FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Geleitwort

Seit der Reformation hat in Estland deutschsprachiges und in Deutschland gedrucktes (meist lateinisches) Schrifttum eine wichtige Rolle gespielt. Die engen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Estland und Deutschland haben dazu beigetragen, daß über Jahrhunderte Bücher deutschen Ursprungs die anderssprachigen nicht nur zahlenmäßig weit übertreffen, sie übten auch im geistigen und gesellschaftlichen Leben Estlands eine besonders starke Wirkung aus. Dafür war ausschlaggebend, daß der deutsche Adel hier lange eine beherrschende Stellung einnahm, obwohl das Land bald der einen, bald der anderen Großmacht unterstellt war. Auch die Mehrheit der Gebildeten sowie ein großer Teil des städtischen Bürgertums war deutscher Nationalität. Gemeinsam bildeten sie für das deutsche Buch einen großen natürlichen Leserkreis. Aus ihrer Mitte gingen auch die meisten der in Estland ansässigen deutschschreibenden Autoren hervor. Die deutschsprachigen Bücher, die in Estland gelesen wurden oder in Gebrauch waren, wurden meist in Deutschland gedruckt. Auch die ersten Drucke in estnischer Sprache, darunter das älteste als Fragment erhalten gebliebene Buch, ein niederdeutsch-estnischer Katechismus aus dem Jahre 1535, stammten aus Deutschland.

Der Beginn des Buchdrucks in den baltischen Ländern bedeutete gleichzeitig die Entstehung der deutschsprachigen Baltica, die heute einen wesentlichen Teil unserer historischen Buchbestände bilden. Eine eigene Druckerei besaß zuerst das livländische Riga im Jahre 1588; es folgten im Laufe des 17. Jahrhunderts Dorpat und Reval, beide in Estland, sowie Mitau in Kurland. Obwohl das deutschsprachige Schrifttum um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert seine führende Position dem estnischen überlassen mußte, konnte es bis zum Ende der dreißiger Jahre die erste Stelle unter der fremdsprachigen Literatur bewahren. Die Umsiedlung der Deutschbalten, die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, vor allem aber die ideologische Bücherverbannung der Nachkriegsjahre, fügten dem deutschen Buchgut schweren Schaden zu. Besonders hart traf es solche deutschbaltischen Bibliotheken und Privatsammlungen, die im Herbst 1939 den örtlichen Bibliotheken oder Museen überlassen wurden. In der Regel wurden sie während der Repressionszeit wissenschaftlichen Bibliotheken oder Archiven übergeben. Häufig waren diese Sammlungen bereits lückenhaft, oder sie wurden unter mehrere Institutionen aufgeteilt und gelangten so an verschiedene Orte.

Nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems stand Estland vor der Aufgabe, die Folgen der Repressionen, einschließlich die der politischen Zensur, möglichst schnell zu beseitigen. Es erwies sich als erforderlich, neben der Auflösung der sogenannten ,,Sondermagazinierung`` auch eine gewisse Revision des von den Repressionen betroffenen Buchgutes vorzunehmen. Dies bedeutete unter anderem, daß bei vielen historischen Buchbeständen ihr Schicksal seit 1939 und ihre gegenwärtige Situation untersucht werden mußten. Daraus ergaben sich Fragen, die manche Berührungspunkte mit dem Handbuch-Projekt der Volkswagen-Stiftung hatten, das Anfang der neunziger Jahre unseren wissenschaftlichen Bibliotheken unterbreitet wurde. Sieben Institutionen in Estland, die über größere historische Buchbestände verfügen, nahmen Herrn Professor Fabians Vorschlag, sich an dem Projekt des Handbuches deutscher historischer Buchbestände in Europa zu beteiligen, mit Dank an. Die estnischen Teilnehmer (Archive, Bibliotheken und ein Museum) haben ihre Beiträge unter direkter Anleitung der Zentralredaktion des Handbuches separat ausgearbeitet.

Die Verwirklichung des Handbuch-Projektes gibt den estnischen Bibliotheken die seltene Gelegenheit, ihre deutschen Buchbestände einem breiten internationalen Publikum vorzustellen. Dafür sind wir der Volkswagen-Stiftung und allen Mitarbeitern der Zentralredaktion zu tiefstem Dank verpflichtet. Vor allem gilt unser herzlichster Dank Herrn Professor Dr. Bernhard Fabian, Frau Dr. Karen Kloth und Frau Okaj für ihren Rat und ihre Hilfe, für die Mühe mit unseren Beiträgen und für die große Geduld, die sie mit uns hatten.

Tallinn, Dezember 1997

Rein Aru

Estnische Nationalbibliothek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.