeln, antike Literatur mit 14, neulateinische Literatur mit 4, deutsche Literatur mit 7, Geschichte mit 39, Geographie mit 3, Rechtswissenschaft mit 12 Titeln sowie Medizin und Mathematik mit je einem Titel. Darunter befindet sich auch Originelles wie Johannes Praetorius, Daemonologia Rubizalii Silesii (Leipzig 1662).

3. KATALOGE

Standortkatalog von 1780

[hschr. Bandkatalog, mit Autorenregister]

Sammlung von Titelkopien

[geordnet nach Standorten als Basis für einen Alphabetischen Katalog]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Grundig, Gottfried; Klotzsch, Johann Friedrich: Sammlung vermischter Nachrichten zur sächsischen Geschichte. Bd 7,1. Chemnitz 1772 [zur Bibliothek S. 58]

Petzholdt, Julius: Bibliotheken der Klöster und des Collegiatstifts zu Freiberg. In: Zur Geschichte der Sächsischen Bibliotheken. Dresden 1842, S. 27-34

Gautsch, Karl: Zur Geschichte des Freiberger Jungfrauenklosters und seiner Aufhebung. In: Mittheilungen des Freiberger Altertumsvereins 17 (1880) S. 33-52

Urkundenbuch der Stadt Freiberg in Sachsen. Hrsg. von Hubert Ermisch. Bd 2. Leipzig 1886 [zur Bibliothek S. 12-14]

Döring, Hellmut; Rabenau, Konrad von: Freiberger Inkunabelkatalog. Die Inkunabeln der Andreas-Moeller-Bibliothek des Geschwister-Scholl-Gymnasiums und weiterer Freiberger Sammlungen. Berlin 1993, S. 5, 21-23, 195-196 (Beiträge zur Inkunabelkunde, Dritte Folge, 9)

Stand: Oktober 1996

Konrad von Rabenau


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.