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Muzeum Ceského krasu se sídlem v Beroune - knihovna Josefa Antonína Seydla

Museum des Böhmischen Karsts mit Sitz in Beraun - J. A. Seydl-Bibliothek


Adresse. Jenštejnský dm, Husovo námestí 87, 266 01 Beroun I
Telefon. (0311) 2 41 01 (Direktion), 2 18 42 (Lesesaal)
e-mail. [mck.beroun@pha.pvtnet.cz]

Unterhaltsträger. Okresní úrad v Beroune [Bezirksamt in Beroun]
Bibliothekssigel. <BEE 001>
Funktion. Historische Privatbibliothek als Sondersammlung der öffentlichen Museumsbibliothek.
Sammelgebiete. Allgemeine Geschichte, Geschichte der Nationalen Wiedergeburt, Ethnographie, Archäologie, Geologie, Paläontologie, Zoologie, Botanik, Kunst, Kultur und Buchdruck.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. - Öffnungszeiten: Lesesaal: Montag bis Freitag 9-12 Uhr und 12.30-16 Uhr. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopierstelle.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche, telefonische oder e-mail-Anmeldung empfehlenswert. - Regelmäßige Bus- und Bahnverbindungen von Prag und Plzen [Pilsen]. Das Jenštejn-Haus befindet sich im historischen Stadtkern von Beroun, Fußwegnähe vom Hauptbahnhof (ca. 8 Minuten) und Busbahnhof (ca. 5 Minuten). - Von Prag Autobahn D 5 bis Beroun. Parkmöglichkeiten im Stadtzentrum.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Privatbibliothek geht auf den Dechanten und Patrioten Josef Antonín Seydl (1775-1837) zurück, der aus einer Bürgerfamilie in Beroun stammte und in Prag zuerst Philosophie und später im erzbischöflichen Seminar Theologie studierte. Seine Persönlichkeit wurde entscheidend durch die Prager Universitätsprofessoren Karl Heinrich Seibt (1735-1806), August Gottlieb Meissner (1735-1807), Jiljí Chládek (1743-1806), Stanislav Vydra (1741-1804) sowie durch František Martin Pelcl (1734-1801) geprägt. In seinen Studienjahren twickelte Seydl ein besonderes Interesse an der tschechischen Sprache und Literatur. Er unterhielt viele Kontakte zum patriotischen Prager Milieu, war Mitglied in Puchmajers Literatur-Verein und Besucher des patriotischen Kreises in Václav Matej Kramerius' Verlag Tschechische Expedition [Ceská expedice]. Zum Priester wurde Seydl im Jahre 1800 geweiht und zog für seine Priestertätigkeit aufs Land. Im Jahre 1806 wurde er Dechant in Lochovice [Lochowitz] und 1813 Dechant in Beroun, wo er bis zu seinem Tode tätig war.

1.2 Seydl wurde nicht nur aufgrund seiner Schriften eine wichtige Persönlichkeit der tschechischen Nationalen Wiedergeburt, sondern vor allem als aktiver Teilnehmer und Organisator des patriotischen Lebens. Unter Berauner Bürgern propagierte er ein intensives Studium tschechischer Bücher und Zeitschriften. Er war bemüht, eine patriotische tschechische Lesegesellschaft in Beroun zu begründen und machte sich trotz erheblichen Widerstandes seitens der Behörden um die Eröffnung einer öffentlichen Stadtbibliothek verdient. Ein Teil seiner eigenen Schriften hatte historiographischen Charakter; so verfaßte er z. B. die Chronik der Stadt Beraun. Museum des Böhmischen Karsts

1.3 Seine Privatbibliothek baute Seydl systematisch auf. Er vermachte sie der Berauner Dechanei und verfügte in seinem Testament, daß die Bibliothek nach seinem Tode im Chor der Dechaneikirche des Hl. Jacobs aufzustellen sei und seinen Verwandten kostenlos und Fremden gegen Gebühr zur Ausleihe zur Verfügung stehen solle. Die Ausleihgebühr entfiel 1837. 1894 versuchte der Verein Museum und öffentliche Bibliothek für das Volk, die Bibliothek für sich zu gewinnen; die Bücher verblieben jedoch im Besitz der Dechanei. Dann wurde die ganze Bibliothek unter Dechant Václav Lerch (1842-1929) der Gemeinde als Leihgabe übergeben und im Rathausgebäude untergebracht. 1931 kaufte die Stadt die Bibliothek für 20.000 Kronen von der Dechanei und zusätzlich die Vikariatsbibliothek, die ebenfalls von Seydl aufgebaut worden war, für 5000 Kronen. Beide Buchsammlungen kamen in den sechziger Jahren des 20. Jhs in das Bezirksmuseum in Beroun, wo die Vikariatsbibliothek zum Bestandteil der Seydl-Bibliothek wurde. Aus dem Bezirksmuseum tstand 1993 das Museum des Böhmischen Karsts.

1.4 Grundstock der Seydl-Bibliothek bilden Bücher aus der Provenienz dreier Priester: der Berauner Dechanten Josef Antonín Kazdý (1723-1798) und Kliment Leopold Körbl (1751-1806) sowie von Anselm Brzek (1751-1804), Mitarbeiter der Pfarre in Svatý Jan pod Skalou [Sankt Johann unter dem Felsen]. Durch Seydls aktive Akquisitionstätigkeit erreichten die Bestände in kurzer Zeit einen beachtlichen Umfang. Aus adeliger Provenienz stammen Werke aus der bekannten Bibliothek des Grafen Leopold Josef von Künigl (1688-1727), ein früher Repräsentant der ersten Freimaurerloge. Seine Bibliothek wurde 1785 in Klatovy [Klattau] versteigert. 49 Exemplare tragen ein Küniglsches Exlibris. Aus der Buchsammlung des Freiherrn Anton Nelius von Nellenburg und Dalmenberg (†1777) stammen weitere 18 Bde. In einem Brief aus dem Jahre 1826 schreibt Seydl, daß seine Bibliothek damals schon einige tausend Bücher in tschechischer, lateinischer, deutscher und italienischer Sprache umfaßte.

1.5 Über den ursprünglichen Umfang und Inhalt der Seydl-Bibliothek informiert ein Katalog aus dem Jahre 1848, der vom Berauner Kaplan Josef Cermák (1813-1879) handschriftlich angelegt wurde (s. u. 3.3). Die dort verzeichneten 2316 Titel in 3226 Bdn sind heute nur noch teilweise erhalten. Gegen Ende des 19. Jhs und während des Ersten Weltkrieges kam es zu erheblichen Bestandsverlusten.

1.6 Eine Sammlung mit größtenteils handschriftlichen Musikalien aus dem Nachlaß Seydls ging 1957 an das neu eingerichtete Bezirksarchiv in Beroun [Státní okresní archiv v Beroune]. Sie war vollkommen ungeordnet und wurde erst durch das Archiv bearbeitet und katalogisiert (585 Beschreibungen mit Noten-Incipit), auch im Hinblick auf den Gesamtkatalog der Musikdrucke in der Nationalbibliothek der Tschechischen Republik (s. Eintrag dort). Der Katalog erschien 1976 im Druck (s. u. 3.2). In der Sammlung überwiegen Stücke für Instrumentalmusik, in erster Linie für Violine und Violoncello, aber auch für verschiedene Kammerensembles. Zudem liegen 164 Lieder vor (zu 85 Prozent in deutscher Sprache).

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 In der Seydl-Bibliothek sind insgesamt 2628 historische Titel erhalten. Es liegen vor 47 Titel aus dem 16. Jh (1,8 Prozent), 213 Titel aus dem 17. Jh (8 Prozent), 1091 Titel aus dem 18. Jh (41,5 Prozent), 1146 Titel aus dem 19. Jh (43,6 Prozent), und 131 Titel (5 Prozent) sind ohne Jahresangabe erschienen. Die Germanica machen annähernd die Hälfte des historischen Bestandes aus.

2.2 Insgesamt sind 768 Titel deutschsprachig, von denen 459 Titel im deutschen Sprachraum erschienen sind. Zu den ältesten Drucken zählt Eigentliche Beschreibung der Hin- und Wiederfahrt zu dem heiligen Landt gen. Jerusalem (o. O. 1556). In Böhmen sind 290 deutschsprachige Titel erschienen, so der K.K. Schematismus für das Königreich Böhmen auf das Jahr 1791 (Prag 1791), Jaroslav Schallers Topographie des Königreichs Böhmen (Prag und Wien 1785-1791) und von Franz Fuss Unterricht zur Aufnahme, Eintheilung und Abschätzung der Wälder. Für Forstbeamte und Förster (Prag 1793). Weitere 19 deutschsprachige Titel sind in anderen Ländern gedruckt worden.

2.3 Lateinische Werke aus dem deutschen Sprachgebiet sind mit 175 Titeln vertreten. Bei den ältesten sind z. B. bemerkenswert Erasmus von Rotterdam, Adagiorum omnium (Köln 1539); Martin Eisengrein, Missale. Hoc est precationes, catecheses et contemplationes piae (Ingolstadt 1578); Papst Pius II., Aeneae Sylvii de Bohemorum et ex his imperatorum aliquot origine ac gestis historia (Basel 1575); Scriptores rei rusticae veteres latini ...cum Alexandrini et Bercaldi explicationibus ... (Köln 1536); Matthäus Merian, Topographia Bohemiae, Moraviae et Silesiae (Frankfurt a. M. 1650) und seine Topographia provinciarum Austriacarum, Austriae, Styriae, Carinthiae, ...Tyrolis ... (Frankfurt a. M. 1649-1656).

2.4 Im deutschen Sprachgebiet wurden ferner 10 Titel in französischer, 12 in italienischer und 5 in griechischer Sprache gedruckt. Als Beispiele aus dem 18. Jh seien genannt M. Laroche, Grammaire (Berlin 1729); Matthia Gamero, Il nuovo Parlatorio Italiano Tedesco (Nürnberg 1716); Giovanni Margini, Nuova e perfetta Grammatica reggia Italiana e Tedesca (Leipzig 1768) sowie Guiseppe Leonini, Le migliori rime de migliori Poeti Italiani (Berlin 1792).

Systematische Übersicht

2.5 Der Buchbestand blieb in seiner ursprünglichen Ordnung nach Sprachgruppen und thematischen Untergruppen gegliedert: I. Tschechische Bücher: Theologie, Philosophie, Pädagogik, Ästhetik, Belletristik, Grammatik, Geschichte, Geographie, Reisebeschreibungen, Zeitschriften, Naturwissenschaften, Ökonomie, Handel und Gewerbe, Medizin, Recht und Mathematik; II. Polnische Bücher (ohne thematische Untergruppen); III. Deutsche Bücher: Theologie, Philosophie, Pädagogik, Ästhetik, Belletristik, Geschichte, Geographie, Ökonomie, Literatur, Philologie und Zeitschriften, Politik, Medizin, Mathematik und Militärwesen; IV. Libri latini: Theologici dogmatici, Theologici morales, Theologici exegetici, Theologici homiletici, Theologici pastorales, Theologici canonici, Theologici historici, Philosophici, Rhetorici, Poetici, Paedagogici, Philologici, Historici, Geo- et Topographici, Oeconomici, Physici, Mathematici, Medici und Politici; V. Libri Graeci; VI. Libri italici; VII. Libri francogallici.

2.6 Inhaltlicher Sammelschwerpunkt in der Bibliothek ist die theologische Literatur. Werke zur böhmischen Geschichte, zu Slawistik und insbesondere Bohemistik sowie patriotische Werke zur Nationalen Wiedergeburt sind ebenfalls gut vertreten. Von den bedeutendsten tschechischen Autoren, deren Erstausgaben vorliegen, seien beispielsweise genannt Milota Zdirad Polák, Josef Dobrovský, František Palacký, Václav Hájek z Libocan, Josef Jungmann, Václav Matej Kramerius und Bohuslav Balbín. Deutschsprachige Werke zur böhmischen Geschichte sind u. a. vertreten durch František Pubickas Chronologische Geschichte Böhmens (Leipzig und Prag 1770-1801), František Martin Pelcls Kurzgefaßte Geschichte der Böhmen... (Prag 1774), Gelasius Dobners Beweiss, dass die Urkunde Boleslaus des Zweiten, Herzog in Böhmen... (Prag 1775), Aleš Vincenc Parízeks Versuch einer Geschichte Böhmens für den Bürger (Prag 1781), Josef Dobrovskýs Kritische Versuche, die ältere böhmische Geschichte von späteren Erdichtungen zu reinigen (Prag 1803-1819), Antonín Dvorskýs Böhmens Königliche Krone sammt den übrigen Reichs-Insignien (Prag 1836) und František Palackýs Geschichte von Böhmen. Bd 1. Die Urgeschichte ... (Prag 1836).

2.7 Zur böhmischen Sprache und Literatur liegen zahlreiche deutschsprachige Ausgaben des 18. und 19. Jhs vor, zumeist gedruckt in Prag. Bemerkenswert sind u. a. Johann Wenzel Pohls Die böhmische Sprachkunst in vier Theilen (Wien 1776), Karel Rafael Ungars Allgemeine böhmische Bibliothek (Prag 1786), František Martin Pelcls Grundsätze der böhmischen Grammatik (Prag 1795), Josef Dobrovskýs Geschichte der böhmischen Sprache und älteren Literatur (Prag 1792, 1818), sein Ausführliches Lehrgebäude der böhmischen Sprache... (Prag 1809, 1819) und sein Deutsch-böhmisches Wörterbuch (Prag 1802, 1821) sowie Josef Jungmanns Beleuchtung der Streitfrage über die böhmische Orthographie... (Prag 1829).

2.8 Gut vertreten sind Werke zu Seydls persönlichen Interessen und Vorlieben, die bei Kunst, Kultur und insbesondere bei der Musik lagen. Seydl pflegte das praktische Musizieren und interessierte sich auch auf wissenschaftlichem Niveau für Musiktheorie und -wissenschaft. Dementsprechend ergänzte er seinen Buchbestand um Werke zur Musik, darunter z. B. Johann Nicolaus Forkels Allgemeine Geschichte der Musik (Leipzig 1788) und seine Allgemeine Literatur der Musik; oder, Anleitung zur Kenntniss musikalischer Bücher ... (Leipzig 1788-1801) sowie Ernst Ludwig Gerbers Neues historisch-biographisches Lexicon der Tonkünstler (Leipzig 1790-1792 und 1812-1814). Von Leopold Mozart kaufte er den Versuch einer gründlichen Violin-Schule (Augsburg 1787), von Carl Philip Emmanuel Bach den Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen (Leipzig 1870) und von Ludolf Vineta Paganini's Leben und Charakter nach Schottky (Hamburg 1830).

3. KATALOGE

3.1 Moderne allgemeine Kataloge

Autoren- und Sachkatalog

[Zettelkatalog nach Sprachgruppen, in denen einige Sprachen nach Sachgruppen untergliedert sind; bearbeitet von Josef König 1965-1970; verzeichnet nicht die Bestände der Vikariatsbibliothek]

Alphabetischer Autorenkatalog

[Kopien der Zettel aus dem Autoren- und Sachkatalog]

3.2 Moderner Sonderkatalog

Holecek, Jaroslav: J. A. Seydl Decani Beronensis operum artis musicae collectio. Catalogus. Praha 1976

3.3 Historische Kataloge

Cermák, Josef: Catalogus bibliothecae beraunensis sic dictae decanalis. 1848

[hschr. Bandkatalog; verzeichnet 2316 Titel in 3226 Bdn; nach Sprachen geordnet]

Chronologischer Katalog über die der Vicariat-Bibliothek des Berauner Bezirks zugenommenen Bücher verfasst 1828 von Joseph Anton Seydl

[hschr. Bandkatalog; verzeichnet 330 deutschsprachige Titel]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Quellen zur Person J. A. Seydl befinden sich im Staatlichen Bezirksarchiv [Státní okresní archiv] in Beroun.

4.2 Darstellungen

Pribík, Jan Pravoslav: Josef Antonín Seydl, dekan v Beroune [J. A. Seydl, Dechant in Beraun]. In: Ceská vcela [Böhmische Biene] 5 (1838) Nr. 42, S. 332-334; Nr. 43, S. 340-342

Pribík, Jan Pravoslav: Kostelní knihovna v Beroune [Die Kirchenbibliothek in Beraun]. In: Ceská vcela [Böhmische Biene] 8 (1841) Nr. 14, S. 55-56

Poch, Josef: Z dejin verejného knihovnictví v Beroune [Aus der Geschichte des öffentlichen Bibliothekswesens in Beraun]. In: Slovanská knihoveda [Slawische Buchwissenschaft] 5 (1938) S. 128 ff.

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Frolíková, Lenka: Habent sua fata libelli. In: Starozitnosti a uzité umení [Altertümer und angewandte Künste] (1997) Nr. 2, S. 6-7

Poch, Josef: Z korespondence Josefa Ant. Seydla [Aus der Korrespondenz von J. A. Seydl]. In: Listy filologické [Philologische Blätter] 75 (1951) S. 131 ff., 212 ff., 282 ff.

Poch, Josef: Z kulturních dejin národního obrození. Knihovna J. A. Seydla [Aus der Kulturgeschichte der Nationalen Wiedergeburt. Die J. A. Seydl-Bibliothek]. Praha 1954

Stand: Juli 1998

Anna Matoušková

Pavel Pohlei


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.