FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Kochbuchsammlung Hotel " Wilder Mann"

Adresse. Hotel " Wilder Mann", Am Rathausplatz, 94032 Passau. [Karte] Verwaltung: Rotel Tours, 94100 Tittling
Telefon. (0851) 3 50 71 (Passau), (08504) 4040 (Tittling)
Telefax. (0851) 3 17 12 (Hotel " Wilder Mann", Passau); (08504) 4926 (Rotel Tours, Tittling)

Unterhaltsträger. Rotel Tours Das Rollende Hotel, 94100 Tittling/Passau
Funktion. Spezialbibliothek für Kochbuchliteratur.
Sammelgebiete. Vorwiegend deutschsprachige Literatur zu allen Bereichen der Kochkunst.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät, EDV-Arbeitsplatz.
Hinweise für anreisende Benutzer. Rund 500 Bde des historischen Bestandes sind im Passauer Glasmuseum im Hotel " Wilder Mann" untergebracht, der andere Teil der Sammlung im Archiv der Rotel Tours, Tittling. Telefonische Anmeldung erforderlich. Von Passau Busverbindung nach Tittling (B 85) oder mit dem Auto über die A 3 (Regensburg-Passau), Ausfahrt Aicha vorm Wald.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Den Grundstock für diese bedeutendste Kochbuchsammlung im deutschsprachigen Raum legten die Kochbuch-Autorin Erna Horn (1904-1981) und ihr Ehemann Dr. Julius Arndt (1898-1978), die in den dreißiger Jahren die ersten Bestände erwarben und diese in den folgenden Jahren durch systematische Zukäufe ergänzten. Standort ihrer Sammlung war Schloß Buchenau im Bayerischen Wald.

1.2 Nach dem Ableben der beiden Sammler übernahm der Reiseunternehmer und Sammler Georg Höltl (1928) den Bibliotheksbestand und erweiterte ihn durch umfassende Neuerwerbungen systematisch. Neben dem historischen Bestand galt sein Augenmerk verstärkt der Literatur des 20. Jhs. Unter seiner Schirmherrschaft wuchs die Sammlung von ca. 2700 auf über 12.000 Titel an. Der wertvollste Teil der Sammlung mit rund 350 alten Drucken wurde nach der Eröffnung des Passauer Glasmuseums im Hotel " Wilder Mann" in zwei Vitrinen des sogenannten Kaiserin-Sissi-Zimmers untergebracht.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der Gesamtbestand umfaßt rund 12.400 Titel. Davon entfallen 1177 Druckwerke sowie 66 handschriftlich abgefaßte Kochbücher und Rezeptsammlungen auf die Zeit vor 1900. Zahlreiche bedeutende Werke der Kochbuchgeschichte sind als Faksimile-Ausgaben vertreten. Die Werke verteilen sich auf den europäischen Sprachraum. Neben deutschen Editionen finden sich französische, lateinische und italienische am häufigsten. Andere Sprachen (Englisch, Niederländisch, Schwedisch, Spanisch, Dänisch und Russisch) kommen nur vereinzelt vor.

2.2 Neben den reinen Kochbüchern, die den Kern der Sammlung bilden, finden sich Abhandlungen zu verwandten Sachthemen wie der Gastronomie und ihren Nebengebieten. Reich vertreten sind medizinisch-pharmazeutisch ausgerichtete Diätvorschriften, Kräuter- und Gewürzbücher, Anleitungen für den Gärtner und den Landwirt oder auch hauswirtschaftliche Lehrbücher. Einen breiten Raum nehmen Titel zur allgemeinen Tischkultur wie Tranchier- und Anstandsbücher ein sowie gastrosophische und kulturhistorische Abhandlungen und sogar poetische Betrachtungen.

2.3 Es sind 3 Inkunabeln vorhanden, Battista Platina, De honesta voluptate (Venedig 1475), Petrus de Crescentiis, Il libro della agricultura (Vicenza 1490; GW 7827) und die Diätetik des Michael Psellus, De victus ratione (Erfurt 1499). Von Petrus de Crescentiis ist noch eine weitere Ausgabe (Venedig 1538) vorhanden, von Platina stammen 7, alle aus dem 16. Jh.

2.4 Das 16. Jh ist mit 81 Titeln vertreten, darunter 31 lateinische, 11 italienische, 3 französische und ein schwedischer. Während die frühen Druckwerke vor allem am medizinischen Aspekt der Ernährung interessiert sind, mehren sich in diesem Jahrhundert die Kochbücher im engeren Sinne, die häufig direkt für den Drucker oder Verleger verfaßt wurden und in einigen Fällen zu ausgesprochenen Bestsellern avancierten. Zur antiken Kochkunst liegen Schriften griechischer und lateinischer Autoren wie Athenäus und Apicius vor, jeweils mit zwei Ausgaben. Das Apicius-Kochbuch wurde auch in den folgenden Jahrhunderten immer wieder aufgelegt, wie 6 weitere Drucke dieser Sammlung belegen. Ähnliches gilt für Columella, dessen 12. Buch seines De re rustica ( Lyon 1535) gastronomische Themen behandelt.

2.5 Unter den deutschsprachigen Drucken sind das berühmte Kochbuch des " Churfürstlich Meintzischen Mundtkochs" Markus Rumpolt (Frankfurt 1581) und die Koch und Kellermeisterey des Meisters Sebastian (Frankfurt 1571) zu nennen, beides Werke von hohem kulturhistorischen Interesse. Anspruchsvolle bis ausgefallene Rezepte bietet das Sehr künstlichs und nützlichs Kochbuch von Balthasar Staindl (Augsburg 1575). Unter die gastrosophische Sparte fallen Werke wie Sebastian Francks Von dem Greuwlichen laster der trunckenheit (Augsburg 1531) und Luis Lobera de Avilas Bancket oder Gastmal der Hofe und Edelleut (Frankfurt 1563). Auch das erste von einer Frau in deutscher Sprache verfaßte Kochbuch, Ein köstlich new Kochbuch (Amberg 1598) von Anna Wecker, gehört in dieses Jahrhundert.

2.6 Ferner finden sich speziellen gastronomischen Themen gewidmete Drucke wie Gregor Mangolts Fischbuch (Zürich 1557), Georg Horns Hierampelos (Sclkalden 1585), ein Bericht über den Weinbau, oder ein Andachtsbuch zum rechten Verzehr der Martinsgans. Auch mit Plagiaten wurde in dieser Zeit bereits gehandelt, wie das von Heinrich Steyner gedruckte Buch Von allen Speysen und Gerichten (Augsburg 1537) belegt. Als Verfasser wird Platina genannt, doch handelt es sich in Wirklichkeit um eine reine Neuausgabe des ältesten deutschen Kochbuchs, der Kuchemaistrey von 1485.

2.7 Der Bestand des 17. Jhs umfaßt 101 Titel, darunter 24 lateinische, 24 französische, 2 englische und ein spanischer. Es überwiegen die reinen Kochbücher, einige in prunkvoller Ausstattung. Häufig finden sich auch Tranchierbücher sowie Tee- und Kaffeebücher. Zu den wertvollsten Stücken der Sammlung gehören die beiden Kochbücher von François Pierre de la Varenne, Le Cuisinier françois (Paris 1658) und Le Pastissier françois (Paris 1653), die die französische Küche revolutionierten. Weitere Prachtexemplare sind Bartolomeo Scappis Opera, die mit zwei Ausgaben (Venedig 1605 und Venedig 1610) vertreten sind.

2.8 Das 18. Jh verzeichnet 209 Druckwerke, darunter 22 französische Titel, 14 lateinische, je 2 englische, schwedische und holländische sowie je ein dänischer und spanischer. Unter den reinen Kochbüchern ragen Prunkausgaben wie Conrad Haggers Neues saltzburgisches Koch-Buch (Augsburg 1719) hervor. Eine neue Gattung bilden die " Frauenzimmer"-Titel, hauswirtschaftliche Lehrbücher, die Mädchen und junge Frauen auf ihre künftigen Aufgaben vorbereiten sollten. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich Unterweisungen in guten Tiscnieren sowie die schon aus dem vorhergehenden Jahrhundert bekannten Kaffee- und Teebücher, die sich jetzt auch dem Tabak widmeten.

2.9 Mit 884 Titeln, darunter 49 französische, je 2 lateinische, italienische und englische, ein holländischer und ein russischer, nimmt das 19. Jh den weitaus größten Raum ein. Zwar spielen auch hier noch Autoren der klassischen Kochkunst wie Brillat-Savarin, Grimod de la Reynière oder Antonin Carême eine bedeutende Rolle, doch macht sich mehr und mehr die naturwissenschaftliche Orientierung dieses Jahrhunderts bemerkbar. In der speziellen Kochliteratur kündigte sich die neue Auffassung zuerst bei Charles Appert an, der die Sterilisation erfand und damit Napoleon die Verpflegung seiner Armee in Ägypten ermöglichte. Sie schlug sich nieder in zahlreichen Fachbüchern chemischer, medizinischer oder pharmazeutischer Provenienz, aber auch in Publikationen zu haushaltstechnischen und landwirtschaftlichen Themen. Es finden sich Lehrbücher zur Bier-, Wein- und Schnapserzeugung wie Informationsschriften und Werbebroschüren der neu entstehenden Nahrungsmittelindustrie. Dazu kommen zahlreiche Fachzeitschriften und Nachschlagewerke. Sondersammlungen

2.10 Die Bibliothek enthält eine Reihe von Sondersammlungen zu Randgebieten der Gastronomie: Festschriften zu Firmenjubiläen, Industrie-Kochbücher, Werbebroschüren, Rezeptsammlungen und Speisekarten sowie Buch- und Auktionskataloge. Zum überwiegenden Teil handelt es sich allerdings um Publikationen des 20. Jhs. Das gilt auch für den bibliographischen Nachlaß der Kochbuchautorin Erna Horn, der hier vollständig erhalten ist.

3. KATALOGE

Ein Großteil der Bibliothek Arndt-Horn ist katalogisiert in:

Sachs, Marie: Schöne alte Kochbücher. München 1982 [erfaßt 1344 Titel vom 15. bis zum 20. Jh, einschließlich Manuskripten und bibliophilen Neudrucken]

Der andere Teil der Sammlung ist mit EDV erfaßt.

Die Bestände sind nicht im Bayerischen Zentralkatalog nachgewiesen.

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Arndt, Julius: Ein Spaziergang durch meine Kochbuchsammlung. In: Imprimatur N. F. 7 (1972) S. 19-44

Arndt, Julius; Horn, Erna: Größte deutschsprachige Kochbuchsammlung im Wilden Mann. Tittling/Passau 1985 [enthält den Aufsatz von 1972]

Stand: Juli 1994

Werner Jakobsmeier


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.