FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Bibliothek der Englischen Fräulein

Adresse. Linzer Str. 11, 3100 St. Pölten [Karte]
Telefon. (02742) 35 2188-0

Unterhaltsträger. Institut der Englischen Fräulein
Funktion. Ordensbibliothek.
Sammelgebiete. Aszetik, Predigtliteratur, Kirchengeschichte. - Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Nur in Ausnahmefällen nach Voranmeldung. Ausleihe nicht möglich. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Westbahn bis St. Pölten, Fußwegnähe (10 Minuten). - A 1, Abfahrt St. Pölten.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Geschichte der Ordensbibliothek beginnt wahrscheinlich mit der Ansiedlung der Englischen Fräulein in St. Pölten. Es ist zu vermuten, daß die aus München kommenden Ordensfrauen auch Bücher in ihr St. Pöltener Domizil mitführten. Kaiser Josef I. hatte am 1. Juli 1706 die Bewilligung zur Niederlassung der Englischen Fräulein in St. Pölten gegeben. Es war dies die erste Gründung eines Klosters der Englischen Fräulein auf österreichischem Boden. Eine nicht unwesentliche Rolle spielte dabei der kaiserliche Kämmerer und Vizestatthalter von Niederösterreich, Hans Jakob Freiherr von Kriechbaum, der seinen Einfluß auf den Kaiser geltend machen konnte. Als erste Oberin der Englischen Fräulein sollte schließlich seine Schwester, Maria Anna Freiin von Kriechbaum, fungieren. Am 15. Jänner 1707 eröffneten die Englischen Fräulein eine zweiklassige Tagschule für die städtische weibliche Jugend. 1711 konnte aufgrund der vom niederösterreichischen Adel und den Ständen geschaffenen Stiftungsplätze auch eine Pensionatsschule eröffnet werden. Seit 1742 diente das St. öltener Institut als General-Mutterhaus für Österreich, Ungarn und die Lombardei.

1.2 In die Zeit der zweiten Generaloberin, Katharina Gräfin St. Julien (1748-1784), fällt die Erweiterung der Räumlichkeiten durch den Ankauf zweier benachbarter Häuser. Demzufolge konnte nun auch ein Bibliotheksraum angelegt werden, ein schöner Kuppelbau mit Oberlichtöffnung. Die Bibliothek verdankt ihre Existenz dem Umstand, daß die größtenteils adeligen Ordensmitglieder finanziell in der Lage waren, sich privaten Buchbesitz anzulegen. Die Büchersammlung setzt sich demnach in überwiegendem Maße aus von den Englischen Fräulein eingebrachten Werken bzw. ihren Nachlässen zusammen. Naturgemäß liegt der Schwerpunkt bei der kontemplativen Literatur (Aszese, Erbauung, Meditation) mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent am Gesamtbestand. Bei der profanen Literatur spiegeln sich Aufgabe und Anliegen des Ordens, nämlich Mädchenausbildung und Erziehung, in den Sachgebieten Pädagogik und Geschichte wider. Die Tatsache, daß Lehrende und Auszubildende ursprünglich vorwiegend Adelskreisen entstammten und Französisch im 18. Jh die bevorzugte Sprache des Adels war, erklärt den relativ großen Anteil an französischer Literatur (14 Prozent des Gesamtbestandes, während nur 3 Prozent der Werke in lateinischer Sprache vorliegen).

1.3 1938 kam es zur Schließung der Schulen der Englischen Fräulein, nicht aber des Instituts. Die Ordensmitglieder wurden z. T. vertrieben und ihre Räumlichkeiten beschlagnahmt. Die Bibliothek, die den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstand, wurde Ende der fünfziger Jahre verlagert und der Bibliotheksraum vorübergehend in eine Kapelle umfunktioniert. In den achtziger Jahren erfolgte im Zuge einer Neuordnung der Bestände erstmals die Anlage eines Kataloges, gleichzeitig schied man die zahlreichen Dublettenbände aus.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Bei einem Gesamtbestand von ca. 2450 Titeln (rund 4000 Bdn) beläuft sich das historische Buchgut auf 2352 Titel, davon 8 aus dem 16. Jh, 256 aus dem 17. Jh, 1490 (63 Prozent) aus dem 18. Jh und 598 aus dem 19. Jh (472 aus der zweiten Hälfte). Nur ca. 20 Drucke stammen aus dem 20. Jh; 72 enthalten keine Jahresangabe, sind aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls dem historischen Bestand zuzuzählen. Die Zahlenangaben basieren auf der Titelzählung anhand des Katalogs, der mit dem tatsächlichen Bestand weitestgehend übereinstimmt.

2.2 Mit 1886 Titeln sind 80 Prozent der Bücher deutschsprachig, 333 Titel (14 Prozent) sind französisch, 77 lateinisch und 52 italienisch. Jeweils einige Werke liegen in englischer und ungarischer Sprache vor, etliche in Niederländisch, darunter Wolf Helmhard von Hohbergs Georgica Curiosa (1682).

Systematische Übersicht

2.3 Die Aufstellung der Bücher folgt weder chronologischen noch systematischen Gesichtspunkten. 83 Prozent der Titel gehören in den theologischen Fachbereich. Davon entfallen mit 1213 Titeln 52 Prozent auf Aszese (Erbauung, Meditation), darunter 818 aus dem 18. Jh und 177 aus dem 17. Jh. 172 Titel sind in französischer Sprache verfaßt. Zahlreich vertreten sind Werke von Franz von Sales (14 Titel), Jean Crasset (20 Titel, französische, italienische und deutsche Ausgaben), Elias Avrillon (18 Titel), Ignatius von Loyola (18 Exerzitienbücher, ältestes von 1647), Jacob Nouet (17 Betrachtungsbücher), Udalricus Probst (14 Titel) und Theresia de Jesus (10 Titel; deutsche Werkausgabe von 1686, französische Werkausgabe von 1670). Anleitungen zu geistlichen Übungen finden sich u. a. von Alfons von Liguori (8 Titel), Eusebius Nieremberg (7 Titel), Paolo Segneri, Thomas von Aquin, Thomas von Kempen (De imitatione Christi in 12 verschiedenen Ausgaben), Ludovicus Muratori, Vitus Scheffer und Nicolaus Cusanus (Christliche Zucht-Schule, 1638). Zu den ältesten Werken zählt ein Martyrologium aus dem Jahr 1599. Innerhalb dieser Bestandsgruppe sind weiters 45 Gebet- und Andachtsbücher sowie 42 Titel an Ars moriendi-Literatur zu erwähnen (Matthias Kaiser, Martin Prugger, Matthäus Vogel). Das älteste Sterbebuch stammt aus dem Jahr 1694.

2.4 275 Titel, davon 209 aus dem 18. Jh, sind Predigten: Fasten- und Bußpredigten, Lehr- und Sittenpredigten sowie Predigten auf die Feste des Jahres, u. a. von Johann Geiler von Kaysersberg (1510), Augustinus Neser (1573), Balthasar Knellinger, Jacques Benigne Bossuet, Jean Baptiste Massillon und Ludovicus Bourdaloue. 150 Werke behandeln die Kirchengeschichte; der überwiegende Teil entfällt auf Vitae (100 Titel), einige Titel gehören in den Bereich der Ordensgeschichte. Das polemische Schrifttum ist mit einigen Titeln aus dem 18. Jh vertreten (Streitreden von Franz Neumayr und Alois Merz).

2.5 40 Titel betreffen Lebensregeln für Ordensleute (u. a. Fausto Lombardelli 1699, Marianus Schott 1679). 38 Bücher geben Beschreibungen von Wallfahrten, Wallfahrtsorten und geweihten Stätten, vornehmlich auf österreichischem Gebiet. 34 Titel gehören zur Liturgie (Missale), 34 zur Pastoraltheologie (Katechetik), 20 zur (christlichen) Philosophie. Weiters sind 21 Bibelausgaben (16 in deutscher Sprache; älteste Ausgabe von 1662) sowie 20 bibelwissenschaftliche Werke vorhanden. Zur Moraltheologie und Dogmatik liegen nur einige wenige Titel vor. Gering ist auch der Anteil an Werken zur Patristik; es finden sich 5 Schriften des Augustinus (Mehrfachexemplare; deutsche und französische Ausgaben) und 2 von Johannes Chrysostomus. 2.2

2.6 Die nicht-theologische Literatur umfaßt lediglich 397 Titel. 193 Werke - 39 in französischer Sprache - behandeln die Geschichte, 30 davon die österreichische. Der Schwerpunkt liegt bei den Darstellungen zur Weltgeschichte, von denen einige eigens für Töchterschulen bestimmt sind. Der Bestand an Lexika, Wörterbüchern, Grammatiken und Schulbüchern beläuft sich auf 142 Titel. Darüber hinaus gibt es 16 Werke (z. T. populärwissenschaftlicher Art) zur Naturgeschichte, 12 zur Geographie sowie jeweils einige Titel zur Astronomie, Physik und Chemie. Hinzu kommen 31 pädagogische Bücher, insbesondere über Mädchenerziehung, 11 Ausgaben literarischer Werke sowie eine kleine Anzahl medizinischer Schriften, darunter einige Kräuterbücher aus dem 16. und 17. Jh.

3. KATALOGE

Autorenkatalog

[in Zettelform, nach hauseigenen Regeln; mit Hinweisen auf den Standort]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Erdinger, Anton: Kurze Geschichte der Englischen Fräulein überhaupt und des Institutes in St. Pölten insbesondere. In: Geschichtliche Beilagen zu den Consistorial-Currenden der Diözese St. Pölten. St. Pölten 1885, Bd 2, S. 1-34

Stand: Februar 1991

Wilma Buchinger


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.