Home > Europa > Tschechische Republik > Schlossbibliotheken
1.1 Wolf Dietrich von Althann (1585-1621) erwarb 1618 die Burg Frain. Vermutlich entstand bereits damals auf der Burg eine Bibliothek, die entweder beim schwedischen Angriff im Jahre 1645 oder bei einem Brand 1665 vernichtet wurde. Kurze Zeit später bauten die Grafen Althann die ursprüngliche Burg in ein Schloß um, das sie 1793 an den Ritter Joseph Hilgartner von Lilienborn verkauften. Aus der ursprünglichen Althanner Bibliothek ist nur ein Buch erhalten geblieben. Die restliche Sammlung wurde wahrscheinlich auf einen ungarischen Familiensitz überführt - entweder Murakós oder Csakaturn, die zusammen das Althanner Fideikommiß bildeten. Später wurde das Schloß an die polnische Adelsfamilie von Mniszek verkauft.
1.2 Die heutige Bibliothek wurde von der Familie Hilgartner und von der mit ihr verwandten Familie Stadnicky im 19. Jh aufgebaut. Die größten Förderer der Bibliothek waren Graf Stanislav von Mniszek (1774-1846) und seine Gemahlin Helena Fürstin Lubomirská. Die nachfolgende Generation wurde repräsentiert durch ihre Tochter Luitgarde (1823-1911), die den Grafen Eduard von Stadnicky (1817-1902) heiratete. In der Zeit des Zweiten Weltkrieges erwarben Gebhard von der Wense (1902) und sein Schwiegervater Curt von Cronau das Schloß. Sie bereicherten die Bibliothek durch zahlreiche, besonders in Böhmen seltene Werke aus dem Gebiet von Hannover und aus dem Elsaß. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag. Heute befindet sie sich im Besitz des Denkmalamtes für Südmähren [Památkový ústav Jizní Moravy] in Brno [Brünn].
2.1 Insgesamt umfaßt die Bibliothek einen Bestand von ca. 10.000 Bdn, darunter 4 Hss., 2 Drucke des 16. Jhs, ca. 50 Drucke des 17. Jhs, ca. 2500 Drucke des 18. Jhs und etwa 7000 Bde aus dem 19. Jh. Etwa 45 Prozent des Bestandes sind deutsche Drucke.
2.2 Einen Großteil des Bestandes bilden Theatralia aus dem 18. und 19. Jh. Die Theatralia aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs sind vornehmlich französischsprachig und in Wien gedruckt. Die Theatralia aus der ersten Hälfte des 19. Jhs sind zum überwiegenden Teil ebenfalls in französischer Sprache, zum Teil jedoch auch in deutscher Sprache. Hier dominieren unter den Druckorten Berlin und Bielefeld. Dieser Bestand wird ergänzt durch zahlreiche Theateralmanache, darunter das in Wien gedruckte Taschenbuch für Schauspieler für das Jahr 1821-1822. Die deutsche Belletristik stammt hauptsächlich vom Ende des 18. und Beginn des 19. Jhs. Deutsche Übersetzungen französischer Belletristik liegen aus dem 19. Jh vor.
2.3 Eine weitere Gruppe bilden historische und politische Werke aus dem 18. Jh, die den deutschsprachigen Ländern gewidmet sind. Kleinere Gruppen bilden Reiseführer durch Europa, genealogische Werke und lateinische Ausgaben antiker Autoren herausgegeben in Zweibrücken. Die Bibliothek verfügt über einen bemerkenswerten Bestand deutschsprachiger Polonica und Moravica. Weiterhin liegt ein separierter Spezialbestand mit Musikalien vor mit Schwerpunkt in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. Sie sind zumeist in italienischer Sprache erschienen und in Wien gedruckt. Vertreten sind u. a. Werke von Mozart, Rossini, Bellini, Salieri, Cherubini und Carl Czerny.
Standortkatalog [erstellt 1960]
Elvert, Christian d': Die Bibliotheken und andere wissenschaftliche Kunst- und Altherthums-Sammlungen in Mähren und österreichisch Schlesien. In: Schriften der historisch-statistischen Sektion der k.u.k. mähr. schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Heft 3. Brünn 1852, S. 116
Lifka, Bohumír: Knihovny na Vranove [Bibliotheken auf Frain]. In: Vranov nad Dyjí. Státní zámek a okolí [Frain. Staatsschloß und Umgebung]. Praha 1957, S. 14-16
Kneidl, Pravoslav: Vranov nad Dyjí. In: Knihovna Národního musea v Praze [Die Bibliothek des Nationalmuseums in Prag]. Praha 1959, S. 151
Stand: Januar 1996
Petr Mašek