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Oberkirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs Bibliothek der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde St. Marien Neubrandenburg

Adresse. Münzstr. 8, 19055 Schwerin; [Karte]
Postfach 01 10 03, 19010 Schwerin
Telefon. (0385) 5 18 51 41

Unterhaltsträger. Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde St. Marien in Neubrandenburg
Funktion. Ruhende Traditionsbibliothek.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Schriftliche Anmeldung erforderlich. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 9-14.30 Uhr, Freitag 9-12 Uhr. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Die Bibliothek befindet sich im Archivdepot des Landeskirchlichen Archivs, Bei der Nikolaikirche 1, 18055 Rostock. - Fußwegnähe vom Hauptbahnhof (ca. 20 Minuten). Straßenbahnverbindung (Linie 10) bis Haltestelle Steintor. - Parkplatz an der Nikolaikirche.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Schon die erste Kirchenvisitation in Neubrandenburg in den Jahren 1558 bis 1560 legte fest, daß jährlich 10 Gulden für den Aufbau einer Kirchenbibliothek für die " Kirchen- und Schuldiener" der Stadt an der St. Marienkirche verwendet werden sollten; doch scheint die Weisung nur in begrenztem Maße befolgt worden zu sein.

1.2 Im Jahre 1585 verkaufte mit Billigung Herzog Ulrichs von Mecklenburg der in ethischen Fragen streitbare Superintendent und Pastor Primarius der Kirche Mag. Georg Schirmer(us) (seit 1566 in diesem Amt, vorher Rektor in Stargard und Professor der Philosophie und Moral in Greifswald, † 1597) für 300 Taler seine Bibliothek an die Gemeinde, um sie geschlossen zu erhalten und bis zu seinem Tode weiter benutzen zu können. Der Bestand von über 680 Titeln mit einem ansehnlichen Anteil von antiken Schriftstellern, Kirchenväter-Ausgaben und naturwissenschaftlichen Schriften ist 1664 in einem Visitationsprotokoll nachgewiesen und befand sich in einem an der Südseite der Kirche gelegenen Anbau. Er ist bei dem Stadtbrand vom 20. Mai 1676 vernichtet worden.

1.3 Bald nach dem Brand dürfte es zur Einrichtung einer neuen Kirchenbibliothek gekommen sein, die nach Vermerken in den Büchern für die Propstei Neubrandenburg bestimmt war. Es ist nicht überliefert, wie dieser Bestand gebildet worden ist. Nach einigen Eigentumsvermerken waren Pfarrer aus Mecklenburg und Pommern beteiligt, besonders Andreas Hille (1695-1723), der zuerst, von 1710 an, als Kantor und Rektor am Gymnasium in Neubrandenburg wirkte, dann, von 1714 an, an der St. Johanniskirche und seit 1716 an der Marienkirche amtierte. Die meisten Bücher stammen aus der zweiten Hälfte des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jhs. Sie dienten vor allem der wissenschaftlichen Bildung der Pfarrer und gehen stark auf die Kontroverse zwischen lutherischer Orthodoxie und Pietismus ein, wie sie vor allem in Hamburg ausgefochten wurde.

1.4 Im 19. Jh und in den ersten Jahren des 20. Jhs wurde die Bibliothek noch durch einige theologische Standardwerke, die Erlanger Lutherausgabe und zwei Zeitschriften vermehrt. Die Bibliothek blieb im Zweiten Weltkrieg unbeschädigt. Einige Bände werden seit 1975 im Regionalmuseum in Neubrandenburg aufbewahrt. Zur besseren Aufbewahrung und Nutzung wurde die Bibliothek 1977 dem Oberkirchenrat in Schwerin übergeben und von 1986 an in der St. Nikolaikirche in Rostock aufgestellt.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Da der Bestand ohne erkennbare systematische Ordnung nach fortlaufenden Nummern aufgestellt ist, wurden die Zählung und die systematische Übersicht nach allgemeinen Gesichtspunkten durchgeführt.

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Von den insgesamt 679 Titeln ist die Mehrzahl (370) in lateinischer Sprache, die Minderzahl (302) in deutscher Sprache. In anderen Sprachen sind nur 7 hebräische oder hebräisch-lateinische Titel vorhanden. Es dominierte also das wissenschaftliche Interesse der Stifter. Aus dem 16. Jh stammen 12 Titel, davon 5 in lateinischer Sprache, 6 in deutscher Sprache und einer in hebräischer. Das 17. Jh ist mit 251 Titeln vertreten; davon sind 206 lateinisch, 41 deutsch und 4 hebräisch-lateinisch. Den stärksten Anteil hat das 18. Jh mit 386 Titeln (159 lateinische, 225 deutsche, ein hebräischer und ein hebräisch-lateinischer). 30 deutsche Titel stammen aus dem 19. Jh. Systematische Übersicht

2.3 Die Zahl von Bibelausgaben ist auffällig klein; deutsche und griechische fehlen ganz. Außer einer lateinischen Bibel des 17. Jhs handelt es sich nur um den hebräischen Text und 4 zu seiner Erschließung bestimmte Lexika und Grammatiken.

2.4 Bibelkommentare und Werke zur biblischen Überlieferung sind mit 202 Titeln vertreten, von denen die meisten in lateinischer Sprache und wissenschaftlich orientiert sind.

2.5 Bei den Quellenwerken der Kirchengeschichte ist die Patristik nur durch einen deutschen Titel vertreten, bei dem der erbauliche Zweck vor dem historischen Interesse steht. Auch die Autoren der Reformationszeit (Luther, Hieronymus Weller) sind vor allem in deutschen Ausgaben des 17. und 18. Jhs vorhanden. Erst im 19. Jh wurde die Erlanger Lutherausgabe mit lateinischen und deutschen Texten angeschafft. Etwas größer ist mit 5 deutschen und 3 lateinischen Titeln der Anteil bei Ausgaben der Bekenntnisschriften. Das wissenschaftliche Interesse an Kirchengeschichte ergibt sich aus 28 lateinischen und 17 deutschen Titeln. Die 8 Titel zur allgemeinen Geschichte (7 lateinisch, einer deutsch) hängen mit diesem Interesse ebenso zusammen wie die 5 deutschen politischen Flugschriften.

2.6 Die theoretische Begründung des christlichen Denkens und Handelns in Dogmatik und Ethik, besonders aber in den Lehrauseinandersetzungen, spielt in dem Bestand eine große Rolle. Zur Dogmatik sind 64 Titel zu rechnen (50 lateinisch, 14 deutsch), zur Ethik 25 Titel (16 lateinisch, 9 deutsch) und zur Polemik 126 (66 lateinisch, 60 deutsch). Der Streit in den polemischen Schriften bezieht sich zunächst auf die lutherischen Positionen gegenüber Katholiken, Reformierten und Unitariern. Im 18. Jh kommen Kontroversen mit atheistischen Strömungen, Versuche der Überwindung der Konfessionsgegensätze und Auseinandersetzungen mit dem Pietismus hinzu. Eine größere Gruppe von polemischen Flugschriften gehört zu dem in Hamburg gegen den Schwager von Philipp Jakob Spener, den Hamburger Hauptpastor Johann Heinrich Horb (1645-1695), von seinem Kollegen Ernst Friedrich Mayer heftig geführten Streit.

2.7 Grundsatzfragen der Praktischen Theologie sind nur in geringem Umfang vertreten: 8 lateinische und 5 deutsche Titel, von denen mehrere die Rhetorik betreffen. Die Predigtliteratur ist dagegen in ansehnlicher Zahl mit 77 deutschen und 3 lateinischen Titeln repräsentiert, von denen aber der größte Teil (62 Titel) aus dem 18. Jh stammt. Neben einigen größeren Sammlungen handelt es sich vor allem um Einzelpredigten. Es schließen sich dieser Gruppe 10 Leichenpredigten (8 deutsche, 2 lateinische) an sowie 26 Erbauungsschriften, von denen 5 aus dem 17. Jh und 21 aus dem 18. Jh stammen. Die Katechetik ist mit 3 Titeln des 18. Jhs schwach vertreten, wie die Hymnologie mit nur einem Gesangbuch des 17. Jhs und die Missionsliteratur mit einem Titel des 19. Jhs. Agenden und liturgische Schriften fehlen ganz. Hervorzuheben sind 7 Kantaten- und Oratorientexte aus dem Hamburg des 18. Jhs für Kompositionen von Georg Philipp Telemann und seinen Kollegen.

2.8 Größere Bedeutung für die Sammlung haben das Kirchenrecht mit 10 Titeln (5 lateinisch, 5 deutsch) und das Recht mit 11 Titeln (6 lateinisch, 5 deutsch). Andere Wissenschaftsbereiche tauchen nur sporadisch auf. Nur 3 Titel von lateinischen Autoren der Antike finden sich, keine griechischen. 2 Titel enthalten neulateinische Dichtung, 2 Titel (ein lateinischer und ein deutscher) medizinische Werke und ein Titel eine allgemeine Hochschulschrift in lateinischer Sprache.

2.9 Eine große Zahl der zur Bibelexegese und zur Systematik, besonders zur Polemik, gehörenden Titel sind Hochschulschriften, vor allem der Universitäten Wittenberg und Rostock, einzelne auch aus Basel, Frankfurt/Oder, Gießen, Greifswald, Halle, Helmstedt, Jena, Leipzig und Straßburg. Auch 13 Reden, die an Lateinschulen gehalten wurden (Altenburg, Helmstedt, Leiden, Lübeck, Neubrandenburg, Stargard, Stettin, Wittenberg), und 4 Reden, die in Lübeck anläßlich einer Ordination gehalten wurden, zeugen von lokalen wissenschaftlichen Bemühungen.

3. KATALOGE

Standortverzeichnis von 313 Bdn bzw. 655 Titeln des 16. bis 18. Jhs, aufgestellt von Dr. med. Erich Wendt im Jahre 1899

[hschr.; Konvolute nicht vollständig erfaßt]

Liste der Bestände aus dem 19. Jh, nach Sachgruppen im Jahre 1957 aufgestellt

Sammlung von alphabetisch geordneten Titelkopien von Kirchenarchivrat Erhard Piersig aus dem Jahre 1986

Die Bestände sind nicht im Kirchlichen Zentralkatalog nachgewiesen.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Inventarium der ersten Kirchenbibliothek als Anhang zum Visitationsprotokoll von St. Martin zu Neubrandenburg von 1664 [im landeskirchlichen Archiv Schwerin]

4.2 Darstellungen

Krüger, Georg: Die Pastoren im Lande Stargard. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte. Schwerin 1904, S. 116-117

Wendt, Karl: Geschichte der Vorstadt Neubrandenburg. Neubrandenburg 1922, S. 113

Stand: März 1995

Konrad von Rabenau


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.