FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Pfarrbibliothek St. Martini

Adresse. Martinistr. 10a, 4230 Wesel [Karte]
Telefon. (0281) 2 11 46

Unterhaltsträger. Kath. Pfarrgemeinde St. Martini
Funktion. Verwaltung der Bestände des ehemaligen Fraterherrenhauses.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

'Benutzungsmöglichkeiten.
'Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erforderlich. Fußwegnähe vom Hauptbahnhof (ca. 15 Minuten). A 3, Ausfahrt Wesel/Schermbeck; A 57, Ausfahrt Alpen, B 58. Parkhaus Martinistraße.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Im Jahre 1436 entstand unter dem Einfluß des Gründers der Fraterherrenhäuser in Münster und Köln, Heinrich von Ahaus, auch das Fraterherrenhaus in Wesel. Von Anfang an war das Buch sinnstiftendes Zeichen der Gründung. Die in Wesel das Haus übernehmenden Brüder brachten ein in Münster geschriebenes Evangeliar mit. Zudem stand bei den Brüdern vom gemeinsamen Leben die Schreibarbeit im Dienst der Gemeinschaft. Der Umgang mit Büchern war konstitutiv für die Lebensform.

1.2 Die noch vorhandenen Dokumente geben kaum Aufschluß über Entstehung, Wachstum, Gebrauch und Verwendung der Bibliothek. Notizen, Besitzvermerke und Eintragungen allein sind Wegweiser zu Ereignissen und Personen, die über Herkunft und Schenkungsmotiv Aufschluß geben. Mitbrüder, private Gönner, Klöster und andere Institutionen bedachten aus verschiedenen Beweggründen mit ihren Donationen die Gemeinschaft. Gerade im 15. und 16. Jh kam auf diese Weise eine bemerkenswerte Bibliothek zusammen. Dahinter stand zwar kein Bemühen um systematischen Bestandsaufbau, doch kam eine weitgefächerte Ansammlung zustande, in der neben der Gesamttheologie bei unterschiedlichen Akzentuierungen unter den Disziplinen auch profanwissenschaftliche Literatur erhalten blieb.

1.3 Im Laufe der Zeit kam es zwangsläufig zu einer gewissen Einförmigkeit, zumal das Haus durch die dominierende praktische Lebensbewältigung und wechselnden soziokulturellen Verhältnisse zunehmend an Bedeutung verlor. 1808 verfiel das Fraterhaus der Säkularisation, 1810 ging der Buchbestand weitgehend in das Pfarrvermögen von St. Martini in Wesel über. Er fristete von da an ein abgeschiedenes Dasein. Im Zuge einer Neubesinnung in der Nachkriegszeit wurde er wieder erschlossen und - nach einigen auswärtigen Stationen an seinem Ursprungsort der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek umfaßt noch etwa 790 Titel. Ob es sich hierbei um den Gesamtbestand handelt oder in früheren Jahren Teile der Sammlung verschollen sind, läßt sich nicht eindeutig sagen. Vorhanden sind ca. 70 Inkunabeln, ca. 390 Drucke aus dem 16. Jh und 220 Titel aus dem 17. Jh. Das 18. Jh ist mit 110 Titeln vertreten, während Werke aus dem 19. Jh nur noch in Ausnahmefällen vorhanden sind. Der überwiegende Teil (ca. 80 Prozent) ist in lateinischer Sprache. Systematische Übersicht

2.2 Die Bibliothek hat einen ausgeprägten Spezialcharakter. Sie umfaßt fast nur theologisches Schrifttum, wenn auch mit unterschiedlichen Anteilen in den einzelnen Sparten. Die profanen Bereiche spielen eine periphere Rolle.

2.3 Bibelausgaben und Bibelexegese (Schwerpunkt im 16. Jh) sind mit 106 Titeln vertreten, davon 16 Gesamtbibelausgaben. Unter den Kommentatoren finden sich Beda Venerabilis, Rupert von Deutz und vor allem der Kartäuser Dionysius von Ryckel. Erwähnung verdient auch der Bibelkommentar des Nikolaus de Lyra in einem Venezianer Pergamentdruck (Venedig: Nikolaus Jenson, 1481). In Ausgaben des 17. Jhs dominieren Cornelius a Lapide und Martin Becanus.

2.4 Die Kirchengeschichte umfaßt 81 Titel. Die kontroverstheologische und apologetische Auseinandersetzung bildet mit Namen wie Clichtoveus, Sasgerus, Faber, Eck u. a. den Schwerpunkt, während die Reformatoren nur mit Calvins Institutio vertreten sind. Weitere 34 Werke sind der Patristik zuzuordnen, vor allem Ausgaben des 16. Jhs. Augustinus ragt mit der Baseler Gesamtausgabe (Froben 1528-1529) hervor, doch sind auch die übrigen Kirchenväter gut repräsentiert. Es fehlen auch nicht lateinische Übersetzungen klassischer griechischer Kirchenlehrer. Der Humanismus und die Rezeption seines Bildungsgutes fanden nur sporadischen Widerhall.

2.5 Unter 56 dogmatischen und apologetischen Schriften befinden sich 11 Inkunabeln, u. a. Petrus Lombardus, Thomas von Aquin und Duns Scotus. Auch in Wesel war eine Auseinandersetzung mit der neuen Lehre gefordert, wobei man auf den Kontroverstheologen Stapleton, den Ingolstädter Eck, den Domprediger Friedrich Nausea, den einflußreichen Dortmunder Schöpper oder Jacob Feucht zurückgegriffen hat. Einer der bedeutendsten Prediger der frühen Gegenreformation, der Mainzer Domprediger Johannes Ferus, blieb nicht unberücksichtigt. Schultheologie des 18. Jhs schließt sich an (10 Titel).

2.6 Die Moraltheologie umfaßt 58 Titel (darunter 3 Inkunabeln). Die Literatur zur Askese und zum spirituellen Leben ist mit 65 Titeln vertreten, wobei der Schwerpunkt im 17. Jh liegt. Es finden sich Heiligenlegenden und Erbauungsschriften, aber auch Werkausgaben von Blosius, Thomas von Kempen, Franz von Sales, Jeremias Drexel oder Bartholomaeus de Martyribus mit seinem Compendium zur mystischen Theologie.

2.7 Beim Kirchenrecht (27 Titel, darunter 8 Inkunabeln) überwiegen die Quellenwerke, Handbücher und Gesamtdarstellungen. Die Pastoraltheologie umfaßt 27 Titel des 17. und 18. Jhs. Neben praktischen Anleitungen zur Seelsorge finden sich Beichtinstruktionen sowie zwei Pastoralagenden aus Münster und Köln. Katechetische Literatur schließt sich an (18 Titel).

2.8 Die größte Sachgruppe stellt die Literatur zur Homiletik dar (192 Titel). Hier sind alle Predigtkategorien vertreten. Sechs Titel von Michael de Hungaria kennzeichnen dessen Wertschätzung. Zahlreich sind Autoren aus dem österreichisch-schlesischen Raum vertreten (z. B. Harnischer, Haberkorn von Habersfeld, Telkel, Kolonetz). Daneben existiert eine Vielzahl von Postillen, also Sonntags- und Heiligenpredigten. Auffallend ist die große Zahl von Katechismus- und Christenlehrpredigten, die an das Landvolk wie an die Bürger und Schüler gerichtet waren. Auch treten die Ordensprediger gegenüber dem Weltklerus in der Zahl der Veröffentlichungen stark zurück.

2.9 Werke zur Liturgik (34 Titel) schließen sich mit Schwerpunkt im 16. Jh an. Es handelt sich um Plenarien, Breviere, Missalien, Pontifikalien, Psalterien, Antiphonarien und Martyrologien. Bei dem frühesten nachweisbaren Werk handelt es sich um ein Kölner Brevier von 1486. Die nichttheologische Literatur ist eher gering vertreten. Die ca. 90 Titel enthalten Werke zur Philosophie (16 Titel), zur Philologie (16 Titel), Rhetoriklehrbücher (13), Wörterbücher (12, davon allein 4 des Thomas Hybernicus), Schulbücher (29) sowie vereinzelt Neulateiner und Reiseliteratur.

3. KATALOGE

Alphabetischer Katalog [nach PI]

Standortkatalog

[in der Diözesanbibliothek Münster]

Drath, Heinrich. Bestandskatalog der Fraterherrenbibliothek St. Martini zu Wesel

[vor 1939; Kurztitelkatalog; alphabetisch]

Der Bestand ist nicht im Zentralkatalog Nordrhein-Westfalen nachgewiesen, jedoch im Zentralkatalog Münster an der Universitätsbibliothek Münster enthalten.

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Drath, Heinrich: Sankt Martini Wesel. Festschrift zur 500-Jahrfeier des Weseler Fraterhauses. Gladbeck 1936 [repr. Wesel 1985 unter dem Titel: Sankt Martini Wesel. Festschrift zur 550-Jahr-Feier: Fraterherren St. Martini 1436-1986]

Gotenburg, Erwin: Aus der Bibliothek des Fraterhauses St. Martini. In: 550 Jahre St. Martini. Eine Gründung der Fraterherren in Wesel. Köln 1986, S. 57-70

Stand: August 1992

Erwin Gotenburg


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.