FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
Home
HomeRegionen:Stadtregister:Abkürzungen
Volltextsuche:

trunkiert

BenutzerprofilLogin

Impressum
 Home > Deutschland > Brandenburg > Heiligengrabe

Stiftsbibliothek

Adresse. Kloster Stift zum Heiligengrabe, Stiftsverwaltung, 16909 Heiligengrabe [Karte]
Telefon. (033962) 216
Bibliothekssigel. Kirchlicher Zentralkatalog Berlin: <Bp 10>

Unterhaltsträger. Kloster Stift zum Heiligengrabe
Funktion. Kirchenbibliothek.
Sammelgebiete. Abgeschlossener historischer Bestand.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbestand. Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Anmeldung erforderlich. - Fußwegnähe vom Bahnhof (Nahverkehrsstation auf der Strecke Wittenberge-Wittstock). - A 24 (E 26), Ausfahrt Wittstock oder Pritzwalk, dann Richtung Pritzwalk.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die noch zu Anfang des 18. Jhs erhaltenen Reste der mittelalterlichen Bibliothek des 1287 gegründeten Zisterzienserinnenklosters sind heute nicht mehr vorhanden. Das Kloster bestand, wie in Lindow, Stepenitz-Marienfließ und Zehdenick, auch nach der Reformation und der Säkularisation als evangelisches Damenstift fort. Nachdem der Dreißigjährige Krieg die alte Bibliothek verwüstet hatte, begann 1668 der Neuaufbau mit dem Geschenk der Altenburger Luther-Ausgabe (1661-1664), die gedruckt worden war, um die Kriegsverluste an Büchern auszugleichen. 1670 kaufte man für 23 Thaler, die von den Stiftsdamen gesammelt wurden, Bücher lutherischer Autoren. 1672 mußten jedoch 19 ältere Bücher auf Befehl des Kurfürsten Friedrich Wilhelm nach Berlin abgeliefert werden. Einzelne in der Staatsbibliothek zu Berlin noch nachweisbare Titel stellen die letzten Reste der spätmittelalterlichen Klosterbibliothek dar.

1.2 Vor allem im letzten Viertel des 18. Jhs wurde der kleine Bestand ausgebaut: " Durch die Gnade hoher Gönner, durch Geschenke auswärtiger Freunde und durch die freywilligen Beyträge der Fräuleins ist dieser Vorrath bereits bis auf 300 Stück angewachsen ...". Einige Bände enthalten entsprechende Stiftervermerke. Anteil an der Bibliotheksverwaltung hatte der literarisch tätige Klosterprediger Gottlob Joachim Hindenberg (1736-1803). Der Schwerpunkt der Sammlung liegt eindeutig im 18. Jh. Die sporadische Vermehrung vor allem durch erzählende und historische Literatur, zuweilen aus den Nachlässen einzelner Stiftsdamen, hielt aber bis in das 19. Jh an. Seit 1847 erlangte das Stift durch eine " Erziehungsanstalt" (Stiftsschule) für adlige Mädchen neue Bedeutung. Die Bibliothek dieser Schule ist nur zum kleinen Teil in den heutigen Bestand eingegangen. Die für die Verwaltung der umfangreichen Stiftsgüter einst vorhandene juristische Literatur ist offenbar gänzlich verlorengegangen.

1.3 Im 20. Jh war das Stift noch einmal ein Ort literarischer Produktion, vor allem durch die Stiftsdame und (später nationalsozialistische) Schriftstellerin Annemarie von Auerswald (1876-1945) sowie durch die Mitteilungen des Heimats- und Museumsvereins in Heiligengrabe (1913-1939/40). Diese Literatur ist nicht mehr in die alte Stiftsbibliothek eingestellt worden. Anders als das archäologische Museum hat die Bibliothek die Verwüstung des Jahres 1945 überstanden und wird heute in alten Schränken im Kapitelsaal aufbewahrt.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 662 Titel. Davon entfallen auf das 16. Jh einer, auf das 17. Jh 20 (3 Prozent) auf das 18. Jh 532 (80 Prozent), auf das 19. Jh 108 (16 Prozent) und auf das 20. Jh einer. Der Katalog von 1945 nennt 53 weitere Titel, die möglicherweise Kriegsverlust sind. 1942 belief sich die Titelzahl folglich auf 715. Die chronologische Aufteilung unterschied sich nur geringfügig.

2.2 Der Bestand gliedert sich in 434 deutsche Titel (66 Prozent), 172 französische (26 Prozent), 8 englische, 8 lateinische und 7 italienische (je ein Prozent). Hinzu kommen 33 italienisch-deutsche Libretti (5 Prozent).

2.3 Die Bibliothek ist in neun Hauptgruppen aufgestellt, deren Titelzahlen auf die vertretenen Fächer schließen lassen: (I) Theologie 201 Titel, darunter eine Hs. von 1780; (II) Deutsche Literatur 130 Titel; (IIa) Libretti; (III) Geschichte 40 Titel; (IV) Medizin 18 Titel; (V) Naturwissenschaften 9 Titel; (VI) Reisebeschreibungen und Geographie 36 Titel; (VII) Französische Literatur; (VIII) Englische Literatur; (IX) Italienische Literatur.

2.4 Die Bibliothek unterscheidet sich wegen ihrer Entstehung in einem adligen Damenstift von zeitgenössischen Kirchenbibliotheken. Das Stift war eine Insel höherer Bildung an einem abgelegenen Ort der Mark Brandenburg. Der hohe Anteil französischer Literatur verrät den Einfluß der Kultur des preußischen Hofes unter Friedrich dem Großen, der in Heiligengrabe 1743 auch den Titel " Äbtissin" wieder einführte. Diese Beziehungen zum Hof waren personifiziert in der Äbtissin Juliane Auguste Henriette von Winterfeld (1710-1790, Domina seit 1740). Entsprechende Verbindungen belegen auch die 33 Libretti von Opernaufführungen in Berlin aus der Zeit von 1764 bis 1793, darunter 15 Opern von Carl Heinrich Graun († 1759) und 8 von Johann Adolf Hasse (1699-1783). Neben den originalsprachlichen französischen und englischen Ausgaben finden sich auch zahlreiche Übersetzungen aus diesen Sprachen ins Deutsche. Seltenere Literaturarten verleihen der Stiftsbibliothek besonderes Gepräge, so z. B. deutsche Erbauungsliteratur die sich aus der klösterlichen Lebensform ergibt; ferner Zeitschriften des 18. Jhs sowie zahlreiche Titel von " Frauenliteratur". Eine lokale Besonderheit sind 26 in Stendal (Altmark) gedruckte Titel (darunter 7 medizinische) aus der Zeit von 1779 bis 1790.

2.5 Die zeitliche Verteilung spiegelt die Einflüsse der Aufklärung, so etwa durch Werke von Pufendorf, Rousseau, Friedrich II. und der Theologen Johann Joachim Spalding (1714-1804) und Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (1709-1789). Doch sind auch Gegenströmungen mit August Hermann Francke (4 Titel) und Johann Caspar Lavater (7 Titel) vertreten. Aus der deutschen Literatur sind Autoren wie Gellert, Goethe, Kleist, Klopstock, Körner und Wieland vorhanden, z. T. in Erstausgaben. Die französische Literatur ist durch Rousseau und Voltaire repräsentiert, auch der in Amsterdam erschienene Mercure de France ist vorhanden (1774-1781, unvollständig). Vorhanden ist außerdem katholische französische Literatur, z. B. von Louis Bourdaloue SJ (1632-1704), Jacques-Bénigne Bossuet (1627-1704) und Jean Baptiste Massillon (1663-1742). Bei der französischen Literatur sind die Verlagsorte über ganz Europa verteilt (Kopenhagen, London, Paris, Amsterdam, Zürich, Basel u. a.). Dieser Querschnitt belegt, daß es sich um eine kleine, aber unter den kirchlichen Bibliotheken der Mark Brandenburg singuläre Sammlung handelt, die disparate Geistesströmungen im 18. Jh spiegelt.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Alphabetischer und Standortkatalog der Stiftsbibliothek Heiligengrabe. Aufgestellt von Dr. Konrad von Rabenau unter Mitwirkung von Uwe Czubatynski. Berlin 1991

[Kopie der Karteikarten; alphabetischer Nachweis auch über den Kirchlichen Zentralkatalog Berlin]

Der Bestand ist im Kirchlichen Zentralkatalog Berlin nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Catalog der Bibliothek des Stiftes, 1871

[Stiftsarchiv Heiligengrabe Nr. 1361]

Bücherei des Stifts zum Heiligen Grabe

[mschr., 1942 von Christa Wiehe geordnet; systematischer Standortkatalog in 9 Abteilungen, innerhalb dieser alphabetisch; Stiftsarchiv Heiligengrabe Nr. 1213; Kopie im Kirchlichen Zentralkatalog vorhanden]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Kirchenbuch Techow/Heiligengrabe 1667-1730, S. 262, 266 a-c [Mikrofilm (Nr. 345) im Konsistorium Berlin vorhanden]

Stiftsarchiv Heiligengrabe Nr. 1308: Acta betr. die Fundation der Bibliothec 1775-1827. Vgl. ferner ebda Nr. 166 und 963 (Inventare der Stiftsverwaltung und der Abtei, 19. Jh)

Die Akte III K 2 Vol. 1 der Staatsbibliothek Berlin, die die 1672 abgelieferten Titel enthielt, gehört zu den Kriegsverlusten. Diese Titel sind jedoch auch bei Kieckebusch ( s. u. 4.2) überliefert.

4.2 Darstellungen

Hindenberg, [Gottlob Joachim]: Gesammlete [sic]

Nachrichten vom Heiligen Grabe in der Prignitz. Zweyter Abschnitt. In: Johann Bernoulli, Sammlung kurzer Reisebeschreibungen ... Berlin, Leipzig 7 (1782) S. 334-335 [auch separat: Berlin 1782]

Wilken, Friedrich: Geschichte der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin 1828, S. 26

Auerswald, A[nnemarie] von: Kloster Heiligengrabe. Seine Geschichte in zwölf Bildern. Pritzwalk [1921], S. 79, 92-93, 105

Simon, Johannes: Kloster Heiligengrabe. 1287-1549. In: Jahrbuch der brandenburgischen Kirchengeschichte 24 (1929) S. 54-55 (Diss. Berlin 1929) [Saenger, Hedwig von]: Heiligengrabe 1287-1937. Kyritz 1937, S. 17

Kieckebusch, Werner von: Geschichte des Klosters Heiligengrabe seit der Reformation. [Potsdam 1949; mschr. Im Exemplar des Geh. Staatsarchivs Berlin (Pr.Br.Rep. 16 Nr. 176) Bl. 397-398]

Köppen, Monika: Über das Bibliothekswesen des Kreises Wittstock von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin 1982, S. 19-21 (Bibliotheken im Bezirk Potsdam gestern und heute 4) [mschr. vervielfältigt; mit zahlreichen Fehlern]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Czubatynski, Uwe: Wertvolle Bücherschätze im Kloster Heiligengrabe. In: Märkische Allgemeine (Lokalausgabe " Der Roland", Perleberg) 46 (1991) Nr. 166 vom 19. Juli, S. 11

Stand: Juni 1992

Uwe Czubatynski


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.