FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Breznice [Breznitz]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Breznitz war ursprünglich eine marschländische gotische Burg, die im 13. Jh durch die Adelsfamilie Buzic gegründet wurde. Quellen über die Einrichtung einer Schloßbibliothek liegen erst aus dem 16. Jh vor, als die Herren Lokšanové z Lokšan (Lokšan von Lokšan) die Herrschaft innehatten. Der deutsche Vizekanzler des Königreichs Böhmen, Jirí Lokšanové z Lokšan ( 1554), kaufte Breznitz 1548 und baute die Burg in ein Renaissanceschloß um. Seine Gemahlin Katharina (1580), geborene Adler aus Speyer, war verwandt mit der Bankiers- und Unternehmerfamilie Welser aus Augsburg. Ihre Nichte Philippine Welser von Zynnburg (1527-1580) fand daher als Geliebte des österreichischen Erzherzogs Ferdinand von Tirol (1529-1595), der Statthalter in Böhmen war, Zuflucht in Breznitz. Hier wurde 1557 die geheime Hochzeit zwischen den beiden geschlossen und der erste Sohn Andreas (1558-1600) geboren. Etwa in dieser Zeit wurde im Turm die Schloßbibliothek eingerichtet, die an der Tür die Jahreszahl 1558 trägt. Die sogenannte Lokšaner Bibliothek mit ihren Renaissance-Wandmalereien mit Wappen wird als das älteste erhaltene Schloßbibliotheksinterieur in der Tschechischen Republik angesehen, jedoch ohne erhaltene Buchbestände aus dieser Zeit. Breznice [Breznitz] 1.1

1.2 Nach der Schlacht auf dem Weißen Berg wurde die Herrschaft der Urenkel von Jirí z Lokšan teilweise konfisziert. 1623 wurde der königliche Prokurator Pribík Jeníšek von Újezd (Adaukt Genissek Freiherr von Augezd, 1651), alleiniger Besitzer. Sein letzter Nachfahre war Johann Josef von Újezd (1728). Danach ging Breznitz an Wilhelm Albrecht Kolowrat-Krakowský (1678-1738), dessen Familie Renovierungsarbeiten durchführen ließ. Graf Joseph Maria Kolowrat-Krakowský, Freiherr von Újezd (1746-1824), schenkte dem Nationalmuseum in Prag bald nach dessen Gründung im Mai 1818 einen wertvollen Bestand aus der alten Breznitzer Bibliothek (96 Hss.). Einen weiteren Teil (86 Hss.) schenkte nach seinem Tode sein Sohn Johann Nepomuk Karl (1794-1872), genannt Hanuš, der ein Vorsitzender des Vereins Matice ceská war (eine Verlagseinrichtung des Nationalmuseums Prag). Die Kolowrater Bibliothek ist in ihrem Originalzustand nicht erhalten geblieben, doch ist sie durch Bücher - viele mit heraldischen Stempeln Hr. z Kolowrat Krakowského - in zeitgenössischen Schränken in der Ausstellung des Schlosses Breznitz teilweise rekonstruiert.

1.3 Erbe des kinderlosen Grafen Hanuš Kolowrat-Krakowský war sein Verwandter, Graf Karl Eduard Pálffy von Erdöd, Freiherr von Újezd (1836-1915). Er schenkte 1893 dem Nationalmuseum in Prag die letzten 90 Hss. der alten Breznitzer Bibliothek. Unter den Pálffys wurde das Schloß in den achtziger Jahren des 19. Jhs umgebaut. Im zweiten Stock wurde die Bibliothek mit den zeitgenössischen Beständen der Familie Pálffy eingerichtet. Der Rest der Kolowrater Bibliothek war im zweiten Stock des Eingangsturmes untergebracht. 1945 wurde das Schloß verstaatlicht und ein Teil der Bibliothek an das Stadtmuseum in Breznitz abgegeben. Seit 1968 ist im restaurierten Renaissance-Interieur ein Buchbestand in Renaissance- und Barockeinbänden ohne historischen Bezug zum Schloß aufgestellt. Dieser Bestand wird nicht näher beschrieben. Heute befindet sich das Schloß im Besitz des Denkmalamtes für Mittelböhmen [Památkový ústav Stredních Cech] in Prag, und die Bibliothek steht unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Schloßbibliothek umfaßt insgesamt 6294 Bde, von denen der Großteil zur Kolowrater Bibliothek zählt (ca. 4000 Bde), der Rest (ca. 2000 Bde) zur Pálffyschen Bibliothek. Die ältesten Drucke der Kolowrater Bibliothek stammen aus dem 17. Jh (ca. 40 Bde), aus dem 18. Jh sind ca. 1200 Bde und aus dem 19. Jh ca. 2700 Bde; des weiteren finden sich 52 historische Handschriften. In der Pálffyschen Bibliothek liegen 1000 Bde aus dem 19. Jh vor.

2.2 Kolowrater Bibliothek. Die Alten Drucke aus der Kolowrater Schloßbibliothek machen etwa ein Fünftel des historischen Gesamtbestandes aus. Sprachlich überwiegen französische Werke (ca. 50 Prozent). So findet sich z. B. eine Ausgabe von Diderots und d'Alemberts Encyclopédie (Lausanne und Bern 1781). In lateinischer Sprache ist die religiöse Literatur; die Missale stammen, nach den Vermerken zu urteilen, aus der Schloßkapelle. Etwa 40 Prozent der Alten Drucke liegen in deutscher Sprache vor.

2.3 Die Bibliotheksbestände bezeugen das enzyklopädische Interesse der Eigentümer. Inhaltlich überwiegen Geschichte, Naturwissenschaften, Geographie, Ökonomie, Landwirtschaft, Jagdwesen, Medizin und Theatralia, z. B. die Dramen August Wilhelm Ifflands und August von Kotzebues. Auch Ausgaben deutscher Klassiker fehlen nicht, z. B. Christian Fürchtegott Gellerts Sämtliche Schriften (Berlin und Stettin 1770) und Klopstocks Werke (Troppau 1785-1786). Zur Magie liegt eine Ausgabe von Johannes Samuel Halles Magie (Wien 1785-1786) vor. Die Bücher sind mit dem Kolowrater Stempel oder mit handschriftlichen Besitzvermerken versehen. Ein Teil des Bestandes geht auf Verwandte und die Ehefrauen der Grafen Kolowrat-Krakowský zurück. So tragen einige religiöse und historische Werke Vermerke von Walburga, geborene Gräfin Morzin (1766-1798) und zweite Gemahlin von Joseph Maria Kolowrat-Krakowský.

2.4 Der Bestand aus der ersten Hälfte des 19. Jhs enthält zu etwa 60 Prozent deutschsprachige Werke. Inhaltlich sind hier die gleichen Fächer wie bei den Alten Drucken vertreten; hinzu kommen Reisebücher und Reiseführer, Wörterbücher sowie Gesamtausgaben von Klassikern wie Goethe, Schiller und Shakespeare. Zahlreiche Bücher tragen den Vermerk Jean Krakowsky Comte de Kolowrat, wobei es sich z. T. um Widmungsexemplare der Verfasser handelt. In der Übersetzung von Das Nibelungenlied (Leipzig 1840) ist vermerkt Denkmal zur 4. Saecularfeier der Buchdruckerkunst, Eigentum des Herrn Grafen Johann Kolowrat-Krakowsky in Prag. Von Josef Jungmann liegt das Bohemicum Slowesnost (Prag 1845) vor. Als Mitglied des Verwaltungsausschusses des Nationalen (Vaterländischen) Museums unterstützte er die Verlagstätigkeit des Vereins Matice ceská und der Zeitschrift Archeologické památky [Archäologische Denkmäler]. Werke der Belletristik kamen hauptsächlich durch Johanns Stiefschwester Antonia Kolowrat-Krakowský (1805-1837) in die Schloßbibliothek.

2.5 Pálffysche Bibliothek. Die Drucke vom Ende des 19. Jhs und aus der ersten Hälfte des 20. Jhs enthalten zu etwa 70 Prozent deutschsprachige Werke. Französisch, Englisch und Tschechisch sind als weitere Sprachen vertreten. Inhaltlich überwiegen Belletristik, Geschichte, Memoiren, Reisebücher, Militärwesen, Jagdliteratur, Kinderliteratur und Genealogie, darunter z. B. Reihen vom Gothaischen genealogischen Taschenbuch von 1829 bis 1898 und vom Gothaischen genealogischen Kalender. Unter den Autoren finden sich zahlreiche adlige Verfasser, z. B. Adalbert Sternberg, Ottokar Czernin, Berta Polzer-Hoditz, Ida Gräfin Hahn-Hahn, Ernst Silva-Tarouca, Marie von Ebner-Eschenbach und insbesondere Mitglieder der mit den Pálffys verwandten Familie Coudenhove-Kalergi. Die Handschriften liegen zu 40 Prozent in deutscher Sprache vor (aus dem 19. und vom Beginn des 20. Jhs). Es handelt sich z. B. um Schulhefte, Exzerpte, Reisenotizen und Reisetagebücher aus dem 19. Jh. Den Bestand ergänzt eine Sammlung mit Photoalben der Familie Pálffy.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Gesamtkatalog der Schloßbibliotheken unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag

[in alphabetischer Ordnung; für den Bestand Kolowrat erstellt 1979, für den Bestand Pálffy erstellt 1979-1980]

Standortkatalog

[Bandkatalog; Kopien der Zettel im Gesamtkatalog]

Standortkatalog der Pálffyschen Bibliothek

[erstellt 1971]

Standortkatalog der Kolowrater Bibliothek

[erstellt 1976-1979]

3.2 Historischer Katalog

Bibliothek

[hschr. systematischer Katalog der Pálffyschen Bibliothek in Breznitz in 5 Teilen: A. Werke historischen und belehrenden Inhalts, B. Werke der Poesie, C. Jugendschriften, D. Romane, E. Unterschiedliches; undatiert, erstellt nach 1910; Signatur R 40]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Lifka, Bohumír: Zámecké a palácové knihovny v Cechách. Prehled historicko-topografický [Schloß- und Palaisbibliotheken in Böhmen. Eine historisch-topographische Übersicht]. In: Ceský bibliofil [Der tschechische Bibliophile] 6 (1934) S. 45, 49

Wirth, Zdenek: Úvod [Einleitung]. In: Bohumír Lifka: Knihovny státních hrad a zámk [Bibliotheken der staatlichen Burgen und Schlösser]. Praha 1954, S. [1]. [Photographie der Renaissance-Bücherschränke in Breznitz]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Hanuš, Josef: Národní museum a naše obrození [Das Nationalmuseum und unsere Wiedergeburt]. Praha 1921-1923. Bd 1, S. 282-283. Bd 2, S. 56, 62-63, 123-124

Knihovna Národního musea [Die Bibliothek des Nationalmuseums]. Red. Karel Švehla. Praha 1959, S. 24-25

Šamánková, Eva: Pálffyovský nácrtník ze sbírek Národního muzea [Das Pálffysche Skizzenbuch in den Sammlungen des Nationalmuseums]. In: Casopis Národního muzea, rada historická [Zeitschrift des Nationalmuseums, Historische Reihe] 151 (1982) Nr. 3-4, S. 171-183

Vrchotka, Jaroslav: Dejiny Knihovny Národního muzea v Praze 1818-1892 [Die Geschichte der Bibliothek des Nationalmuseums in Prag 1818-1892]. Praha 1967, S. 48-49

Stand: November 1996

Helga Turková


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.