FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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  Staatsbibliothek

Bayerische Staatsbibliothek

Adresse. Ludwigstr. 16, 80539 München; [Karte]
Postanschrift: 80328 München
Telefon. (089) 2 86 38-0
Telefax. (089) 2 86 38-293
Bibliothekssigel. <12>

Unterhaltsträger. Freistaat Bayern
Funktion. . Bayerische Landesbibliothek, Bibliothek der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und wissenschaftliche Universalbibliothek von internationaler Bedeutung.
Sammelgebiete. 1. Allgemeine Sammelgebiete: Alle Wissenschaftsgebiete außer Technik und angewandter Landwirtschaft. - 2. Besondere Sammelgebiete: Bavarica, deutsche und romanische Sprachen, Schöne Literatur, Theologie, Kunstgeschichte, Orientalistik (Nah- und Fernost), Judaica, Landkarten und Reisewerke, Notendrucke, Musiktonträger, Handschriften, Autographen und Nachlässe, Inkunabeln, Moderne Bibliophilie, biomedizinische und naturwissenschaftliche Zeitschriften. - 3. Sondersammelgebiete der Deutschen Forschungsgemeinschaft:

 SSG 6,11 Vor- und Frühgeschichte
 SSG 6,12 Klassische Altertumswissenschaft einschließlich 
 Alte Geschichte; Mittel- und Neulateinische Philologie
 SSG 6,15 Byzanz; Neuzeitliches Griechenland
 SSG 7,37 Rumänien   
 SSG 7,40 Slawische und baltische Sprachen und Literaturen, 
 Allgemeines  
 SSG 7,41 GUS, Georgien, baltische Staaten 
 SSG 7,42 Polen; Tschechoslowakei; Bulgarien; Jugoslawien; 
 Albanien  
 SSG 8 Geschichte, Allgemeines 
 SSG 8,1 Geschichte Deutschlands, Österreichs und der Schweiz 
 SSG 8,2 Geschichte Frankreichs und Italiens 
 SSG 9,2 Musikwissenschaft
 SSG 24,1 Buch-, Bibliotheks- und Informationswissenschaften (seit 2008)
 Im Rahmen der von der  Volkswagen-Stiftung geförderten "Sammlung deutscher Drucke 
 1450-1912" betreut die Bayerische Staatsbibliothek den Zeitraum 1450-1600,
 Musiknoten bis 1800.  



Benutzungsmöglichkeiten. Ausleihbibliothek. Öffnungszeiten: Orts- und Fernleihe: Montag bis Freitag 9-12.30 Uhr; Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag, 14.30-16.30 Uhr; Donnerstag 14.30-18 Uhr; August, September: Montag bis Freitag 9-12.30 Uhr und 14.30-16.30 Uhr. Allgemeiner Lesesaal: Montag bis Freitag 9-19.30 Uhr, Samstag 9-16.30 Uhr; August, September: Samstag geschlossen; Sofortbedienung: Montag bis Freitag 9.30-12 Uhr; Montag bis Donnerstag 13-15.30 Uhr; August und September keine Sofortbedienung. OPAC: Montag bis Freitag 8.30-19.30 Uhr, Samstag 9-16.30 Uhr; August, September: Montag bis Freitag 8.30-17 Uhr. Allgemeine Information, Auskunft Sachkataloge: Montag bis Freitag 9-16.30 Uhr. Publikumskataloge: Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag 8.30-17 Uhr; Donnerstag 8.30-18 Uhr; August, September: 8.30-17 Uhr. Hauptkatalogsaal mit Auskunft Alphabetische Kataloge und Bibliographischem Apparat, Zeitschriftenlesesaal: Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag 9-16.30 Uhr; Donnerstag 9-18 Uhr; August, September: Montag bis Freitag 9-16.30 Uhr. Abteilung für Handschriften und Seltene Drucke: Montag bis Freitag 9-12.30 Uhr und 13.30-16.30 Uhr. Musik-, Orient-, Ostasien-, Osteuropa- und Kartenabteilung: Montag bis Freitag 9-12.30 Uhr und 13.30-16.30 Uhr; August: Montag bis Freitag 9-12.30 Uhr. Kopierstelle im Allgemeinen Lesesaal: Montag bis Freitag 9-18.30 Uhr; Samstag 9-12 Uhr und 13-16.30 Uhr; August, September: Montag bis Freitag 9-16.30 Uhr. In der Karwoche ist die Bayerische Staatsbibliothek für den Publikumsverkehr geschlossen; vom 27. Dezember bis 5. Januar entfallen die Abend- (Ortsausleihe, Kataloge und Lesesäle ab 16.30 Uhr) und die Samstagsöffnungszeiten. Leihverkehr: DLV, internat. Leihverkehr.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. OPAC (Suchmöglichkeiten nach Verfassern, Körperschaften, Sachtiteln, Stichwörtern, Schlagwörtern, Erscheinungsjahren, Signaturen etc.), Mikrofilm-Lesegeräte, Kopierstelle, Fotostelle, Informationsvermittlungsstelle, Online Document Ordering, Münchner Aufsatzdienst.
Gedruckte Informationen. Informationsblätter: Öffnungszeiten der Bayerischen Staatsbibliothek; 1. Hinweise für Erstbenützer; 2. Alphabetische Kataloge (Übersicht); 3. Sachkataloge (Übersicht); 4. Bibliographische Nachschlagewerke, Informationsvermittlungsstelle, Münchner Aufsatzdienst; 5. Buchbestellung und Ausleihe; 6. Fernleihe; 7. Allgemeiner Lesesaal; 8. Zeitschriftensaal; 9. Abteilung für Handschriften und Seltene Drucke; 10. Musikabteilung; 11. Osteuropaabteilung; 12. Orientabteilung; 13. Ostasienabteilung; 14. Kartenabteilung. Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche Anmeldung mit Angabe der Wünsche empfehlenswert. - U-Bahnverbindung ab Hauptbahnhof (Linie U4 oder U5) bis Haltestelle Odeonsplatz, von dort U-Bahnverbindung (Linie U3 oder U6) bis Haltestelle Universität. Sehr wenig Parkplätze.

Inhalt

 Bestandsgeschichte ................................... [1.1] 
 Bestandsbeschreibung ................................. [2.1] 
 Chronologische Übersicht ............................. [2.2]    
 Übersicht nach Sprachen .............................. [2.4]     
 Systematische Übersicht (nach Hauptklassen) .......... [2.12]    
 Encyclopedia: Allgemeines, Literaturgeschichte, 
 Bibliographie (I) .................................... [2.13]
 Philologia: Sprachwissenschaft (II) .................. [2.27]     
 StabiMue2:
 Historia et Geographia: Geschichte 
 und Geographie (III) ................................. [2.58]     
 Mathematica: Mathematik und Astronomie (IV) .......... [2.120]     
 Physica: Naturwissenschaften, Technik,     
 Wirtschaft und Bergbau (V) ........................... [2.130]     
 Anthropologia: Völkerkunde und Pädagogik (VI) ........ [2.145]     
 Philosophia: Philosophie (VII) ....................... [2.151]     
 Aesthetica: Ästhetik; Kunstwissenschaften und 
 Schöne Literatur (VIII) .............................. [2.155]    
 Politica: Staats- und Militärwissen schaften (IX) .... [2.178]     
 Medicina: Medizin (X) ................................ [2.186]    
 Iurisprudentia: Rechtswissenschaft (XI) .............. [2.195]    
 Theologia: Theologie (XII) ........................... [2.213]    
 StabiMue3:
 Spezialfächer für frühe und 
 besonders wertvolle Drucke (XIII) .................... [2.254] 
 Varia (XIV) .......................................... [2.274]    
 Kataloge ............................................. [3.0] 
 Moderne Kataloge Alphabetische Kataloge .............. [3.1]     
 Sachkataloge ......................................... [3.2]     
 Historische Kataloge  
 Die Kataloge der Münchener Hofbibliothek ............. [3.3]    
 Die Verzeichnisse der von der Bayerischen 
 Staatsbibliothek übernommenen Bestände ............... [3.4]     
 Kirchliche Bibliotheken .............................. [3.4.1]    
 Gelehrten- und Sammlerbibliotheken ................... [3.4.2]     
 Andere Hofbibliotheken ............................... [3.4.3]     
 Stadtbibliotheken und sonstige Bestände .............. [3.4.4]    
 Quellen und Darstellungen zur
 Geschichte der Bibliothek ............................ [4.0] 
 Archivalien .......................................... [4.1]     
 Darstellungen ........................................ [4.2]     
 Veröffentlichungen zu den Beständen .................. [5.0] 

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Bayerische Staatsbibliothek ist hervorgegangen aus der Hofbibliothek der Herzöge, Kurfürsten und Könige von Bayern aus dem Hause Wittelsbach. Ihre Entstehung verdankt sie dem kunstsinnigen und prachtliebenden Herzog Albrecht V. (1550-1579), der nach dem Vorbild italienischer Renaissancefürsten in seiner Münchner Residenz Kunstwerke, Pretiosen und Raritäten sammelte und mit dem Antiquarium und der Kunstkammer die ersten Museen nördlich der Alpen gründete. Im Jahre 1558 erwarb Albrecht V. die Privatbibliothek des Humanisten, Orientalisten und Juristen Johann Albrecht Widmanstetter (1506-1557) und bestimmte sie zum Grundstock seiner Hofbibliothek. Die Büchersammlung Widmanstetters, eine durch Qualität und Vielseitigkeit hervorragende Gelehrtenbibliothek, bestand aus schätzungsweise 300 Hss. und 500 Bdn mit etwa 900 Druckwerken. Ihre Schwerpunkte lagen bei der klassischen und philologischen, orientalischen, juristischen, theologischen und medizinisch-naturkundlichen Literatur. Einzigartig in Deutschland war der Bestand an ca. 140 hebräischen und 50 arabischen Hss. von großem wissenschaftlichem und künstlerischem Wert.

1.2 Die kleine Herzogliche Bibliothek, seit 1558 provisorisch in Räumen des Alten Hofes in München untergebracht, vermehrte sich in den folgenden Jahren nur um wenige hundert Bände. Im Jahre 1571 wuchs sie mit einem Schlag um das Zehnfache und wurde zu einer Bibliothek von europäischem Rang durch den Ankauf der glanzvollen, annähernd 10.000 Bde umfassenden Büchersammlung des gebildeten und reichen Augsburger Patriziers, Kunstsammlers, Wissenschaftsförderers und Bibliophilen Johann Jakob Fugger (1516-1575). Jahrzehntelang hatte Fugger durch seine Bücheragenten im In- und Ausland, vor allem in Italien, Druckwerke und Hss. aus allen Wissensgebieten ankaufen lassen. In seinem Auftrag waren in Venedig Kopisten tätig, die seltene griechische und hebräische Texte für ihn abschrieben. Gelehrte Humanisten, z. B. der Gräzist Hieronymus Wolf, ordneten und verzeichneten seine Bücherschätze.

1.3 Im Jahre 1552 erwarb Johann Jakob Fugger die Bibliothek des Nürnberger Arztes und Humanisten Hartmann Schedel (1440-1514), des Verfassers der berühmten Weltchronik, mit ungefähr 900 Bdn, die rund 700 Druckschriften, meist Inkunabeln, und 1000 Handschriftentexte enthielten. Der frühhumanistische, überwiegend aus dem 15. Jh stammende Bestand der Schedel-Bibliothek bildete eine gute Ergänzung zu den von Fugger gesammelten Büchern mit ihrem Schwergewicht auf den Werken des 16. Jhs. Zu den am besten ausgebauten Fächern der Bibliothek Fuggers gehörten Altertumskunde und Philologie (mit vielen Drucken auch in griechischer und hebräischer Sprache), ferner Theologie, Geschichte und Jurisprudenz. Den wertvollsten Bestandteil bildeten die (ohne die Schedelschen Codices) mehr als 550 Hss., unter ihnen rund 160 lateinische, 100 hebräische und 190 griechische, wobei die letzteren in der gelehrten Welt besonders berühmt waren.

1.4 Nach Abschluß der Ordnung und Katalogisierung des Gründungsbestandes, d. h. der vereinigten Büchersammlungen Widmanstetter und Fugger-Schedel sowie der kleineren Neuerwerbungen, umfaßte die Herzogliche Bibliothek um 1580 mehr als 11.000 Bde mit ca. 1450 Hss. (ca. 650 lateinische, 220 griechische, 150 deutsche, 260 hebräische, 60 sonstige orientalische Hss.) und schätzungsweise 2000 Inkunabeln. Ihr repräsentativer Standort war seit 1571 der Saal über dem Antiquarium in dem von Albrecht V. für die Antiken- und Büchersammlung neu erbauten Gebäude innerhalb der herzoglichen Residenz.

1.5 Unter Albrechts Nachfolger, Herzog Wilhelm V. (1579-1598), erfuhr die Münchner Hofbibliothek eine weitere beträchtliche Vermehrung. Wie schon sein Vater, legte auch Wilhelm V. Wert auf Sammelstücke fürstlicher Bibliophilie, die sich durch ihre Seltenheit, durch Einbandkunst oder Buclerei auszeichneten. Mit dem Ankauf der Büchersammlung des Augsburger Ratsherrn Johann Heinrich Herwart (1520-1583) kamen im Jahre 1585 rund 1500 Bde an die Hofbibliothek, darunter wertvolle Musikhandschriften und -drucke.

1.6 1592 wurde die bedeutende Privatbibliothek des Augsburger und Eichstätter Domherrn Johann Georg von Werdenstein (1542-1608) mit schätzungsweise 4000 Bdn erworben. Diese große, universal ausgerichtete Gelehrtenbibliothek, Ergebnis langer kenntnisreicher Sammeltätigkeit, enthielt klassische, philosophische, theologische und historische Werke, ferner juristische und medizinische Literatur, reiche Bestände an italienischer und französischer Dichtung sowie zahlreiche frühe Musikdrucke, vor allem mit Vokalmusik des 15. und 16. Jhs. Unter den kleineren Neuerwerbungen zur Zeit Wilhelms V. waren griechische und deutsche Hss., eine Sammlung von Drucken mit spanischer Literatur sowie 70 Landkarten, durch die der vorhandene Bestand auf über 110 geographische Karten anwuchs, ein für die damalige Zeit bedeutender Reichtum.

1.7 Um 1600 besaß die Hofbibliothek München ca. 17.000 Bde, die vor allem die Literatur des 16. Jhs in großem Umfang enthielten. Nach dem Gesamtbestand war sie die größte Bibliothek in Deutschland (erst um 1630 wurde sie von der Kaiserlichen Hofbibliothek in Wien überflügelt), nach der literarischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Qualität der enthaltenen Hss. und Druckwerke war sie eine der glänzendsten europäischen Bibliotheken der Spätrenaissance. Ihre Bestände wurden im späten 16. und frühen 17. Jh vor allem für griechische und byzantinische Studien sowie für die Landesgeschichtsschreibung ausgewertet. Benutzer der Hofbibliothek waren damals in erster Linie süddeutsche Gelehrte aus dem Jesuitenorden, die Texte aus den griechischen Hss. publizierten, sowie Münchner und Augsburger Historiker, die im Auftrag des Hofes Darstellungen der bayerischen Geschichte bearbeiteten.

1.8 Durch Herzog (ab 1623 Kurfürst) Maximilian I. von Bayern (1598-1651) erfuhr die Hofbibliothek, die 1599 in den Nordflügel des Alten Hofes verlegt wurde, einen sparsamen, aber einigermaßen kontinuierlichen Ausbau. Die Schwerpunkte der Neuerwerbungen lagen bei der historischen, staatsrechtlichen und theologischen Literatur unter Einschluß der politischen und konfessionellen Streitschriften. Wie schon im 16. Jh kamen auch weiterhin viele Bücher als Dedikationsexemplare und Geschenke an die Hofbibliothek. Zählungen in den Jahren 1628 und 1630 ergaben einen Buchbestand von ca. 18.230 bzw. 18.330 Bdn.

1.9 Der Dreißigjährige Krieg brachte für die Bibliothek einen beträchtlichen Verlust, aber auch einigen Gewinn. Aus den Beständen der Bibliotheca Palatina, die 1623 von Heidelberg über München nach Rom transportiert wurde, blieben offensichtlich nur ganz wenige Bücher in München zurück (nachweisbar sind nur zwei Bde). Vor der Besetzung Münchens durch gegnerische Truppen 1632 ließ Maximilian I. die wertvollsten Hss. und Drucke der Hofbibliothek nach Burghausen in Sicherheit bringen, jedoch wurden aus dem in München verbliebenen Bestand ca. 2000 Bde geraubt, überwiegend Druckwerke, aber auch 50 deutsche Hss. Nur von wenigen der verschleppten Bücher läßt sich ihr späterer Verbleib nachweisen; einige kamen in die Herzogliche Bibliothek in Gotha, andere gelangten in weitere in- und ausländische Bibliotheken. Maximilian I. veranlaßte 1635 die Wegführung der Bibliothek der Herzöge von Württemberg aus Schloß Hohentübingen, wodurch etwa 880 Bde nach München kamen. 1644 wurde die Privatbibliothek des Augsburger Suffraganbischofs Sebastian Müller (1584-1644) mit rund 570 Bdn meist humanistischer und juristischer Literatur erworben. Um 1650 dürfte der Buchbestand der Hofbibliothek wieder ungefähr 18.000 Bde betragen haben.

1.10 Während der Regierungszeit von Kurfürst Ferdinand Maria (1651-1679) wurde die Hofbibliothek weiterhin kontinuierlich vermehrt. 1663 genegte der Kurfürst einen jährlichen Vermehrungsetat von 300 Gulden. Gleichzeitig verfügte er die Ablieferung eines Pflichtexemplars von jeder neuen Publikation durch die Buchdrucker, doch fand diese Verordnung, die 1678 erneuert wurde, offenbar wenig Beachtung. Soweit ersichtlich, erstreckten sich die Anschaffungen vorwiegend auf die Fächer Geschichte, Genealogie, Staats- und Kirchenrecht und Geographie. Nach dem Tod der Kurfürstin Henriette Adelheid von Savoyen (1636-1676), der Gemahlin Ferdinand Marias, kam ihre Sammlung italienischer Literatur in die Hofbibliothek. Dies war für lange Zeit der letzte größere Neuzugang.

1.11 Mit dem Regierungsantritt des Kurfürsten Max Emanuel (1679-1726) begann für die Münchner Hofbibliothek eine lange Phase der Vernachlässigung und Stagnation, die auch unter Kurfürst Karl Albrecht (1726-1745) fortdauerte. Beide Herrscher strebten nach Machterweiterung und Prachtentfaltung, für die Förderung von Bildung und Wissenschaft hatten sie kein Interesse. Während in manchen Klöstern des barocken Bayern intensive Studien betrieben und große Bibliotheken mit zeitgenössischer gelehrter Literatur angelegt wurden, verharrte die Kurfürstliche Bibliothek im Alten Hof der Residenzstadt München in einem tiefen Dornröschenschlaf. Sie wurde offenbar nur gelegentlich von Hofbeamten benutzt, für Außenstehende war sie praktisch unzugänglich. Zwischen 1679 und 1746 wurden keine Neuerscheinungen angekauft. Lediglich zwei Privatbibliotheken wurden in den Bestand übernommen, nämlich die Bücher des Hofbibliothekars Johannes Kandler (um 1720) und des bayerischen Gesandten in Wien, Franz Hannibal Freiherrn von Mörmann (1739). Beim Tod von Kurfürst Karl Albrecht 1745 dürfte die Hofbibliothek kaum mehr als etwa 20.000 Bde umfaßt haben.

1.12 Der Wiederaufstieg begann im Jahre 1746 mit der Ernennung des Hofbibliothekars Andreas Felix von Oefele (1706-1780) durch Kurfürst Max III. Joseph (1745-1777), einen um das Wohl seiner Untertanen besorgten, Aufklärung und Wissenschaft fördernden Herrscher. Mit einem jährlichen Vermehrungsetat und fallweisen Sondermitteln betrieb Oefele die laufende Erwerbung der Neuerscheinungen und die Nachbeschaffung der wichtigsten Publikationen der vergangenen Jahre. Außerdem begann er die Neukatalogisierung des gesamten Bücherbestandes, die er allerdings trotz jahrzehntelanger Arbeit nicht vollenden konnte.

1.13 Seit Gründung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Max III. Joseph 1759 stand die Bibliothek neben Hofbeamten und Ingolstädter Professoren vor allem den Mitgliedern der Akademie zur Verfügung. 1766 bzw. 1769 wurden die Büchersammlungen des Arztes und Literaten Giovanni Ludovico Bianconi (1717-1781) und des Historikers Peter Paul Finauer (1733-1788) angekauft. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 fiel die Bibliothek des Münchner Jesuitenkollegs, eine Büchersammlung von hohem wissenschaftlichem Niveau, mit ca. 23.000 Bdn an die Hofbibliothek, verblieb aber an ihrem Standort im Wilhelminum, dem ehemaligen Kolleggebäude neben der Michaelskirche.

1.14 Im Jahre 1778, bald nach seinem Regierungsantritt, veranlaßte Kurfürst Karl Theodor (1777-1799) die Verlagerung der Hofbibliothek aus dem Nordflügel des Alten Hofes in das Maut- oder Fuggerhaus in der Theatinerstraße, in dem sich seit 1760 die Räume der Akademie der Wissenschaften befanden. Hier war die Bibliothek von 1778 bis 1784 in 12 Zimmern und einigen Korridoren untergebracht, litt jedoch von Anfang an unter Raumnot; ein bereits unter Max III. Joseph begonnener, für die Hofbibliothek bestimmter Bau im Westteil des Anwesens blieb unvollendet. Karl Theodor, ein gebildeter, an Kunst, Literatur und Wissenschaft interessierter Fürst, setzte einen jährlichen Anschaffungsetat von 1500 Gulden aus, der auch unter den Nachfolgern Oefeles, der sein Amt 1778 niederlegte, kontinuierlich für Neuerwerbungen verwendet wurde. Soweit ersichtlich, berücksichtigte man dabei besonders die in Frankreich und Italien erscheinende Literatur. Die Privatbibliothek des Florentiner Humanisten Piero Vettori (Petrus Victorius, 1499-1585) mit zahlreichen italienischen Drucken antiker Autoren aus dem 15. und 16. Jh ließ Karl Theodor 1778 in Rom erwerben und 1783 nach München in die Hofbibliothek bringen.

1.15 Nachdem der Kurfürst 1783 den Entschluß gefaßt hatte, die Akademie der Wissenschaften, die Hofbibliothek und andere Sammlungen in das ehemalige Jesuitenkolleg neben der Michaelskirche zu verlegen, wurde in dieses Gebäude ein frühklassizistischer Büchersaal eingebaut und die Hofbibliothek 1784 dorthin überführt. Hier erfolgte die Vereinigung mit der seit 1773 zur Hofbibliothek gehörigen Bibliothek der Münchner Jesuiten. 1785 wurden fast alle Prachthandschriften aus der Kurfürstlichen Schatzkammer an die Hofbibliothek abgegeben. Die 1787 bzw. 1790 übernommenen Privatbibliotheken des Juristen und Akademiegründers Johann Georg von Lori (1723-1787) und des Juristen und Staatsmannes Wiguläus von Kreittmayr (1705-1790) bereicherten die Hofbibliothek vor allem mit rechtswissenschaftlicher und historischer Literatur.

1.16 Die neu geordnete und katalogisierte Hofbibliothek wurde mit drei Lesezimmern ausgestattet, Ende 1789 erstmals dem allgemeinen Publikum zugänglich gemacht und am 28. März 1790 feierlich eröffnet. Das Bibliothekspersonal wurde vermehrt, seine Pflichten regelte eine 1797 erlassene Dienstordnung. Damit hatte die Hofbibliothek, die um das Jahr 1800 über 70.000 Bde besaß und zu den großen Hofbibliotheken in Deutschland gehörte, eine ihrer Bedeutung angemessene Unterkunft und Organisation erhalten.

1.17 Bald nach dem Regierungsantritt von Kurfürst Max IV. Joseph (1799-1825, seit der Erhebung Bayerns zum Königreich 1806 König Max I. Joseph) begann die Hofbibliothek von den Ereignissen der revolutionären Zeitepoche berührt zu werden. Während der Besetzung Münchens durch französische Truppen im Jahre 1800 verlangte der mit der Überführung von Kunstwerken nach Paris beauftragte Regierungskommissar François Marie Neveu von der Hofbibliothek die Auslieferung zahlreicher wertvoller Bücher, vor allem von Inkunabeln und Frühdrucken, begnügte sich aber schließlich mit 15 Hss. und 50 Druckwerken, da der Hofbibliothekar Johann Baptist Bernhart (1759-1821) die gefährdeten Werke teils versteckt, teils durch weniger wertvolle Ausgaben oder Doppelstücke ersetzt hatte. Etliche Landkarten und einige weitere Bände Druckschriften wurden von französischen Offizieren beschlagnahmt. 1815 kamen alle Hss. und ein Teil der Drucke wieder von Paris nach München zurück.

1.18 Das Jahr 1803 bedeutete für die Münchner Hofbibliothek den Wendepunkt ihrer Geschichte. Der durch die Säkularisation verursachte Zustrom von Büchern aus den aufgehobenen Klöstern und Stiften sowie die Übernahme der Hofbibliothek Mannheim sprengten den Rahmen der Münchner Bibliothek, machten sie zur zentralen Büchersammlung des bayerischen Stammes und Staates und für ein Jahrhundert zur größten und an Schätzen reichsten Bibliothek im deutschen Sprachgebiet.

1.19 Bereits die 1799 bis 1802 durchgeführte erste Phase der Säkularisation der bayerischen Mendikantenklöster (Paulaner, Franziskaner, Augustinereremiten, Kapuziner, Karmeliten, Dominikaner) sowie der Theatiner brachte der Hofbibliothek einen Zugewinn von ca. 37.000 Bdn (darunter ca. 1620 Inkunabeln und 90 Hss.). Der Hofbibliothekssekretär und Inkunabelkenner Johann Baptist Bernhart übernahm aus dem Münchner Theatinerkloster 7000 Bde, aus den Münchner Mendikantenklöstern, vor allem dem der Augustiner, ca. 21.000 Bde, aus den über 50 Bettelordensklöstern außerhalb Münchens, die Bernhart auf einer Reise von Juli bis November 1802 aufsuchte, ca. 9000 Bde. Damit behielt der Staat nur etwa ein Zehntel der in den Mendikantenklöstern vorhandenen Bücher (die anderen wurden versteigert oder makuliert), da die Mendikantenbibliotheken weitgehend die gleichen, auf die praktische Seelsorge ausgerichteten Bestände an religiöser Literatur enthielten, die aus aufklärerischer Sicht auch wenig geschätzt wurden. Gut vertreten waren antike Klassiker, die Münchner Augustiner besaßen einen größeren Bestand an deutscher Belletristik, die Münchner Kapuziner an Literatur in romanischen Sprachen.

1.20 Viel gewichtiger an Qualität und Quantität war der Bücherzuwachs, der durch die Säkularisation von 1803 vor allem aus den Benediktiner-, Zisterzienser-, Augustinerchorherren- und Prämonstratenserklöstern sowie aus den Reichs- und Domstiften in die Münchner Bibliothek gelangte. Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 verfügte zum einen die Aufhebung (Mediatisierung) der geistlichen Fürstentümer und ihre Angliederung an die großen weltlichen Staaten des Reichs, wodurch Bayern sein Staatsgebiet erheblich vergrößerte, zum anderen ermächtigte er die Landesherren zur Aufhebung der nicht reichsunmittelbaren Klöster und Stifte und zur Einziehung ihres Besitzes. Die bayerische Regierung machte von dieser Befugnis einen umfassenden Gebrauch, indem sie nahezu sämtliche Klöster in den alten wie in den neugewonnenen Landesteilen aufhob und enteignete.

1.21 Auf Initiative des Hofbibliothekars Johann Christoph von Aretin (1772-1824) traf die Regierung die Anordnung, durch eine Kommission von Sachverständigen aus den Bibliotheken der säkularisierten Klöster und Stifte die wertvollen oder brauchbaren Bücher für die öffentlichen Büchersammlungen Bayerns auszuwählen. Zum Leiter der Kommission wurde Aretin ernannt, Mitglieder waren der Landshuter Professor und Universitätsbibliothekar Paul Hupfauer (1747-1808), der Rat im Generalschuldirektorium Joachim Schubauer (1743-1812) und (als Sekretär) Johann Baptist Bernhart. Aretin sollte die Auswahl für die Hofbibliothek treffen, Hupfauer für die Universitätsbibliothek Landshut (die spätere Universitätsbibliothek München) und Schubauer für die Gymnasialbibliotheken. Hss., alte Druckdenkmäler sowie andere seltene oder kostbare Bücher waren für die Hofbibliothek bestimmt, die Dubletten solcher Druckwerke für die Universitätsbibliothek, die auch einige Hss. für den Unterricht in Paläographie erhalten sollte; den Gymnasialbibliotheken waren nur " kurrente und zum Schulunterrichte brauchbare Bücher" zugedacht.

1.22 Vom März bis November 1803 unternahmen die Mitglieder der Klosterbibliothekskommission in vier Etappen ihre, wie Aretin schrieb, " literarische Geschäftsreise in die bayerischen Abteien". Sie führte zu rund 60 traditionsreichen, z. T. mehr als tausendjährigen Klöstern (und einigen Domstiften) in Ober- und Niederbayern, von denen viele im Mittelalter, manche auch in der Neuzeit bedeutende Kultur- und Wissenschaftszentren darstellten und deshalb reiche Bestände an Hss. und Drucken besaßen. Zu den wichtigsten auf der Reise besuchten Büchersammlungen gehörten Polling (mit 80.000 Bdn die größte Klosterbibliothek in Bayern), Tegernsee, Benediktbeuern, Rottenbuch, Freising (den wertvollsten Bestand der Dombibliothek hatte Aretin bereits im November 1802 nach München bringen lassen), Oberaltaich, Niederaltaich, Aldersbach und Raitenhaslach.

1.23 Aretin entnahm für die Hofbibliothek vor allem " merkwürdige" Hss., Inkunabeln, Frühdrucke, andere alte und seltene Druckwerke, gelehrte Spezialliteratur sowie sonstige Bücher, soweit sie als " brauchbar" erschienen und in der Hofbibliothek nicht vorhanden waren. Zeitgenössische Berichte lassen erkennen, daß Aretin, ein Aufklärer mit antiklösterlichen Vorurteilen, religiöse Werke von " Moralisten, Asketen und Predigern" sowie Schul- und Studienbücher eher vernachlässigt hat; zudem war diese Literatur in vielen Exemplaren in praktisch allen Klöstern vorhanden. So wurde jeweils nur ein mehr oder minder kleiner Teil der Klosterbibliotheken für die Hofbibliothek übernommen. Beispielsweise wählte Aretin in Polling 21.000 Bde aus, in Tegernsee und Benediktbeuern nur je ca. ein Zehntel von 60.000 bzw. 40.000 Bdn, in Fürstenfeld 1360 Bde von ca. 20.000.

1.24 Nach Aretin trafen Hupfauer und Schubauer ihre Auswahl für die Universitätsbibliothek Landshut bzw. für die Gymnasialbibliotheken. Dabei übernahm Hupfauer auch zahlreiche (vor allem religiöse) Werke, die Aretin verschmähte, so daß viele Bücher des 16. bis 18. Jhs zwar in die Universitätsbibliothek Landshut (ab 1826 München), nicht aber in die Hofbibliothek gelangten. (Etwa die Hälfte der Titel des Altbestandes der Universitätsbibliothek München ist heute nur dort, nicht aber in der Bayerischen Staatsbibliothek vorhanden.)

1.25 Die für die Hofbibliothek bestimmten Bücher wurden in Kisten nach München verfrachtet und dort teils aufgestellt, teils nur provisorisch gestapelt. Von den in den Klöstern zurückgelassenen Beständen wurden die " brauchbaren" Doppel- und Mehrfachexemplare, soweit sie nicht ausnahmsweise am Ort veräußert werden konnten, später nach München transportiert, um dort versteigert oder verkauft zu werden. Die übrigen Bücher, die entweder keinen Verkaufserfolg versprachen oder die wegen " ihres abergläubischen oder sonst verderblichen Inhalts" nicht verbreitet werden sollten, wurden um wenig Geld zentnerweise an Papierfabrikanten zur Herstellung von Pappdeckeln abgegeben.

1.26 In den Jahren 1803 und 1804 wurde die Kurpfälzische Hofbibliothek Mannheim mit ungefähr 100.000 Bdn nach München überführt. Diese Bibliothek war 1756 durch Kurfürst Karl Theodor gegründet und in fast fünf Jahrzehnten zu einer bedeutenden Büchersammlung ausgebaut worden, die in enger Verbindung mit der Mannheimer Akademie der Wissenschaften stand. Die fachlichen Schwerpunkte der universal angelegten Sammlung waren vor allem Geschichte und Naturwissenschaften. Sie besaß besonders viele Werke in französischer Sprache sowie wertvolle Hss. und alte Drucke, z. T. aus pfälzischen Klöstern. Wichtiges historisches Quellenmaterial enthielten die 1766 bzw. 1769 erworbenen Handschriftensammlungen des Freiherrn von Redinghoven (1628-1704) und der Gelehrtenfamilie Camerarius. Zunächst geschlossen aufgestellt, wurde die Mannheimer Bibliothek in der Folgezeit mit den Münchner Beständen zusammengeordnet.

1.27 In den Jahren nach 1803 hielt der Zustrom von Büchern aus säkularisierten Bibliotheken weiter an, vor allem aus Büchersammlungen in den neuen schwäbischen und fränkischen Landesteilen sowie aus Bibliotheken altbayerischer Klöster und Stifte, die 1803 noch nicht dem Staat anheimgefallen waren. Eine besonders reiche Ausbeute an wertvollen Hss. und alten Drucken ergaben die Bestände der Reichsstifte St. Ulrich und Afra in Augsburg und St. Emmeram in Regensburg. Auch aus Bibliotheken der mediatisierten schwäbischen Reichsstädte wurden Bücher nach München überführt, wichtige Hss. vor allem aus der Stadtbibliothek Augsburg. Den in die Universitätsbibliothek Würzburg und die Königliche Bibliothek Bamberg gekommenen Säkularisationsbeständen entnahm man einige hervorragende Spitzenstücke. Als das Salzburger Land und das Innviertel vorübergehend bayerisch waren, wählte der Abgesandte der Hofbibliothek auch hier größere oder kleinere Buchbestände aus klösterlichem oder sonstigem kirchlichen Besitz aus. Der Zuwachs aus Säkularisationsgut dauerte bis ins zweite Jahrzehnt des 19. Jhs an, noch 1818 und 1821 erhielt die Hofbibliothek ca. 800 Bde aus dem erst 1817 aufgehobenen Augustinerchorherrenstift Höglwörth.

1.28 Die genaue Zahl der Bücher, die durch die Säkularisation an die Hof- und Zentralbibliothek in München gelangten, ist nicht bekannt. Der Gesamtzuwachs an Druckschriften, ohne Dubletten, muß nach den bisher ausgewerteten Quellen auf ca. 200.000 Bde geschätzt werden. Die Doppel- und Mehrfachexemplare beliefen sich zusätzlich auf mehr als 220.000 Bde. Rund 20.000 Hss. waren aus aufgehobenen Sammlungen nach München gekommen. Demnach betrug der Säkularisationsgewinn der Hof- und Zentralbibliothek, unter Einschluß der Dubletten, knapp 450.000 Bde.

1.29 Die durch die Säkularisation nach München gelangten Bücher kamen in ihrer Hauptmasse aus ca. 150 Klöstern und Stiften Ober- und Niederbayerns und eines Teils von Schwaben. Sie enthielten die literarische und gelehrte Überlieferung dieses Gebiets in großer Fülle und Geschlossenheit. Unter den Hss. befanden sich einzigartige Zeugnisse der alt- und mittelhochdeutschen Literatur neben den für das Denken des Mittelalters maßgeblichen religiösen und gelehrten Texten und hervorragenden Meisterwerken mittelalterlicher Buclerei und Einbandkunst; unter den Blockbüchern und Inkunabeln waren Unikate und Rarissima der ältesten Buchdruckgeschichte. In den Druckwerken aus Klosterbesitz spiegelte sich die Breite und Tiefe der klösterlichen Bildungs- und Wissenschaftsbestrebungen von der Spätgotik bis zur Aufklärung.

1.30 Die bayerischen Klosterbibliotheken hatten Literatur sowohl der Geistes- wie der Naturwissenschaften gesammelt, wobei die Schwerpunkte bei Theologie und Geschichte lagen. Das theologische und religiöse Schrifttum vom 15. bis zum 18. Jh in allen seinen Gattungen, vom wissenschaftlichen Bibelkommentar bis zur volkstümlichen Heiligenlegende, war in großer Vollständigkeit aus den Klöstern nach München gekommen. Umfassend war der hinzugewonnene Bestand an historischen Quellenwerken, Darstellungen und Abhandlungen, besonders für die bayerische Landes-, Kirchen- und Ortsgeschichte. Bemerkenswert viele Länder- und Reisebeschreibungen entstammten den aufgehobenen Klosterbibliotheken, ferner zahlreiche Werke der klassischen, auch der hebräischen, und der romanischen Philologie. Groß war aber auch der Gewinn an naturwissenschaftlicher Literatur des 16. bis 18. Jhs, da viele Klöster mathematische, physikalische, chemische, botanische, zoologische und medizinische Werke sowie Schriften über Landbau, Hauswirtschaft, Gewerbe und die Techniken des vorindustriellen Zeitalters gesammelt hatten. Ein großer Teil der vielen Dissertationen und Akademieabhandlungen stammte ebenfalls aus Klosterbesitz.

1.31 Die Hauptaufgabe der Bibliothekare in den Jahren nach 1803 bestand in der Sichtung und Vergleichung der hereingeströmten Bücher und in der Neuordnung und Verzeichnung des alten wie neuen Bibliotheksbesitzes. Nachdem zwei Versuche einer systematischen Aufstellung und Katalogisierung der Druckschriften unter Aretin und Julius Wilhelm Hamberger (1754-1813) gescheitert waren, setzte sich 1814 der Hofbibliothekar und Exbenediktiner Martin Schrettinger (1772-1851) mit seinen Vorschlägen für eine Ordnung nach Fachgruppen (ohne systematische Feingliederung) durch, mit der die riesigen Büchermassen leichter und schneller bewältigt werden konnten.

1.32 In Anlehnung an die Wissenschaftseinteilung des Philosophen Wilhelm Traugott Krug (1770-1842) wurden zwölf Hauptklassen gebildet (Enzyklopädie, Philologie, Geschichte, Mathematik, Physik, Anthropologie, Philosophie, Ästhetik, Politik, Medizin, Rechtswissenschaft, Theologie), die ihrerseits in rund 190 Wissenschaftsfächer aufgeteilt waren. Diese Fächer oder Fachgruppen wurden dem vorhandenen Buchbestand angepaßt, indem die in der Bibliothek besonders gut vertretenen Hauptklassen wie Philologie, Geschichte und Theologie in eine größere Zahl von Fächern aufgegliedert wurden als Hauptklassen mit geringerem Bestand wie z. B. Anthropologie oder Politik. In den Signaturen kamen nur die Fächerbezeichnungen, nicht die Hauptklassen zum Ausdruck. Innerhalb der Fachgruppen erfolgte die Aufstellung der Druckschriften zunächst nach den Formaten, innerhalb jeder Formatreihe bei den meisten Fächern nach dem Alphabet der Autoren oder anonymen Titel, zum geringeren Teil nach einem Alphabet der Orte, Personen oder Sprachen, gelegentlich auch in einer chronologischen oder systematischen Reihe. Abweichend von der inhaltlichen Zuordnung wurden die besonders kostbaren und schutzwürdigen Druckschriften, d. h. vor allem Inkunabeln, Rariora, Xylographa, Chalcographa und Pergamentdrucke, später auch die Einblattdrucke, in entsprechende Spezialfächer eingeteilt. Auch die Dissertationen erhielten eine gesonderte Aufstellung.

1.33 Als Kompromiß zwischen sachlicher und formaler Ordnung, mit dem Ziel der unkomplizierten Bewältigung und Handhabung eines großen Bücherbestandes, hat sich das " Münchner Aufstellungsschema" im ganzen bewährt und ist, mit Modifikationen, bis 1936 in Gebrauch geblieben. Lediglich die alphabetische Einreihung der Neuzugänge innerhalb der Fächer führte, wie Schrettinger prophezeit hatte, zunehmend zu Schwierigkeiten. Sie wurde deshalb 1913 bzw. 1929 aufgegeben zugunsten der offenen Fachgruppenaufstellung, d. h. der Neuzugang wurde innerhalb der Formatreihen jedes Faches mechanisch nach der laufenden Nummer angefügt.

1.34 Mit der Neuordnung der Drucke nach Schrettingers Plan in den Jahren 1814 bis 1818 ging ihre Verzeichnung in einem Alphabetischen Katalog und in Standortkatalogen (Repertorien) der Fächer einher. Die Inkunabeln ordnete Johann Baptist Bernhart in den Jahren 1806 bis 1811 in die zwei Gruppen der datierten und undatierten Wiegendrucke und beschrieb sie z. T. in einem ausführlichen kritischen Katalog, z. T. nur in einem Kurzverzeichnis. Vorwiegend anhand des Münchner Inkunabelbestandes bearbeitete der Literat Ludwig Hain 1822 bis 1824 das Wiegendruckverzeichnis Repertorium bibliographicum, das 1826-1838 im Druck erschien. Für die Hss. behielt der Hofbibliothekar und Mitbegründer der Germanistik Johann Andreas Schmeller (1785-1852), der seit 1829 bis zu seinem Tod an der Bibliothek wirkte, die übliche Einteilung nach Sprachen bei, ordnete die lateinischen Hss. jedoch nach dem Provenienzprinzip, wodurch die ursprünglichen Sammlungen der einzelnen Klöster wieder geschlossen zusammenkamen. Die von Schmeller verfaßten ausführlichen Handschriftenverzeichnisse dienten als Grundlage für den 1858-1881 veröffentlichten Katalog der Hss. der Hof- und Staatsbibliothek.

1.35 Im Jahre 1818, nach Abschluß der Ordnung und Katalogisierung der Druckwerke, besaß die Bibliothek einen Gesamtbestand von schätzungsweise 420.000 Bdn (ohne Berücksichtigung der Dubletten mit mehr als 220.000 Bdn). Dieser Bücherbesitz setzte sich zusammen aus dem Altbestand vor dem Jahr 1803 (ca. 70.000 Bde), dem Gewinn aus der Säkularisation (200.000 Bde Druckschriften, 20.000 Hss.), der Hofbibliothek Mannheim (100.000 Bde) und den sonstigen Erwerbungen der Jahre 1803 bis 1818 aus Neuerscheinungen und übernommenen Privatbibliotheken (ungefähr 30.000 Bde). In diesem Bestand waren enthalten ca. 9000 Inkunabelausgaben in über 24.000 Inkunabelexemplaren sowie ca. 22.000 Hss., darunter 14.000 lateinische. Damit war die Hof- und Staatsbibliothek München, wie sie seit 1829 hieß, die größte Bibliothek im deutschen Sprachgebiet und (gemäß der Feststellung Antonio Panizzis, des Bibliothekars des Britischen Museums in London) die zweitgrößte Bibliothek Europas nach der Bibliothèque Nationale in Paris. Gleichzeitig war sie die Bibliothek mit der größten Sammlung mittelalterlicher Hss. in Deutschland und die an Exemplaren reichste Inkunabelsammlung der Welt.

1.36 Die Raumverhältnisse der Bibliothek im Gebäude des ehemaligen Jesuitenkollegs wurden in den Jahrzehnten nach der Säkularisation immer unerträglicher. König Ludwig I. (1825-1848) ließ durch seinen Architekten Friedrich von Gärtner zwischen 1832 und 1843 einen Neubau im Stil der italienischen Frührenaissance errichten, der den Beständen im Jahr des Umzugs 1843 rund 500.000 Bde an Drucken und Hss. auf lange Zeit eine großzügige und repräsentative Unterkunft sicherte. Der große Bücherpalast an der Ludwigstraße entsprach dem Rang der Bibliothek als hervorragendster Büchersammlung Deutschlands im 19. Jh, von deren Beständen wichtige Impulse für die Entwicklung von Wissenschaften wie Germanistik, Geschichte und Orientalistik ausgingen.

1.37 Mit den Buchtransporten aus den säkularisierten Klöstern war eine gewaltige Menge von Doppel- und Mehrfachexemplaren in die Hofbibliothek gekommen. Nach einer offenbar relativ oberflächlichen Sichtung und Ausscheidung der Druckwerke, die nicht in den Bibliotheksbestand aufgenommen werden sollten, wurde in den Jahren nach 1803 ein Teil davon an andere Bibliotheken verschenkt oder getauscht, vor allem an die Universitätsbibliothek Landshut (mindestens 12.000 bis 13.000 Titel aus dem 16. bis 18. Jh, darunter viele mehrbändige Werke). Gleichzeitig wurden durch Aretin zahlreiche wertvolle Dubletten verkauft, darunter Inkunabeln, Frühdrucke und sonstige Seltenheiten. Versteigerungen von seltenen Doppelstücken fanden 1815, 1817 und 1820 statt.

1.38 Die verbliebenen Dubletten, auf den Dachböden des Akademiegebäudes und der Michaelskirche gelagert und um 1830 auf etwa 200.000 Bde geschätzt, wurden erst damals geordnet und katalogisiert. Die Verkäufe wurden fortgesetzt; aus dem Erlös finanzierte man Ankäufe von Neuerscheinungen und fehlenden Antiquaria. Im Jahre 1859 waren noch mindestens 100.000 Titel vorhanden, für die damals angeblich kaum Nachfrage bestand, auch wegen des teilweise schlechten Erhaltungszustands. Neben diesen alten Dubletten gab es aber viele Doppelstöcke, die man zunächst als erhaltenswürdige Fachdubletten in den Bestand der Bibliothek eingereiht hatte. Hiervon ließ der Bibliotheksdirektor Karl Halm (1809-1882) 1858 zahlreiche seltene Drucke versteigern, darunter ein Exemplar der 42zeiligen Gutenberg-Bibel (sein Vorgänger Lichtenthaler hatte bereits 1832 das zweite der drei vorhandenen Exemplare verkauft) sowie viele weitere Inkunabeln, Blockbücher, Pergamentdrucke und Werke aus dem Gründungsbestand der Hofbibliothek. Die Einnahmen verwendete Halm zur teilweisen Finanzierung der Quatremère-Bibliothek (s. u. 1.43-1.44), der Drucklegung des Handschriftenkatalogs sowie für Neuanschaffungen. Proteste in der Öffentlichkeit bewirkten, daß die Verkäufe von besonders wertvollen Dubletten fortan eingestellt wurden. Der Inkunabelbestand, 1811 auf 24.000 Bde geschätzt, verringerte sich durch die Dublettenverkäufe bis Ende des 19. Jhs um 5000 bis 6000 Exemplare.

1.39 Beim Bestandsaufbau behielt die Bibliothek im 19. Jh zunächst das Streben nach Universalität bei. Dies lag in der Tradition ihrer früheren Sammeltätigkeit und entsprach auch der Universalität des durch die Säkularisation erworbenen Bücherbestandes. So wurden bei der Auswahl der Neuerscheinungen nach wie vor alle Wissensgebiete mehr oder minder gleichmäßig berücksichtigt, neben den Geisteswissenschaften also Naturwissenschaft und Medizin, in Grenzen auch Technik. Besondere Pflege erfuhren nach wie vor Philologie und Geschichte (vor allem der deutschsprachigen und romanischen Länder).

1.40 Eine Verordnung Ludwigs I. von 1827 legte eine gewisse Abgrenzung der Erwerbungsaufgaben zwischen der Hof- und Staatsbibliothek und der Universitätsbibliothek in München fest. In der Regel sollten nicht die gleichen Werke für beide Sammlungen angeschafft werden, wobei die Hof- und Staatsbibliothek " mehr den allgemeinen, die Universitätsbibliothek dagegen mehr den besonderen und positiven Wissenschaften" gewidmet sein sollte. Jedoch waren hiervon diejenigen Fälle ausgenommen, in denen beide Bibliotheken das gleiche Werk " wegen seines anerkannt klassischen Wertes oder zur Behauptung ihres selbständigen Charakters" notwendigerweise besitzen mußten.

1.41 Die laufenden Zugänge aus Neuerscheinungen beliefen sich zwischen 1818 und 1850 auf durchschnittlich 1000 bis 3000 Bde pro Jahr, bei einem jährlichen Vermehrungsetat von anfänglich ca. 5000, um die Jahrhundertmitte ca. 18.000 Gulden. Wesentliche Ergänzungen brachte die Erwerbung von geschlossenen Sammlungen. In den Privatbibliotheken des Historikers Karl Albrecht von Vacchiery (1746-1807), des bayerischen Staatsmanns, Historikers und zeitweiligen Hofbibliothekars Johann Kaspar von Lippert (1724-1800) und des Landrichters Franz Joseph von Klökl (1772-1833), die in den Jahren 1807, 1821 und 1833 übernommen wurden, war vor allem Literatur über Bayern gut vertreten. Vorwiegend naturwissenschaftliche Werke enthielten die Sammlungen des Augsburger Bankiers Paul Joseph von Cobres (1737-1823), des Erlanger Naturforschers Johann Christian Daniel Schreber (1739-1810) und des Mineralogen Carl Maria Ehrenbert von Moll (1760-1838), die 1808, 1813 bzw. 1835 in die Hof- und Staatsbibliothek kamen. Eine Sammlung bibliophiler Bücher mit Schriften erotischen und satirischen Inhalts aus dem Besitz des Staatsmanns und Historikers Franz von Krenner (1762-1819) ging 1858 in den Besitz der Bibliothek über. In großem Umfang wurden bereits im 19. Jh Nachlässe von Gelehrten übernommen, z. B. von Johann Nepomuk Ringseis (1785-1880), Carl Friedrich Philipp von Martius (1794-1868), Justus von Liebig (1803-1873), Lorenz Oken (1779-1851), Franz von Kobell (1803-1882), Max von Pettenkofer (1818-1901), und seit 1829 in einem eigenen Fach als geschlossene Bestände aufbewahrt.

1.42 Einen zunächst kleinen, später wachsenden Anteil an den Neuzugängen hatten im 19. Jh die Pflichtablieferungen bayerischer Druckerzeugnisse. Die 1663 erlassene Verordnung über die Ablieferung eines Exemplars jedes in Bayern neu erschienenen Buches an die Hofbibliothek war im 18. Jh mehrmals erneuert worden, wobei zunächst die Drucker, später die Verleger ablieferungspflichtig waren. Nach 1803 wurde die Regelung auf die neubayerischen Gebiete ausgedehnt. Seit den Urheberrechtsgesetzen von 1840 und 1865 waren alle bayerischen Verlage zur Ablieferung von zwei Exemplaren jeder Publikation verpflichtet, wobei das erste Exemplar in den Bestand der Staatsbibliothek kam, während das Zweitexemplar nach regionalen oder fachlichen Gesichtspunkten an die bayerischen Universitätsbibliotheken oder andere Bibliotheken abgegeben wurde.

1.43 Einen besonders großen Zuwachs erhielten um die Mitte des 19. Jhs die Orientalia. Von den Büchern, die der Sinologe Karl Friedrich Neumann (1793-1870) in China erworben hatte, gelangten 1833 ca. 3500 Bde nach München. Die von König Ludwig I. 1842 angekaufte Sinica-Sammlung des Italieners Onorato Martucci (1774-1846) mit 2700 Bdn wurde 1851 der Hof- und Staatsbibliothek übergeben. Eine gewaltige Vermehrung der orientalischen Bestände erreichte Karl Halm, Direktor der Hof- und Staatsbibliothek von 1857 bis 1882, durch den Ankauf der bedeutenden Spezialbibliothek des Pariser Orientalisten Etienne Quatremère (1782-1857) im Jahre 1858. Seine Bibliothek umfaßte ca. 1200 arabische, persische und türkische Hss. sowie 45.000 Druckschriften des 16. bis 19. Jhs, die überwiegend den alten und den islamischen Orient betrafen, daneben auch hebräsches und fernöstliches Schrifttum enthielten.

1.44 Die Sammlung Quatremère machte die Münchner Bibliothek zu einem wichtigen europäischen Zentrum für orientalische Studien. Der Orientalia-Bestand der Hof- und Staatsbibliothek wurde auch in der zweiten Hälfte des 19. Jhs vermehrt, insbesondere die Hebraica, Arabica und Sinica, wobei Fachgelehrte der Orientalistik, vor allem solche der Universität München, bei der oft schwierigen Bücherbeschaffung aus dem Orient mitwirkten. Durch mehrere Ankäufe wurden 1875 und später zahlreiche altiranische Hss., arabische Hss. aus Jemen sowie Sanskrit-Hss. erworben. Dadurch und durch den Zuwachs an abendländischen Hss. stieg die Gesamtzahl der Codices (ohne die Musikhandschriften) bis Ende des 19. Jhs auf ca. 30.000.

1.45 Eine beträchtliche Vermehrung erfuhr auch die Musiksammlung, die 1857 als erste fachliche Sonderabteilung der Hof- und Staatsbibliothek eingerichtet wurde und einen eigenen hauptamtlichen Leiter erhielt. Die wertvollen Altbestände wurden neu geordnet, katalogisiert und planmäßig durch antiquarische Käufe und die Übernahme von Privatsammlungen ausgebaut (1857 Ankauf der Sammlung des Heidelberger Juristen und Musiktheoretikers Anton Friedrich Justus Thibaut, 1772-1840). Die Zahl der Musikhandschriften stieg zwischen der Mitte und dem Ende des 19. Jhs von ca. 600 auf über 5000.

1.46 Die Bezeichnung Hof- und Staatsbibliothek, die von 1829 bis 1918 in Gebrauch war, entsprach der Doppelfunktion der Bibliothek im Königreich Bayern zur Zeit der konstitutionellen Monarchie. Als Zentralbibliothek oder Staatsbibliothek war sie eine staatliche Einrichtung, die 1807 bis 1827 der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, dann kurze Zeit dem Generalkonservatorium der wissenschaftlichen Sammlungen, seit 1832 unmittelbar dem Innenministerium und ab 1847 dem Kultusministerium unterstand und aus dem Staatshaushalt dotiert wurde. Andererseits galt sie weiterhin als Hofbibliothek der Krone, versorgte die Mitglieder der Dynastie bei Bedarf mit Literatur (besonders Ludwig II., 1864-1886, war ein eifriger Benutzer) und empfing immer wieder Schenkungen des Königshauses.

1.47 1846 überließ Ludwig I. der Hof- und Staatsbibliothek ca. 1700 Bde und 2600 Kleinschriften aus seiner Privat- und Kabinettsbibliothek, worin zahlreiche Bavarica, Prachtausgaben und Widmungsexemplare enthalten waren. Um 1875 wurden Werke aus dem Besitz König Ottos von Griechenland, eines Sohnes Ludwigs I., an die Bibliothek abgegeben, vor allem neugriechisches Schrifttum des 19. Jhs. Eine Schenkung von 800 Werken aus der Bibliothek König Ludwigs III. (1912-1918) folgte nach dem Ende der Monarchie. 1925 erhielt die Bayerische Staatsbibliothek die Privatbibliothek der gelehrten Prinzessin Therese (1850-1925), einer Tochter des 1886 bis 1912 regierenden Prinzregenten Luitpold, mit ca. 10.000 Bdn, vorwiegend zur Geographie und Völkerkunde.

1.48 Im letzten Drittel des 19. Jhs konnte die Erwerbungstätigkeit der Hof- und Staatsbibliothek der rasch anwachsenden Buchproduktion nicht mehr gerecht werden. Expansion und Spezialisierung der Wissenschaften erzwangen eine stärkere Konzentration auf die Geisteswissenschaften, während das Schrifttum aus Naturwissenschaften, Medizin und Technik nur in den grundlegenden und zusammenfassenden Werken sowie in einer Auswahl der wichtigsten Zeitschriften erworben wurde. Vor allem gegen Ende des Jhs war der Vermehrungsetat im Vergleich zu der großen Zahl der Neuerscheinungen viel zu niedrig, so daß selbst traditionell gepflegte Fächer wie Literatur und Geschichte Frankreichs oder Italiens zeitweise nicht in der angestrebten Dichte angeschafft werden konnten.

1.49 Natürlich stieg die Zahl der jährlich erworbenen Bände trotzdem stark an, zwischen 1850 und 1900 von ca. 3000 auf etwa 15.000, bis 1914 auf ca. 25.000 Bde. Demgegenüber ging die Bedeutung der in den Bestand übernommenen Privatbibliotheken zurück, wenn auch die um 1895 bis 1910 erworbenen Sammlungen des Malers und Musikers Christian Her (1815-1892) und des Musikwissenschaftlers Johannes Zahn (1817-1895) die Musikliteratur, die Bibliotheken des Philosophen Franz Xaver von Baader (1765-1841) und des Historikers Johann Nepomuk Sepp (1816-1909) die philosophischen und historischen Fächer bereicherten.

1.50 Um 1870 besaß die Hof- und Staatsbibliothek 700.000, um 1890 900.000, um 1900 knapp eine Million Bde. Der jährliche Vermehrungsetat betrug 1880 40.000 Mark, 1890 70.000 Mark, 1913 100.000 Mark, während die Königliche Bibliothek in Berlin 1913 über Erwerbungsmittel in Höhe von 230.000 Mark verfügte. Die Folge war, daß die Königliche Bibliothek, die spätere Preußische Staatsbibliothek, durch ihr größeres Erwerbungsvolumen um die Jahrhundertwende die Hof- und Staatsbibliothek München überflügelte. Im Jahre 1914 hatte München 1,2 Millionen Bde, Berlin 1,5 Millionen.

1.51 Nicht nur der Vermehrungsetat, auch Organisation und Betrieb der Hof- und Staatsbibliothek waren Ende des 19. Jhs hinter den Erfordernissen zurückgeblieben. Erst mit einiger Verspätung erfolgte in den Jahren nach 1900 die Umwandlung der bisherigen exklusiven Gelehrtenbibliothek in eine effiziente Studien- und Forschungsbibliothek für eine größere Leserschaft. Die nötigen Reformen sind vor allem Hans Schnorr von Carolsfeld (1862-1933) zu verdanken, der als Direktor bzw. Generaldirektor von 1909 bis 1929 die Bibliothek leitete.

1.52 Die Buchauswahl war bis zu dieser Zeit eine Aufgabe des Bibliotheksdirektors gewesen. Schnorr von Carolsfeld übertrug sie zunächst einem Erwerbungsleiter innerhalb der dem Direktor unterstellten Verwaltungsabteilung; im Jahre 1923 wurden die Erwerbungsgeschäfte aus der Verwaltungsabteilung ausgegliedert und eine eigene Akzessionsabteilung gebildet. Das Einmannsystem bei der Titelauswahl, in Verbindung mit dem Vorschlagsrecht der fachlich kompetenten Bibliothekare, bestand an der Münchner Staatsbibliothek bis 1938, drei Jahrzehnte hindurch souverän gehandhabt von dem besonders fähigen Erwerbungschef Emil Gratzl (1877-1957). Das dann eingeführte Fachreferentensystem gewann kaum Bedeutung und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nicht fortgesetzt.

1.53 Bei der Aufstellung der Buchbestände wurde in den Jahren 1913 bzw. 1929, wie erwähnt, die alphabetische Anreihung der Neuzugänge aufgegeben und durch die mechanische Ordnung innerhalb der Fächer ersetzt. Um die Buchbearbeitung weiter zu vereinfachen und Magazinraum zu sparen, gab die Bibliotheksleitung im Jahre 1936 die Aufstellung nach Wissenschaftsfächern fast ganz auf (einige wenige Fächer wurden beibehalten, einige neue Fächer dagegen nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt) und ging zur mechanischen Aufstellung nach der Laufzahl ohne Rücksicht auf den Buchinhalt über (innerhalb von Jahrgangsgruppen mit Formatunterteilung).

1.54 Auch die Bestandserschließung wurde seit Anfang des 20. Jhs modernisiert. Die Hausregeln für die alphabetische Katalogisierung wurden den Preußischen Instruktionen angenähert und im Druck herausgegeben. Für die Literatur ab 1911 standen dem Publikum ein Alphabetischer Katalog und ein Schlagwortkatalog als Kartenkataloge zur Verfügung (ein von Schrettinger begonnener Schlagwortkatalog war unvollendet geblieben). Der um 1860 begründete Geographisch-historische Katalog auf Quartblättern (Alter Realkatalog) wurde seit 1911 besser zugänglich gemacht und konsequenter fortgeführt, ab 1936 mit erweiterter Systematik. Er wurde 1953 abgelöst durch den Gekoppelten geographischen und systematischen Katalog nach der Hirschberger-Systematik (in Kartenform). Der Alphabetische Publikumskatalog und die Sachkataloge in konventioneller Form, d. h. als Kartenkataloge, waren für die Neuerwerbungen bis Erscheinungsjahr 1981 in Gebrauch.

1.55 Die Alphabetischen Dienstkataloge blieben lange Zeit in ihrer historischen Form bestehen: der Altbestand bis zum Erwerbungsjahr 1840 war in einem Bandkatalog verzeichnet, der zeitlich anschließende Quartkatalog, ein Katalog auf Blättern im Quartformat, wurde bis zum Erscheinungsjahr 1952 weitergeführt und erst dann durch einen Kartenkatalog im Internationalen Format (IFK) fortgesetzt (bis Erscheinungsjahr 1981). Als Standort-Kataloge dienten nach wie vor die unter Schrettinger angelegten Fächerrepertorien in Bandform; seit 1936 folgten die Jahrgangsrepertorien für die nach Laufzahl aufgestellten Neuzugänge (in Bandform, teils in Kartenform, bis Erscheinungsjahr 1981).

1.56 Einige Spezialsammlungen der Bibliothek erhielten seit Anfang des 20. Jhs eine intensivere Betreuung, Erschließung und Ergänzung. Für bestimmte bibliophile Bestandsgruppen wurden seit Anfang des 20. Jhs eigene Spezialfächer gebildet, so für lithographische Drucke, Werke moderner Bibliophilie (Pressendrucke, Bücher mit Originalgraphik, limitierte Auflagen) und Exlibris. Eine eigene Einbandsammlung nahm seit 1905 historisch bedeutsame und künstlerisch hervorragende Bucheinbände auf. Alle Schriften über den Ersten Weltkrieg wurden in der Weltkriegssammlung vereinigt. Der Inkunabelbestand der Staatsbibliothek wurde 1909 bis 1915 durchgesehen und neu inventarisiert. Durch Abgaben aus bayerischen Archiven und Provinzialbibliotheken kamen zwischen 1900 und 1928 einige Hundert bisher nicht vorhandene Inkunabeln und Inkunabeleinblattdrucke in die Staatsbibliothek, umgekehrt wurden zahlreiche entbehrliche Doppelstücke verkauft, getauscht oder der im Ersten Weltkrieg zerstörten Universitätsbibliothek Löwen geschenkt.

1.57 Schrifttum aus slawischen Ländern war im 19. und frühen 20. Jh mehr oder minder kontinuierlich gesammelt worden. In den zwanziger und dreißiger Jahren dieses Jhs betreute ein hauptamtlicher Fachbibliothekar die Slavica der Staatsbibliothek; besonders russische Literatur dieser Zeit wurde planmäßig erworben. Der Ankauf der Privatbibliothek des Münchner Geographen Gottfried Merzbacher (1843-1926) im Jahre 1931 brachte der Staatsbibliothek vor allem Schrifttum über Rußland und Zentralasien ein.

1.58 Die Sammlung ostasiatischer Literatur wurde seit der Erwerbung der Quatremère-Bibliothek zwar sparsam, aber doch einigermaßen kontinuierlich erweitert, so daß sie bis 1929 knapp 12.000 Bde umfaßte. Auf einer Einkaufs- und Studienreise 1928/29 erwarb der spätere Generaldirektor der Staatsbibliothek, der Sinologe Georg Reismüller (1882-1936), in China, Korea und Japan ca. 18.000 Bde chinesischer Literatur und vermehrte damit die Münchner Sinica-Sammlung auf insgesamt 30.000 Bde. In den dreißiger Jahren konnte allerdings nur ein Bruchteil der eigentlich erforderlichen Ostasiatica angeschafft werden.

1.59 An den Krisen und Katastrophen, von denen die deutschen Bibliotheken zwischen 1914 und 1945 betroffen wurden, hatte die Bayerische Staatsbibliothek, wie sie seit Ende 1918 hieß, ihren vollen Anteil. Der Erste Weltkrieg verhinderte die Beschaffung ausländischer Literatur, die fortschreitende Geldentwertung der Inflationsjahre 1919 bis 1923 ließ, trotz vielfach erhöhter Erwerbungsmittel, die Kaufkraft der verfügbaren Gelder zusammenschrumpfen. Die jährlichen Vermehrungsetats seit dem Ende der Inflation, die von 120.000 Mark (1924) auf 175.000 Mark (1927) stiegen, dann aber stagnierten und zur Zeit der Weltwirtschaftskrise gekürzt wurden, reichten für eine angemessene Erwerbung der forschungsrelevanten Literatur des In- und Auslandes bei weitem nicht aus. In dieser Situation bewirkte die sehr beträchtliche Hilfe der 1920 gegründeten Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, die mit ihrem Bibliotheksprogramm den Kauf der ausländischen Publikationen unterstützte, daß die Bayerische Staatsbibliothek die für Forschung und Studium unentbehrliche Literatur zwischen 1920 und 1933 wenigstens im annähernd erforderlichen Umfang anschaffen konnte.

1.60 Dabei gelang es, einen ausgewogenen Bestandsaufbau und -ausbau unter relativ gleichmäßiger Berücksichtigung von Geistes- und Naturwissenschaften (mit Ausnahme der Technik) durchzuführen. Das Erwerbungsvolumen erreichte in den zwanziger und dreißiger Jahren eine beträchtliche Größenordnung: es betrug nach 1920 pro Jahr ca. 30.000 Bde, stieg 1925 auf 45.000, ab 1927 auf über 50.000 Bde an; in den dreißiger Jahren schwankte der jährliche Zugang zwischen 45.000 und 50.000 Bdn. Nach Errichtung des NS-Regimes 1933 wurden die Erwerbungsmöglichkeiten eingeschränkt, die Beschaffung ausländischer Literatur stieß auf zunehmende Schwierigkeiten. Die Werke der von den Nationalsozialisten verbotenen Autoren wurden als eigene Gruppe separiert, jedoch im Bestand belassen. 1925 besaß die Staatsbibliothek 1,5 Millionen, 1933 1,9 Millionen, 1939 knapp 2,2 Millionen Bde.

1.61 Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs kam die Erwerbungstätigkeit der Staatsbibliothek weitgehend zum Erliegen. Der Benutzungsbetrieb lief zunächst weiter. Hss., Inkunabeln und ein Teil der wertvollen Drucke wurden bereits 1939 und 1940 in Bergungsorte auf dem Land ausgelagert. Beim Luftangriff vom 9. und 10. März 1943 trafen Brandbomben die Bibliothek und vernichteten ca. 500.000 Bde, knapp 23 Prozent des damaligen Gesamtbestandes von 2,2 Millionen. Von den ca. 200 Fächern verbrannten vollständig oder überwiegend 41 Wissenschaftsfächer und 6 Spezialfächer. Zu den vernichteten Beständen gehörten Teile der Theologie mit der großen Bibelsammlung, die klassische Philologie (nicht die Textausgaben), die Alte Geschichte und Altertumskunde, die Literatur über den Ersten Weltkrieg, das historisch-geographische Schrifttum über Südosteuropa sowie Asien, Afrika und Amerika, die Reisebeschreibungen und die Werke zur Kunstwissenschaft und zum Buchdruck. Außerdem gingen zugrunde die umfassende Sammlung der Akademieschriften, die literarischen Zeitschriften und die meisten neueren Dissertationen.

1.62 Nach der Katastrophe wurde die Bibliothek geschlossen, die erhaltenen Bestände wurden in 28 Auslagerungsorte evakuiert. Bei drei weiteren Luftangriffen im Oktober 1943, April 1944 und Januar 1945 verbrannten noch ca. 11.000 Bde und eine größere Anzahl von Doppelstücken. Bei Kriegsende war das Gebäude zu sechs Siebtel zerstört, nur eine Handvoll Personal harrte noch in einigen Erdgeschoßräumen aus.

1.63 In den Jahren nach 1945 waren die wichtigsten Aufgaben die Wiederherstellung des Bibliotheksgebäudes und die Rückführung der ausgelagerten Buchbestände. Der Westtrakt wurde 1946 bis 1952, der Osttrakt 1959 bis 1965, der Südflügel 1966 bis 1970 wieder aufgebaut. Die Buchbestände wurden seit 1945 Zug um Zug, jedoch teilweise mit jahrzehntelangen Zwischenlagerungen in einem Depot in Planegg, in die Ludwigstraße zurückgebracht und 1956 bis 1958 einer Generalrevision unterzogen. Der Benutzungsbetrieb lief 1948 provisorisch wieder an und normalisierte sich ab 1952 mit dem Bezug des Westtrakts durch die Hauptabteilungen der Bibliothek. Ein von dem Architekten Sep Ruf entworfener, nach Osten gerichteter Erweiterungsbau wurde 1962 bis 1965 errichtet. Dorthin und in den Osttrakt des Altbaus wurden 1966 die Hauptabteilungen verlegt.

1.64 Bei der Bucherwerbung in den Nachkriegsjahren stand zunächst das Ziel, die Kriegsverluste zu ersetzen, im Vordergrund. Noch während des Krieges waren ca. 15.000 Bde wiederbeschafft worden. Zwischen 1945 und 1948 lag das Schwergewicht des Bestandsaufbaus bei den Antiquaria, wobei der Tausch eine große Rolle spielte. Die Übernahme von Buchbeständen der NS-Ordensburg Sonthofen und des Bayerischen Armeemuseums lieferte sowohl für die Wiederbeschaffung wie für Tauschaktionen eine gute Ausbeute. Bücherspenden des Auslandes boten einen willkommenen Bestandszuwachs. Auch bedeutende Privatsammlungen trugen zur Ergänzung bei, zwischen 1943 und 1965 vor allem die Bibliotheken des Musikologen und Bibliothekars Adolf Sandberger (1864-1943), des Bibliothekars und Mediävisten Georg Leidinger (1870-1945), des Bankdirektors Wilhelm von Pecnn (1859-1948), des Generaldirektors der Bayerischen Staatsbibliothek, Rudolf Buttmann (1885-1947), des Medizinhistorikers Karl Sudhoff (1853-1938), des Romanisten Karl Voßler (1872-1949), des Asienforschers Carl Hentze (1883-1975), des Hebraisten Joseph Prijs (1889-1956) und der Bibliothekare Emil Gratzl (1877-1957) und Paul Ruf (1890-1964).

1.65 Nach der Währungsreform begann sich die Erwerbung zu normalisieren. Der Kaufzugang nahm rasch an Bedeutung zu. Die Ablieferung der Pflichtstücke setzte wieder ein; der Akademietausch, den die Bayerische Staatsbibliothek als Bibliothek der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durchführt, lief wieder an. Der planmäßigen Wiederbeschaffung der im Krieg vernichteten Bücher wurde verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Der Jahreszugang, der 1946 erst bei 7000 Bdn lag, wuchs 1950 auf 20.000 Bde und 1955 auf 50.000 Bde an.

1.66 Immer dringlicher wurde nach der Währungsreform die Nachbeschaffung der ausländischen Zeitschriften, Serien und Monographien und die laufende Erwerbung der neuerscheinenden Literatur des Auslandes. Hier leistete die 1949 gegründete Deutsche Forschungsgemeinschaft mit ihrem Sondersammelgebietsprogramm eine wichtige Hilfe. Die Staatsbibliothek übernahm 1950 als Sondersammelgebiete der DFG die Fächer Vor- und Frühgeschichte, Klassische Altertumswissenschaft (einschließlich Alte Geschichte), Mittel- und Neulateinische Philologie; Byzantinistik, Neuzeitliches Griechenland; Rumänien; Slawische und Baltische Sprachen und Literaturen; Sowjetunion, Polen, Tschechoslowakei, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien; Geschichte (im besonderen Geschichte Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, Frankreichs und Italiens) und Musikwissenschaft.

1.67 Die Wiederbeschaffung der Verluste, die Ergänzung der kriegsbedingten Lücken und der laufende Erwerb der Neuerscheinungen wurde jedoch vor allem durch den eigenen Vermehrungsetat geleistet, der von 300.000 DM im Jahre 1948 über 450.000 DM (1953), 600.000 DM (1957), 1 Million DM (1962), 2 Millionen DM (1965) auf 4 Millionen DM im Jahre 1970 anstieg. Der jährliche Zugang an Literatur lag 1950 bei 20.000 Bdn, 1960 bei 55.000 Bdn und 1970 bei 100.000 Bdn. Insgesamt liefen von 1945 bis 1970 ca. 1,5 Millionen Bde ein. Der Gesamtbestand betrug 1950 1,9 Millionen, 1960 2,3 Millionen und 1970 3,2 Millionen Bde. Damit war die Bayerische Staatsbibliothek wieder, wie vor 1900, die größte wissenschaftliche Bibliothek im deutschen Sprachgebiet.

1.68 Die im Krieg zerstörten Fächer konnten durch die intensiven Bemühungen um Wiederbeschaffung in erheblichem Maß aufgefüllt werden. Von den ca. 500.000 verbrannten Büchern wurde annähernd ein Drittel ersetzt, wobei allerdings große Unterschiede zwischen einzelnen Fächern eintraten. Das wissenschaftliche Gebrauchsbuch früherer Zeiten ließ sich naturgemäß leichter beibringen als die Seltenheiten, so daß z. B. bei den Akademieschriften, der Reiseliteratur, der Geschichte und Geographie Asiens und der Kunstwissenschaft rund 40 bis 50 Prozent der Verluste, von den wertvollen Beständen wie der Bibelsammlung aber nur Weniges wiederbeschafft werden konnte. Seit den sechziger Jahren spielen auch Reprints und Mikroform-Editionen eine wichtige Rolle für den Ersatz älterer Literatur.

1.69 In den fünfziger und sechziger Jahren verlagerte sich das im Prinzip universale Erwerbungsprogramm deutlicher als in früheren Jahrzehnten auf die traditionellen Schwerpunkte, vor allem auf die Geisteswissenschaften. Erst nach dem weiteren Ansteigen des Etats Mitte der sechziger Jahre wurden Medizin und Naturwissenschaften wieder stärker berücksichtigt. Durch gesetzliche Vorschriften kam es seit 1961 zur Ablieferung der Amtlichen Druckschriften des Bundes und der Länder, später auch der Publikationen von UN, UNESCO, FAO und EG. Der Ausbau des Zeitschriftenbestandes schritt zunächst nur zögernd voran; 1960 wurden ca. 8000, 1970 ca. 10.000 laufende Zeitschriften gehalten.

1.70 Die Erwerbung von Hss. und wertvollen Drucken spielte angesichts der rasch anwachsenden Zahl der Neuerscheinungen nur eine geringe Rolle. Jedoch wurde durch Spenden bayerischer Industrieller ein Grundstock für die Sammlung von Malerbüchern und modernen bibliophilen Ausgaben gelegt. In der Folgezeit konnten allmählich die musealen Sammelaufgaben wieder stärker berücksichtigt werden. Von den wenigen herausragenden Privatbibliotheken, die von der Staatsbibliothek übernommen wurden, sind vor allem die 1970/71 erworbenen Büchersammlungen des Philosophen Max Scheler (1874-1928) und des bayerischen Staatsmanns Max Joseph von Montgelas (1759-1838) zu nennen. 1972 übernahm die Bayerische Staatsbibliothek die aus dem 19. Jh stammende Bibliothek der Bayerischen Berg-, Hütten- und Salzwerke AG in ihre Verwaltung. Seit 1973 wurden wertvolle Druckwerke des Altbestandes, vor allem aus den bis 1935 geführten Fächern, in einer " Reserve alter Drucke" als eigene Bestandsgruppe zusammengefaßt und nur zur Präsenzbenutzung ausgegeben.

1.71 Das ungeheure Anwachsen der Buchproduktion in aller Welt seit den sechziger Jahren führte zu einer weiteren erheblichen Steigerung der Erwerbungsmittel (die mit der Zunahme der Neuerscheinungen allerdings nicht Schritt halten konnte). Der Vermehrungsetat stieg 1975 auf 5,5 Millionen, 1980 auf 8 Millionen, 1985 auf 10,5 Millionen und 1990 auf 14,7 Millionen DM. Die Zuwendungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft beliefen sich in diesem Zeitraum auf jährlich 850.000 bis 1.000.000 DM. Der jährliche Zugang stieg von 100.000 Bdn im Jahre 1970 auf 160.000 Bde im Jahre 1990 (ohne Sondermaterialien). Dabei betrug beim Kaufzugang der Anteil der ausländischen Literatur ca. 75 Prozent. Die Bibliothek war damit wieder eine der wenigen ganz großen Sammelstellen für ausländische Literatur in Deutschland geworden.

1.72 Der Zeitschriftenbestand wurde zielstrebig ausgebaut; die Zahl der laufend gehaltenen Zeitschriften lag 1980 bei 28.000, 1990 bei 36.800. Insgesamt besaß die Bayerische Staatsbibliothek 1980 rund 4,5 Millionen, 1985 ca. 5,2 Millionen und 1990 ca. 6 Millionen Bde (jeweils ohne Hss., Mikroformen, Tonträger, Landkarten und sonstige Sondermaterialien). Das Gebäude an der Ludwigstraße konnte seit 1976 den Zuwachs nicht mehr aufnehmen, so daß wieder Bücher in das Planegger Depot, vorübergehend auch in ein Magazingebäude des Kriegsarchivs in der Fasaneriestraße ausgelagert werden mußten. 1988/89 wurden zunächst 1,3 Millionen Bde in die neue, 15 km nördlich vom Stadtzentrum gelegene Speicherbibliothek in Garching verbracht.

1.73 Die Grundsätze der Literaturauswahl wurden 1978 neu formuliert. Das Prinzip der Universalität erhielt eine Einschränkung durch den Wegfall des Schrifttums zur Technik, dessen Erwerbung der Technischen Universität München überlassen wird. Vorrang haben die Fächer der DFG-Sondersammelgebiete (s. o.) und die im aktuellen Wissenschaftsbetrieb besonders gefragten Fachgebiete, z. B. Biowissenschaften und Soziologie. Weitere Schwerpunkte sind Bavarica, Romanische Sprachen, Theologie, Kunstgeschichte, Orientalistik (Nah- und Fernost), Judaica, Landkarten und Reisewerke, Notendrucke und Musiktonträger. Eine Rangfolge nach Sprachen und Ländern begünstigt vor allem die anglo-amerikanische Literatur. In der Medizin und den Naturwissenschaften kommt den Zeitschriften die Priorität vor den Monographien zu.

1.74 Die Anwendung der Elektronischen Datenverarbeitung für Katalogisierung und Katalogherstellung ermöglichte bedeutende Verbesserungen bei der Bestandserschließung und Bestandsinformation. Die maschinelle Erfassung der Zeitschriftentitel begann 1972; die gespeicherten Zeitschriftendaten sind seit 1976 auf Mikrofiches verfügbar. Ab Erscheinungsjahr 1982 wurden die Katalogdaten der Monographien maschinenlesbar erfaßt und in Form von regelmäßig aktualisierten Mikrofiche-Katalogen ausgegeben. Die Eingabe der Katalogdaten erfolgte bis 1987 im wesentlichen offline, anschließend im Online-Verfahren. Seit 1992 gibt es einen Online-Benutzerkatalog (OPAC).

1.75 Die Katalogdaten des Altbestandes (Erscheinungsjahre 1501 bis 1840) wurden ebenfalls elektronisch erfaßt und stehen nunmehr als Buchkatalog, als Mikrofiche-Katalog und als Online-Datenbank zur Verfügung. Die wissenschaftliche Erschließung der historischen Bestände konzentrierte sich auf die stark intensivierte Handschriften- und Nachlaßkatalogisierung sowie die Bearbeitung und Publizierung von Katalogen für wichtige Druckschriftenbestände (Inkunabeln, Drucke des 16. Jhs, Musikdrucke, Ostasienbestände, Altkarten). Die Daten der Musikalien und der Altkarten wurden ebenfalls in den Online-Katalog überführt.

1.76 Beträchtliche Sorgfalt und erhebliche Mittel wurden in den letzten Jahrzehnten auf den Erwerb von Hss., Inkunabeln, bibliophilen Drucken und Nachlässen verwendet. Der Handschriftenbestand belief sich 1990, ohne die 21.000 Musikhandschriften, auf 45.000 Codices, von denen ca. 7000, je zur Hälfte abendländische und orientalische Manuskripte, nach dem Zweiten Weltkrieg erworben wurden. Die Inkunabelsammlung konnte um rund 400 Wiegendrucke bereichert werden. Seltene und kostbare Drucke sowie Autographen sind kontinuierlich angekauft worden, die Nachlässe vermehrten sich um ca. 300 auf ca. 850 Nachlaßkomplexe. Über 550 Malerbücher wurden erworben. Im Durchschnitt der Jahre von 1970 bis 1990 entfielen auf Hss., Inkunabeln und bibliophile Werke ungefähr ein Fünftel der gesamten Erwerbungsmittel, d. h. in den siebziger Jahren zwischen 1 und 2 Millionen DM pro Jahr, in den achtziger Jahren zwischen 2 und 3 Millionen DM pro Jahr.

1.77 Seit 1990 beteiligt sich die Bayerische Staatsbibliothek an dem von der Volkswagen-Stiftung geförderten Projekt " Sammlung deutscher Drucke 1450-1912". Dabei besteht ihre Aufgabe in der Vervollständigung der Druckwerke des 15. und 16. Jhs, also einer Epoche, die im Bestand der Bibliothek aufgrund ihrer geschichtlichen Entwicklung bereits in besonders großem Umfang repräsentiert ist.

Rupert Hacker

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek besitzt (nach dem Stand von 1989) für die Zeit von 1450 bis 1900 ca. 1,1 Millionen Titel, darunter ca. 960.000 Titel von Büchern, ca. 68.500 Karten, ca. 50.200 Notendrucke (Musikalien), ca. 13.000 Einblattdrucke, über 53.000 Theater- und Konzertzettel, ca. 20.000 Exlibris und ca. 5700 Porträts. Dieser Bestand wird durch zahlreiche Mikrofilme ergänzt. Da die Bestände zahlreiche Sammelbände aufweisen, wurden Titel gezählt. Unter Titel ist die Ausgabe eines Werkes zu verstehen. Mehrbändige Werke gelten als ein Titel. Die Gesamtzahlen der einzelnen Fächer wurden für die Zeit von 1500 bis 1840 aus dem maschinenlesbaren Katalog der Bayerischen Staatsbibliothek durch Hochrechnung ermittelt. Für die Zeitspanne von 1841 bis 1900 wurden die Titel in den Fachrepertorien genau gezählt. Die Zahlen für die chronologischen und sprachlichen Übersichten wurden auch durch Hochrechnungen gewonnen. Bei einigen weniger umfangreichen Fächern wurden die Bestände in ihrer sprachlichen und chronologischen Aufteilung genau gezählt. Die unter den Nummern 4, 6-8, 10, 11, 29, 40-42, 45, 50, 52, 53, 72, 78-81, 83, 116, 129, 136, 137, 164-179 und 186 aufgeführten Fächer hatten im Zweiten Weltkrieg Verluste zu erleiden, die jedoch z. T. durch Wiederbeschaffungen ersetzt werden konnten. In den folgenden Übersichten wird jeweils die heute vorhandene Zahl von Titeln angegeben.

Chronologische Übersicht

2.2 Die Bibliothek besitzt ca. 19.000 Inkunabeln; aus dem 16. Jh ca. 126.000 Titel; aus dem 17. Jh ca. 145.000; aus dem 18. Jh ca. 200.000 und aus dem 19. Jh ca. 470.000.

2.3 In dieser Übersicht sind die (jeweils die Bestände bis 1900 umfassenden) ca. 50.200 Notendrucke (Mus.pr. Fach 131), ca. 68.500 Karten (Mapp. Fach 39), über 66.000 Einblattdrucke (Einbl. u. Einbl.Kal. Fach 210), ca. 20.000 Exlibris (Exlibris Fach 211), ca. 5700 Porträts (Portr. Fach 218) und die Mikrofilme (Film R Fach 225, Film P Fach 226, F.L.sin. Fach 16 u. F.L.tibet. Fach 20) mit ihren vielen, nicht zählbaren Titeln nicht berücksichtigt.

Übersicht nach Sprachen

2.4 Inkunabeln, Noten, Karten, Einblattdrucke, Exlibris, Porträts und Mikrofilme sind nicht berücksichtigt. Zunächst werden, nach Jahrhunderten aufgeschlossen, die Sprachen aufgeführt, in denen jeweils mehr als 1000 Titel vorhanden sind. Dem schließen sich Sprachen an, in denen jeweils weniger als 1000 Titel vorhanden sind. Diese sind der besseren Übersichtlichkeit halber in Sprachgruppen gegliedert. Bei jeder Sprache ist die Zahl der vorhandenen Titel angegeben. Bei den Beschreibungen zu den einzelnen Fächern in der systematischen Übersicht sind in der Regel jeweils nur die umfangreicheren Sprachen genannt. Die meisten Zahlen sind Circa-Zahlen.

2.5 Die Sprachen mit mehr als 1000 Titeln sind Deutsch (16. Jh 25.000, 17. Jh 33.000, 18. Jh 77.000, 19. Jh 243.000, Gesamtzahl 378.000); Latein (16. Jh 85.400, 17. Jh 86.600, 18. Jh 80.000, 19. Jh 121.000, Gesamtzahl 373.000); Französisch (16. Jh 3500, 17. Jh 12.000, 18. Jh 32.000, 19. Jh 46.500, Gesamtzahl 94.000); Italienisch (16. Jh 6200, 17. Jh 7800, 18. Jh 9000, 19. Jh 17.000, Gesamtzahl 40.000); Englisch (16. Jh 70, 17. Jh 850, 18. Jh 3580, 19. Jh 18.000, Gesamtzahl 22.500); Spanisch (16. Jh 1050, 17. Jh 1300, 18. Jh 1450, 19. Jh 4000, Gesamtzahl 7800); Russisch (17. Jh 20, 18. Jh 280, 19. Jh 4900, Gesamtzahl 5200); Griechisch (16. Jh 1600, 17. Jh 730, 18. Jh 540, 19. Jh 2130, Gesamtzahl 5000); Niederländisch (16. Jh 130, 17. Jh 900, 18. Jh 970, 19. Jh 2500, Gesamtzahl 4500); Hebräisch (16. Jh 950, 17. Jh 550, 18. Jh 900, 19. Jh 1100, Gesamtzahl 3500); Schwedisch (16. Jh 5, 17. Jh 70, 18. Jh 275, 19. Jh 2450, Gesamtzahl 2800); Arabisch (16. Jh 25, 17. Jh 115, 18. Jh 210, 19. Jh 1350, Gesamtzahl 1700); Dänisch (16. Jh 10, 17. Jh 30, 18. Jh 100, 19. Jh 1560, Gesamtzahl 1700); Chinesisch (10.-15. Jh 26, 16. Jh 40, 17. Jh 79, 18. Jh 373, 19. Jh 1129, Gesamtzahl 1647); Portugiesisch (16. Jh 10, 17. Jh 260, 18. Jh 330, 19. Jh 900, Gesamtzahl 1500); Sanskrit (einige Titel 18. Jh, sonst 19. Jh 1000).

2.6 Mit weniger als 1000 Titeln vertreten sind aus Europa die germanischen Sprachen Altenglisch (30 Titel), Althochdeutsch (15), Altnordisch (10), Friesisch (80), Gotisch (15), Isländisch (60), Norwegisch (350); die keltischen Sprachen Gälisch-Schottisch (15), Gallisch (80), Irisch (80), Kornisch (15), Kymrisch/Walisisch (30), Manx (1); die romanischen Sprachen Katalanisch (20), Provenzalisch (30), Rätoromanisch (20), Rumänisch (250); die slawischen Sprachen Altslawisch (150), Bulgarisch (100), Polnisch (800), Serbokroatisch (350), Sorbisch (10), Slowakisch (10), Slowenisch (150), Tschechisch (800), Ukrainisch (20); die finno-ugrischen Sprachen Estnisch (60), Finnisch (200), Lappisch (15), Mordwinisch (1), Ostjakisch (2), Syrjänisch (3), Udmurtisch (1), Ungarisch (900), Wogulisch (2); die baltischen Sprachen Lettisch (30), Litauisch (30); ferner die Sprachen Albanisch (15), Armenisch (300), Baskisch (30), Etruskisch (15), Georgisch (15), Jiddisch (400), Lasisch (Kaukasus, 1), Maltesisch (15), Samojedisch (20), Volapük (100).

2.7 Die Titel in den Sprachen Asiens verteilen sich auf die semitischen Sprachen Äthiopisch (70 Titel), Akkadisch (1), Amharisch (30), Aramäisch (9), Assyrisch (25), Chaldäisch (100), Gurage (1), Mandäisch (4), Punisch (150), Sabäisch (20), Samaritanisch (3), Syrisch (250), Tigre (4), Tigrinja (7); die Turk-Sprachen Aserbeidschanisch (15), Tatarisch (20), Tschagataisch (5), Türkisch (800); die iranischen Sprachen Avestisch (150), Keilinschriften (400), Kurdisch (5), Ossetisch (15), Paschto (Afghanistan, 20), Pehlevi (40), Persisch (400).

2.8 Auf Südasien entfallen die indogermanischen Sprachen Bihari (5 Titel), Bengali (100), Gujarati (50), Hindi (50), Hindui (30), Konkani (3), Marathi (120), Oriya (6), Pali (140), Pandschabi (10), Prakrit (20), Sindhi (10), Singhalesisch (50), Urdu (Hindustani, 150); die drawidischen Sprachen Brahui (5), Kannada (20), Malayalam (8), Tamil (50), Telugu (20); die weiteren Sprachen Indiens Andamanisch (5), Khasi (1), Lepcha (1), Mikir (1), Mundari (1), Naga (1), Nikobarisch (2), Zigeunersprache (20).

2.9 Zentralasien umfaßt die Sprachen Giljakisch (Sachalin, 5 Titel), Kalmükisch (2), Mandschurisch (15), Mongolisch (30), Tibetisch (50), Tocharisch (2), Tungusisch (1); Hinterindien die Sprachen Bahnar (3), Birmanisch (20), Kachin (1), Karen (7), Khmer (6), Mon (5), Shan (1), Thailändisch (10), Vietnamesisch (10); Indonesien die Sprachen Altjavanisch (15), Balinesisch (2), Batak (5), Dayak (3), Javanisch (30), Maduresisch (5), Makassar (15), Malaiisch (70), Sundanesisch (6), Toba-Batak (5); die Philippinen die Sprachen Bisayan (6), Cebuano (1), Iloko (5), Tagalog (8); Ostasien die Sprachen Ainu (5), Japanisch (825), Koreanisch (150); das restliche Asien die Sprachen Elamisch (3), Galela (Neu Guinea, 1), Melanesisch (20), Yungar (Australien, 1).

2.10 Amerika ist vertreten mit der Eskimosprache Gronländisch (30 Titel); mit den Indianersprachen Ketschua (3), Matako-Maka (1), Maya (4), Patagonisch (1), Tupi Guarani (6), Zapotekisch (2) und weiteren Indianersprachen (7); mit den europäischen Sprachen Chilenisch (20 Titel), Mexikanisch (6), Peruanisch (1).

2.11 Afrika gliedert sich in die Sprachen Nordafrikas Bischarim (1 Titel), Falascha (1), Kabylisch (5), Koptisch (80), Kuschitisch (30), Saho (1), Tamaschek (5); die Bantu-Sprachen Duala (1), Ganda (1), Herero (2), Kamba (1), Karanga (1), Kikuya (2), Nyamwezi (2), Nyanja (1), Ronga (4), Rundi (1), Sena (1), Sesuto (2), Thonga (1), Xhosa (2), Zulu (20); die Sudan-Sprachen Akan (1), Angas (1), Anyi (1), Barea (3), Ewe (1), Haussa (8), Ibo (2), Madi (1), Mampursi (1), Mande (1), Massai (1), Nubisch (1), Nuer (1), Nzima (1), Schilluk (1), Sherbro (3), Temne (2), Wolof (5), Yoruba (5); in die weiteren Sprachen Hottentottisch (10 Titel), Madegassisch (6), Suahili (15).

Systematische Übersicht

2.12 Der Bestand wird anhand der für die Aufstellung maßgeblichen Fächer beschrieben. Der Aufstellung liegt die Gliederung Martin Schrettingers (1772-1851) aus dem Jahre 1814 zugrunde. Sie umfaßt zwölf Hauptklassen (mit ursprünglich etwa 180 Fächern) und sogenannte Spezialfächer (ursprünglich auch mit den Fächern Dissertationen und Dupla). Die seitdem hinzugekommenen Fächer wurden den alten Hauptklassen I bis XII, der Klasse XIII (Spezialfächer für frühe und besonders wertvolle Drucke) sowie der Klasse XIV (Varia) zugeteilt.

Hauptklasse I

Encyclopaedia Allgemeines, Literaturgeschichte, Bibliographie

2.13 Die Hauptklasse umfaßt elf Fächer (1-11). In ihr sind Literatur mit enzyklopädischem Charakter, Publikationen gelehrter Gesellschaften, Werke zur Bücherkunde und solche vereint, deren Inhalt sich nicht auf ein Fach begrenzen läßt. Insgesamt sind in dieser Hauptklasse ca. 17.000 Titel enthalten. Mit ca. 6700 Titeln ist Deutsch am stärksten vertreten. Das Latein steht mit ca. 3800 Titeln in der Gesamtzahl an zweiter Stelle, überwiegt aber im 16. und 17. Jh. Es folgen französisch-, italienisch- und englischsprachige Titel. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden verhältnismäßig viele Titel aus dem osteuropäischen Raum erworben.

Hana Karas

Fach 1

Historia litteraria universalis (H.lit.u.) - Allgemeine und vergleichende Literaturgeschichte

2.14 Das Fach enthält Literatur zu vier Themenbereichen: Den ersten Bereich bildet die Literaturgeschichte einschließlich der allgemeinen und vergleichenden Literaturwissenschaft. Es schließen sich an Literaturgeschichten einzelner Länder (gattungsgeschichtliche Abhandlungen sind jedoch bei H.lit.p. Fach 2 und L.eleg.g. Fach 115 zu finden). Der dritte Bereich umfaßt die Wissenschaftslehre und das Bildungswesen allgemein, darunter Hochschulen (einzelne unter H.lit.p. Fach 2 bzw. unter den einzelnen Fachrichtungen), Hochschulwesen, Stipendien etc., Kongresse (einzelne jeweils beim speziellen Fach), Museen (einzelne wieder bei speziellen Fächern wie Arch. Fach 46, Art. Fach 129 oder H.nat. Fach 102). Als letzter Bereich folgen Humanismus und Humanisten, darunter auch Vaganten, fahrende Schüler etc. (deren Dichtungen sind jedoch dem Fach P.o.lat. Fach 116 zugeordnet). Glanzstück dieses Fachs sind die großen Bestände aus dem 16. und 17. Jh (80 Prozent davon in Latein) mit zahlreichen sehr seltenen Exemplaren speziell von Humanistenschriften.

Umfang: ca. 1500 Titel (16. Jh 270, 17. Jh 290, 18. Jh 470, 19. Jh 470 Titel). Sprachlich dominiert mit nahezu der Hälfte der Literatur das Latein. Französischsprachige Bestände sind aus dem 18. und 19. Jh in ansehnlicher Zahl vorhanden, doch auch aus den vorausgehenden Jahrhunderten sind zahlreiche, lateinisch verfaßte Bücher französischer Herkunft vorhanden.

Thomas Jahn

Fach 2

Historia litteraria particularis (H.lit.p.) - Literaturgeschichte einzelner Länder. Anhang: Hoch- und Mittelschulen

2.15 Das Fach enthält Literatur zu fünf Themenbereichen. Einen ersten Bereich bilden die Literaturgeschichten einzelner Länder und Städte. Ausgenommen sind die griechisch-römische, orientalische und patristische Literatur (s. dazu Philol. - Nr. 29, A.or. Fach 36, A.hebr. Fach 37, P.gr.c. - Nr. 177 und P.lat.c. Fach 179). Zu diesem Bereich gehören auch biographische und bibliographische Nachschlagewerke zu Schriftstellern und Gelehrten einzelner Länder, Städte oder Ordensgemeinschaften. Der Schwerpunkt liegt im 18. Jh. (Weitere Nachschlagewerke bei Biogr.c. Fach 75; allgemeine und vergleichende Literaturgeschichte bei H.lit.u. Fach 1 und L.eleg.g. Fach 115).

2.16 Den zweiten Bereich bildet die Literatur zum europäischen Hochschulwesen, und zwar nur zu den Universitäten (Publikationen zu Technischen Hochschulen stehen bei Techn. - Nr. 104). Sie umfaßt Allgemeines, Beschreibungen, Statuten und Geschichte einzelner deutscher und ausländischer Universitäten oder Fakultäten, Vorlesungs- und Personenverzeichnisse, Gelegenheits- und Festschriften, Jahrbücher sowie Veröffentlichungen zum Korpsstudentenwesen. Den dritten Bereich bildet die Literatur zu den Akademien und Gelehrten Gesellschaften. Den vierten Bereich macht die Literatur zum Höheren Schulwesen aus, vor allem in Deutschland mit Ausnahme Bayerns (s. Bavar. Fach 85), aber auch im übrigen Europa. Der Schwerpunkt liegt hier im 19. Jh. Der Bereich gliedert sich in Allgemeines und Darstellung geschichtlicher Entwicklungen, Geschichte einzelner Schulen, eine Sammlung von ca. 500 Jahresberichten, Schulprogramme, Regulative für Schulen und eine Sammlung von Periochen lateinisch-deutscher Schulschauspiele des 17. und 18. Jhs. (Zum Schulwesen insgesamt s. a. Paed.th. Fach 109; zu Jahresberichten und Festschriften von " Realanstalten" s. Techn. Fach 104).

2.17 Den letzten Bereich bildet die Literatur zum Bibliothekswesen. Dies sind Beschreibungen und Berichte von in- und ausländischen Bibliotheken sowie Handschriftenkataloge. (Weitere Literatur zum Bibliothekswesen wie Bibliotheksverordnungen und Katalogisierungsordnungen s. N.libr. Fach 3, Kataloge von Bücher- und Handschriftensammlungen s. a. Cat. Fach 6). Die Bestände sind zum größten Teil in einem allgemeinen Alphabet der Autoren und Sachtitel aufgestellt. Getrennt davon angefügt sind als geschlossene Sammlungen nach dem Alphabet der Orte ein Teil der Veröffentlichungen von Höheren Schulen und Hochschulen sowie der gesamte Bestand an Periochen von Schulschauspielen. Dazu kommt eine gesonderte Sammlung von Vermischten Schriften.

Umfang: ca. 6200 Titel (16. Jh 135, 17. Jh 305, 18. Jh 1100, 19. Jh 4650 Titel). Sprachlich überwiegt Deutsch (ca. 2300 Titel) gegenüber Latein (ca. 1500), Französisch (ca. 660) und Italienisch (ca. 400 Titel).

Sigrid von Moisy

Fach 3

Notitia librorum (N.libr.) - Bücherkunde, Buch- und Bibliothekswesen

2.18 Das Fach enthält u. a. Allgemein- und Nationalbibliographien, Bibliotheksverordnungen, Katalogisierungsordnungen, Bibliotheksadreßbücher, Jahresberichte von Bibliotheken, Werke zur Bibliotheksgeschichte, Literatur zu den Themen Buchgeschichte, Bucheinband (historischer Aspekt), Wasserzeichen, Exlibris, Buchillustration einschließlich Handschriften- und Inkunabelillustration, Handschriftenkunde, Stundenbücher, Faksimileausgaben, Bibliophilie, Verlagswesen und Verlagsgeschichte, Verlags- und Urheberrecht, Nachdruck, Presserecht und Pressegesetzgebung, Pflichtablieferung, Bücherzensur, Buchhandel und Buchhandelsgeschichte einschließlich Antiquariatswesen. Anderen Fächern zugeordnet sind Bibliographien der Werke eines Autors (spezielle Fächer, Biogr. Fach 76 und Opp. Fach 10), fachlich ausgerichtete Bibliographien (jeweils beim speziellen Fach), Bibliothekskataloge und Zugangsverzeichnisse (Cat. Fach 6), Werke über Geschichte und Technik des Buchdrucks (Typ. Fach 4), über Kalligraphie (Graph. Fach 28), über den technischen Aspekt des Bucheinbands (Techn. - Nr. 104) und des Nachdrucks (Typ. Fach 4), über Bibliotheksbauten (A.civ. Fach 89) und Bibliothekswesen (H.lit.p. Fach 2). Die Abgrenzung zu diesen Fächern ist jedoch nicht konsequent eingehalten.

Umfang: ca. 2400 Titel (16. Jh 70, 17. Jh 300, 18. Jh 430, 19. Jh 1600 Titel). Ca. 600 Titel sind in Deutsch, ca. 500 in Latein, ca. 400 in Französisch, ca. 250 in Englisch und ca. 200 in Italienisch.

Rolf Schumacher

Fach 4

Typographia (Typ.) Buchdruckerkunst

2.19 Das Fach enthält Literatur zur Typographie, Satz- und Drucktechnik (im wesentlichen Buch-, aber auch Tiefdruck) und zur Wasserzeichenkunde. Neben historischen Darstellungen, die zahlenmäßig überwiegen, finden sich Festschriften von Verlags- und Buchhandelshäusern sowie zu Anniversarien der genannten Disziplinen, Biographien und Biobibliographien ihrer hervorragenden Persönlichkeiten, Schriftmusterbücher, Tafelwerke, gelegentlich auch Handwerks- bzw. Gewerbeordnungen u. a. m. Einzelne Titel betreffen die Buchdruckerkunst außerhalb Europas.

Umfang: etwas mehr als 1100 Titel, davon einzelne aus dem 16. und 17. Jh, ca. 250 Titel aus dem 18. Jh, ca. 380 Titel aus den Jahren 1801 bis 1870, ca. 440 Titel von 1871 bis 1900; undatiert sind ca. 30 Titel. Ca. 600 Titel sind deutschsprachig.

Helmut Bansa

Fach 5

Encyclopaedia (Enc.) Konversationslexika und dgl.

2.20 Das Fach enthält Universallexika, Allgemeinenzyklopädien, Konversationslexika und Literatur zur Methodologie und Systematik der Wissenschaften im allgemeinen.

Umfang: 564 Titel (16. Jh 72, 17. Jh 110, 18. Jh 163, 19. Jh 200 Titel, 19 Titel sind ohne zeitliche Zuordnung). Die Titel sind vorrangig lateinisch, deutsch- und französischsprachig.

Rainer Schöller

Fach 6

Catalogi (Cat.) Kataloge von gedruckten und handschriftlichen Büchern

2.21 Das Fach enthält Kataloge und Verzeichnisse öffentlicher oder privater Bücher- und Handschriftensammlungen, darunter auch Buchhändlerverzeichnisse und Kataloge von Buchauktionen. Den ersten Teil bildet eine Bandreihe, die nach dem Ort oder Besitzer geordnet ist (darin jeweils chronologisch). Der Bestand ist aufgeteilt in 4 Sectionen: I. Section der in Deutschland und der Österreichischen Monarchie (außer Italien) erschienenen Kataloge. II. Section England und seine auswärtigen Besitzungen. III. Section Frankreich und seine auswärtigen Besitzungen. IV. Übrige Länder. Der zweite Teil besteht aus Cahiers (Kleinschrifttum in Schachteln). Kataloge der Antiquitäten sind bei Arch. Fach 46, Kunstkataloge bei Art. Fach 129 aufgestellt, Kataloge der Werke eines Dichters (auch in Bibliotheken) sind bei P.o. - Fach 116-123 aufgestellt, Handschriftenkataloge bei H.lit.p. Fach 2 und Kataloge von Musikbibliotheken und Musikverlagen bei Mus.th. Fach 130.

Umfang: 1300 Titel, die meisten aus dem deutschen Sprachraum (17. Jh 15, 18. Jh 245, 19. Jh 1040 Titel), stark vertreten sind auch französische Kataloge, insgesamt 273, davon 217 aus dem 19. Jh. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden verhältnismäßig viele russische Kataloge aus dem 19. Jh gekauft, insgesamt 44 Stück.

Fach 7

Ephemerides litterariae (Eph.lit.) Literarische Zeitschriften

2.22 Das Fach enthält literarische Zeitschriften im weitesten Sinne: selbständige Zeitschriften, literarische Beilagen anderer Zeitschriften, Almanache, Jahrbücher u. ä. Es handelt sich um Blätter mit Veröffentlichungen der Kunstliteratur wie auch literaturkritische Zeitschriften. Enthalten sind auch Werke zur Geschichte der literarischen Zeitschriften und Bibliographien dieser Gattung in einzelnen Ländern oder Epochen.

Umfang: 182 Titel (17. Jh 9, 18. Jh 74, 19. Jh 99 Titel). Die deutschsprachigen Werke bilden die Mehrheit.

Fach 8

Acta academica et societatum litterarum (Acad.) - Veröffentlichungen von Akademien und gelehrten Gesellschaften

2.23 Das Fach enthält Publikationen von gelehrten Körperschaften, die nach dem Alphabet des Sitzes der Akademie aufgestellt sind. Am Ende der Hauptreihe steht eine " allgemeine Abteilung" mit Schriften über die Akademien allgemein. Die Veröffentlichungen der Bayerischen Akademie und anderer bayerischer gelehrter Gesellschaften stehen bei Bavar. Fach 85.

Umfang: über 700 Titel (18. Jh 60, 19. Jh 640 Titel, meist umfangreiche Serien sowie zahlreiche Zeitschriften). Fast vollständig sind die deutschen Akademieschriften des 18. und 19. Jhs vorhanden, aber auch viele ausländische.

Fach 9

Scripta periodica (Per.) Zeitschriften vermischten Inhalts

2.24 Das Fach bietet ein reiches und buntes Spektrum von Zeitschriften und anderen Periodika vermischten Inhalts: Familienblätter, Frauenzeitschriften, humoristische und satirische Zeitschriften, Modejournale, Arbeiterzeitschriften, Kunst- und Literaturblätter, Stadtzeitungen, Jahrbücher verschiedener Verbände und Institutionen etc. Enthalten sind auch Bibliographien über Periodika und Werke über Zeitungsgeschichte. Dagegen sind spezialisierte wissenschaftliche Zeitschriften bei den entsprechenden Fächern aufgestellt, z. B. Physik bei Phys. Fach 94-96, chemische Blätter bei Chem. Fach 97 usw. Rein literarische Zeitschriften und Revues sind bei Eph.lit. Nr. 7, rein politische bei Eph.pol. Fach 51 zu suchen. Man findet in diesem Fach berühmte Zeitschriftentitel wie Gartenlaube, Simplicissimus, Charivari, Fliegende Blätter u. a., aber auch Blätter, die nur für einen begrenzten Leserkreis bestimmt waren oder nur in einigen Nummern oder Jahrgängen erschienen sind. Die ältesten Titel in diesem Fach sind zwei deutsche Titel aus dem 17. Jh (1695 und 1696), ca. 250 Titel stammen aus dem 18. Jh und etwa 1480 aus dem 19. Jh. Die Mehrzahl der insgesamt ca. 1730 Titel sind deutschsprachige Zeitschriften des 19. Jhs (etwa 800). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auch in diesem Fach durch gezielte antiquarische Einkäufe der Bestand an russischen und anderen slawischen Zeitschriften wesentlich vermehrt.

Hana Karas

Fach 10

Opera (Opp.) Gesammelte und ausgewählte Werke einzelner Autoren, deren Inhalt sich auf verschiedene Hauptklassen bzw. Fächer erstreckt

2.25 Das Fach enthält Sammlungen von Werken einzelner Autoren, die sich inhaltlich nicht nur einem Wissensgebiet zuordnen lassen, sondern mehrere Fachgebiete betreffen. Autoren des 16. bis 19. Jhs aus ganz Europa sind hier vertreten, darunter ein breites Spektrum berühmter Namen.

Umfang: 852 Titel meist mehrbändiger Werke (16. Jh 120, 17. Jh 100, 18. Jh 310, 19. Jh 322). Französische und lateinische Titel überwiegen (ca. 260 und 230), deutschsprachige Werke stehen zahlenmäßig an dritter Stelle (ca. 170).

Fach 11

Varia (Var.) Einzelne Werke, die verschiedene Wissensgebiete umfassen bzw. zu keinem bestimmten Wissenschaftsgebiet gehören

2.26 Es sind hier vor allem Teilsammlungen einzelner Autoren zu finden, die " kleine" und " vermischte" Schriften zum Inhalt haben, z. B. Essays, Vorträge, Reden, Aufsätze etc. Die Teilsammlungen beziehen sich inhaltlich auf verschiedene Wissensgebiete, so daß sie keinem bestimmten Fach zugeordnet werden können. Hinzu kommen Schriftenreihen vermischten Inhalts.

Umfang: 570 Titel (16. Jh 50, 17. Jh 145, 18. Jh 175, 19. Jh 200). Es sind Titel aus ganz Europa vorhanden, vorrangig in deutscher, lateinischer, französischer und italienischer Sprache.

Rainer Schöller

Hauptklasse II

Philologia Sprachwissenschaft

2.27 Die Hauptklasse umfaßt 22 Fächer (12-37). In ihr ist Literatur zur allgemeinen Sprachwissenschaft und zu den Philologien der einzelnen Sprachen vereint. Das Interesse für diese Fächer war schon am Hof der Wittelsbacher und auch in den bayerischen Klöstern groß und wurde dann in der Hof- und Staatsbibliothek konsequent weitergepflegt. Den Sammelschwerpunkt bildeten zunächst die Autoren der klassischen Antike sowie Werke zur hebräischen Sprache. Seit dem Beginn des 19. Jhs wurden umfassend auch die Arbeiten zur Indogermanistik, zur Philologie der modernen Sprachen und zur vergleichenden Sprachwissenschaft erworben. Seit frühester Zeit hat man auch Literatur zur Sprachwissenschaft der orientalischen Sprachen gesammelt.

2.28 Insgesamt sind in dieser Hauptklasse ca. 63.000 Titel enthalten, darunter ca. 20.200 in orientalischen Sprachen. Latein ist insgesamt mit ca. 27.000 Titeln am stärksten vertreten und bildet speziell im 16. bis 18. Jh die umfangreichste Gruppe. Im 16. und 17. Jh stand an zweiter Stelle Griechisch, das aber in der Folgezeit an Bedeutung verlor. Ein reges Interesse für Französisch und Italienisch ist schon im 16. Jh zu verzeichnen, in den nächsten drei Jhn wird Französisch zur drittstärksten Sprache. Die deutschsprachigen Werke gewinnen erst später an Bedeutung und bilden im 19. Jh die stärkste Gruppe. Insgesamt sind ca. 10.400 deutsche Titel vorhanden. Dank einer gezielten, den Altbestand ergänzenden Erwerbungspolitik vor allem in der Nachkriegszeit sind auch die Forschungen zu anderen Sprachen (Englisch sowie nord- und osteuropäische Sprachen) sehr reich dokumentiert. Auf dem Gebiet der Orientalistik ist die Bibliothek für die früheren Jahrhunderte zur wichtigsten Sammelstelle in der Bundesrepublik Deutschland geworden.

Hana Karas

Fach 12

Lingua generatim (L.gen.) Sprachwissenschaft allgemein

2.29 Die größeren Gruppen dieses Fachs befassen sich mit allgemeinen Problemen der Sprache (Entstehung, Geschichte, Philosophie) bzw. der Sprachwissenschaft, des Sprachunterrichts (65 Titel) und der allgemeinen Grammatik (52 Titel), sowie der Lautlehre/Phonetik (48 Titel). Weitere 44 Titel widmen sich der Sprachvergleichung (die auch bei Polygl. Fach 13 vertreten ist.) Umfang: 605 Titel (16. Jh 11, 17. Jh 35, 18. Jh 82, 19. Jh 477 Titel). Sprachlich ist Deutsch am stärksten vertreten, dann folgen Latein und Französisch.

Fach 13

Polyglottica (Polygl.) Wörterbücher und Grammatiken über mehr als zwei Sprachen

2.30 Die Mehrzahl der Titel dieses Fachs (282 Titel) sind mehrsprachige Wörterbücher und Glossare in westlichen und orientalischen Sprachen, wobei besonders das 17. und 18. Jh reich vertreten sind. Es folgen Werke, die man im weitesten Sinne als sprachvergleichend bezeichnen könnte (120 Titel), wobei auch hier die orientalischen Sprachen eine große Rolle spielen, der Rest verteilt sich auf kleinere Gruppen.

Umfang: 460 Titel (16. Jh 70, 17. Jh 175, 18. Jh 116, 19. Jh 99 Titel).

Hans Jürgen Schubert

Fach 14

Linguae asiaticae (L.as.) Sprachen Asiens

2.31 Das Fach enthält Wörterbücher, Grammatiken und europäische Werke zur Sprachwissenschaft der asiatischen Sprachen. Der ältere Teil des Faches ist systematisch nach dem Alphabet der Sprachen von " Äthiopisch" bis " Urdu" geordnet, darin wieder nach dem Alphabet der Autoren. Ein Katalog der Drucke mit syrischer Schrift und Sprache (1486-1700) ist in Arbeit.

Umfang: ca. 1700 Titel (16. Jh 200, 17. Jh 300, 18. Jh 500, 19. Jh 700 Titel).

Günter Grönbold

Fach 15

Libri sinici (L.sin.) Bücher in chinesischer Sprache

2.32 Das Fach enthält Literatur in chinesischer Sprache. Die Katalogisierung der älteren Ausgaben, die größtenteils schon im zweiten Drittel des 19. Jhs und am Ende der zwanziger Jahre dieses Jhs erworben wurden, hat erst etwa 1950 eingesetzt. Der Bestand ist publiziert im Katalog der Ostasiensammlung (s. u. 3.1 Sonderkataloge). Bis zum Bearbeitungsjahr 1975 wurde das Fach nach einer Systematik geführt. Es zählt (einschließlich der in Serienwerken und in der Mikrofilm-Sammlung der Peiping Rare Books enthaltenen Titel, s. u. 2.36) ca. 8000 Titel, die zwischen 975 und 1911 gedruckt wurden. In der nachstehenden Zählung werden jedoch nur in Originalform vorliegende Monographien und Serientitel ohne Stücktitel berücksichtigt, insgesamt 1647 Titel. Herausragende Bedeutung für die Buch- und Druckgeschichte besitzen die 100 vor 1644 erschienenen Titel der Dynastien Song, Yuan und Ming.

2.33 Aus dem 10. bis 14. Jh sind 12 buddhistische Titel vorhanden. Aus dem 15. Jh liegen insgesamt 14 Titel vor, 12 synkretistische Werke taoistischer-buddhistischer Thematik und 2 große Gedichtsammlungen. Ins 16. Jh fallen insgesamt 40 Titel, 7 enzyklopädische, 2 taoistische, ein buddhistischer, 9 konfuzianische Titel, eine fiktive Topographie, eine Sammlung von Geistergeschichten, ein Jesuitendruck, 4 landeskundliche bzw. historische und 14 lyrische Werke, ein medizinisches Werk. Das 17. Jh ist mit insgesamt 79 Titeln vertreten, darunter 15 weitere Allgemein- und Spezialenzyklopädien, 28 konfuzianische, buddhistische und taoistische Titel, teilweise auf populärem Niveau (Wahrsagebücher), 2 Sinojesuitica, 18 historisch-topographische Werke, je ein staatsrechtliches, zeremoniales und literaturwissenschaftliches Werk, 7 Romane, 2 Congshu, 3 künstlerische Werke, eine Musikologie.

2.34 Aus dem 18. Jh sind insgesamt 373 Titel vorhanden, 24 enzyklopädische Werke, 16 Collectanea (Congshu), 111 religiös-philosophische Titel aus den Bereichen Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus, 56 historisch-geographische Titel (darunter oft umfangreiche Lokalchroniken, Fangzhi), 10 juristische und staatswissenschaftliche, 9 pädagogische, 2 linguistische und 12 literaturwissenschaftliche Werke. Unter den 77 belletristischen Texten (z. B. Traum der Roten Kammer) sind 43 kantonesische Volksballaden, 16 Werke zur Malerei, Kalligraphie und Archäologie, 3 Schach- und Musiklehrbücher, 5 medizinisch-pharmazeutische sowie 5 naturwissenschaftliche Texte.

2.35 Die Zeit von 1800 bis einschließlich 1911 ist mit insgesamt 1129 Titeln vertreten, darunter 53 Lexika und Enzyklopädien, 109 Collectanea (Congshu, nicht nach Einzeltiteln erschlossen), 17 bibliothekskundliche und bibliographische Werke, 268 religiöse und philosophische Einzel- und Sammelwerke (Konfuzianismus, Taoismus, Geomantik, Divination, Buddhismus, einschließlich 27 christlicher Traktate), 305 topograpahische und historiographische, 106 rechtliche, administrative und militärische, 24 pädagogische, 23 linguistische bzw. literaturkundliche, 84 belletristische, 68 künstlerische, archäologische und kalligraphische Werke, 9 Titel zu Sport, Spiel und Musik, 36 medizinisch-pharmazeutische und 22 naturwissenschaftliche Werke sowie 5 Zeitschriften.

Fach 16

Filme von Büchern in chinesischer Sprache (F.L.sin.)

2.36 1951 erwarb die Bibliothek als eine von drei europäischen Bibliotheken (neben der Kungliga Biblioteket Stockholm und der Cambridge University Library) einen Satz von Mikrofilmen seltener chinesischer Drucke und Hss., die sich ehemals im Besitz der Chinesischen Nationalbibliothek in Peking befanden. Diese Peiping Rare Books bestehen aus 1070 Rollen und umfassen 2720 Titel in ursprünglich 40.000 Bdn.

Fach 17

Libri japonici (L.jap.) Bücher in japanischer Sprache

2.37 Das Fach enthält derzeit 825 vor 1868 erschienene japanische originalsprachige Titel und ist mithin die umfangreichste Sammlung dieser Art in Deutschland. 80 sehr seltene chinesische bzw. sinologische Drucke aus Japan bilden eine exzellente Ergänzung zur altchinesischen Libri-Sinici-Sammlung. Aus dem 8. Jh ist eine Papierrolle vorhanden, bedruckt mit buddhistischen Zaubersprüchen in einer Holzpagode; aus dem 11. Jh ein Einblattdruck mit handkolorierten Buddhabildern; aus dem 12. Jh ein 7 Faltbücher umfassendes Lotussutra; aus dem 13. Jh ein buddhistischer Klosterdruck, Kasugaban; aus dem 15. Jh ein buddhistischer Klosterdruck, Gozanban; aus dem 16. Jh ein japanischer Jesuitendruck, Kirishitanban. Aus dem 17. Jh liegen 9 Altletterndrucke (Kokatsujiban) vor, darunter ein Sagadruck, 11 enzyklopädische, 20 buddhistische und konfuzianische Rara, darunter Nachdrucke chinesischer Werke, 7 geschichtliche und topographische, 3 pädagogische (kyôkun, Oraimono) Titel, eine Grammatik, 6 literaturkundliche, 25 epische und lyrische, 2 künstlerische Werke und 14 medizinisch-pharmazeutische Titel.

2.38 Aus dem 18. Jh sind vorhanden 3 enzyklopädische, 6 buddhistische und konfuzianische, 13 geschichtliche und topographische, 3 staatskundliche, 11 pädagogische, 5 sprachwissenschaftliche, 6 literaturkundliche, 32 epische und lyrische, 40 künstlerische Werke und Malerbücher, 4 Titel zu Musik, Sport und Spiel, 8 medizinisch-pharmazeutische und 5 naturwissenschaftliche Schriften. Aus dem 19. Jh liegen vor 10 Enzyklopädien, 2 Bibliotheks-Kataloge, 15 buddhistische und konfuzianische, 25 geschichtliche (z. B. die Biographie Napoleons) und geographische, 4 staatskundliche, 58 pädagogische, 5 linguistische, 6 poetologische Titel, 59 literarische Werke, 138 Malerbücher und Holzschnittbildbände berühmter Künstler (wie Ike-no Taiga, Yosa Buson, Hokusai, Utamaro, Hiroshige, Eisen u. v. a.) sowie 88 Farbholzschnitte aus der Sammlung Lieselotte Kraft, 4 Titel zu Musik, Sport (Sumo) und Spiel (Go), 16 medizinische und pharmakologische sowie 6 naturkundliche Abhandlungen, ferner die Zeitschriften Bijutsusekai und Kokka.

Fach 18

Libri coreanici (L.cor.) Bücher in koreanischer Sprache

2.39 Das Fach enthält 150 Titel in 610 Bdn; 2 buddhistische Drucke aus dem 13. Jh, ein Arzneikatalog (Letterndruck) aus dem 15. Jh, ein Tripitaka-Katalog (Letterndruck) und die Werke der Philosophen Zhu Xi aus dem 16. Jh. Das 17. Jh ist mit einer Enzyklopädie, 2 konfuzianischen, 2 historischen, 3 literarischen Werken und 7 kolorierten Einblattdrucken vertreten. Aus dem 18. Jh sind 21 konfuzianische und buddhistische, 2 historische, 4 literarische und ein medizinischer Titel vorhanden. Aus dem 19. Jh liegen 6 enzyklopädische, 61 konfuzianische und buddhistische, 6 geschichtliche, ein literarischer Titel, 14 Lexika und ein astrologischer Letterndruck vor.

Alfons Dufey

Fach 19

Libri tibetici et mongolici (L.tibet.) - Bücher in tibetischer und mongolischer Sprache

2.40 Das Fach enthält Literatur in tibetischer und mongolischer Sprache. Es wurde 1976 angelegt. Ca. 500 originale tibetische Blockdrucke bilden den wesentlichen Bestand vor 1900. Zur Bestandspublika- tion s. u. 5 (Orientalische Literatur).

Fach 20

Filme von Büchern in tibetischer Sprache (F.L.tibet.)

2.41 Das Fach enthält 235 Mikrofilmrollen von tibetischen Werken in Blockdruck, z. T. aus Eigenbesitz der Bibliothek. Erwähnenswert sind die Filme des Lhasa-Kanjur, des Cone-Tanjur sowie der Textsammlung der Rotmützensekte " Rin chen gter mdzod" und der Gesammelten Werke des Kon-sprul Blo-gros-mtha'-yas.

Fach 21

Libri indici (L.ind.) Bücher in indischen Sprachen

2.42 Das Fach enthält Literatur in indischen Sprachen, besonders Sanskrit, Pali, Prakrit und Hindi. Da das Fach erst 1976 angelegt wurde, stammen nur sehr wenige Titel aus Erscheinungsjahren vor 1900.

Günter Grönbold

Fach 22

Lingua Graeca (L.gr.) Altgriechisch. Anhang: Neugriechisch

2.43 Das Fach enthält Literatur zur alt- und neugriechischen Sprache mit den zugehörigen Dialekten. Beim Altgriechischen sind auch das Griechisch der Bibel und die antike makedonische Sprache einbezogen. Mittelgriechisch ist teils beim Altgriechischen, teils beim Neugriechischen aufgeführt. Neben Werken über einzelne sprachliche Materien einschließlich Onomastik und Metrik sind Lehrbücher, Grammatiken und Lexika besonders zahlreich.

Umfang: ca. 1500 Titel (16. Jh 445, 17. Jh 95, 18. Jh 235, 19. Jh 725 Titel). Die ca. 550 Titel aus dem 16. und 17. Jh sind lateinisch oder griechisch geschrieben, erst ab 1700 treten moderne Sprachen dazu. Insgesamt dominiert aber Latein mit ca. 800 Titeln vor ca. 350 deutschen, ca. 250 griechischen, 40 englischen und sonstigen. 136 Titel beziehen sich auf das Neugriechische.

Fach 23

Lingua Latina (L.lat.) Lateinische Sprache

2.44 Das Fach enthält Literatur über die lateinische Sprache, einschließlich Mittel-, Neu- und Kirchenlatein. Einbezogen sind die italischen Sprachen mit Ausnahme von Etruskisch (L.rel. Fach 27). Den größten Teil des Bestandes bilden Lehr- und Übungsbücher, Grammatiken und Lexika. Daneben stehen Untersuchungen über einzelne sprachliche Materien, darunter die Metrik.

Umfang: ca. 4100 Titel (16. Jh 2200, 17. Jh 480, 18. Jh 610, 19. Jh 810 Titel). Insgesamt stehen ca. 3400 Titel in lateinischer Sprache ca. 450 deutschen gegenüber; die wichtigsten übrigen Sprachen sind Französisch (ca. 80 Titel) und Italienisch.

Edith Spartz

Fach 24

Linguae latinae filiae (L.lat.f.) - Romanische Sprachen

2.45 Das Fach enthält Literatur, die sich mit allen romanischen Sprachen einzeln oder vergleichend befassen (zur lateinischen Sprache vgl. L.lat. Fach 23, für Wörterbücher und Grammatiken über mehr als zwei Sprachen vgl. Polygl. Fach 13). Die sprachvergleichende Literatur steht voran, dann folgen die weiteren Titel zu den untersuchten Sprachen in der Reihenfolge: Französisch, Spanisch und Katalanisch, Italienisch, Portugiesisch, Provenzalisch, Rätoromanisch/Ladinisch und Walachisch/Rumänisch. Bei den Einzelsprachen findet man zahlreiche Literatur zu regionalen Dialekten. Dies gilt besonders für Französisch und Italienisch. Bei weitem die meisten Werke befassen sich mit Französisch, mit Abstand folgen Italienisch, Spanisch und Rumänisch. Am häufigsten vertreten sind Wörterbücher, Grammatiken und Lehrwerke für den Fremdsprachenerwerb, außerdem sprachwissenschaftliche Abhandlungen. Vorwiegend für das 19. Jh sind auch Dissertationen zu verzeichnen. Für alle Sprachen sind zahlreiche einsprachige und zweisprachige Wörterbücher vom 16. bis zum 19. Jh vorhanden, für den französischen und italienischen Bereich außerdem viele Dialektwörterbücher.

Umfang: ca. 3000 Titel (16. Jh 400, 17. Jh 400, 18. Jh 400, 19. Jh 1800 Titel). Sprachlich überwiegen Werke in Deutsch, Französisch und Italienisch.

Ingrid Rückert

Fach 25

Lingua Germanica (L.germ.) - Deutsche Sprache (einschließlich Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch)

2.46 Das Fach enthält Literatur über die deutsche Sprache auf allen Stufen ihrer historischen Entwicklung (Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Neuhochdeutsch). Es handelt sich dabei um vorwiegend sprachhistorisch orientierte Untersuchungen insbesondere zur Phonetik, Wortforschung, Grammatik und Metrik. Zahlreich vertreten ist auch Literatur zu Dialekten, zur Namenkunde, Rechtschreibung, Stilistik und Aufsatzlehre. Deutsche Wörterbücher und Grammatiken sind hier ebenfalls enthalten. Besonders zu erwähnen sind ca. 600 Schulbücher (vor allem Lesebücher und Sprachbücher) überwiegend aus dem bayerischen Raum.

Umfang: ca. 2600 Titel (16. Jh 100, 17. Jh 40, 18. Jh 460, 19. Jh 2000 Titel). Sie sind zu 90 Prozent (ca. 2300) in deutscher Sprache.

Brigitte Gullath

Fach 26

Linguae germanicae septentrionales (L.g.sept.) - Nordgermanische Sprachen

2.47 Das Fach enthält Literatur über die Sprachen und Dialekte der nordgermanischen Völker. Einen großen Anteil bilden ein- und mehrsprachige Wörterbücher. Ferner sind vorhanden: sprachhistorische Untersuchungen zur Grammatik, Syntax, Phonetik, Etymologie usw. der einzelnen Sprachen und Lehr- und Lesebücher. Aufgestellt sind zuerst allgemeine Werke über diese Sprachen und dann die einzelnen Sprachen in folgender Ordnung: Englisch, Angelsächsisch, " Belgisch" (Niederländisch und Flämisch), Dänisch (mit Norwegisch), Friesisch, Gotisch, Isländisch, Schottisch und Schwedisch.

Umfang: ca. 1100 Titel (16. Jh 5, 17. Jh 25, 18. Jh 145, 19. Jh 925 Titel). Sprachlich dominiert die deutsche Sprache (ca. 400 Titel insgesamt, davon ca. 330 im 19. Jh) gefolgt von der niederländischen und englischen (140 bzw. 200 Titel im 19. Jh). Mit ca. 300 Titeln insgesamt sind im 19. Jh die einzelnen nordischen Sprachen vertreten.

Hana Karas

Fach 27

Linguae reliquae (L.rel.) - Alle übrigen Sprachen, insbesondere indogermanische Sprachen allgemein, keltische, slawische, finnische Sprachen. Anhang: Künstliche Sprachen

2.48 Das Fach enthält im wesentlichen Lehrbücher, Wörterbücher und Abhandlungen zu Sprachen, die nicht aus dem romanischen, germanischen, griechischen oder orientalisch-asiatischen Sprachraum stammen. Es umfaßt Literatur zur vergleichenden indogermanischen Sprachwissenschaft allgemein (Werke über die Indogermanen auf rein völkerkundlich-kultureller, also nicht sprachlicher Basis stehen jedoch bei H.ant. Fach 52) sowie zu den indogermanischen Sprachgruppen bzw. Einzelsprachen: Keltische Sprachen, Baltische Sprachen, Slawische Sprachen, Albanisch (indogermanische Sprachen Asiens stehen unter L.as. Fach 14). Ferner findet man Literatur zu den finno-ugrischen Sprachen, zu den isolierten europäischen Rand- bzw. Trümmersprachen (Baskisch, Altiberisch, Etruskisch), zu den autochthonen Sprachen Afrikas (einschließlich Nordafrikas), den autochthonen (Indianer-)Sprachen Amerikas (einschließlich Eskimosprachen) und den autochthonen Sprachen Australiens und Ozeaniens und schließlich zu den " Spezialsprachen" wie z. B. die Zigeunersprache, Rotwelsch, Jiddisch und zu den künstlichen Sprachen (Volapük, Esperanto u. a.).

2.49 Neben der stark vertretenen Indogermanistik fallen die teilweise sehr frühen Titel zu so entlegenen Sprachen wie dem Baskischen und Etruskischen (ca. 50 Bde) sowie die gut ausgestattete afrikanistische und besonders die slawistische Abteilung auf. Systematisch gesammelt wurde auch die Literatur zu den Welthilfssprachen, besonders zum Volapük. Linguistische Literatur, die sich nicht auf einzelne oder mehrere Sprachen bezieht (z. B. Grammatiktheorie allgemein) ist bei L.gen. Fach 12 untergebracht.

Umfang: ca. 1800 Titel. Die Bestände dieses Faches setzen erst ab dem 18. Jh in quantitativ nennenswerter Form ein. Die größte Gruppe bilden die deutschen Titel. Relativ stark vertreten sind die englischsprachigen (ca. 200 Titel) und im 19. Jh auch die spanischen Bücher. Für das 19. Jh fällt auch der hohe Anteil der Slavica (fast ein Drittel) ins Auge.

Thomas Jahn

Fach 28

Graphica (Graph.) - Schrift, Paläographie. Anhang: Telegraphie und Stenographie

2.50 Die Titel dieses Faches gehören zu drei Wissensgebieten, die nach heutigem Verständnis nur wenig oder gar nichts miteinander zu tun haben, nämlich Schriftwesen im eigentlichen Sinn, Stenographie und Telegraphie. Das Fach ist gegliedert in eine allgemeine Reihe, eine Gruppe für Stenographie und eine Gruppe für Telegraphie. Diese Gruppierung ist aber nicht in allen Fällen konsequent durchgehalten, d. h. vereinzelt finden sich Titel zu einem der beiden Spezialbereiche in der allgemeinen Reihe. Der Bereich Stenographie umfaßt vorzüglich, aber nicht ausschließlich, das Gabelsbergersche System und die deutsche Einheitskurzschrift.

Umfang: ca. 2400 Titel (16. Jh ca. 70; 17. Jh ca. 70; 18. Jh ca. 300; 1801-1870 ca. 550; 1871-1900 ca. 1300; undatiert ca. 100 Titel). Im Bereich Schriftwesen im eigentlichen Sinn, d. h. Paläo-, Kalli-, Krypto-, Autographie, Graphologie, Urkundenlehre, Tafelwerke sind knapp 1650 Titel vorhanden. Die gesamte Gruppe Stenographie umfaßt für den Berichtszeitraum knapp 600 Titel in folgender zeitlicher Verteilung: vor 1800 ca. 55; 1871-1900 ca. 165 Titel. Der Bereich Telegraphie (mit Draht und drahtlos, vereinzelt auch Rundfunk) enthält ca. 150 Titel in folgender zeitlicher Verteilung: bis 1870 ca. 65; 1871-1900 ca. 80; 5 Titel undatiert.

Helmut Bansa

Fach 29

Philologia (Philol.) - Philologie allgemein, klassische Philologie

2.51 Das Fach enthält in mehreren Bereichen grundlegende Literatur zum Gebiet der klassischen Altertumswissenschaft, wobei nicht immer klare Grenzen zu anderen Fächern dieser Richtung eingehalten sind. Die hauptsächlichen Schwerpunkte des Faches sind: Literatur zum Gesamtgebiet der Altertumskunde, zur Geschichte der klassischen Philologie, zum Studium der klassischen Altertumswissenschaften und zum humanistischen Bildungswesen allgemein, zur Geschichte der klassischen griechischen und lateinischen Literatur einschließlich der Sekundärliteratur über mehrere Autoren gemeinsam (solche einzelne Autoren bei A.gr.a./A.gr.b. Fächer 30-31 und A.lat.a./A.lat.b Fächer 33-34). Hinzu kommt Literatur zu den beiden klassischen Sprachen insgesamt einschließlich Metrik (solche zu den einzelnen Sprachen bei L.gr. Fach 22 und L.lat. Fach 23).

Umfang: ca. 600 Titel (16. Jh 65, 17. Jh 80, 18. Jh 85, 19. Jh 370 Titel).

Fach 30

Auctores Graeci antiqui profani poetae (A.gr.a.)

Fach 31

Auctores Graeci antiqui profani prosaici (A.gr.b.)

Fach 32

Auctores Graeci antiqui profani collecti (A.gr.c.) Griechische Dichter und Prosaiker bis 1500 samt Sekundärliteratur. Sammelwerke griechischer Schriftsteller bis 1500

2.52 Diese drei Fächer enthalten die Textausgaben der griechischen Autoren der Antike im Original und in Übersetzungen sowie die ihnen zugehörige Sekundärliteratur. Vereinzelt sind auch Autoren der byzantinischen Epoche vor allem mit älterer Literatur vertreten, ebenso sind die antiken und mittelalterlichen Erläuterungsschriften zu Autoren früherer Zeit aufgenommen. Im Fach A.gr.c. (Ausgaben von mehr als zwei Autoren, Sammelausgaben, Anthologien u. a.) ist der Bestand weitgehend nach Autorengattungen (Dramatiker, Historiker, Mythographen, Redner, Philosophen usw.) gruppiert, wodurch sich bei der zugehörigen Sekundärliteratur Überschneidungen mit den literaturgeschichtlichen Teilen des Faches Philol. - Nr. 29 ergeben. Die Ausgaben und Erläuterungsschriften der griechischen christlichen Kirchenschriftsteller sind den Fächern P.gr. Fach 178 und P.gr.c. Fach 177 zugewiesen. Die Fächer sind reich an besonders seltenen und wertvollen Ausgaben und berühmten Erzeugnissen der Druckgeschichte.

Umfang: Mit einem Gesamtbestand von ca. 12.900 Titeln stehen diese Fächer an der Spitze der altertumswissenschaftlichen Fächer, die in ihrer Gesamtheit eines der Schwerpunktgebiete der Bayerischen Staatsbibliothek bilden. Ähnlich den parallelen Fächern A.lat. Fach 33-35 läßt sich an ihnen die Entwicklung der klassischen Philologie vom Beginn des 16. bis zum Ende des 19. Jhs deutlich ablesen. Der Bestand verteilt sich auf das Fach A.gr.a. mit 2900 Titeln (16. Jh 500, 17. Jh 150, 18. Jh 350, 19. Jh 1900 Titel), das Fach A.gr.b. mit 9000 Titeln (16. Jh 4300, 17. Jh 1050, 18. Jh 650, 19. Jh 3000 Titel) und das Fach A.gr.c. mit 1000 Titeln. (16. Jh 400, 17. Jh 170, 18. Jh 130, 19. Jh 300 Titel).

Erwin Arnold

Fach 33

Auctores Latini profani antiqui poetae (A.lat.a.)

Fach 34

Auctores Latini profani antiqui prosaici (A.lat.b.)

Fach 35

Auctores Latini profani collecti (A.lat.c.) Lateinische Dichter und Prosaiker bis 600 samt Sekundärliteratur. Sammelwerke lateinischer Schriftsteller bis 600

2.53 Diese drei Fächer enthalten Ausgaben von Werken lateinischer Schriftsteller, soweit sie vor dem Jahr 600 (spätere s. P.o.lat. Fach 116) wirkten und nicht Kirchenväter (s. P.lat. Fach 180 und P.lat.c. Fach 179) waren. Die den Autoren zuzuordnende Sekundärliteratur, die entsprechend der Entwicklung der klassischen Philologie überwiegend aus dem 19. Jh stammt, ist ebenfalls Teil dieser Fächer. In allen drei Fächern dominieren Titel aus dem 16. Jh, also dem Zeitalter des Humanismus mit bemerkenswertem Aufschwung der Editionstätigkeit. Dies war auch die Zeit, zu der Herzog Albrecht V. die Bestände der Bibliothek auf diesem Gebiet aufgrund seines Sammelschwerpunkts besonders bereicherte. Der Bestand des 16. Jhs ist auch bibliophil wertvoll, wie die hohe Zahl der Editiones principes dokumentiert. Demgegenüber geht die Anzahl der Titel seit dem Dreißigjährigen Krieg bis in die Zeit nach der Französischen Revolution produktionsbedingt deutlich zurück. Ein erneutes Anwachsen der Bestände ist zur Zeit der Wiederbelebung der Altphilologie als Forschungsgegenstand im 19. Jh zu verzeichnen.

2.54 Im Bereich der Dichter (Epik, Lyrik, Dramatik einschließlich der christlichen Dichter Dracontius, Iuvencus, Prudentius und Sedulius; A.lat.a.) ist der Bestand an Ausgaben des 16. Jhs genausogroß wie der des 19. Jhs. Im Bereich der Prosaschriftsteller (A.lat.b.) ist die Anzahl von Titeln des 16. Jhs mehr als doppelt so hoch wie die des 19. Jhs; das 17. und 18. Jh treten demgegenüber zurück. Neben den großen lateinischen Prosaschriftstellern sind auch weniger bekannte Autoren bzw. Fachschriftsteller reichlich vertreten, z. B. Apicius, Charisius, Hegesippus, Solinus, ferner anonyme Werke, z. B. zahlreiche Ausgaben der Tabula Peutingeriana, und Ausgaben christlicher Schriftsteller, soweit sie nicht Kirchenväter waren, z. B. Boethius. Im einzelnen ist die Abgrenzung zwischen Dichtern und Prosaschriftstellern nicht genau durchgeführt; so stehen Ausgaben der Tragödien Senecas unter beiden Rubriken.

2.55 Das Fach mit den Sammelwerken (A.lat.c.) enthält hauptsächlich Sammelwerke im eigentlichen Sinn, Fragmentsammlungen und Anthologien, wobei ein breiter Bestand auch weniger bekannter Zusammenstellungen aus deutschen und europäischen Verlagen vorhanden ist. Ferner finden sich hier Ausgaben, in denen die Werke von mehr als einem benennbaren Autor (gegebenenfalls in Auswahl) zusammengefaßt sind. Die Ausgaben der Ende des 19. Jhs entstehenden altphilologischen Reihen, z. B. von Teubner (Leipzig), Weidmann (Berlin) sowie der Cambridge University Press, und die Collection des auteurs latins, die z. T. mit den neuen Verfahren kritischer Textedition erstellt sind, sind lückenlos vorhanden.

Umfang: über 17.000 Titel, davon: A.lat.a. 5850 Titel (16. Jh 2300, 17. Jh 630, 18. Jh 620, 19. Jh 2300 Titel), A.lat.b. 7600 Titel (16. Jh 4200, 17. Jh 850, 18. Jh 550, 19. Jh 2000 Titel) und A.lat.c. 1550 Titel (16. Jh 600, 17. Jh 320, 18. Jh 430, 19. Jh 200 Titel).

Claudia Fabian

Fach 36

Auctores orientales (A.or.) - Orientalische Schriftsteller samt Sekundärliteratur

2.56 Das Fach enthält die Literaturgeschichte des ganzen Orients von Marokko bis Japan und orientalische Schriftsteller samt Sekundärliteratur (s. a. Fächer 15-21). Im älteren Teil, der alphabetisch nach den Sprachen Asiens geordnet ist, stehen zuerst jeweils Allgemeines, dann Literaturgeschichte und Bibliographie, anschließend alphabetisch die Autoren. Am Anfang des Faches stehen allgemeine orientalistische Zeitschriften und Serien. Der Bestand ist reich an türkischen Drucken des 18. und 19. Jhs, darunter alle 17 Frühdrucke der Müteferrika-Presse, sowie persische Lithographien. Besonders zahlreich sind türkische Zeitschriften und Zeitungen des 19. Jhs vorhanden. Sehr gut vertreten sind Sanskrit-Serien des 19. Jhs. Ferner findet man etwa ein Dutzend lithographischer Drucke in verschiedenen Sprachen des Panjab, die um 1870 von Ernst Trumpp gesammelt wurden.
Umfang: ca. 5000 Titel (16. Jh 180, 17. Jh 420, 18. Jh 1400, 19. Jh 3000 Titel).

Günter Grönbold

Fach 37

Auctores Hebraici (A.hebr.) - Hebräische und jiddische Schriftsteller

2.57 Das Fach enthält jüdische Literatur in hebräischer und jiddischer Sprache sowie hebräische und jiddische Literaturgeschichte, außerdem Sekundärliteratur in den genannten Sprachen zu allen Gebieten des Judentums (in anderen Sprachen s. Jud. Fach 74). Die Schwerpunkte sind Talmud, Midrasch, Kommentare, Philosophie, Kabbalah und Geschichte (die hebräischen Bibelausgaben s. B.orient. Fach 169). Besonders erwähnenswert sind etwa 400 Drucke des 16. Jhs vor allem aus italienischen Druckereien, aber auch aus Konstantinopel und Saloniki. Wichtigstes Werk ist die erste vollständige Ausgabe des babylonischen Talmuds (Venedig 1520 ff.). Unter den etwa 500 Sulzbacher Drucken befinden sich auch die beiden Sulzbacher Talmudausgaben, der " rote" und der " schwarze Schas". An deutschen Druckorten sind noch vor allem Rödelheim, Fürth, Frankfurt a. M., Frankfurt a. d. Oder und Berlin vertreten. Außerdem sind zahlreiche Amsterdamer Drucke des 17. bis 19. Jhs vorhanden, in erster Linie Gebetbücher des sephardischen und aschkenasischen Ritus.

Umfang: ca. 2400 hebräische Titel (16. Jh 400, 17. Jh 300, 18. Jh 700, 19. Jh 1000 Titel), ferner ca. 400 jiddische Titel des 19. Jhs. Ein Katalog der jiddischen Drucke ist in Arbeit.

Paul Gerhard Dannhauer


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.