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Knihovna piaristické koleje v Mikulove ulozena v Moravské zemské knihovne

Bibliothek des Piaristenkollegiums in Mikulov deponiert in der Mährischen Landesbibliothek


Adresse. Moravská zemská knihovna/Univerzitní knihovna, Kounicova 1, 601 87 Brno

Unterhaltsträger. Mährische Landesbibliothek/Universitätsbibliothek [Moravská zemská knihovna/Univerzitní knihovna]
Funktion. Historische Klosterbibliothek
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzstudium in der Mährischen Landesbibliothek/Universitätsbibliothek (s. Eintrag dort). Bestände aus dem Depot können vorbestellt werden.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Bereits im Jahre 1629 nahm der Kardinal und Olmützer Bischof Franz von Dietrichstein mit dem Stifter des Piaristenordens, dem Hl. Josef von Calasanza, Kontakt auf, um die Piaristen in Nikolsburg anzusiedeln. Am 2. Juli 1631 kamen - als erste ihres Ordens in Böhmen - acht Ordensleute unter Führung des Rektors Peregrin Tencani a S. Francisco in die Stadt. Der Kardinal überließ ihnen das ehemalige Spitalgebäude mit der Kirche zum Hl. Johann Baptist und stattete den Orden mit Ländereien der kurz zuvor vertriebenen Wiedertäufer aus. Wenig später übertrug er dem Orden auch das von ihm gestiftete Seminar für 12 Chorknaben.

1.2 Die Piaristen eröffneten im Sommer 1631 ihre Schulen, die einen solchen Zuspruch erhielten, daß die Zahl der Lehrer bald nicht mehr ausreichte. Der Ordensstifter in Rom schickte deshalb weitere acht gelehrte Geistliche nach Nikolsburg, die später zu Provinzialen und Rektoren anderer Kollegien in Lipník nad Becvou [Leipnik], Litomyšl [Leitomischl] und Stráznice [Straßnitz] wurden. Bis 1806 betrieb der Orden eine Hauptschule und ein sechsklassiges Gymnasium, seitdem zusätzlich eine philosophische Lehranstalt mit zwei Jahrgängen, die der Propst von Stanz (Niederösterreich) Matthias Liesnek gestiftet hatte. Die beiden höheren Schulen wurden 1849 in ein achtklassiges Obergymnasium umgewandelt.

1.3 Die ältesten Besitzeinträge in Büchern des Kollegiums stammen von 1665, weitere aus den Jahren 1672-1677 und 1682-1684. Zur Erweiterung der Bibliothek trugen vor allem Schenkungen und Vermächtnisse bei, wie die von Christoph Fuchs aus Nikolsburg (1683), vom Nikolsburger Propst Wolfgang Sigismund Fischer (1682-1687) oder vom Pfarrer in Drnholec [Dürnholz], Sebastian Mosig (1684). Von großer Bedeutung war die sogenannte Braunhoffer-Donation, eine Geldstiftung, aus deren Zinsen in der Zeit von 1701 bis 1767 Bücher gekauft wurden. In der Bibliothek sind noch mehr als 50 Bücher dieser Provenienz erhalten. Daniel Braunhoffer war wahrscheinlich ein Verwandter des Piaristen Innozenz Braunhoffer a S. Clemente (1660-1729), der das Amt des Rektors (1714 und 1719) und Provinzials (1716) bekleidete. Zu den Förderern der Bibliothek gehörten auch die Pröpste und Domherren des Nikolsburger Domkapitels, so etwa der Domherr Matthäus Sünn (

† 1709), die Pröpste Peter Reharmont von Lüttich (1694-1704, ca. 30 Bde), Franz Jakob von Tiltschern (1727, kirchenrechtliche Bücher), Franz Philipp Graf von Inzaghi (1771) und Matthäus Kittner (1871). Mährische LB - Piaristenkollegium in Mikulov

1.4 Einige Privatsammlungen von Ordensleuten wurden nach deren Tod ebenfalls in den Bestand inkorporiert. Zu nennen sind Silverius Seyer a S. Theresia (Rektor 1737 und 1746), der Aufklärer und Begründer der böhmischen Numismatik Nicolaus Adauct Voigt a S. Germano (1733-1787, 15 Bücher), Honoratus Nowotny a S. Caecilia, Innozenz Alesch (Erzieher und Bibliothekar der gräflichen Familie Chorinsky), Peter Bruckner (etwa 20 Bücher, darunter Werke von Kleist, Klopstock und Wieland), Ignaz Schlös (Rektor 1806 und 1809), Prosper Hussak (Provinzial seit 1830), Ildefons Schierl, Placidus Horn und Alfred Eduard Paul.

1.5 Der größte Förderer der Bibliothek im 19. Jh war der Piarist Ignaz Cassian Hallaschka (1780-1847), ein Mathematiker und Astronom und von 1806 bis 1808 Professor der Mathematik in Nikolsburg. Er stiftete dem Kollegium am 17. August 1842 nicht nur seine 1849 Bde umfassende Büchersammlung, sondern auch 1000 Gulden zur Vermehrung der Bibliothek sowie eine bemerkenswerte Sammlung von astronomischen und physikalischen Instrumenten. Durch Hallaschkas Büchersammlung erfuhr die Bibliothek einen bedeutenden Zuwachs auf den Gebieten Astronomie, Mathematik und Physik. Verhältnismäßig zahlreich waren italienische Bücher vertreten.

1.6 Der Niedergang der Bibliothek setzte um 1860 ein, als vermutlich ein Mangel an Lehrkräften dazu führte, daß man einen Teil der Bestände an die Dietrichsteinsche Schloßbibliothek in Mikulov [Nikolsburg] abgab (s. Eintrag dort). Es handelte sich dabei um den historischen Kern der Bibliothek und um die Sammlung Hallaschkas. Was in die dortige sogenannte Hauptbibliothek eingereiht wurde, wurde 1933/34 zusammen mit ihren Beständen versteigert. Heute befinden sich unter den erhaltenen Beständen aus der Nikolsburger Schloßbibliothek etwa 350 Bde aus der Piaristenbibliothek und eine unbestimmte Menge Bücher aus Hallaschkas Bibliothek. Das Gymnasium wurde 1873 verstaatlicht und erhielt gleichfalls einen Teil der Piaristenbibliothek. Der im Kollegium verbliebene Rest (2200 Bde, davon 1100 Alte Drucke) wurde 1950 nach der Aufhebung der Klöster der Brünner Universitätsbibliothek übergeben. Er wird heute in einem Depot außerhalb Brünns als historisches Ganzes aufbewahrt. Viele Bücher sind durch das in Kupfer gestochene Exlibris der Bibliothek aus der Werkstatt des Prager Stechers Anton Wenner gekennzeichnet (s. u. 5).

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der Bestand umfaßt ca. 2200 Bde. Davon tfallen ungefähr 115 auf das 16. Jh, 200 auf das 17. Jh, 800 auf das 18. Jh und 1000 auf das 19. Jh. 100 Bde wurden nach 1900 gedruckt.

2.2 Zum Bestand gehören fast ausschließlich Werke in deutscher Sprache (1310 Titel, 60 Prozent) und in lateinischer (700 Titel, 32 Prozent). Der Rest verteilt sich auf 80 italienische (3,6 Prozent), 70 französische (3 Prozent), 20 tschechische (darunter 30 Alte Drucke), 5 glische, 2 spanische und je einen Titel in Griechisch, Polnisch und Esperanto.

2.3 Das Schrifttum des 16. und 17. Jhs ist weitgehend lateinisch (im 16. Jh zu 93 Prozent, im 17. Jh zu 85 Prozent). Die Bibliothek enthält 115 Drucke des 16. Jhs, die gemäß der Unterrichtstätigkeit des Ordens überwiegend profanen Inhalts sind (93 Prozent). Es handelt sich um Ausgaben antiker Autoren (36 Titel), Werke der Philologie mit einer Vielzahl von Grammatiken und Wörterbüchern (16), Philosophie (11), Rhetorik (15), Geschichte (12), Recht (6), Mathematik (5), Pädagogik (3), neulateinische Dichtung (2) und Physik (ein Titel). Die Theologie ist mit 8 Titeln vertreten. Neben 5 italienischen und einem französischen liegen 2 deutschsprachige Titel vor: zum Bergbau von dem lutherischen Theologen Johannes Mathesius Sarepta ... Sampt der Joachimsthalischen kurtzen Chroniken (Nürnberg 1571) und der seltene Einblattdruck Ein fast hüpscher spruch von dem falben hengst (Hagenau, vermutlich Amandus Farckall um 1526). Dieser Druck ist in Josef Benzings Bibliographie Haguenovienne (Baden-Baden 1973) nicht verzeichnet.

2.4 Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der lateinischen Drucke des 16. Jhs stammen aus dem deutschen Kulturraum, und zwar aus Basel (16), Frankfurt a. M. (11), Köln (8), Leipzig und Wittenberg (je 7), Straßburg (3), Ingolstadt und Zürich (je 2); Augsburg, Hagenau, Neiße und Schwäbisch Hall (je einer). Drei Titel sind ohne Angabe zum Druckort erschienen. Unter den Drucken des 17. Jhs (170 lateinische Titel, 20 deutsche, 5 italienische, 4 französische und ein englischer) sind Theaterstücke, Schriften zu Poetik, Politik, Naturwissenschaften, Geographie, Heraldik sowie enzyklopädische Werke vertreten, so u. a. Tomaso Garzonis Piazza universale: Das ist allgemeiner Schauwplatz ... (Frankfurt 1641).

2.5 Unter den 800 Drucken des 18. Jhs steigt der Anteil deutschsprachiger Werke im Bestand auf 44 Prozent. Vorhanden sind 400 lateinische Titel, 350 deutsche, 40 französische, 20 italienische, 2 englische und ein polnischer. Unter den Werken des 19. Jhs machen deutschsprachige sogar 85 Prozent aus. Außer elementaren Schulausgaben und Lehrbüchern liegen zudem wissenschaftliche Zeitschriften vor, seit dem 19. Jh auch heimatkundliche Periodika und Unterhaltungszeitschriften. Zu den weiteren Gebieten zählen Schöne Literatur, Reisebeschreibungen, Ökonomie, Medizin, Kriegswesen, Bibliographie (Werke von Freytag und Georgi aus der Provenienz Voigt), Statistik und Kunstgeschichte. Unter den theologischen Werken, die etwa 15 bis 20 Prozent ausmachen, finden sich zahlreiche Konzilien- und Bullensammlungen. Die Bibliothek war ursprünglich in einer den Unterrichtsbelangen angepaßten Systematik aufgestellt, die sich von anderen Klosterbibliotheken deutlich unterscheidet. Die heutige Aufstellung richtet sich nach Formaten.

3. KATALOGE

3.1 Moderne allgemeine Kataloge

Alphabetischer Katalog

[in Zettelform; nach PI]

Standortkatalog

[hschr.; in Bandform]

3.2 Moderne Sonderkataloge

Dokoupil, Vladislav; Vobr, Jaroslav: Catalogus librorum saec. XVI typis impressorum, qui in bibliothecis Conventus Fr. Min. Ord. S. Franc. Capuccinorum Znoimae, Praepositurae Ord. Cricigerorum c. r. st. in Monte S. Hippolyti prope Znoimam et Collegii Scholarum Piarum Nicolspurgi asservantur. Brno 1972

[vervielfältigt; Alphabetischer Katalog; nach PI; mit vielen Registern; Ergänzungen in Bdn 9 und 10 der Reihe]

Die Postinkunabeln (2), Alten Drucke aus der Slowakei (11), Brünner Alten Drucke und Alten Musikdrucke sind in den tsprechenden Gesamtkatalogen der Mährischen Landesbibliothek in Brünn verzeichnet (s. Eintrag dort, 3.2).

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Hallaschkas Donation

[Archiv des Piaristenkollegiums im Mährischen Landesarchiv in Brünn, Signatur: E 53 Ba 4/51]

4.2 Darstellungen

Elvert, Christian d': Die Bibliotheken der Piaristen in Altwasser, Auspitz, Freiberg, Gaya, Kremsier, Leipnik, Nikolsburg, Strassnitz und Trübau. In: Schriften der historisch-statistischen Sektion der k.u.k. mähr. schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Heft 3. Brünn 1852, S. 95

Volný, Rehor: Collegium der Väter der frommen Schulen oder PP. Piaristen. In: ders.: Kirchliche Topographie von Mähren. Abt. 2. Brünner Diöcese. Bd 2. Brünn 1858, S. 56-59

Trantírek, Miroslav: Dejiny mikulovské zámecké knihovny [Die Geschichte der Nikolsburger Schloßbibliothek]. Mikulov 1963, S. 43-45

Dokoupil, Vladislav: Knihovna piarist v Mikulove [Die Piaristenbibliothek in Nikolsburg]. In: ders.: Dejiny moravských klášterních knihoven ve správe Universitní knihovny v Brne [Die Geschichte der mährischen Klosterbibliotheken unter der Verwaltung der Universitätsbibliothek in Brünn]. Brno 1972, S. 289-297

[S. a. die Vorworte zu den Sonderkatalogen in 3.2]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Dolenský, Antonín: Sbírka knizních znacek [Sammlung der Bücherzeichen]. Praha 1923

Donin, Richard Kurt: Die Stilentwicklung im Exlibris des Barocks. In: Österreichisches Jahrbuch für Exlibris 32 (1937) S. 8

Exlibris prazských knihoven [Die Exlibris der Prager Bibliotheken]. Praha 1917

Leiningen-Westerburg, Karl E. Graf zu: Deutsche und oesterreichische Bibliothekzeichen. Exlibris. Stuttgart 1901, S. 144 [mit fehlerhaften Angaben]

Lifka, Bohumír: Exlibris a supralibros v ceských korunních v letech 1000 az 1900 [Exlibris und Supralibros in den böhmischen Kronländern in den Jahren 1000 bis 1900]. Praha 1980, S. 159, 165

Straka, Cyril: O exlibris klášter ceskomoravských [Über Exlibris der böhmischen und mährischen Klöster]. In: Sborník pro exlibris [Sammelband über Exlibris] 1 (1923) S. 46-47

Warnecke, Friedrich: Die deutschen Bücherzeichen. Berlin 1890, Nr. 1456 und 1457

Stand: November 1992

Jaroslav Vobr

Ergänzt: April 1998


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.