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Wissenschaftliche Stadtbibliothek

Adresse. Grimmelhaus, Ulmer Straße 19, 87700 Memmingen [Karte]
Telefon. (08331) 850-136
Telefax. (08331) 850-149
Bibliothekssigel. <149>

Unterhaltsträger. Stadt Memmingen
Funktion. Wissenschaftliche und historische Bibliothek, öffentlich zugänglich.
Sammelgebiete. 1. Allgemeine Sammelgebiete: Memmingensia, Suevica, Bavarica und allgemeine deutsche Geschichte; Theologie, Geologie, Heraldik, Sprachwissenschaften, Kulturgeschichte des schwäbisch-bayerischen Raumes. Der historische Bestand der übrigen Sammelgebiete wird nicht vermehrt. 2. Besonderes Sammelgebiet: Inkunabeln, insbesondere des Memminger Frühdruckers Albrecht Kunne.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 8.30-12 Uhr und 14-16.30 Uhr, Freitag 8.30-12 Uhr.Leihverkehr: DLV, internat. Leihverkehr über die Öffentliche Stadtbibliothek im Antonierhaus, Martin-Luther-Platz 1 (Tel. 08331/850-155).
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Mikrofiche-Lesegerät im Hause, Kopiergerät, Fotoarbeiten außerhalb des Hauses.
Hinweise für anreisende Benutzer. Fußwegnähe vom Bahnhof (ca. 10 Minuten). A 96, Ausfahrt Memminger Kreuz oder Memmingen-Ost; A 7, Ausfahrt Memminger Kreuz oder Memmingen-Süd. Parkplatz am Haus oder in unmittelbarer Nähe (Tiefgarage unter der Stadthalle).

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Der Ursprung der Stadtbibliothek Memmingen geht auf die Klosterauflösung im Zuge der reichsstädtischen Reformation zurück. Zu einem sicherlich vorhandenen kleinen Teil Schriften, vornehmlich verwaltungsjuristischer Art (zumeist Hss.), gelangte nach der endgültigen Säkularisierung des Antonierklosters 1562 der reiche und wertvolle Buchbestand dieses Spitalklosters in städtischen Besitz.

1.2 Der bedeutendste Präzeptor des Klosters, der südfranzösische Adelige Petrus Mitte de Caprariis (d. i. Mite de Chevrieres, um 1417-1479), hatte bereits 1467 seine Bücher der Stadt übereignet. Der Bestand umfaßte vor allem Theologie und Kirchenrecht, aber auch medizinische Werke und solche antiker Autoren. Ein dem Memminger Chronikschreiber Matthäus Leonhardt 1812 vorliegendes Bücherverzeichnis von 1475, das wohl von Mitte selbst geschrieben, aber nicht mehr vorhanden ist, zeigt einen Bestand von 242 lateinischen Schriften. Die Buchbeschaffung setzte nach 1450 ein und reichte bis zu Mittes Tod im Dezember 1479. Seine Nachfolger erweiterten bis 1562 den Bestand nur geringfügig, so daß in diesem Jahr die Stadt eine in sich geschlossene Bibliothek übernehmen konnte. Sie verblieb im alten Klostergebäude, das nunmehr als Pfarrhaus für St. Martin und als Stadtbibliothek diente, und wurde durch die Geistlichkeit dieser Kirche im Nebenamt betreut.

1.3 Im 17. und 18. Jh wurde der Bestand geringfügig, aber zielbewußt erweitert, vor allem in evangelisch-lutherischer Theologie als der Staatsreligion der Reichsstadt, in Jurisprudenz und in Staatslehre sowie in den Alten Sprachen. Seit dem Ende des 18. Jhs gab es in Memmingen wieder Drucker, Verleger und Buchhändler, die Material für Bibliotheken lieferten. Daß Memmingen erneut zu einem Zentrum des Buchdrucks wurde, ist damit zu erklären, daß seit der Zeit Mittes und Kunnes (ca. 1440-1520, s. u. 2.4) die Papierfabrik des Peter Fort am Haienbach ansässig war, die bis in die Mitte des 19. Jhs Papier in bester Qualität herstellte. (In der Universitätsbibliothek Krakau liegen Manuskripte von Hegel, die auf Memminger Papier geschrieben wurden.) Bibliothekare, zugleich Superintendenten an St. Martin, waren im 18. Jh Vater und Sohn Johann Georg Schelhorn (1694-1773; 1733-1802), beide Polyhistoren mit weitreichender Bedeutung. Ihnen ist die wesentliche Vermehrung der Bestände im 18. Jh zu verdanken.

1.4 1803 wurde die Stadtbibliothek, die mittlerweile weiter gewachsen war und hauptsächlich als städtische Verwaltungsbibliothek fungierte, in das Steuerhaus am Marktplatz verlegt, wo sie, unterbrochen von Auslagerungen im Zweiten Weltkrieg in die St. Josefskirche, bis 1948 verblieb. 1867/68 wurde der Buchbestand durch den damaligen Stadtarchivar und -bibliothekar Friedrich Dobel (1819-1891) katalogisiert, ein Schlagwortkatalog in Buchform und ein alphabetischer Verfasserkatalog in Zettelform angelegt. Das damalige Signatursystem dient noch heute der Inventarisierung von Neuzugängen.

1.5 Durch den damaligen Bibliothekar im Nebenamt, Dr. Julius Miedel (1863-1940), wurden die Abteilungen Memmingensia und Suevica erweitert, so daß die Stadtbibliothek Memmingen in ihrer Funktion als Mittelpunktsbibliothek für diese Bereiche zu gelten hat. 1948 zog die Stadtbibliothek vom Steuerhaus in das Rathaus, wo sie unter idyllischen, aber unzureichenden Bedingungen bis 1977 verblieb. In jenem Jahr bezog sie den Neubau des Grimmelhauses, wo nunmehr unter guten Raumbedingungen eine Neuordnung ansteht.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der Gesamtbestand der Bibliothek umfaßt 38.257 Bde. Etwa ein Drittel davon ist historischer Bestand. Der Gesamtbestand ist durch den Fachkatalog von 1867/68 sowie durch den dazugehörigen alphabetischen Autorenkatalog erschlossen. Die Gebiete, die weitergeführt werden, sind durch moderne Katalogsysteme erschlossen (Standort und Alphabet).

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Die Bibliothek besitzt etwa 300 Inkunabeln aus der Antonierbibliothek, vornehmlich Theologie und Jurisprudenz. Eine genaue Zählung des weiteren Bestandes war bisher noch nicht möglich. Der historische Bestand enthält ca. 540 Titel antike Autoren in Ausgaben des 17. bis 19. Jhs. Aus den Beständen der nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichteten Amerika-Bücherei datiert eine Sammlung von ca. 100 medizinischen Werken des 20. Jhs in englischer Sprache.

Systematische Übersicht

2.3 Bei der Neuordnung 1867/68 gliederte der Bibliothekar Friedrich Dobel die Bestände in 27 Fachgebiete, von denen nur einige fortgeführt werden: Cimelien, Hss., Inkunabeln (je nach Bedarf) sowie die Gruppen Sprachwissenschaft, Literatur- und Bibliothekswissenschaft, Palaeographisch-antiquarisches Fach, Theologie, Kulturhistorisches Fach, Politische Erdbeschreibung, Geschichtswissenschaft, Bildende Künste, Handelswissenschaften, Schöne Literatur (Memmingensia).

2.4 Bei den Inkunabeln, die neben den Hss. von besonderer Bedeutung sind, stehen die Drucke des Memmingers Albrecht Kunne im Mittelpunkt. Ca. 100 der 200 bekannten Kunne-Drucke befinden sich in Memmingen. Darunter sind Einblattdrucke wie das erste deutsche Exlibris des Hildebrand von Brandenburg aus der Kartause Buxheim, gedruckt auf Papier von Kunnes Offizin, sowie Ablaßblätter des Antonierklosters und das erste deutsch-lateinische Geographielexikon des Jakob Stoppel von 1519 mit der deutschen Erstnennung des Namens Amerika.

2.5 Die frühesten Werke in der Gruppe Rechtswissenschaft sind ein Titel von Bartholus de Saxoferrato (Venedig 1477) und eine Ausgabe des Sachsenspiegels (Augsburg 1496). Schwerpunkte sind in den folgenden Jahrhunderten insbesondere Rechtsgeschichte und Statutensammlungen des 17. bis 19. Jhs, daneben Stadtrecht und Rechtssammlungen zur Reichsstadt Memmingen (Baurecht, Feuerrecht u. a.) sowie Kirchenrecht. Umfangreich ist die Sammlung von Dissertationen zum Zivil-, Kriminal- und Kanonischen Recht des 17. bis 19. Jhs.

2.6 Die Abteilung Sprachwissenschaft umfaßt Bestände der ehemaligen reichsstädtischen Lyzeumsbibliothek, z. T. mit weiteren Inkunabeln und Beständen zur Altphilologie. Zahlen können wegen unzureichender Bestandsaufnahme noch nicht genannt werden. Erwähnenswert sind z. B. das Grimmsche Wörterbuch und das Schweizerische Idiotikon (1881-1987).

2.7 Neben Beständen bei Literatur- und Sprachwissenschaft sowie bei Genealogie und Heraldik ist die Abteilung Theologie eine der umfangreichsten. Hier sind ebenfalls einige Inkunabeln und Frühdrucke enthalten, u. a. ein Exemplar der Confessio Tetrapolitana (Straßburg 1531) und in der Untergruppe Deutsche Bibeln z. B. die Laienbibel des Wendel Rihel (Straßburg 1540) sowie weitere frühe Bibelausgaben. Der Schwerpunkt liegt bei der historischen Theologie, vornehmlich der evangelischen, insbesondere der süddeutschen Reichsstädte und der Reichsstadt Memmingen. Zu nennen sind Gesangbuch-Ausgaben des 18. und 19. Jhs und Bibelausgaben, beginnend bei vorlutherischen Bibeln bis hin zu umfangreichen Prachtausgaben des 18. Jhs. Theologische Bestände sind auch bei den Inkunabeln zu finden. Im Zusammenhang mit den seit dem 16. Jh in Schwaben bestehenden großen und bedeutenden Judengemeinden ist eine Sammlung von Judaica mit Werken vom Beginn des 17. Jhs bis heute erwähnenswert.

2.8 Die Bibliothek ist Mittelpunktsbibliothek für die Geschichte Memmingens. Sammelschwerpunkte bilden außerdem die Geschichte Schwabens, Bayerns und Baden-Württembergs sowie die Kunstgeschichte Memmingens, Memminger Drucke und Werke Memminger Autoren.

Sondersammlungen

2.9 Die Seyfried'sche Bibliothek, Stiftung der Familie Seyfried, enthält vorwiegend theologische Literatur vom Ende des 15. Jhs bis ins 19. Jh und war ursprünglich zur kostenlosen Benutzung für bedürftige evangelische Theologiestudenten bestimmt. In der noch ungeordneten Lyzeumsbibliothek des ehemaligen reichsstädtischen Lyzeums überwiegen Schriften theologischen und historischen Inhalts. In der Sammlung Eck befinden sich ca. 50 Drucke des im Dorf Egg nahe Memmingen geborenen Gegners Luthers, Johannes Eck.

2.10 Eine Reihe von Zeitschriften ist gesondert und alphabetisch aufgestellt. Sie werden vornehmlich im Tauschverkehr, aber auch durch Kauf erworben. Die Spannweite erstreckt sich von sogenannten Fremdenverkehrszeitschriften wie Das schöne Allgäu bis zu den wissenschaftlichen Zeitschriften historischer Vereine, wie die Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung (1869 ff.), die Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg (1874 ff.) und das Oberbayerische Archiv für vaterländische Geschichte (1839 ff.), die, wie auch alle anderen landesgeschichtlichen Zeitschriften aus dem süddeutschen Raum ( u. a. Württemberg, Oberpfalz) fortlaufend gehalten werden. Der Zeitschriftenbestand reicht bis in die Mitte des 19. Jhs zurück. Er ist damit für Forschungszwecke im mittleren Schwaben bedeutend. Als Beispiele nicht regionalkundlicher Zeitschriften seien genannt die Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig 1826) und die Göttingischen gelehrten Anzeigen (1804 ff.).

2.11 Zeitungen sind in der Gruppe Populäre Literatur eingereiht. Dabei handelt es sich neben reinen Unterhaltungszeitungen für den näheren Raum vor allem um die Memminger Zeitung, vorhanden mit ihrem ersten Jahrgang von 1806 mit Unterbrechung von 1945 bis 1949 bis heute, und um das Memminger Volksblatt, erstmals erschienen 1893 bis zur Zwangsauflösung 1933.

3. KATALOGE

Alphabetischer Katalog

[in Zettelform, ab 1867, hschr.; ab 1968 mschr., nach hauseigenen Regeln; ab 1986 im internationalen Format]

Schlagwortkatalog

[Bandkatalog, 3 Bde, 1867/68; fortgesetzt durch hschr. Bandkatalog 1960 bis 1985; ab 1986 Zettelkatalog im internationalen Format]

Seyfried'sche Bibliothek:

Alphabetischer Katalog [in Zettelform, ab 1869]

Schlagwortkatalog [in Bandform, ab 1869]

Erfassung der Buchbestände mit EDV ist längerfristig geplant.

Mikrofiche-Katalog der Bavarica in der Öffentlichen Stadtbibliothek

Zentrale Nachweise:

Die Bestände sind weder im Bayerischen Zentralkatalog noch in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) nachgewiesen. Zeitungen sind bei Hagelweide verzeichnet.

Archivalien des Stadtarchivs, Ratsprotokolle, Reichsstädtische und Bayerische Akten im Stadtarchiv (amtsmäßig und räumlich im Kulturamt zusammengefaßt)

Satzungen über die Benutzung der Stadtbibliothek in Memmingen. In: Serapeum 24 (1863) S. 100-101

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Auszug aus dem Katalog der Stadtbibliothek zu Memmingen. Memmingen 1869

Schedelsche Weltchronik unter den Schätzen der Memminger Stadtbibliothek. In: Memminger Zeitung vom 23. Februar 1991

Schmidt, Franz: Bruchstücke aus Handschriften und alten Drucken der Bibliotheken zu Memmingen und Tambach, als Nachtrag zu den Beschreibungen dieser Sammlungen im Serapeum vom Jahre 1842, 1844, 1847. In: Serapeum 25 (1864) Intelligenz-Blatt, S. 169-175

Schmidt, Franz: Über die Holzschnitte in alten Drucken zu Memmingen. In: Serapeum 25 (1864) Intelligenz-Blatt, S. 162-164

Steuer, Robert: Holzschnitte von Tod und Auferstehung. Wendelin Rihels " Leien-Bibel" einer der großen Schätze der Stadtbibliothek. In: Memminger Zeitung vom 14. April 1990

Steuer, Robert: Ein Memminger am russischen Zarenhof. Entdeckung in der Stadtbibliothek führt auf die Spur des Jakob Stählin. In: Memminger Zeitung vom 17. März 1990

Steuer, Robert: Nach 350 Jahren: Die Stadt besitzt wieder ein Exemplar der Confessio Tetrapolitana. Memmingen erwirbt wertvolles Druckwerk. Einzigartiges Dokument der Reformationsgeschichte. In: Memminger Zeitung vom 26. März 1992

Visel, Curt: Buxheimer Exlibris in Mainzer Ausstellung. In: Der Spiegelschwab (1956) S. 11

ders.: Die Eck-Sammlung der Memminger Stadtbibliothek. In: Der Spiegelschwab (1956) S. 16 ders.: Zeugnisse der Vergangenheit in der Memminger Stadtbibliothek. In: Das schöne Allgäu 25 (1962) S. 124-126

ders.: Zwei neue Inkunabeln in der Stadtbibliothek Memmingen. In: Memminger Geschichtsblätter (1973) S. 16-19

Westermann, Ascan: Sippenkundliche Erwerbungen der Memminger Stadtbibliothek. In: Memminger Geschichtsblätter 22 (1937) S. 21-24

Stand: September 1992

Uli Braun


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.