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Knihovna kláštera františkán

Bibliothek des Franziskanerklosters


Adresse. Der zukünftige Aufstellungsort der Bibliothek steht noch nicht fest.

Unterhaltsträger. Ceskomoravská provincie rádu sv. Františka [Böhmisch-mährische Provinz des Franziskanerklosters], Jungmannovo nám. 18, 110 00 Praha 1.
Funktion. Historische Klosterbibliothek

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzstudium der Handschriften und Inkunabeln in der Mährischen Landesbibliothek/Universitätsbibliothek (s. Eintrag dort).

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das Kloster wurde vor allem aus Mitteln des wohlhabenden Datschitzer Bürgermeisters Mathias Georg Kapeta zwischen 1660 (Grundsteinlegung) und 1664 erbaut und in den Jahren 1834 und 1854 erneuert. Auch die dem Hl. Antonius von Padua geweihte Klosterkirche wurde von Kapeta und anderen Wohltätern errichtet (vor allem den gräflichen Familien Berka, Deblin, Berchtold und dem Prämonstratenserkloster Nová Ríše [Neu-Reisch]). Sie entstand zwischen 1672 und 1677.

1.2 Die Bibliothek muß sehr früh gegründet worden sein, da die ältesten Besitzeinträge des Klosters in den Beständen aus den Jahren 1660 bis 1663 stammen. Im Jahre 1700 waren nach dem ersten handschriftlichen Katalog in der Bibliothek bereits etwa 750 Bde vorhanden (s. u. 3.3). Die größte Bestandserweiterung ergab sich durch die Teilnahme der Franziskaner an der Gegenreformation, als die beschlagnahmten protestantischen Schriften in die Abteilung der verbotenen Bücher (libri haeretici et prohibiti) eingereiht wurden. Darunter befanden sich u. a. einige seltene böhmische Drucke, die jedoch zum größten Teil im 19. Jh verlorengingen oder in das Mährische Landesarchiv in Brünn kamen. Franziskanerkloster

1.3 Die Bibliothek wuchs zudem durch Schenkungen und Vermächtnisse, wie etwa die des Pfarrers in Kdousov [Gdossau] Martin Ignaz Hloušek (

†1680), der 1665 und 1666 etliche Bücher stiftete, oder des Pfarrers in Jemnice [Jamnitz] Veit Wenzel Markrab (1676, einige Dutzend Bücher). Zu nennen sind ferner der Pfarrer in Novosedly [Neustift] Jakob Josef Tamisch (1694), der Pfarrer in Urbanov [Urbanau] Simon Thomas Krízek (

†1713) und der Dechant in Slavonice [Zlabing] Georg Johann Kieleber (1720-1721). Im Jahre 1676 erhielten die Datschitzer Franziskaner die Bücher (u. a. 2 Inkunabeln) des Klosters in der nahen Stadt Jemnice, das ihr Orden aufgeben mußte.

1.4 Durch eine große Schenkung der Fürstin Maria Theresia von Trautson geb. von Weissenwolf (1679-1740) im Jahre 1737 konnte der Buchbestand vor allem in den profanen Fächern wie Geschichte, Politik und Zivilrecht vermehrt werden. So zählte die Bibliothek in der Mitte des 18. Jhs ca. 1900 Bde. Aus der Zeit nach 1750 seien genannt die Nachlässe von Urban Horscheysky (1764) und besonders von dem Pfarrer in Babice [Babitz] Josef Jaroschek (ca. 1780, etwa 30 Bde). Die jüngsten Zuwächse kamen 1846 hinzu. Seit Mitte des 19. Jhs blieb die Bibliothek weitgehend unbenutzt. Im Jahre 1950 wurde sie der Brünner Universitätsbibliothek übergeben, die die Bibliothek an ihrem ursprünglichen Ort aufbewahrt, einer großen Klosterzelle mit historisierender Ausstattung und Deckenbemalung vom Beginn des 19. Jhs. Im Rahmen der Restitutionsmaßnahmen wurde die Bibliothek 1996 an den Franziskanerorden zurückgegeben, der seine Tätigkeit in Dacice jedoch nicht wieder aufnahm. Der zukünftige Aufstellungsort der Klosterbibliothek steht bisher nicht fest.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Der Bestand umfaßt ca. 3100 Bde. Davon entfallen 17 auf das 15. Jh, 262 auf das 16. Jh, 1060 auf das 17. Jh, 1450 auf das 18. Jh und 150 auf das 19. Jh.

2.2 Sprachlich überwiegen lateinische Werke (1800 Titel, 62 Prozent), gefolgt von deutschen (940 Titel, 30 Prozent) und tschechischen (180 Titel, 6 Prozent), darunter 162 Alte Drucke. Der Rest verteilt sich auf 30 italienische, 9 französische, je 2 polnische und spanische sowie je einen Titel in sorbischer und kroatischer Sprache. Etwa 800 Bde sind auf tschechischem oder slowakischem Gebiet gedruckt (ca. 26 Prozent des Bestandes).

2.3 Die Sammlung der Inkunabeln (17 Bde) ist lateinisch bis auf Johannes Niders Die vierundzwanzig goldenen Harfen (Augsburg 1484). Sie stammen aus Augsburg (2), Basel, Brescia, Brünn, Hagenau (je eine), Köln (2), Nürnberg (4), Reutlingen, Speyer und Straßburg (je eine) sowie aus Venedig (2). Die älteste Inkunabel ist eine lateinische Bibel (Venedig: Franz Renner und Nikolaus von Frankfurt 1475, GW 4216).

2.4 Von den 262 Drucken des 16. Jhs liegen 77 in deutscher Sprache vor (29 Prozent). Sie stammen aus Augsburg (2 und 4 lateinische), Bamberg (einer), Dillingen (3 und 2 lateinische), Erfurt (einer), Frankfurt a. M. (5 und 7 lateinische), Graz (2), Ingolstadt (8 und 4 lateinische), Köln (5 und 18 lateinische), Konstanz (2 und ein lateinischer), Leipzig (4 und 14 lateinische), Magdeburg (3), Mainz (4), München (5), Nürnberg (5, 2 lateinische und ein tschechischer), Olmütz und Prag (je einer), Regensburg (2), Straßburg (9 und 10 lateinische), Tübingen (einer und ein lateinischer), Villingen (einer), Wien (3 und ein lateinischer), Wittenberg (4 und 13 lateinische) und Znojmo-Louka [Bruck a. d. Thaya (2). Drei Drucke sind ohne Ortsangabe erschienen. Weitere lateinische Drucke stammen aus Basel (18), Dortmund (einer), Frankfurt/Oder (2), Hagenau (5), Innsbruck, Neustadt a. d. Haardt und Zürich (je einer). Unter den 10 böhmischen Drucken des 16. Jhs befindet sich auch eine böhmische Übersetzung der Postille von Johann Spangenberg, die in Nürnberg 1557 gedruckt wurde.

2.5 Bei den etwa 800 Bdn deutscher Drucke des 17. und 18. Jhs finden sich 130 Bde einheimischer Produktion. Sie stammen aus den Druckorten Bratislava [Preßburg], Brno [Brünn], Cheb [Eger], Kadan [Kaaden], Kutná Hora [Kuttenberg], Znojmo-Louka [Bruck a. d. Thaya], Mikulov [Nikolsburg], Olomouc [Olmütz], Opava [Troppau], Prag, Trnava [Tyrnau] und Znojmo [Znaim].

Systematische Übersicht

2.6 Die Bücher sind systematisch in 15 Hauptsachgruppen aufgestellt: (A) Bibelausgaben und biblische Konkordanzen; (B) Schriften der Kirchenväter und biblische Exegese; (C) Systematische und dogmatische Theologie sowie Moraltheologie; (D) Kirchenrecht, Katechetik und polemische Literatur; (E-G) Homiletik; (H) Kirchen- und Profangeschichte; (I) Ordenswesen und Ordensregeln; (K) Liturgik; (L) Philosophie, Zivilrecht und Medizin; (M) Humanistae (einschließlich Philologie, antike Autoren, neulateinische Dichtung); (N) Varia; (O) Italienische und französische Bücher und (X) Ketzerische und verbotene Bücher (protestantische Literatur).

2.7 Abgesehen von einem Brünner Fragment der Donatus-Grammatik gehören alle Inkunabeln in den Bereich der Theologie. Die relativ zahlreichen Drucke des 16. Jhs (262) verteilen sich auf Theologie (185 Titel, 70 Prozent) sowie Philologie (21), Philosophie (13), Geschichte (12), Medizin und Ausgaben antiker Autoren (je 6), Naturwissenschaften (5), Politik und Recht (je 3), Mathematik, neulateinische Dichtung und Magie (je 2), Astronomie und Musik (je einer). Deutschsprachige theologische Werke sind mit 63 Titeln vertreten (davon 39 katholische und 24 protestantische), darunter Werke von Luther, Melanchthon, Johann Bugenhagen und Johann Spangenberg.

2.8 Bei den ca. 800 Bdn deutscher Drucke des 17. und 18 Jhs überwiegt eindeutig die theologische Literatur. Obwohl die nicht-theologischen Schriften in der Minderzahl sind, besitzt die Bibliothek eine Reihe von Ausgaben der deutschen Barockliteratur, u. a. Abraham a Sancta Clara, Judas der Ertz-Schelm (Salzburg 1689-1696); Aegidius Albertinus, Der Welt Thurnierplatz (München 1614); Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig, Aramena (Nürnberg 1679, unvollständig); Johann Coler, Oeconomia (Wittenberg 1616); Johann Gottfried Gregorii, Die traurige Schaubühne (Frankfurt und Leipzig 1716); 3 Werke von Antonio de Guevara; Eberhard Werner Happel, Mundus mirabilis (Ulm 1687-1688); Aegidius Henning, Mischmasch (Frankfurt 1665); Urban Politicus [pseud.], Peregrination (Hamburg 1655); Johann Prätorius, Anthropodemus Plutonicus (Magdeburg 1666); Johann Leonhard Rost, Die Manier Teutsche Briefe zu schreiben (Nürnberg 1722); Rudolf Suitensis (Kapuziner), Philologus und Carbella (Baden 1687); Justus Georg Schottelius, Ausführliche Arbeit von der Teutschen Haubt Sprache (Braunschweig 1663); Georg Heinrich Schreiber, Politischer Hoffstylus (um 1660, unvollständig) sowie Friedrich Spee, Güldenes Tugend-Buch (Glatz 1680). Aus Deutschland stammt zudem ein sorbisches Psalmenbuch (Guben 1753).

2.9 Der einzige kroatische Druck (Matie Divkovic, Nauk karstianski, Venedig 1683) ist mit glagolitischen Lettern gedruckt. Von den auf tschechischem und slowakischem Gebiet entstandenen Drucken ist das seltenste Buch ein Sammelband mit einigen hundert Gelegenheitsschriften (darunter Universitätsdisputationen, Gratulationen, Gedichte zu Hochzeiten, Geburtstagen, Todesfällen, aber auch neue Zeitungen über Türkenkriege, Unwetterkatastrophen u. a.). Sie stammen aus Prager Druckereien um 1600.

2.10 Durch die Schenkung der Fürstin Maria Theresia von Trautson (s. o. 1.4) kam vor allem profane Literatur in die Bibliothek. Als Beispiele seien genannt Pierre Le Lorrain de Vallemonts Merckwürdigkeiten der Natur und der Kunst (Breslau 1708), Franz Christoph von Khevenhuellers Annales Ferdinandei (Leipzig 1721-1726), Andrea Pozzos Perspectiva pictorum atque architectorum (Augsburg 1706-1709) und das alchemistische Werk [von Ambrosius Müller] Drey Curieuse Chymische Tractätlein (Frankfurt und Leipzig 1706).

3. KATALOGE

3.1 Moderne allgemeine Kataloge

Alphabetischer Katalog

[Zettelkatalog; nach PI]

Typographischer Katalog für Bohemica

[mschr.; Bandkatalog; einschließlich Polonica und Slavica; nach Städten und Druckern geordnet]

3.2 Moderne Sonderkataloge

Dokoupil, Vladislav: Soupisy prvotisk, spravovaných Universitní knihovnou v Brne. 9. Menší klášterní a zámecké knihovny [Verzeichnisse der von der Universitätsbibliothek in Brünn verwalteten Inkunabeln. 9.  Kleinere Kloster- und Schloßbibliotheken]. Brno 1961 [vervielfältigt]

Dokoupil, Vladislav; Vobr, Jaroslav: Catalogus librorum saec. XVI typis impressorum, qui in bibliothecis Conventus Ord. Fr. Ref. S. P. Francisci Dacicensis et Moravotriboviensis, Conventus Ord. Fr. Min. Conv. Iglaviensis et in bibliotheca Episcopalis seminarii clericorum Brunensis asservantur. Brno 1973 [vervielfältigt; Alphabetischer Katalog; nach PI; mit vielen Registern]

Die Inkunabeln (17), Postinkunabeln 1501-1520 (28), Alten Drucke aus der Slowakei (32), Comeniana (3), Brünner Alten Drucke und Alten Musikdrucke sind in den entsprechenden Gesamtkatalogen der Mährischen Landesbibliothek in Brünn verzeichnet (s. Eintrag dort, 3.2).

3.3 Historische Kataloge

Cathalogvs Bibliothecae Daczicensis ad. S. Antonivm de Padva Confectvs MDCC

[hschr. Standortkatalog; in Bandform; bis 1775 systemlos ergänzt; Handschriftensammlung Nr. 7; unter Nr. 8 findet sich eine jüngere Abschrift, die bis 1798 systemlos ergänzt wurde]

Catalogvs Bibliothecae Daczicensis, ad S. Antonivm de Padva. Confectus a P. Gvidone Bleiveis protunc concionatore ordinario. MDCCXXXVI

[hschr. Standortkatalog; in Bandform; bis 1769 ergänzt; Handschriftensammlung Nr. 9]

Catalogus librorum Bibliothecae Conventus Dacicensis ad s. Antonium de Padua, Ord. FF. Minorum Reformatorum S. P. Francisci conscriptus sub Guardianatu P. Anastasii Školaudy Praed. emer. a P. Benjamin Širucek praefati Ord. & Convent. Praed. Subsid. 1846

[hschr. Standortkatalog; in Bandform; Handschriftensammlung Nr. 10]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Horky, Josef Edmund: Geschichtliche Notitzen. Gesammelt auf einer Reise durch den Znaymer und Iglauer Kreis. In: Brünner Wochenblatt zur Beförderung der Vaterlandskunde, zur Belehrung und Unterhaltung 4 (1827) S. 83-84

Elvert, Christian d': Die Bücher-Sammlung der Franziskaner-Klöster in Datschitz, Hradisch und Trübau. In: Schriften der historisch-statistischen Sektion der k.u.k. mähr. schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Heft 3. Brünn 1852, S. 95

Volný, Rehar: Kloster u. Conventkirche der PP. Franziskaner oder Bernardiner. In: ders.: Kirchliche Topographie von Mähren. Abt. 2. Brünner Diöcese. Bd 3. Brünn 1860, S. 266-268

Beringer, Jan; Janoušek, Jaroslav: Klášter a kostel františkánský [Kloster und Kirche der Franziskaner]. In: dies.: Mesto a panství Dacice [Stadt und Herrschaft Datschitz]. Dacice 1893, S. 188-195

Bohatta, Johann; Holzmann, Michael: Adressbuch der Bibliotheken der Oesterreich-ungarischen Monarchie. Wien 1900, S. 31-32 [Franziskanerkloster Datschitz (Mähren)]

Dokoupil, Vladislav: Knihovna kláštera františkán v Dacicích [Die Bibliothek des Franziskanerklosters in Datschitz]. In: ders.: Dejiny moravských klášterních knihoven ve správe Universitní knihovny v Brne [Die Geschichte der mährischen Klosterbibliotheken unter der Verwaltung der Universitätsbibliothek in Brünn]. Brno 1972, S. 263-278

[S. a. die Vorworte zu den Sonderkatalogen in 3.2]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Hejnic, Josef; Martínek, Jan: Dosud neznámé humanistické tisky v brnenské Universitní knihovne [Bisher unbekannte humanistische Drucke in der Brünner Universitätsbibliothek]. In: Listy filologické [Philologische Blätter] N. F. 5, 80 (1957) S. 83-89, 211-219

Stand: Oktober 1992

Jaroslav Vobr

Ergänzt: April 1998


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.